VfGH B1824/08

VfGHB1824/082.7.2009

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde von Asylwerbern gegen ihre Überstellung von Kärnten nach Traiskirchen; Verneinung des Vorliegens eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt durch den UVS zu Unrecht aufgrund des den Betroffenen durch die Behörde vermittelten Eindrucks einer Befolgungspflicht

Normen

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art129a Abs1 Z2
VfGG §88
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art129a Abs1 Z2
VfGG §88

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 3.240,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die Beschwerdeführer, eine Familie tschetschenischer

Herkunft, sind Asylwerber, deren Asylverfahren - im Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung beim Verfassungsgerichtshof - noch beim Asylgerichtshof anhängig waren. Sie befanden sich mit Ausnahme des erst am 11. September 2007 geborenen Siebentbeschwerdeführers seit Februar 2006 nach dem Gesetz vom 4. April 2006 über Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Kärnten (Kärntner Grundversorgungsgesetz - K-GrvG), LGBl. 43, in Grundversorgung und waren seit August 2006 in einem teilorganisierten Selbstversorgerquartier in Villach untergebracht. Der Siebentbeschwerdeführer wurde ebenfalls in die Grundversorgung aufgenommen. Die Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer befanden sich in psychotherapeutischer Behandlung in Klagenfurt.

1.2. Aus dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten (UVS) ergibt sich folgender Sachverhalt:

Aus Anlass eines Vorfalls (Raufhandel) in der Nacht vom 31. Dezember 2007 auf 1. Jänner 2008 in Villach, an dem nach Erhebungen der Polizei "auch junge Tschetschenen beteiligt" gewesen sein könnten, wurde der Abteilung Flüchtlingswesen des Amtes der Kärntner Landesregierung von der Polizeiinspektion Villach im Wege der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten am 4. Jänner 2008 eine Liste mit Namen der nach damaligem Ermittlungsstand am Raufhandel beteiligten Personen übermittelt, auf der sich auch die Namen der Dritt- und Viertbeschwerdeführer befanden.

Daraufhin teilte eine Mitarbeiterin der Abteilung Flüchtlingswesen des Amtes der Kärntner Landesregierung den Beschwerdeführern mit, dass ihnen das Taschengeld nach dem Kärntner Grundversorgungsgesetz "wegen der Rauferei zu Silvester" (vorübergehend) nicht ausbezahlt werde. Sie beauftragte den Quartiergeber, den Beschwerdeführern mitzuteilen, ihre Sachen wegen der am darauf folgenden Tag geplanten Überstellung nach Traiskirchen zu packen.

Am 7. Jänner 2008 - nachdem sich der Erstbeschwerdeführer, der davon ausging, dass die Anschuldigungen gegen den Dritt- und den Viertbeschwerdeführer zu Unrecht erhoben worden seien, angesichts der bevorstehenden Verbringung an einen Psychotherapeuten und einen Rechtsanwalt gewendet und mit deren Unterstützung versucht hatte, von einer Mitarbeiterin des Flüchtlingsreferates des Amtes der Kärntner Landesregierung die Gründe für die geplante Verbringung in Erfahrung zu bringen - fuhr ein von der Kärntner Landesregierung angeforderter Bus beim Quartier der Beschwerdeführer vor. Auf Anforderung des Flüchtlingsreferates des Amtes der Kärntner Landesregierung zur "Assistenzleistung (Verkehrsregelung, Sicherheitspolizei)" befanden sich in der Nähe des Busses und des Quartiers der Beschwerdeführer zwei uniformierte Sicherheitsorgane und ein nicht uniformiertes Sicherheitsorgan. Eine Mitarbeiterin der Abteilung Flüchtlingswesen des Amtes der Kärntner Landesregierung teilte den Beschwerdeführern unter Zuhilfenahme einer Dolmetscherin mit, dass sie nach Traiskirchen überstellt werden. Die Mitarbeiterin fragte die Beschwerdeführer, ob sie freiwillig in den Bus einsteigen würden. Daraufhin sind die Beschwerdeführer in den Bus eingestiegen und sie wurden in die Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen überstellt. Dem mehrfachen Ersuchen des Erstbeschwerdeführers um eine schriftliche Bestätigung über die beschriebene Vorgangsweise wurde nicht entsprochen.

