VfGH V39/2013 ua

VfGHV39/2013 ua3.12.2013

Gesetzwidrigkeit von Teilen des örtlichen Raumordnungskonzepts und des Flächenwidmungsplans der Stadtgemeinde Hall in Tirol wegen Rückwidmung einer Grundfläche in Grünland ohne dokumentierte Interessenabwägung auf der Basis konkreter Grundlagenerhebungen

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Tir RaumOG 1997 §27, §36 Abs1
Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Hall in Tirol vom 27.09.2000
"Verordnungsplan" des örtlichen Raumordnungskonzepts der Stadtgemeinde Hall in Tirol vom 06.10.1999
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
Tir RaumOG 1997 §27, §36 Abs1
Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Hall in Tirol vom 27.09.2000
"Verordnungsplan" des örtlichen Raumordnungskonzepts der Stadtgemeinde Hall in Tirol vom 06.10.1999

 

Spruch:

I. 1. Der "Verordnungsplan" des örtlichen Raumordnungskonzepts der Stadtgemeinde Hall in Tirol, beschlossen vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Hall in Tirol am 6. Oktober 1999, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. April 2000, ZVe1-546-354/22-16 vA, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 27. April 2000 bis 12. Mai 2000, war, soweit dieser für jene Fläche, die südlich der Entwicklungssignatur mit dem Zähler "F5" und nördlich der Entwicklungssignatur mit dem Zähler "M2" liegt, die Festlegung "FE" ("Freihalteflächen – Erholungsräume") traf, gesetzwidrig.

2. Der Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Hall in Tirol, beschlossen vom Gemeinderat am 27. September 2000, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 25. Jänner 2001, ZVe1-546-354/45-4 vA, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. Februar 2001 bis 16. Februar 2001, war, soweit dieser für das Grundstück südöstlich der Kreuzung Alte Landstraße – Brixnerstraße die Festlegung "SGr" ("Sonderflächen - Grünanlage") traf, gesetzwidrig.

II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl B295/2011 eine auf Art144 B‑VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die im Anlassverfahren beschwerdeführende Gesellschaft beantragte die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage für 19 Wohneinheiten und Tiefgarage auf dem Grundstück Nr "832/7" (dazu, dass dieses Grundstück im Grundbuch derzeit noch nicht existiert, sondern es sich um eine Teilfläche des Grundstücks Nr 832/3 handelt, vgl. unten), KG Hall in Tirol. Dieses Grundstück liegt südöstlich der Kreuzung Alte Landstraße – Brixnerstraße. Die im Anlassverfahren beteiligte Partei als Grundeigentümerin des Grundstücks Nr 832/3 erteilte die Zustimmung zu dieser Bauführung. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Hall in Tirol wies dieses Bauansuchen gemäß §26 Abs3 lita TBO 2001 wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan ohne weiteres Verfahren ab. Das Grundstück Nr "832/7" sei im Flächenwidmungsplan als "Sonderfläche Grünanlage" nach §43 Abs1 TROG 2006 gewidmet. Die dagegen von der beschwerdeführenden Gesellschaft erhobene Berufung wies der Stadtrat der Stadtgemeinde Hall ebenso als unbegründet ab wie die belangte Behörde die wiederum dagegen erhobene Vorstellung.

Dagegen richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung "verfassungs- und gesetzwidriger Verordnungen (insbesondere Raumordnungskonzept und Flächenwidmungsplan)" behauptet.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. März 2013 gemäß Art139 Abs1 B‑VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit

des "Verordnungsplans" des örtlichen Raumordnungskonzepts der Stadtgemeinde Hall in Tirol, beschlossen vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Hall in Tirol am 6. Oktober 1999, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. April 2000, ZVe1-546-354/22-16 vA, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 27. April 2000 bis 12. Mai 2000, soweit dieser für jene Fläche, die südlich der Entwicklungssignatur mit dem Zähler "F5" und nördlich der Entwicklungssignatur mit dem Zähler "M2" liegt, die Festlegung "FE" ("Freihalteflächen – Erholungsräume") trifft, und

des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Hall in Tirol, beschlossen von Gemeinderat am 27. September 2000, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 25. Jänner 2001, ZVe1-546-354/45-4 vA, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. Februar 2001 bis 16. Februar 2001, soweit dieser für das Grundstück südöstlich der Kreuzung Alte Landstraße – Brixnerstraße die Festlegung "SGr" ("Sonderflächen – Grünanlage") trifft,

ein.

3. Der Verfassungsgerichtshof nahm aus folgenden Gründen vorläufig an, dass die Verordnungsprüfungsverfahren zulässig sein dürften:

"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist und die belangte Behörde den im Spruch genannten Teil des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Hall in Tirol bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet hat und dass ihn daher auch der Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdeverfahren anzuwenden hätte. Auch den in Prüfung gezogenen Teil des örtlichen Raumordnungskonzeptes dürfte der Verfassungsgerichtshof – als wesentlichen Maßstab der Rechtmäßigkeit des in Prüfung gezogenen Teils des Flächenwidmungsplans – anzuwenden haben. Die in Prüfung gezogenen Teile dieser Verordnungen konnten nicht etwa durch Nennung der Grundstücksnummer des Baugrundstücks umschrieben werden, weil in den Plandarstellungen die Grundstücksnummern nicht (leserlich) eingetragen sind; daher könnte bei einer solchen Umschreibung des Prüfungsgegenstandes der Umfang einer allfälligen Aufhebung aus der Zusammenschau von planlicher Darstellung und der Aufhebungskundmachung (Art139 Abs5 B-VG) nicht festgestellt werden, sondern nur unter Heranziehung weiterer Hilfsmittel (wie zB des Grenzkatasters, vgl. zuletzt etwa VfSlg 18.413/2008)."

4. Die Bedenken, die ihn zur Einleitung der Verordnungsprüfungsverfahren bestimmt haben, legte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"Mit dem in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplan dürfte die Widmung des Grundstücks Nr 832/3 von davor 'Bauland – Mischgebiet' auf 'Sonderfläche – Grünanlage' geändert worden sein. Gemäß §36 Abs1 lita TROG 1997 sind Flächenwidmungspläne zu ändern, soweit dies auf Grund einer Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes erforderlich ist. Hier dürfte zwar keine Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes erfolgt, sondern erstmals für die Stadtgemeinde Hall in Tirol ein solches erlassen worden sein, was aber gleichermaßen als legitimer bzw. sogar zwingender Anlass einer Flächenwidmungsplanänderung anzusehen sein dürfte, wenn der Inhalt des erstmals erlassenen örtlichen Raumordnungskonzepts die Flächenwidmungsplanänderung im Sinne des §36 Abs1 lita TROG 1997 erforderlich macht. Die Festlegung 'Freihalteflächen – Erholungsräume' im 'Verordnungsplan Räumliche Entwicklung' des örtlichen Raumordnungskonzepts dürfte tatsächlich eine Änderung der vormaligen Widmung des Baugrundstücks als 'Bauland – Mischgebiet' erforderlich gemacht haben, zumal der Flächenwidmungsplan dem örtlichen Raumordnungskonzept nicht widersprechen darf (vgl. §67 Abs3 TROG 1997).

