VfGH B1553/08

VfGHB1553/0815.12.2010

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Schreiben vom 15. Juli 2008 an den Bundesminister für

Verkehr, Innovation und Technologie stellte die beschwerdeführende Partei, der "Verband konzessionierter Schiffsführerschulen Österreichs" (im Folgenden: VKSÖ), unter Berufung auf §15 des Bundesgesetzes vom 19. März 1981 über die Seeschifffahrt und über eine Änderung des Handelsgesetzbuches, des Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetzes und des Bundesgesetzes zur Erfüllung des Internationalen Übereinkommens von 1960 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See, der Regeln zur Verhütung von Zusammenstößen auf See sowie des Internationalen Freibord-Übereinkommens von 1966 (Seeschifffahrtsgesetz - im Folgenden: SeeSchFG), BGBl. 174/1981 in der Fassung BGBl. I 41/2005, folgende Anträge im Zusammenhang mit der Ausstellung von Befähigungsausweisen für Jachten:

Begründet wurden die Anträge vom VKSÖ im Wesentlichen damit, dass auch der VKSÖ alle gesetzlichen Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Ausstellung von Befähigungsausweisen für Jachten erfülle und daher den in §15 SeeSchFG genannten Institutionen gleichzuhalten wäre.

2. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wies mit Bescheid vom 22. Juli 2008 die gestellten Anträge gemäß §15 SeeSchFG und §206 Abs2 und 3 SeeSchFVO iVm §8 AVG als unbegründet ab.

Begründend wird unter anderem ausgeführt:

"Aus keiner der obzitierten Rechtsvorschriften und auch aus keiner anderen Rechtsvorschrift des österreichischen Seeschifffahrtsverwaltungsrechtes lässt sich eine Verpflichtung der Behörde zur Setzung der den gestellten Anträgen entsprechenden Verwaltungsakte oder eine Ermächtigung der Behörde zu einer diesen Anträgen entsprechenden Ermessensausübung in Folge Vorliegens eines rechtlichen Interesses ableiten. Die in §15 Abs2 SeeSchFG normierte Verpflichtung der Behörde zur Anerkennung bezieht sich ebenso wie die sich unmittelbar aus §203 Abs2 und 3 SeeSchFVO ergebende Ermächtigung ausschließlich und dezidiert auf MSVÖ und ÖSV; für die Anerkennung oder Ermächtigung anderer Organisationen geben die angeführten Bestimmungen keinerlei Raum."

3. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und beantragt wird, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

II. Aus Anlass dieser Beschwerde sind beim

Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §15 Abs2 SeeSchFG, BGBl. 174/1981 in der Fassung BGBl. I 41/2005, sowie der Gesetzmäßigkeit des §206 Abs2 und des §206 Abs3 erster Satz der SeeSchFVO, BGBl. 189/1981 in der Fassung BGBl. II 274/2004, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom 25. September 2009 von Amts wegen die Verfahren G277/09 und V108/09 zur Prüfung der Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit hinsichtlich der genannten Bestimmungen eingeleitet.

Mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2010, G277/09, V108/09, hob der Verfassungsgerichtshof §15 Abs2 SeeSchFG als verfassungswidrig und den ersten Satz des §206 Abs3 SeeSchFVO als gesetzwidrig auf. Zudem sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass §206 Abs2 SeeSchFVO gesetzwidrig war.

III. Die Beschwerde ist begründet.

Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung sowie eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass deren Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.

Die beschwerdeführende Partei wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung sowie einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.404/1985, 10.515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

IV. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche

Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-

sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-

enthalten.

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