VfGH V11/10

VfGHV11/108.6.2010

Gesetzwidrigkeit einer weiteren Zweitwohnsitzabgabeverordnung in Kärnten; Hinweis auf die Vorjudikatur

Normen

B-VG Art18 Abs2
Krnt ZweitwohnsitzabgabeG §7 Abs2
ZweitwohnsitzabgabeV der Marktgemeinde Paternion vom 21.03.06 §7 Abs2
B-VG Art18 Abs2
Krnt ZweitwohnsitzabgabeG §7 Abs2
ZweitwohnsitzabgabeV der Marktgemeinde Paternion vom 21.03.06 §7 Abs2

 

Spruch:

§7 Abs2 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Paternion vom 21. März 2006, Z941/2006/Eb/E, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 23. März 2006 bis 7. April 2006, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 2010 in Kraft.

Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1255/08 eine

Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin einer als Zweitwohnsitz genutzten Liegenschaft im Ortsgebiet der Marktgemeinde Paternion. Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung wurde der Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Paternion, mit dem der Beschwerdeführerin eine Zweitwohnsitzabgabe vorgeschrieben worden war, als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet.

2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §7 Abs2 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Paternion vom 21. März 2006, Z941/2006/Eb/E, mit welcher eine Abgabe von Zweitwohnsitzen ausgeschrieben wird, (in der Folge: ZweitwohnsitzabgabeV) entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom 1. Dezember 2009 ein Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet.

3. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

3.1. Das Kärntner Zweitwohnsitzabgabegesetz (in der Folge: K-ZWAG), LGBl. 84/2005, lautet (auszugsweise) wie folgt:

"§1

Ermächtigung zur Ausschreibung der Abgaben

Die Gemeinden des Landes Kärnten werden ermächtigt, durch Verordnung des Gemeinderates eine Abgabe von Zweitwohnsitzen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes auszuschreiben.

...

§7

Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe

(1) Die Abgabe ist nach der Nutzfläche der Wohnung zu bemessen. Als Nutzfläche gilt die gesamte Bodenfläche einer Wohnung gemäß §2 Z5 Kärntner Wohnbauförderungsgesetz 1997 - K-WBFG 1997, in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Die Höhe der Abgabe ist durch Verordnung des Gemeinderates festzulegen; dabei sind die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze und der Verkehrswert der Zweitwohnsitze als Maßstab heranzuziehen. Die Gemeinde darf die Höhe der Abgabe nach Gebietsteilen staffeln, wenn der Maßstab für die Höhe der Abgabe innerhalb des Gemeindegebietes erheblich differiert. Die Höhe der Abgabe darf pro Monat

a) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

bis 30 m² 10 Euro,

b) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 30 m² bis 60 m² 20 Euro,

c) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 60 m² bis 90 m² 35 Euro und

d) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 90 m² 55 Euro

nicht überschreiten.

..."

3.2. Der in Prüfung gezogene §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Marktgemeinde Paternion, welcher gemäß §8 ZweitwohnsitzabgabeV mit 1. April 2006 in Kraft getreten ist, hat folgenden Wortlaut:

"Die Höhe der Abgabe beträgt pro Monat:

a) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

bis 30 m² EUR 10,00

b) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 30 m² bis 60 m² EUR 15,00

c) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 60 m² bis 90 m² EUR 25,00

d) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche

von mehr als 90 m² EUR 40,00"

4. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss (vorläufig) davon ausgegangen, dass die Kärntner Landesregierung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Marktgemeinde Paternion angewendet hat und daher auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerden anzuwenden hätte.

Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"3.1. §7 Abs2 K-ZWAG bestimmt, dass die Höhe der Zweitwohnsitzabgabe durch Verordnung des Gemeinderates festzulegen ist, und setzt in Abhängigkeit von der Nutzfläche der Wohnung Höchstbeträge fest, wobei bei der Festlegung der Höhe der Abgabe die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze und der Verkehrswert der Zweitwohnsitze als Maßstab heranzuziehen sind.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof leitet aus §7 Abs2 K-ZWAG - wie er in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2009, V11/09, dargelegt hat - ab, dass bei der Erlassung der auf Grundlage dieser Bestimmung ergehenden Gemeindeverordnungen einerseits die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze im Verhältnis zum Durchschnitt der Kärntner Gemeinden unter Bedachtnahme auf die von den Gemeinden jeweils erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben, insbesondere der pauschalierten Ferienwohnungsabgabe, und andererseits der Verkehrswert der Zweitwohnsitze im landesweiten Vergleich zu berücksichtigen sind.

3.3. Davon ausgehend besteht das Bedenken, dass die Marktgemeinde Paternion als Verordnungsgeber die Abgabenhöhe festgesetzt hat, ohne auf die landesgesetzlich vorgegebenen Kriterien der Steuersatzbestimmung Bedacht zu nehmen:

3.3.1. Wie dem Verordnungsakt zu entnehmen ist, dürfte der Festlegung der Höhe der Zweitwohnsitzabgabe eine 'Berechnungsunterlage' zu Grunde gelegen sein, die auf die der Gemeinde durch die Gemeindestraßen, die Straßenreinigung, die öffentliche Beleuchtung, die Schneeräumung, das Zentralamt, die Feuerwehr und die Rettungsdienste erwachsenden Kosten Bezug nimmt und nach einem nicht näher erläuterten Schlüssel auf die Zweitwohnsitze in der Gemeinde umlegt. Diese Berechnungsgrundlage vermag nicht darzutun, inwieweit in der Marktgemeinde Paternion - verglichen mit dem Durchschnitt der Kärntner Gemeinden - besondere Belastungen durch Zweitwohnsitze auftreten.