Der Verfassungsgerichtshof hat an die Rechtmäßigkeit von sogenannten 'Rückwidmungen' (genauer: an die Erlassung oder Änderung von Flächenwidmungs- oder anderen Raumordnungsplänen, durch die – wie im vorliegenden Fall – eine davor zulässige Bebauung eines bestimmten Grundstücks eingeschränkt wird) stets spezielle Anforderungen gestellt. Die grundlegendste dieser Anforderungen ist, dass eine Abwägung zwischen den für die 'Rückwidmung' sprechenden (öffentlichen) Interessen und den Interessen des Grundeigentümers angestellt worden sein muss (vgl. für die damalige Tiroler Rechtslage, die dies ebenso wenig ausdrücklich anordnete wie die hier anzuwendende, etwa VfSlg 14.141/1995). Diese Interessenabwägung samt den zugrunde liegenden, konkret auf das jeweilige Grundstück bezogenen Grundlagenerhebungen muss in den Akten betreffend das Zustandekommen des betreffenden Raumplanungsaktes dokumentiert sein (vgl. etwa VfSlg 15.853/2000, 19.083/2010). Die Abwägung hat – im Falle des Vorhandenseins übergeordneter verbindlicher raumordnungsrechtlicher Planungsakte wie hier des örtlichen Raumordnungskonzeptes – auf jener Stufe der Planungsakte stattzufinden, die die Verpflichtung zur 'Rückwidmung' zwingend vorsieht (vgl. VfSlg 19.075/2010; VfGH 9.10.2012, V29/12).

Im vorliegenden Fall dürfte die erstmalige Erlassung eines örtlichen Raumordnungskonzeptes die Rückwidmung des Baugrundstücks im Flächenwidmungsplan erzwungen haben. Deshalb dürfte bereits die Erlassung des örtlichen Raumordnungskonzeptes die Durchführung und Dokumentierung der oben beschriebenen Interessenabwägung erfordert haben. Den bisher vorgelegten Akten betreffend das Zustandekommen des örtlichen Raumordnungskonzeptes scheint eine solche Interessenabwägung aber nicht zu entnehmen zu sein. Zwar führt die beteiligte Stadtgemeinde in ihrer Äußerung aus, im Zuge der Vorbereitung der Erlassung des örtlichen Raumordnungskonzeptes seien 'sowohl unverbaute als auch verdichtete (Wohn-)Bereiche erfasst [worden], um in diesen verdichteten Wohnbereichen Freiraumflächen sichern zu können'; außerdem sei 'sowohl im Zuge der Erstellung des örtlichen Raumordnungskonzeptes im Jahr 1999 als auch im Zuge der Änderung des Flächenwidmungsplanes im Jahr 2001 eine Abwägung sämtlicher Interessen durchgeführt' worden, 'wobei letztlich das öffentliche Interesse im Hinblick auf die Sicherung von Grün- und Spielflächen und die damit verbundene Widmung des Gst 832/3 in 'Sonderfläche Grünanlage' höher bewertet wurde als das private Interesse der Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin des Gst 832/3 im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Widmung als 'Mischgebiet''. Allerdings dürften diese Vorgänge und Überlegungen in den (bisher vorgelegten) Akten überhaupt nicht bzw. nicht mit dem notwendigen konkreten Bezug auf das hier in Rede stehende Grundstück dokumentiert sein. Auch das von der beteiligten Stadtgemeinde über separate Aufforderung nachgereichte Aktenmaterial scheint an dieser vorläufigen Beurteilung nichts zu ändern.

Der Verfassungsgerichtshof hegt somit gegen den in Prüfung gezogenen Teil des örtlichen Raumordnungskonzeptes das Bedenken, dass er mangels einer dokumentierten Abwägung der für die 'Rückwidmung' sprechenden öffentlichen Interessen mit den Interessen der Grundstückseigentümer an der Beibehaltung der Baulandwidmung gesetzwidrig sein dürfte. Nach einem Wegfall des in Prüfung gezogenen Teils des örtlichen Raumordnungskonzepts dürfte – so nimmt der Verfassungsgerichtshof weiters vorläufig an – auch die vorgenommene Änderung des Flächenwidmungsplanes in Widerspruch zu §36 Abs1 lita TROG (Zulässigkeit von Flächenwidmungsplanänderungen, wenn sie auf Grund einer Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes erforderlich sind) geraten, sodass auch der Flächenwidmungsplan, soweit er für das Grundstück Nr 832/3 die Widmung 'Sonderfläche – Grünanlage' festlegt, in Prüfung zu ziehen ist. […]

Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die im Spruch genannten Verordnungsteile insgesamt das Bedenken, dass eine Rückwidmung ohne dokumentierte Abwägung der dafür sprechenden öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Grundstückseigentümers auf der Grundlage konkret auf das betreffende Grundstück bezogener Grundlagenerhebungen stattgefunden hat."

5. Die verordnungserlassende Behörde legte weitere Akten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, die Verordnungsprüfungsverfahren einzustellen, in eventu die in Prüfung stehenden Verordnungen nicht aufzuheben bzw. auszusprechen, dass sie nicht gesetzwidrig waren.

5.1. Das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen zieht die verordnungserlassende Behörde – an den Umstand anknüpfend, dass das Baugrundstück Nr "832/7" im Grundbuch derzeit (noch) nicht existiert, sondern es sich um eine Teilfläche des Grundstücks Nr 832/3 handelt – wie folgt in Zweifel:

"Anders als der Verfassungsgerichtshof geht der [...] Gemeinderat der Stadtgemeinde Hall in Tirol in Hinblick auf das Prozesserfordernis der Zulässigkeit der Beschwerde [...] davon aus, dass die Beschwerde zwar formal zulässig, aber mangels Vorliegens der Prozessvoraussetzung der Beschwer zurückzuweisen ist, sodass die Prozessvoraussetzung der materialen Zulässigkeit der Beschwerde nicht gegeben ist.

Damit ist also im vorliegenden Fall seitens des VfGH auf die Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes bzw. des Flächenwidmungsplanes jedenfalls dann nicht Bedacht zu nehmen, wenn – wie hier – von vorne herein feststeht, dass auf Basis der gesetzlichen Grundlagen, mag dies die Tiroler Bauordnung 2011 oder die Tiroler Bauordnung 2001 sein, die Erteilung einer Baubewilligung nicht in Frage kommen kann.

Eine Baubewilligung kann eben nicht erteilt werden, wenn noch nicht einmal das Baugrundstück vorliegt. 'Teilflächen' sind keine Baugrundstücke. Damit wäre – schlechterdings und in jedem Fall – das Bauansuchen immer zurückzuweisen gewesen. Es ist nicht einsichtig, warum in allen anderen Fällen jeweils die Bildung eines Baugrundstückes zwingende Voraussetzung in der Führung eines Verfahrens ist, hier aber nicht. Dabei kommt es auch nicht auf Willenserklärungen an, späterhin ein solches Grundstück einzurichten, wie es ebenso wenig darauf ankommt, ob es allenfalls den Entwurf eines Teilungsplanes gegeben hat oder nicht."