2. Gegen die Aufforderung der Organe der Kärntner Landesregierung, die Unterkunft zu verlassen, in einen Bus einzusteigen sowie die Verbringung nach Traiskirchen erhoben die Beschwerdeführer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art129a Abs1 Z2 B-VG an den UVS. Sie seien dadurch, dass sie "am 07.01.[2008] durch Verwaltungsorgane des Amtes der Kärntner Landesregierung ohne gesetzliche Grundlage zum Verlassen ihres Quartieres aufgefordert, in einen bereitgestellten Bus verfrachtet und in das Lager Traiskirchen abtransportiert wurden, in ihrem Recht auf persönliche Freiheit gem. Art5 EMRK und Art1 PersFrG" sowie in weiteren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (Art3 und 8 EMRK) verletzt worden.

3. Nach Durchführung mehrerer mündlicher Verhandlungen wurde die Beschwerde mit Bescheid des UVS vom 22. September 2008 als unzulässig zurückgewiesen.

3.1. Der Sachverhalt wird vom UVS wie folgt dargestellt:

"...

Am 1.1.2008 wurde der Polizeiinspektion Hauptplatz der Bundespolizeidirektion Villach zur Kenntnis gebracht, dass es an diesem Tag um bzw. nach Mitternacht in Villach zu einer Schlägerei gekommen sei, bei der Personen zusammengeschlagen wurden. Die Erhebungen der Polizei ergaben, dass an der Schlägerei auch junge Tschetschenen beteiligt sein könnten und wurde das Flüchtlingsreferat durch Übermittlung der Anzeige und Niederschrift der Einvernahme eines Verdächtigen am 4.1.2008 davon in Kenntnis gesetzt. Darüberhinaus wurde seitens der Polizeiinspektion Villach über die Sicherheitsdirektion Kärnten eine Liste mit Namen übermittelt, auf welcher der Dritt- und Viertbeschwerdeführer aufscheinen. Die Liste wurde von S [Mitarbeiterin der Abteilung Flüchtlingswesen des Amtes der Kärntner Landesregierung] angefordert und war mit dem Vermerk 'wie fernmündlich besprochen, übermittle ich derzeit bekannten Daten' versehen. Darüberhinaus gehende Ermittlungsergebnisse standen der belangten Behörde nicht zur Verfügung. Die nachfolgenden Verfahren ergaben jedoch, dass keiner der Beschwerdeführer an der Schlägerei beteiligt gewesen ist.

Aufgrund der Schlägerei in Villach bzw. eines entsprechenden Auftrages durch ihre Vorgesetzten begab sich am 5.1.2008 die Mitarbeiterin des Flüchtlingsreferates beim Amt der Kärntner Landesregierung G zu den Beschwerdeführern und teilte diesen mit, dass sie vorübergehend kein Taschengeld bekommen würden und zwar wegen der Rauferei zu Silvester. Am nächsten Tag (6.1.2008) hat G zufolge Auftrages den Quartiergeber der Beschwerdeführer angerufen und diesen benachrichtigt bzw. ihm aufgetragen, dass er die Beschwerdeführer benachrichtigen solle, dass diese ihre Sachen zusammenpacken, da am nächsten Tag (Montag) ein Bus kommen werde und die Beschwerdeführer nach Traiskirchen überstellt werden und die Grundversorgung gestrichen werde. Ein Grund hiefür wurde nicht genannt. Ing. S [Quartiergeber] hat sodann das ihm mitgeteilte den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht. Die Beschwerdeführer machten einen bedrückten Eindruck.