3.3.2. Dem Verfassungsgerichtshof liegt weiters kein Anhaltspunkt dafür vor, dass bei Verordnungserlassung der Umstand, ob und in welcher Höhe für die Zweitwohnsitze bereits eine Ferienwohnungsabgabe erhoben wird, Berücksichtigung gefunden hätte. Er geht daher vorläufig davon aus, dass die Marktgemeinde Paternion als Verordnungsgeber bei Festsetzung der Höhe der Zweitwohnsitzabgabe nicht auf die Höhe der Ferienwohnungsabgabe Bedacht genommen hat.

3.3.3. Auch wenn der Gemeinderat in der Sitzung vom 21. März 2006 davon ausgegangen sein dürfte, dass die Verkehrswerte der Liegenschaften in der Marktgemeinde Paternion im landesweiten Vergleich nicht sehr hoch sind, vermag diese allgemein gehaltene Aussage nicht darzutun, dass eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Verkehrswerten von Zweitwohnsitzen im Gebiet der Marktgemeinde Paternion - insbesondere in Form von Erwägungen über das Niveau der Immobilienpreise im landesweiten Vergleich - stattgefunden hätte. Abgesehen davon, dass hiezu keine konkreten Belege vorgelegt werden, liegen darüber hinaus auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verkehrswert der Zweitwohnsitze im (gesamten) Gebiet der Marktgemeinde Paternion eine überdurchschnittliche Höhe - im Hinblick auf Zweitwohnsitze bis 30 m2 sogar den gesetzlich vorgesehenen Spitzenwert - erreicht.

3.3.4. Angesichts dessen geht der Verfassungsgerichtshof vorderhand davon aus, dass §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Marktgemeinde Paternion durch die Wahl der Steuersätze (dies zudem ohne weitere Differenzierung) gegen §7 Abs2 K-ZWAG verstößt, der die Berücksichtung der Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze und der Verkehrswerte der Zweitwohnsitze im landesweiten Vergleich zwingend anordnet. Auch der Umstand, dass die Marktgemeinde Paternion nur für Wohnungen bis 30 m2 den höchst möglichen Abgabenbetrag - für alle anderen Wohnungsgrößen den Abgabenbetrag im oberen Drittel der maximal zulässigen Höhe - festgelegt hat, entbindet die Marktgemeinde Paternion nicht, die in §7 Abs2 K-ZWAG enthaltenen Kriterien für die Höhe der Zweitwohnsitzabgabe einzuhalten und entsprechend darzustellen.

3.3.5. Aus dem folgt, dass die Marktgemeinde Paternion als Verordnungsgeber anscheinend nicht auf die von §7 Abs2 K-ZWAG zwingend vorgegebenen Kriterien der Steuersatzbestimmung Bedacht genommen hat.

3.4. Damit steht §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Marktgemeinde Paternion nach der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes im Widerspruch zu §7 Abs2 K-ZWAG."

5. Die Kärntner Landesregierung, die Marktgemeinde Paternion und die Beschwerdeführerin im zu B1255/08 protokollierten Verfahren haben im Verordnungsprüfungsverfahren keine Stellungnahmen abgegeben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Verordnungsprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden, unzutreffend wäre. Da auch sonst keine Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen entstanden sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht entkräftet werden:

Weder die Marktgemeinde Paternion noch die Kärntner Landesregierung sind im Verordnungsprüfungsverfahren den im Prüfungsbeschluss gefassten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegengetreten.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung, dass §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Marktgemeinde Paternion die Abgabenbeträge im oberen Drittel der nach §7 Abs2 K-ZWAG (landes)gesetzlich festgelegten Höchstbeträge - soweit Wohnungen bis 30 m² betroffen sind, sogar den Höchstbetrag - anordnet, ohne auf die in dieser Bestimmung zwingend vorgeschriebenen Kriterien der Steuersatzbestimmung (einerseits die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze im Verhältnis zum Durchschnitt der Kärntner Gemeinden unter Bedachtnahme auf die von den Gemeinden jeweils erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben, insbesondere der pauschalierten Ferienwohnungsabgabe, und andererseits der Verkehrswert der Zweitwohnsitze im landesweiten Vergleich) ausreichend Bedacht genommen zu haben (vgl. dazu VfGH 20.6.2009, V11/09; 24.2.2010, V114, 115/09). §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV steht daher im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben.

III. Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Verordnungsstelle gründet sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG. Mit der Setzung der Frist soll vermieden werden, dass die Aufhebung der - monatsweise abgerechneten - Abgabe während eines laufenden Monats in Kraft tritt.

Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z6a K-KMG.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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