5.2. In der Sache äußert sich die verordnungserlassende Behörde wie folgt:

"Es ist richtig, dass im Jahr 2000 eine Änderung des Flächenwidmungsplanes –Grünanlage – erfolgt ist […], die aufgrund einer vorgängigen Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes zufolge Vorliegens der entsprechenden Hierarchie der 'Planungsinstrumente' erfolgt ist. Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass hier eine 'Rückwidmung' vorliegt, woran kein Zweifel bestehen kann, da zuvor eine Baulandwidmung bestand […], sodass de[n] Nucleus der Auseinandersetzung in Hinblick auf die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der gegenständlichen Widmungsmaßnahme die Frage bildet, ob die vom Verfassungsgerichtshof entwickelte Rechtsprechung in Bezug auf die Rückwidmung von Grundstücken hier ausreichend berücksichtigt worden ist oder nicht […].

Es ist wohl richtig, dass die erstmalige Erlassung des örtlichen Raumordnungskonzept[s] die Rückwidmung des Baugrundstückes im Flächenwidmungsplan erzwungen hat, sodass es auf die Frage ankommt, unter welchen Voraussetzungen das örtliche Raumordnungskonzept zustande gekommen ist.

[…] Zu dem Vorwurf einer mangelnden Grundlagenforschung ist auszuführen, dass auch der VfGH eine 'parzellenscharfe' Grundlagenforschung an sich nicht fordert. So hat der VfGH in [VfSlg 19.710/2012] ausgesprochen, dass eine Grundlagenforschung auf die konkrete Situation in den von den Planaufhebungen betroffenen Gebieten einzugehen hat. Eine derartige Überprüfung ist im vorliegenden Fall erfolgt. Die Stadtgemeinde Hall bediente sich eines Sachverständigen. Die Änderung der Sachlage wurde durch eine – auf raumordnungsfachlichem Sachverstand beruhende – Grundlagenforschung ermittelt. Daher ist also eine Aufhebung der in Rede stehenden Bestimmungen weder erforderlich noch zweckmäßig, weil sich – auch im Verlauf der Zeit – gezeigt hat, dass die grundlegenden Parameter, aus denen die angefochtenen und in Prüfung stehenden Maßnahmen der Jahres 1999/2000 Bestand haben [sic].

Die Grundlagenforschung war im vorliegenden Fall ausreichend (VfSlg 19.654/2012). In dieser Entscheidung hat der VfGH ausgeführt, dass

- die Erhebung der tatsächlichen Nutzung jedes einzelnen Grundstückes in der Stadtgemeinde erforderlich sei

- der Flächenwidmungsplan aufgrund einer gesamthaften Darstellung des Bestandes erlassen werden könne

- darüber hinausgehende, in die Planung mit einzubeziehende Umstände aber nicht in jedem einzelnen Fall 'zu berücksichtigen' wären […].

Ebenso hat der VfGH in seiner ständigen Judikatur ausgesprochen, dass letztlich nur das Fehlen jeder nachprüfbaren und im Gesetz incident vorgesehenen Grundlagenforschung zu einer Aufhebung führen müsste. Wenn man nämlich – wie im vorliegenden Fall – eine Grundlagenforschung vornahm und vornimmt, ist Folgendes auszuführen:

a) Die Grundlagenforschung muss sich auf jene Parameter beziehen, die das Gesetz ausdrücklich als solches vorsieht.

b) Das heißt, von der tatsächlichen und rechtlichen Bestandsaufnahme ausgehen, sohin

c) auf dieser Basis die zur Beurteilung der erforderlichen Grundlagen schaffen [sic!],

d) wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist.

In der Schaffung eines 'Grüngürtels' wurde, unter Abwägung der konkreten raumordnerischen Interessen nach Maßgabe der Raumordnungsziele der Gemeinde letztlich eine vernünftige Nutzung gesehen, und zwar aus folgenden Gründen:

- zur Vermeidung von Nutzungskonflikten (heranrückende Wohnbebauung, Tischlereibetrieb *******)

- zur Sicherung des Bedarfes der Wohnbevölkerung und

- an ausreichenden zusammenhängenden Erholungs- und Grünflächen

- im Rahmen der Vorsorgung für eine bestimmte Nutzung der jeweiligen Flächen im Gemeindegebiet

- unter Berücksichtigung der Vermeidung künftiger 'Streitigkeiten' aus der Kollisionslage Gewerbegebietsnutzung Tischlereigebietsnutzung Wohngebiet.

Die Parameter, die in Hinblick auf die hier vorliegende Maßnahme herangezogen worden sind, entsprechen daher jedenfalls dem, was seitens des VfGH als Grundlagenforschung bezeichnet wird.

[…] Soweit der VfGH ins Treffen führt, dass er Bedenken dahingehend hege, dass eine ausreichende Interessenabwägung nicht vorgenommen worden sei, ist dem zu entgegnen, dass die bestimmungsgemäße Verwendung der Grundflächen in der Gemeinde im Rahmen der Handhabung der Interessen der örtlichen Raumordnung grundsätzlich eine Aufgabe ist, die von der Gemeinde wahrzunehmen ist und eine Aufgabe ist, die sich vor allem an öffentlichen Interessen zu orientieren hat, denen gegenüber die privaten Interessen zwar keineswegs völlig zurücktreten, nur aber im Rahmen der entsprechenden Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. Die vorgenommene Rückwidmung stand im vorliegenden Fall unter den bereits auf der Ebene der Grundlagenforschung genannten Argumenten. Demgegenüber wurden keine ausreichenden Argumente für eine Aufrechterhaltung der Widmung mangels Bedarfs, konkreten, ausgewogenen Projekts und ausreichender Vermeidung von Nutzungskonflikten sowie in Hinblick auf die demografische Entwicklung der Bevölkerung, die Erschließungslasten der Stadt und die bisherige Branche [sic] des Baulandes gesehen. Es wurde bereits in den im Vorfeld erstatteten Stellungnahmen an den VfGH gezeigt, dass in den entsprechenden Planungsprozessen eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Widmungsmaßnahmen erfolgt ist.

Zugleich gewinnt in diesem Zusammenhang der Umstand auch an Bedeutung, dass sich in dem Auflageverfahren zu der Erlassung des ÖROK auch niemand vonseiten der mitbeteiligten Partei als Liegenschaftseigentümerin an die Behörde wandte: nun gibt es zwar keine Verpflichtung, sich an einem solchen Verfahren zu beteiligen; es ist aber nicht ganz verständlich, warum dies nicht geschah. In einem solchen Falle wäre es der […] mitbeteiligten Partei ja auch frei gestanden, besondere, die Interessenabwägung betreffende Argumente in das Verfahren einzuführen; dass dies nicht erfolgt ist, mag ein Indiz dafür sein, dass solche Gründe - damals - nicht vorlagen.