Am nächsten Tag (7.1.2008) hat S S [Erstbeschwerdeführer] in der Früh mit Prof. O, bei dem er sich in Psychotherapie befunden hat, Kontakt aufgenommen. S S war beunruhigt und verstört, da er nicht wusste, weshalb er abtransportiert werden sollte, zumal er davon ausgegangen ist, dass die Anschuldigungen gegen seine Söhne wegen der Silvesterrauferei zu Unrecht erfolgt [sind]. Prof. O hat sodann mit dem Flüchtlingsreferat Kontakt aufgenommen und wurde ihm von dort mitgeteilt, dass der Verdacht einer Beteiligung an einer Rauferei für die Söhne des S S vorliege und dass er und seine Familie aufgrund einer Weisung außer Landes gebracht werden müssen und man dagegen nichts machen könne. Prof. O kontaktierte einen Rechtsanwalt, der ihm mitteilte, dass niemand gegen seinen Willen in einen Bus einsteigen müsse. Nach Besprechung der Angelegenheit in Anwesenheit von S S wurde diesem von Prof. O mitgeteilt, dass es sich bei der Verbringung nach Traiskirchen um eine ungerechtfertigte Zwangsmaßnahme handle, ein Widerstand dagegen jedoch riskant sei und man sich körperlich nicht wehren dürfe. Mitgeteilt wurde S S auch, dass er in den Bus nicht einsteigen müsse, wenn er nicht wolle.

Am gleichen Tag (7.1.2008) ist sodann S vom

Flüchtlingsreferat samt der Dolmetscherin ... mit einem Bus beim

Quartier ... vorgefahren. Aufgrund Anforderung des

Flüchtlingsreferates um Assistenzleistung (Verkehrsregelung, Sicherheitspolizei) befanden sich im Nahebereich (u.a. zeitweise Eingang zum Quartier und beim Bus) zwei uniformierte Polizisten und ein Polizist in zivil, die von den Beschwerdeführern wahrgenommen wurden, das Quartier wurde von den Polizisten jedoch nicht betreten. Als der Bus eintraf, hatten die Beschwerdeführer bereits ihre Koffer gepackt. Die Beschwerdeführer wurden von S mittels Dolmetscher informiert, dass sie nach Traiskirchen überstellt werden und gefragt, ob sie freiwillig in den Bus einsteigen. Die Beschwerdeführer sind in den Bus eingestiegen. S S verlangte mehrmals eine schriftliche Bestätigung über die Gründe der Maßnahme und wurde eine solche jedoch von der Mitarbeiterin des Flüchtlingsreferates nicht ausgestellt und die Aussiedlung damit begründet, dass es sich um eine Weisung von ganz oben handelt. Anschließend wurden die Berufungswerber[,] nachdem ein weiteres Quartier angefahren wurde, nach Traiskirchen verbracht.

Festzuhalten ist noch, dass die Beschwerdeführer auf Grund der zuvor erlangten Informationen davon ausgegangen sind, dass für den Fall, dass sie mit dem Bus nicht mitfahren, die Grundversorgung gestrichen wird, was bedeutet, dass ihnen keine Krankenhilfe, kein Verpflegungsgeld, keine Unterbringung sowie Taschengeld mehr zukommt.

Vor dem gegenständlichen Vorfall befand sich S S in psychologischer Betreuung, die anschließend fortgesetzt wurde; A und L S [Dritt- und Viertbeschwerdeführer] befanden sich [seit] August 2007 in psychotherapeutischer Behandlung."

3.2. Aus dem wiedergegebenen Sachverhalt folgert der UVS rechtlich Folgendes:

"...

Ein faktisches Organhandeln stellt dann eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Weiters muss einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen werden. Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht. Liegt ein solcherart qualifiziertes Verhalten nicht vor, fehlt es an einer Prozessvoraussetzung und erweist sich eine Beschwerde als nicht berechtigt.

