VfGH B1223/09

VfGHB1223/0925.9.2010

Abweisung der Beschwerde gegen die Versagung der Anerkennung einer Bekenntnisgemeinschaft als Religionsgesellschaft im Anlassfall nach bereinigter Rechtslage; Kostenzuspruch

Normen

B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §11 Abs1 Z1, Z2
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §11 Abs1 Z1, Z2

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Bekenntnisgemeinschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Bund (Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur) ist schuldig, der beschwerdeführenden Bekenntnisgemeinschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst

und Kultur vom 25. August 2009 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Bekenntnisgemeinschaft, dieser als staatlich eingetragener religiöser Bekenntnisgemeinschaft "Bund Evangelikaler Gemeinden in Österreich" im Sinne des §2 des Gesetzes vom 20. Mai 1874, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften (im Folgenden: AnerkennungsG) iVm §11 Abs1 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (im Folgenden: BekGG) Rechtspersönlichkeit zuzuerkennen, gemäß §11 Abs1 Z1 und Z2 BekGG abgewiesen.

Die Abweisung des Antrags wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der nach §11 Abs1 Z1 BekGG erforderliche Zeitraum des Bestehens der Religionsgemeinschaft von zwanzig Jahren noch nicht verstrichen sei, da der "Bund Evangelikaler Gemeinden in Österreich" erst im Jahre 1992 als Verein gegründet worden sei, sowie dass die Voraussetzung der Mitgliederanzahl von mindestens 2 vT der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung nach §11 Abs1 Z2 BekGG nicht erfüllt werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Religionsfreiheit nach Art9 iVm Art11 und14 EMRK gerügt und die amtswegige Einleitung eines Prüfungsverfahrens hinsichtlich des §11 Abs1 Z1 und Z2 BekGG angeregt wird.

Die beschwerdeführende Bekenntnisgemeinschaft bringt insbesondere vor, dass es mit Blick auf die Schwierigkeiten, die für die Konstituierung einer Religionsgemeinschaft nach der vor zwanzig Jahren gegebenen Rechtslage bestanden, gleichheitswidrig und ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit sei, wenn §11 Abs1 Z1 BekGG dahingehend ausgelegt werde, dass die beschwerdeführende Bekenntnisgemeinschaft nicht nur zehn Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft, sondern auch weitere zehn Jahre als juristische Person bestanden haben müsse. Die belangte Behörde lasse auch das aktenkundige Vorbringen außer Acht, dass bereits vor der erstmaligen vereinsrechtlichen Zulassung der beschwerdeführenden Bekenntnisgemeinschaft im Jahre 1992 Evangelikale Gemeinden in Österreich in Form eines losen Zusammenschlusses, aber auch als einzelne Hilfsvereine existiert hätten, die Gründung auf der Grundlage des Vereinsgesetzes aber mit erheblichen Schwierigkeiten und zeitlichen Verzögerungen verbunden gewesen sei.

Bei Verneinung der Möglichkeit einer verfassungskonformen Interpretation des §11 Abs1 Z1 BekGG verstoße die Bestimmung vor dem Hintergrund des Urteils des EGMR betreffend die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas gegen die Religionsfreiheit sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es müsse genügen, wenn die Religionsgemeinschaft bereits in anderen Ländern bestehe bzw. wenn Anhänger der Religionsgemeinschaft schon länger als zehn Jahre vor Konstituierung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft gemeinsam ihren Glauben in Österreich ausübten. Bei einigen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, etwa der Altkatholischen Kirche und der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft, sei vor der Anerkennung kein Beobachtungszeitraum von zwanzig Jahren abgewartet worden.

Auch die Bestimmung des §11 Abs1 Z2 BekGG verstoße gegen die Religionsfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz, da die Voraussetzung einer Mitgliederanzahl von 2 vT der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung wesentlich zu hoch festgelegt sei und derzeit nur von wenigen Kirchen und Religionsgesellschaften erfüllt werde.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt und insbesondere Folgendes ausführt:

"Der Zeitraum zwischen dem 20-jährigen Bestehen und dem Bestand als Bekenntnisgemeinschaft durch zehn Jahre muss nicht in einer organisierten Form des Zivilrechtes zurückgelegt worden sein. Die Erläuterungen zum Gesetz beziehen sich ausschließlich auf den Zeitraum der zehn Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft. Es muss aber eine Kontinuität der Gemeinschaft gegeben sein, da ein Zweck der Norm unter anderem die Prüfung des Bestandes auf Dauer darstellt. Dies wurde im Antrag nicht behauptet und daher auch nicht durch Beweise untermauert, sondern ausschließlich auf einen Bestand seit 1992 abgestellt."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -

Beschwerde erwogen:

1. Aus Anlass des Verfahrens über die vorliegende Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 16. Juni 2010 von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §11 Abs1 Z1 BekGG ein. Mit Erkenntnis vom 25. September 2010, G58/10, G59/10, hob er in dieser Gesetzesbestimmung die Wortfolge "als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre" als verfassungswidrig auf.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung eines Gesetzes im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Da für den Verfassungsgerichtshof für den Anlassfall die Aufhebung sofort wirksam wird, hat der Verfassungsgerichtshof daher den bekämpften Bescheid so zu beurteilen, als ob im Zeitpunkt seiner Erlassung die Wortfolge "als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre" in §11 Abs1 Z1 BekGG nicht gegolten hätte.

3. Der angefochtene Bescheid stützt sich jedoch nicht nur auf §11 Abs1 Z1 BekGG, sondern auch auf die Bestimmung des §11 Abs1 Z2 BekGG, gegen die keine Bedenken ob ihrer Verfassungsmäßigkeit bestehen (VfGH 16.12.2009, B516/09). Mangels Erfüllung der in §11 Abs1 Z2 BekGG vorgesehenen Voraussetzung ist es daher auch nach der durch das Erkenntnis vom 25. September 2010, G58/10, G59/10, bereinigten Rechtslage ausgeschlossen, dass ein Rechtsanspruch auf die - auf das AnerkennungsG iVm §11 BekGG gestützte - Anerkennung als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft besteht. Demgemäß hätte die belangte Behörde auch dann zur Abweisung des Antrags gelangen müssen, wenn die aufgehobene Wortfolge in §11 Abs1 Z1 BekGG bereits zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte.

4. Die beschwerdeführende Bekenntnisgemeinschaft wurde auch nicht in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Religionsfreiheit sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, da keine verfassungsrechtlich relevanten Vollzugsfehler der belangten Behörde ersichtlich sind.

Demnach ist die beschwerdeführende Bekenntnisgemeinschaft durch den angefochtenen Bescheid weder wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten noch in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden.

III. 1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte bzw. von Rechten durch die Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die beschwerdeführende Bekenntnisgemeinschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

2. Da die Beschwerde jedoch insofern Erfolg hatte, als sie zur teilweisen Aufhebung einer im Beschwerdefall präjudiziellen Gesetzesbestimmung, nämlich der Wortfolge "als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre" in §11 Abs1 Z1 BekGG, geführt hat, ist der beschwerdeführenden Bekenntnisgemeinschaft nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 16.200/2001 mwN) der Ersatz der Kosten der Beschwerde zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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