[…] Eine Berücksichtigung der privaten Interessen der Widmungswerberin bzw. Antragsgegnerin hat im vorliegenden Fall stattgefunden und in die nunmehrige Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach §31 TROG auch bereits Aufnahme gefunden. Jedoch enthalten die Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes als zwingend verbindliche Verordnung der Gemeinde auch in Zukunft entsprechende Planungsgrundlagen, die eingehalten werden müssen und die aus einer entsprechenden Auseinandersetzung mit der konkreten Situation der Liegenschaft der Einschreiter hervorgehen. Es darf darauf hingewiesen werden, dass nunmehr ja eine intensive Auseinandersetzung erfolgt ist und in diesem Zusammenhang eine Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes im Rahmen dessen Fortschreibung erfolgt ist, der die Änderung des Flächenwidmungsplanes nachfolgt. Eine teilweise Baulandeignung wurde dem hier gegenständlichen Grundstück 'pro futuro' zugebilligt, wobei der Gemeinderat nun von den stark erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten des Raumordnungskonzeptes im Sinne des §31 TROG 2011 [neu] Gebrauch gemacht hat. Dennoch hat auch eine 'parzellenscharfe' Überlegung der Sach- und Rechtslage im Sinne einer genauen Abwägung der gegebenen raumordnungsfachlichen Anknüpfungspunkte auf Grundlage sachverständiger Erledigung bei Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes nicht ergeben, dass eine unmittelbare Verpflichtung dadurch bestünde, um unverzüglich einen Baulandausweis wieder herzustellen. Dies bedeutet, bezogen auf die erstmalige Erlassung der hier gegenständlichen Maßnahme nun aber, dass, und darauf kommt es in Wahrung des öffentlichen Interesses im Rahmen der Raumordnung letztlich an, die Baulandwidmung bei Erlassung des örtlichen Raumordnungskonzeptes 2000 ebenfalls nicht aufrecht zu erhalten gewesen wäre."

6. Die Tiroler Landesregierung legte Akten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie die Einstellung der Verordnungsprüfungsverfahren beantragt, inhaltlich jedoch im Wesentlichen auf die Äußerung der verordnungserlassenden Behörde verweist.

7. Die im Anlassfall beschwerdeführende Gesellschaft erstattete eine Äußerung, in der sie insbesondere den Bedenken des Verfassungsgerichtshofs beitritt.

8. Überdies replizierten die im Anlassfall beschwerdeführende Gesellschaft und die als Eigentümerin des Baugrundstücks beteiligte Partei auf die Äußerung der verordnungserlassenden Behörde, wobei sie insbesondere ausführten:

"Die [in Prüfung gezogenen] Verordnungen sind präjudiziell für die Abweisung des Bauansuchens. Dies allein deshalb, weil mit der fehlenden Widmung die Bauabweisung begründet wurde (vgl. [VfSlg 15.851/2000]).

Insoweit die Stadt Hall in Tirol in ihrer Stellungnahme darauf verweist, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück wegen noch nicht durchgeführter Teilung kein Baugrundstück sei [...], erscheint dieses Vorbringen nicht gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, als für den Fall, dass diesbezügliche Einwände einer Baubewilligung entgegenstehen, die Verpflichtung der Behörde bestanden hätte, zu einer entsprechenden Verbesserung und Nachholung aufzufordern. Ohne ein solches Verbesserungsersuchen, welches bisher nicht ergangen ist, ist aber eine Abweisung des Bauantrages jedenfalls nicht gerechtfertigt. Dies umso mehr deshalb, weil mangels einer im Grundbuch durchgeführten Unterteilung des GSt 832/7 [Anm: gemeint wohl: Gst. 832/3] in das GSt 832/3 und das GSt 832/7 davon auszugehen gewesen wäre, dass in den Plänen jedenfalls das Baugrundstück als GSt 832/7 [gemeint wohl: Gst. 832/3] GB Hall hätte angeführt werden können und ein gebildetes Baugrundstück darstellt. […]

Das Argument, dass keine parzellenscharfe Auseinandersetzung mit einzelnen Grundstücken erforderlich ist, mag allenfalls bei positiven Widmungen und bei erstmaligen Widmungen akzeptabel sein. Bei Rückwidmungen von Baulandflächen mit erhöhtem Bestandschutz ist diese Argumentation aber nicht angebracht und widerspricht den Vorgaben der Verfassung, aber auch des TROG, insbesonders des §32 (2) TROG. […]"

9. Die verordnungserlassende Behörde replizierte darauf mit einem weiteren Schriftsatz.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Das Tiroler Raumordnungsgesetz 1997 (TROG1997), LGBl 10 idF LGBl 21/1998 (diese Fassung galt im Zeitpunkt der Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnungen) lautete auszugsweise:

"II. TEIL

Örtliche Raumordnung

1 . Ab s c h n i t t

Allgemeine Bestimmungen

§27

Aufgaben und Ziele der örtlichen Raumordnung

(1) Die örtliche Raumordnung dient der geordneten räumlichen Entwicklung der Gemeinde. Sie hat im Einklang mit den Raumordnungsprogrammen und, soweit solche nicht bestehen, unter Bedachtnahme auf die Ziele und Grundsätze der überörtlichen Raumordnung zu erfolgen. Weiters ist auf die örtlichen Raumordnungsinteressen der Nachbargemeinden, insbesondere im Bereich der gemeinsamen Grenzen, Bedacht zu nehmen.

(2) Ziele der örtlichen Raumordnung sind insbesondere:

a) [...]

i) die Erhaltung zusammenhängender Erholungsräume;

[...] .

§28

Bestandsaufnahme

(1) Die Gemeinde hat die für die örtliche Raumordnung bedeutsamen Gegebenheiten und deren voraussehbare Veränderungen zu erheben und in einer Bestandsaufnahme festzuhalten. [...]

§29

Planungsinstrumente

(1) Jede Gemeinde hat durch Verordnung ein örtliches Raumordnungskonzept, einen Flächenwidmungsplan, allgemeine Bebauungspläne und ergänzende Bebauungspläne zu erlassen. […]

(2) Das örtliche Raumordnungskonzept besteht aus Karten und Plänen samt Planzeichenerläuterung und aus ergänzenden textlichen Festlegungen. Der Flächenwidmungsplan und die Bebauungspläne bestehen aus Plänen samt Planzeichenerläuterung und aus ergänzenden textlichen Festlegungen. [...]

[…]

2. Ab s c h n i t t

Örtliches Raumordnungskonzept

§31

Inhalt

(1) Im örtlichen Raumordnungskonzept sind unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme grundsätzliche Festlegungen über die geordnete räumliche Entwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung zu treffen. Jedenfalls sind festzulegen:

a) die Gebiete und Grundflächen, die insbesondere im Interesse der Ziele der örtlichen Raumordnung nach §27 Abs2 litg, h und i von einer diesen Zielen widersprechenden Bebauung oder von jeglicher Bebauung mit Ausnahme der nach §41 Abs2 und §42 im Freiland zulässigen Gebäude und sonstigen baulichen Anlagen freizuhalten sind;

[...] .