Im gegenständlichen Fall lag ein physischer Zwang oder auch die Androhung eines solchen nicht vor. Für die Beurteilung der Frage, ob im gegenständlichen Fall ein unmittelbarer Befehls- und Zwangsakt gegeben war, wird jedoch auch darauf abzustellen sein, ob trotz nicht Vorliegens eines physischen Zwanges bzw. der entsprechenden Androhung eines solchen, sich die anwesenden Beamten bzw. Verwaltungsorgane in einer Weise verhalten hatten, dass aus der Sicht eines Betroffenen - unabhängig von subjektiven Eindrücken - der Eindruck entstehen musste, es werde im Fall einer Weigerung ohne weitere Aufforderung mit physischen Zwang zur Befolgung des erteilten Befehles verhalten. Dazu ist im gegebenen Zusammenhang festzuhalten, dass dem

1. Beschwerdeführer bzw. dem Familienvater auf Grund der Rücksprache bei Prof. O bzw. einem Rechtsanwalt bekannt war, dass niemand gegen seinen Willen in eine[n] Bus einsteigen müsse. Die Beschwerdeführer hatten auf Grund der Ankündigung des Abtransportes ihre Sachen gepackt und sind auf die Frage, ob sie freiwillig in den Bus einsteigen, um nach Traiskirchen überstellt zu werden, in diesen eingestiegen und haben nicht dagegen protestiert, sondern hat der Familienvater eine Bestätigung über die Gründe des Vorgangs verlangt. Im Quartier selbst haben sich Polizeibeamte nicht aufgehalten. Aus dem Umstand, dass sich im Bereich des Ausgang[es] des Quartiers und Nahbereich des Busses zumindest zeitweise (uniformierte) Polizisten befunden haben, kann auch aus der Sicht eines Betroffenen, der sich in Österreich aufhält, nicht geschlossen werden, dass die Polizei im Falle der Weigerung in den Bus einzusteigen, Gewalt anwenden wird. Dies insbesondere auch auf Grund des Umstandes, dass sich die Polizeibeamten - abgesehen von oben beschriebener Tätigkeit - nur passiv verhalten haben und an der Amtshandlung nicht mitgewirkt haben. Darüberhinaus wird davon auszugehen sein, dass sich Polizeibeamte an die gesetzlichen Bestimmungen halten und demgemäß Zwang erst nach allfälliger Androhung desselben anwenden würden.

Bei Nichtbefolgung der Aufforderung in den Bus einzusteigen, wäre den Beschwerdeführern die Grundversorgung gestrichen worden und hätte dies bedeutet, dass sie Kost, Logis, Taschengeld und Krankenversicherung verlieren würden. Ob dies zulässig ist, ist jedoch eine Frage, die im Verfahren nach dem Kärntner Grundversorgungsgesetz zu beurteilen ist und kann auf Grund des alleinigen Umstandes, dass mit der Einstellung der Grundversorgung zu rechnen ist, nicht davon gesprochen werden, dass physischer Zwang angedroht bzw. ausgeübt wird, sodass es der vorliegenden Beschwerde an der entsprechenden Voraussetzung mangelte, weshalb die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war."

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit), auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie (hinsichtlich der Erst-, Zweit- und Viertbeschwerdeführer) des Rechtes, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird zusammengefasst ausgeführt, dass die Frage an die Beschwerdeführer, ob diese freiwillig in den Bus einsteigen, durch die Anwesenheit uniformierter Polizisten im Nahbereich des Quartiers und des Busses die "implizite Androhung eines unausgesprochenen 'ansonsten ...'" enthalte. Der bei den Beschwerdeführern "erzeugte Druck [habe] das Ausmaß eines Zwanges erreicht" und es musste bei ihnen wohl der Eindruck entstehen, "dass die Beamten im Fall einer Weigerung Zwang anwenden" würden.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat der UVS die von den nunmehrigen Beschwerdeführern erhobene Maßnahmenbeschwerde mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass der gegenständliche Vorgang (Aufforderung, das Quartier zu verlassen, und nachfolgende Verbringung mit dem Bus nach Traiskirchen) nicht als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren sei.