(2) Das örtliche Raumordnungskonzept ist, sofern nicht auf Grund besonderer Verhältnisse in der betreffenden Gemeinde ein kürzerer Planungszeitraum zweckmäßiger ist, jeweils auf einen Planungszeitraum von zehn Jahren auszurichten und fortzuschreiben. [...]

3. Ab s c h n i t t

Flächenwidmungsplan

§35

Inhalt

(1) Im Flächenwidmungsplan ist unbeschadet der Planungskompetenzen des Bundes und des Landes unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme für alle Grundflächen des Gemeindegebietes der Verwendungszweck durch die Widmung als Bauland, Freiland, Sonderflächen oder Vorbehaltsflächen festzulegen. [...]

§36

Änderung

(1) Flächenwidmungspläne sind zu ändern, soweit dies

a) auf Grund einer Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes;

b) zur Verwirklichung einer dem örtlichen Raumordnungskonzept entsprechenden weiteren räumlichen Entwicklung der Gemeinde;

c) auf Grund von Raumordnungsprogrammen oder anderen vorrangigen raumbedeutsamen Planungen oder Maßnahmen des Bundes zur Vermeidung von Planungswidersprüchen oder

d) auf Grund der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung raumbedeutsamer Planungen oder Maßnahmen des Bundes zur Vermeidung von Planungswidersprüchen oder

e) auf Grund der §§14 Abs4, 43 Abs4, 53 Abs6 und 54 Abs2

erforderlich ist.

(2) Der Flächenwidmungsplan darf geändert werden, wenn die Änderung

a) den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept nicht widerspricht und für die weitere räumliche Entwicklung der Gemeinde vorteilhaft ist;

b) einer den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept entsprechenden Abrundung von Widmungsbereichen dient;

c) eine Festlegung nach §15 Abs2 zweiter und dritter Satz zum Inhalt hat.

[...]

§43

Sonderflächen

(1) Als Sonderflächen können außer in den in diesem Gesetz besonders geregelten Fällen Grundflächen gewidmet werden, auf denen

a) Gebäude und sonstige Anlagen errichtet werden sollen, die auf Grund ihres Verwendungszweckes an einen bestimmten Standort gebunden sind oder für die ein bestimmter Standort besonders geeignet ist, wie Ausflugsgasthäuser, Schutzhütten, Campingplätze, Tankstellen, der Wildhege und der Jagdausübung dienende Gebäude, Reitställe, Gärtnereien, Dauerkleingärten, Bienenhäuser mit mehr als 20 m² Nutzfläche oder in Massivbauweise und dergleichen;

b) aus besonderen raumordnungsfachlichen Gründen nur eine bestimmte Art von Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen errichtet werden darf.

(2) Bei der Widmung von Sonderflächen ist der jeweilige besondere Verwendungszweck genau festzulegen. Auf Sonderflächen dürfen nur Gebäude und sonstige Anlagen, die dem festgelegten Verwendungszweck entsprechen, samt den dazugehörenden Nebenanlagen errichtet werden. [...]

(3) Als Sonderflächen dürfen nur Grundflächen gewidmet werden, die sich unter Bedachtnahme auf §37 Abs1 und 2 nach ihrer Lage und Beschaffenheit für eine dem festgelegten Verwendungszweck entsprechende Bebauung eignen.

(4) Wird auf einer als Sonderfläche nach Abs1 lita gewidmeten Grundfläche nicht innerhalb von drei Jahren nach dem Inkrafttreten der Widmung mit der Ausführung eines dem festgelegten Verwendungszweck entsprechenden Bauvorhabens begonnen, so hat die Gemeinde die Widmung als Sonderfläche aufzuheben. [...]

[...]

§65

Verfahren zur Erlassung und Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes und zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes

(1) Der Entwurf des örtlichen Raumordnungskonzeptes oder über die Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes und der Entwurf des Flächenwidmungsplanes sind auf Grund eines Beschlusses des Gemeinderates zur allgemeinen Einsicht im Gemeindeamt während vier Wochen aufzulegen. In Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern nach dem zuletzt kundgemachten endgültigen Ergebnis der Volkszählung hat der Auflegung überdies eine Verlautbarung in einem täglich landesweit erscheinenden periodischen Druckwerk vorauszugehen. Die Auflegung ist weiters durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde während der gesamten Auflegungsfrist kundzumachen. Die Verlautbarung und die Kundmachung haben die Auflegungsfrist und den Hinweis zu enthalten, daß Personen, die in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben, und Rechtsträgern, die in der Gemeinde eine Liegenschaft oder einen Betrieb besitzen, das Recht zusteht, bis spätestens eine Woche nach dem Ablauf der Auflegungsfrist eine schriftliche Stellungnahme zum Entwurf abzugeben.

(2) Im Verfahren zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes sind die Eigentümer der vom Entwurf umfaßten Grundstücke von der Auflegung nach Abs1 schriftlich zu verständigen. Die Verständigung von Grundeigentümern, deren Aufenthalt nicht oder nur schwer feststellbar ist, kann jedoch unterbleiben. Bei Wohnungsanlagen, für die ein gemeinsamer Verwalter bestellt ist, kann die Verständigung an diesen erfolgen. In der Verständigung ist auf die Auflegungs- und Stellungnahmefrist hinzuweisen. Mängel bei der Verständigung der Grundeigentümer berühren die Rechtmäßigkeit des Verfahrens nicht.

(3) Der Auflegung des Entwurfes hat weiters eine Verständigung der Nachbargemeinden vorauszugehen. Jeder Nachbargemeinde steht das Recht zu, bis spätestens eine Woche nach dem Ablauf der Auflegungsfrist zur Frage Stellung zu nehmen, ob der Entwurf auf ihre örtlichen Raumordnungsinteressen ausreichend Bedacht nimmt.

(4) Wird der Entwurf nach seiner Auflegung geändert, so ist dieser neuerlich entsprechend den Abs1, 2 und 3 aufzulegen. Dabei kann die Auflegungsfrist auf zwei Wochen herabgesetzt werden. Die Verständigung der Nachbargemeinden kann unterbleiben, wenn ihre örtlichen Raumordnungsinteressen durch die Änderungen nicht berührt werden.

(5) Der Bürgermeister hat nach dem Abschluß des Verfahrens nach den Abs1 bis 4 den Entwurf zusammen mit den eingelangten Stellungnahmen und den maßgebenden Entscheidungsgrundlagen dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen.

[...]

§67

Aufsichtsbehördliche Genehmigung

(1) Das örtliche Raumordnungskonzept, die Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes und der Flächenwidmungsplan sind nach der Beschlußfassung des Gemeinderates unter Anschluß der im Verfahren eingelangten Stellungnahmen, der maßgebenden Entscheidungsgrundlagen und der Niederschrift über die Beschlußfassung in dreifacher Ausfertigung der Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vorzulegen. Im Falle der Erstellung des betreffenden Planungsinstrumentes in zeichnerischer Form sind den Unterlagen weiters Mutterpausen der verwendeten Zeichenträger anzuschließen. Im Falle der Erstellung des betreffenden Planungsinstrumentes in digitaler Form ist den Unterlagen statt dessen ein Datenträger mit den entsprechenden Inhalten anzuschließen. Erfolgt die Vorlage nicht vollständig, so hat die Landesregierung die Gemeinde unter Setzung einer angemessenen Nachfrist aufzufordern, die fehlenden Unterlagen nachzureichen.

(2) Dem örtlichen Raumordnungskonzept oder dem fortgeschriebenen örtlichen Raumordnungskonzept ist die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu versagen, wenn es

a) Raumordnungsprogrammen oder anderen vorrangigen raumbedeutsamen Planungen oder Maßnahmen des Landes widerspricht oder sonst eine im überörtlichen Raumordnungsinteresse des Landes gelegene Entwicklung der Gemeinde verhindert oder erschwert;

b) raumbedeutsame Planungen oder Maßnahmen des Bundes im Rahmen der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Berücksichtigung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt;

c) wesentliche örtliche Raumordnungsinteressen von Nachbargemeinden beeinträchtigt;

d) den Zielen eines anhängigen Zusammenlegungsverfahrens nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996, LGBl Nr 74, in der jeweils geltenden Fassung widerspricht;

e) nicht geeignet ist, eine geordnete räumliche Entwicklung der Gemeinde im Sinne der Ziele der örtlichen Raumordnung sicherzustellen;

f) eine räumliche Entwicklung vorsieht, die zu einer unvertretbar hohen finanziellen Belastung der Gemeinde führen und damit die Erfüllung ihrer gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen in Frage stellen würde, oder

g) Festlegungen enthält, die auf andere Weise vorrangige überörtliche Interessen beeinträchtigen.

(3) Dem Flächenwidmungsplan ist die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu versagen, wenn er im Widerspruch zum örtlichen Raumordnungskonzept steht oder wenn sonst ein Versagungsgrund nach Abs2 vorliegt. [...]

(4) Die Entscheidung der Landesregierung über die Erteilung oder die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung hat mit schriftlichem Bescheid zu erfolgen. Der Bescheid, mit dem die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt wird, ist der Gemeinde unter Anschluß einer mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Ausfertigung, der Stadtgemeinde Innsbruck unter Anschluß zweier mit dem Genehmigungsvermerk versehener Ausfertigungen, des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes oder des betreffenden Bebauungsplanes zuzustellen. Der Genehmigungsbescheid ist unter Anschluß einer weiteren mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Ausfertigung des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes oder des betreffenden Bebauungsplanes überdies der Bezirkshauptmannschaft zu übersenden. Die Erteilung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung ist weiters im Boten für Tirol zu verlautbaren.

[...]

§68

Kundmachung

(1) Der Beschluß des Gemeinderates über die Erlassung oder Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes bzw. über die Erlassung des Flächenwidmungsplanes ist innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen der aufsichtsbehördlichen Genehmigung durch öffentlichen Anschlag während zweier Wochen kundzumachen. Der Beschluß des Gemeinderates über die Erlassung eines Bebauungsplanes ist innerhalb von zwei Wochen nach der Beschlußfassung, im Falle des §66 Abs5 dritter Satz innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Flächenwidmungsplanes, durch öffentlichen Anschlag während zweier Wochen kundzumachen. Das örtliche Raumordnungskonzept, der Flächenwidmungsplan und die Bebauungspläne treten mit dem Ablauf der Kundmachungsfrist in Kraft.

(2) Besteht in der Gemeinde ein Publikationsorgan, so ist der Beschluß des Gemeinderates überdies darin bekanntzumachen. Diese Bekanntmachung bildet keine Voraussetzung für das Inkrafttreten des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes oder des betreffenden Bebauungsplanes.

(3) Das örtliche Raumordnungskonzept, der Flächenwidmungsplan und die Bebauungspläne sind im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht während der Amtsstunden aufzulegen.

[...]

§69

Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Bebauungspläne

(1) Für das Verfahren zur Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Bebauungspläne gelten die §§65 bis 68 sinngemäß mit der Maßgabe, daß

a) der Gemeinderat anläßlich der in den §§65 Abs1 erster Satz und 66 Abs1 erster Satz vorgesehenen Beschlußfassung über die Auflegung des Entwurfes gleichzeitig den Beschluß über die dem Entwurf entsprechende Änderung fassen kann; dieser Beschluß wird jedoch nur rechtswirksam, wenn innerhalb der Auflegungsfrist keine Stellungnahme zum Entwurf von einer hiezu berechtigten Person oder Stelle abgegeben wurde;

b) die im §65 Abs1 zweiter Satz vorgesehene Verlautbarung der Auflegung unterbleiben kann;

c) die im §65 Abs3 vorgesehene Verständigung der Nachbargemeinden unterbleiben kann, wenn die Änderung nicht Grundflächen im Bereich der Gemeindegrenzen betrifft und auch sonst die örtlichen Raumordnungsinteressen

von Nachbargemeinden nicht berührt werden.

(2) Die Auflegung der Entwürfe über die Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes und des Flächenwidmungsplanes kann gleichzeitig erfolgen. Dem Gemeinderat können weiters beide Entwürfe gleichzeitig zur Beschlussfassung vorgelegt werden. In diesem Fall kann die aufsichtsbehördliche Genehmigung für beide Verordnungen in einem erteilt werden. Anderenfalls darf die Änderung des Flächenwidmungsplanes erst nach Vorliegen der aufsichtsbehördlichen Genehmigung für die Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes aufsichtsbehördlich genehmigt werden.

(3) Wird der Änderung des Flächenwidmungsplanes die aufsichtsbehördliche Genehmigung nicht innerhalb von drei Monaten nach der vollständigen Vorlage des geänderten Planes und der sonstigen Unterlagen versagt, so gilt mit dem Ablauf dieser Frist die Genehmigung als erteilt. In den Fällen des Abs2 gilt die aufsichtsbehördliche Genehmigung erst als erteilt, wenn diese nicht innerhalb eines Monats nach Vorliegen der aufsichtsbehördlichen Genehmigung für die Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes versagt wird. Die Landesregierung hat der Gemeinde eine mit dem Genehmigungsvermerk versehene Ausfertigung der Änderung des Flächenwidmungsplanes zu übersenden.

[…]

V. TEIL

Schluß- und Übergangsbestimmungen, Inkrafttreten

[…]

§108

Örtliche Raumordnungskonzepte, bestehende Flächenwidmungspläne, anhängige Verfahren

(1) Jede Gemeinde hat bis zum 31. Dezember 1999 ein örtliches Raumordnungskonzept zu beschließen und der Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vorzulegen. Jede Gemeinde hat weiters innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des örtlichen Raumordnungskonzeptes den Flächenwidmungsplan neu zu erlassen oder den bestehenden Flächenwidmungsplan zu ändern, soweit dies zur Vermeidung von Widersprüchen zu den Zielen der örtlichen Raumordnung nach diesem Gesetz und zu den Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes erforderlich ist. [...]

[…]"

2.1. Der "Verordnungsplan Räumliche Entwicklung" des örtlichen Raumordnungskonzeptes der Stadtgemeinde Hall in Tirol in der im Spruch angeführten Fassung traf für das Grundstück Nr 832/3 die Festlegung "FE" (laut Legende "Freihalteflächen – Erholungsräume").