2. Damit ist der UVS nicht im Recht:

2.1. Vorauszuschicken ist, dass die Frage, ob die Kärntner Landesregierung berechtigt war, die Grundversorgung der beschwerdeführenden Familie ohne Erlassung eines Bescheides (vorübergehend) einzuschränken, nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist.

2.2. Voraussetzung für die Qualifizierung einer verwaltungsbehördlichen Anordnung als Akt unmittelbarer Befehlsgewalt ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein unmittelbarer Befolgungsanspruch. Das bedeutet, dass dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich eine physische Sanktion droht (vgl. zB VfSlg. 10.020/1984, 10.420/1985 und 10.662/1985). Liegt ein derartiger Befolgungsanspruch (objektiv) nicht vor, so kommt es - wie auch die belangte Behörde zutreffend ausführt - darauf an, ob aus der Sicht des Betroffenen der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. VfSlg. 10.976/1986). Dabei ist das behördliche Vorgehen in seiner Gesamtheit zu beurteilen (vgl. VfSlg. 11.656/1988).

2.3. Der vorliegende Sachverhalt - wie die Anwesenheit zweier uniformierter Sicherheitsorgane in der Nähe des bereit gestellten Busses und des Quartiers, die bloß knappe und erst am Vortag erfolgte Benachrichtigung der Beschwerdeführer von der geplanten Überstellung in die Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen im Zusammenhang mit den (im Übrigen letztlich unbegründeten) Anschuldigungen gegen den Dritt- und den Viertbeschwerdeführer - ist im Wege einer Gesamtbetrachtung, die vom UVS anzustellen war, zu beurteilen:

Unter Bedachtnahme auf den dargestellten Sachverhalt ist der Auffassung des UVS, dass die Beschwerdeführer freiwillig in den Bus eingestiegen seien und es sich somit um eine bloß zwanglose Einladung handelte, nicht zu folgen. Der Verfassungsgerichtshof ist demgegenüber der Auffassung, dass die Behörde den Beschwerdeführern den Eindruck vermittelte, dass die Anordnung, in den Bus einzusteigen - ungeachtet der (bei einer Gesamtbetrachtung: nur zum Schein gestellten) Frage nach der Freiwilligkeit - im Falle der Nichtbefolgung zwangsweise durchgesetzt und nicht etwa der behördlich angeforderte Bus wieder abgezogen werde. Gegen die Annahme der Freiwilligkeit durch den UVS spricht auch der Umstand, dass die Behörde sowohl den Termin für die Verbringung der Beschwerdeführer festgelegt als auch die Sicherheitsorgane zur Assistenzleistung angefordert hat. Dass sich die Sicherheitsorgane bloß passiv verhalten und an der Verbringung nicht mitgewirkt haben, ändert - unter den besonderen Umständen des Falles - entgegen der Ansicht des UVS nichts am Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt. Im gegebenen Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Betroffenen um Asylwerber handelt, auf die gerade die Anwesenheit von uniformierten Sicherheitsorganen den Eindruck einer Befolgungspflicht verstärkt auszulösen vermag.

2.4. Dadurch, dass die belangte Behörde das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt verneint hat, obwohl die Beschwerdeführer auf Grund eines Gesamtbildes davon ausgehen mussten, zur Duldung der gegenständlichen Amtshandlung verpflichtet zu sein, wurden diese in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht einzugehen.

III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Da die Beschwerdeführer gemeinsam durch eine Rechtsanwältin vertreten sind, war der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag, zuzusprechen (s. VfGH 26.6.1998, B259/96). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 540,-

enthalten.

2. Dem Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes war schon deshalb nicht zu entsprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (s. dazu etwa VfSlg. 17.873/2006 mwN).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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