2.2. §3 des "Verordnungstextes" des örtlichen Raumordnungskonzeptes der Stadtgemeinde Hall in Tirol in der im Spruch bezeichneten Fassung lautete auszugsweise:

"§3

Sicherung von Freihalteflächen

(1) Die im Entwicklungsplan als Freiflächen ausgewiesenen Gebiete und Grundflächen sind im Interesse der Erhaltung zusammenhängender land- und forstwirtschaftlich nutzbarer Flächen, ökologisch besonders wertvoller Flächen, natürlicher und naturnaher Landschaftsteile sowie zusammenhängender Erholungsräume von einer diesen Zielen widersprechenden Bebauung freizuhalten, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt wird.

[...]

(5) In den als Erholungsflächen ausgewiesenen Flächen dürfen Sonderflächen für Anlagen und Gebäude zu Sport- und Erholungszwecken gewidmet werden, soweit das bauliche Ausmaß der erforderlichen Gebäude im Verhältnis zu der der Erholung dienenden Gesamtfläche untergeordnet bleibt.

[...]"

3. Der Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Hall in Tirol in der im Spruch bezeichneten Fassung legte für das Grundstück Nr 832/3 (in zeichnerischer Darstellung) die Widmung "SGr" (laut Legende "Sonderfläche – Grünanlage") fest.

4. Am 3. November 2010 beschloss der Gemeinderat der Stadtgemeinde Hall in Tirol die erste Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes. Diesem Beschluss erteilte die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 7. Dezember 2010, ZVe1-2-354/9-25vA, die aufsichtsbehördliche Genehmigung. Kundgemacht wurde die neue Fassung des örtlichen Raumordnungskonzepts durch Anschlag an der Amtstafel von 9. Dezember 2010 bis 27. Dezember 2010. Das örtliche Raumordnungskonzept trifft in dieser Fassung für das Grundstück Nr 832/3 nunmehr folgende Festlegung:

"Überwiegende Mischnutzung aus wohnverträglichen Gewerbebetrieben und Wohnnutzung bzw. wohnverträgliche Betriebe: Gewerblicher Nutzungsbestand (Tischlerei *******) im Umfeld angrenzender Wohnnutzungen. Zur nachhaltigen Sicherung des Betriebes sind geringfügige Erweiterungen in die nördlich anschließende Freifläche zulässig. Die Errichtung von Wohnflächen im bestehenden Freibereich der Gp. 832/3 sind [sic] dabei bei Durchführung erforderlicher Maßnahmen zur Reduktion der betrieblichen Emissionen bzw. zur Entschärfung der Nutzungskonflikte im Rahmen des Tischlereibetriebes im Ausmaß bis zur Hälfte der Fläche der Gp. 832/3 zulässig. Im Bereich der Wohnnutzung sind für den Bedarf des umgebenden Siedlungsbereichs ausreichende Grün- und Spielflächen zu sichern."

5. Am 19. Februar 2013 beschloss der Gemeinderat der Stadtgemeinde Hall in Tirol die Neuerlassung des Flächenwidmungsplanes. Diesem Beschluss erteilte die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 29. Mai 2013, ZRoBau-2-354/2/17-2013, die aufsichtsbehördliche Genehmigung. Der neuerlassene Flächenwidmungsplan wurde durch Anschlag an der Amtstafel von 20. Juni 2013 bis 8. Juli 2013 kundgemacht. Der neu erlassene Flächenwidmungsplan legt für das Grundstück Nr 832/3 wiederum die Widmung "SGr" (laut Legende "Sonderfläche – Grünanlage") fest.

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Der Verfassungsgerichtshof hält sowohl an seiner Annahme, dass die Anlassbeschwerde zulässig ist, als auch an der Annahme der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungen in der jeweils genannten Fassung fest.

Die verordnungserlassende Behörde führt einerseits den Umstand ins Treffen, dass das von der beschwerdeführenden Gesellschaft – und auch von den Baubehörden selbst – als Baugrundstück bezeichnete Grundstück Nr 832/7 in der KG Hall in Tirol mit dieser Bezeichnung nicht existiert, sondern offenbar lediglich beabsichtigt war, ein Grundstück mit dieser Bezeichnung vom Grundstück Nr 832/3 abzuteilen. Außerdem weist die verordnungserlassende Behörde darauf hin, dass mittlerweile sowohl der Flächenwidmungsplan als auch das örtliche Raumordnungskonzept geändert bzw. neu erlassen wurden. Entgegen der Ansicht der verordnungserlassenden Behörde führen diese Umstände jedoch weder zur Unzulässigkeit der Anlassbeschwerde mangels Beschwer noch zur mangelnden Präjudizialität des Flächenwidmungsplanes und des örtlichen Raumordnungskonzeptes in den in Prüfung gezogenen Fassungen. Denn ungeachtet der Fehlbezeichnung des Baugrundstücks haben die Baubehörden jedenfalls einen Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Erteilung einer Baubewilligung abgewiesen, wobei in unstrittiger Weise die im Spruch umschriebenen Teile des Flächenwidmungsplans in der genannten Fassung angewendet wurden. Mit dem bekämpften Bescheid hat die belangte Behörde die dagegen gerichtete Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft abgewiesen, wobei für die Vorstellungsbehörde die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des bei ihr bekämpften Bescheides (23. Juni 2010) maßgeblich war. Auch der Verfassungsgerichtshof hat daher den in Prüfung gezogenen Teil des Flächenwidmungsplans in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung und überdies – als wesentlichen Maßstab für die Rechtmäßigkeit des in Prüfung gezogenen Teils des Flächenwidmungsplans – den in Prüfung gezogenen Teil des örtlichen Raumordnungskonzeptes in der damaligen Fassung anzuwenden.

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten in den Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.

Mit dem in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplan wurde die Widmung des Grundstücks Nr 832/3 von davor "Bauland – Mischgebiet" auf "Sonderfläche – Grünanlage" geändert. Gemäß §36 Abs1 lita TROG 1997 sind Flächenwidmungspläne zu ändern, soweit dies auf Grund einer Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes erforderlich ist. Hier erfolgte zwar keine Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes, sondern es wurde erstmals für die Stadtgemeinde Hall in Tirol ein solches erlassen. Dies ist aber gleichermaßen als legitimer bzw. sogar zwingender Anlass einer Flächenwidmungsplanänderung anzusehen, wenn der Inhalt des erstmals erlassenen örtlichen Raumordnungskonzepts die Flächenwidmungsplanänderung im Sinne des §36 Abs1 lita TROG 1997 erforderlich macht. Die Festlegung "Freihalteflächen – Erholungsräume" im "Verordnungsplan Räumliche Entwicklung" des örtlichen Raumordnungskonzepts hat tatsächlich eine Änderung der vormaligen Widmung des Baugrundstücks als "Bauland – Mischgebiet" erforderlich gemacht, zumal der Flächenwidmungsplan dem örtlichen Raumordnungskonzept nicht widersprechen darf (vgl. §67 Abs3 TROG 1997).

Der Verfassungsgerichtshof hat an die Rechtmäßigkeit von sogenannten "Rück-widmungen" (genauer: an die Erlassung oder Änderung von Flächenwidmungs- oder anderen Raumordnungsplänen, durch die – wie im vorliegenden Fall – eine davor zulässige Bebauung eines bestimmten Grundstücks eingeschränkt wird) stets spezielle Anforderungen gestellt. Die grundlegendste dieser Anforderungen ist, dass eine Abwägung zwischen den für die "Rückwidmung" sprechenden (öf-fentlichen) Interessen und den Interessen des Grundeigentümers angestellt worden sein muss (vgl. für die damalige Tiroler Rechtslage, die dies ebenso wenig ausdrücklich anordnete wie die hier anzuwendende, etwa VfSlg 14.141/1995). Diese Interessenabwägung samt den zugrunde liegenden, konkret auf das jeweilige Grundstück bezogenen Grundlagenerhebungen muss in den Akten betreffend das Zustandekommen des betreffenden Raumplanungsaktes dokumentiert sein (vgl. etwa VfSlg 15.853/2000, 19.083/2010). Die Abwägung hat – im Falle des Vorhandenseins übergeordneter verbindlicher raumordnungsrechtlicher Planungsakte wie hier des örtlichen Raumordnungskonzeptes – auf jener Stufe der Planungsakte stattzufinden, die die Verpflichtung zur "Rückwidmung" zwingend vorsieht (vgl. VfSlg 19.075/2010, 19.686/2012).

Die verordnungserlassende Behörde teilt ausdrücklich die vorläufige Ansicht des Verfassungsgerichtshofs, dass im vorliegenden Fall bereits das erstmalig erlassene örtliche Raumordnungskonzept die Rückwidmung des Baugrundstücks im Flächenwidmungsplan erzwungen habe und dass deshalb bereits die Erlassung des örtlichen Raumordnungskonzeptes die Durchführung und Dokumentierung der oben beschriebenen Interessenabwägung auf der Basis einer entsprechenden Grundlagenforschung erfordert hätte. Um zu belegen, dass diesem Erfordernis entgegen der vorläufigen Ansicht des Verfassungsgerichtshofs Genüge getan worden sei, führt die verordnungserlassende Behörde Folgendes ins Treffen: In der Schaffung eines "Grüngürtels" sei unter Abwägung der konkreten raumordnerischen Interessen nach Maßgabe der Raumordnungsziele der Gemeinde letztlich eine vernünftige Nutzung gesehen worden, und zwar "zur Vermeidung von Nutzungskonflikten (heranrückende Wohnbebauung, Tischlereibetrieb *******), zur Sicherung des Bedarfes der Wohnbevölkerung […] an ausreichenden zusammenhängenden Erholungs- und Grünflächen, […] unter Berücksichtigung der Vermeidung künftiger Streitigkeiten aus der Kollisionslage Gewerbegebietsnutzung Tischlereigebietsnutzung Wohngebiet."

Mit dieser Äußerung im Verordnungsprüfungsverfahren gelingt es der verordnungserlassenden Behörde aber nicht, das entscheidende Bedenken des Verfassungsgerichtshofs zu widerlegen, wonach die Erhebungen der tatsächlichen Verhältnisse auf dem in Rede stehenden Grundstück und die daran geknüpften Abwägungen – wären sie auch angestellt worden – nicht in den Akten betreffend das Zustandekommen der in Prüfung stehenden Verordnungen – und zwar weder des örtlichen Raumordnungskonzeptes, noch des Flächenwidmungsplanes, obwohl auf beiden Planungsebenen jeweils parzellenscharf die Rückwidmung nur dieses einen Grundstücks erfolgte – dokumentiert wurden (dazu, dass es der Behörde, die einen Flächenwidmungsplan erlassen hat, verwehrt ist, im Verordnungsprüfungsverfahren die Grundlagenforschung und Interessenabwägung "nachzuschieben", vgl. etwa VfSlg 17.223/2004). Dass die notwendigen Erhebungen und Interessenabwägungen betreffend die Verhältnisse des rückgewidmeten Grundstücks vor Erlassung der in Prüfung stehenden Verordnungen unterlassen wurden, bestätigt auch der Umstand, dass nach dem Vorbringen der verordnungserlassenden Behörde selbst im Zuge der "ersten Fortschreibung" des örtlichen Raumordnungskonzeptes (vgl. oben Pkt. II. 4.) "[e]ine Berücksichtigung der privaten Interessen der Widmungswerberin bzw. Antragsgegnerin […] stattgefunden und in die nunmehrige Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes … auch bereits Aufnahme gefunden" habe; nunmehr sei ja eine intensive Auseinandersetzung erfolgt und dem Grundstück eine teilweise Baulandeignung "pro futuro" zugebilligt worden, wobei sich freilich nicht ergeben habe, dass "eine unmittelbare Verpflichtung […] bestünde, […] unverzüglich einen Baulandausweis wieder herzustellen." Anzumerken ist, dass weder die neue Fassung des örtlichen Raumordnungskonzeptes (vgl. oben Pkt. II. 4.) noch der neue Flächenwidmungsplan (vgl. oben Pkt. II. 5.) Gegenstand der vorliegenden Verordnungsprüfungsverfahren sind, sodass über deren Rechtmäßigkeit hier nicht zu entscheiden ist.

Die im Spruch genannten Verordnungsteile waren somit, weil eine Rückwidmung ohne dokumentierte Abwägung der dafür sprechenden öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Grundstückseigentümers auf der Grundlage konkret auf das betreffende Grundstück bezogener Grundlagenerhebungen stattgefunden hat, gesetzwidrig.

IV. Ergebnis

1. Der "Verordnungsplan" des örtlichen Raumordnungskonzepts der Stadtgemeinde Hall in Tirol in der im Spruch genannten Fassung, soweit dieser für jene Fläche, die südlich der Entwicklungssignatur mit dem Zähler "F5" und nördlich der Entwicklungssignatur mit dem Zähler "M2" liegt, die Festlegung "FE" ("Freihalteflächen – Erholungsräume") traf, und der Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Hall in Tirol in der im Spruch genannten Fassung, soweit dieser für das Grundstück südöstlich der Kreuzung Alte Landstraße – Brixnerstraße die Festlegung "SGr" ("Sonderflächen - Grünanlage") traf, verstießen somit gegen die an Rückwidmungen zu stellenden Anforderungen.

2. Sowohl das örtliche Raumordnungskonzept als auch der Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Hall in Tirol wurden mittlerweile neu erlassen (vgl. Pkt. II. 4. und 5.). Auch eine unveränderte Neuerlassung durch den Verordnungsgeber berührt – anders als eine Wiederverlautbarung – die Identität der Norm (vgl. VfSlg 16.058/2000, 17.166/2004). Im Hinblick darauf hatte der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, dass die im Spruch genannten Verordnungsteile gesetzwidrig waren.

3. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art139 Abs5 erster und zweiter Satz B‑VG und §60 Abs2 VfGG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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