VfGH B641/09

VfGHB641/0930.11.2009

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung einer Maßnahmenbeschwerde gegen die abfallpolizeiliche Anordnung der Räumung einer Grundfläche von gefährlichen Abfällen; willkürliche Beurteilung des Liegenschaftseigentümers als Anlageninhaber im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002; Beendigung des Mietverhältnisses zum früheren Anlagenbetreiber sowie dessen Konkurs kein ausreichender Grund für die Annahme des Übergangs der Anlageninhaberschaft

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
AbfallwirtschaftsG 2002 §62 Abs4, §74
VfGG §87 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
AbfallwirtschaftsG 2002 §62 Abs4, §74
VfGG §87 Abs2

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.620,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Partei ist Rechtsnachfolgerin von N. L., des verstorbenen Eigentümers zweier Liegenschaften in Wien, auf denen seit dem Jahr 1985 auf Grund eines Mietvertrages mit N. L. von einem näher bezeichneten Dritten eine - auch auf gefährliche Abfälle bezogene - Abfallbehandlungsanlage betrieben wurde.

2. Mit Bescheid vom 1. August 2007 hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS) die vom Liegenschaftseigentümer N. L. bzw. von seiner Rechtsnachfolgerin erhobene Maßnahmenbeschwerde gegen den gemäß §62 Abs4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (im Folgenden: AWG 2002) im Rahmen einer Ortsverhandlung am 2. August 2006 erteilten (mündlichen) Auftrag, die Liegenschaft unverzüglich von gefährlichen Abfällen zu räumen und das Areal abzusperren, als unbegründet abgewiesen.

3. Diesen Bescheid hob der Verfassungsgerichtshof (in Stattgabe der dagegen von der beschwerdeführenden Partei, der Verlassenschaft nach dem zwischenzeitig verstorbenen N. L., erhobenen Beschwerde) mit Erkenntnis vom 3. Dezember 2008, B1702/07, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz auf.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz)Bescheid des UVS vom 21. April 2009 wurde die Maßnahmenbeschwerde erneut als unbegründet abgewiesen. In der Begründung setzt sich der UVS - mit Verweis auf die Ausführungen in dem der Beschwerde im Verfahren zu B508/09 zugrunde liegenden Bescheid - mit dem im AWG 2002 verwendeten Begriff des "Anlageninhabers" auseinander und stellt im Kern wieder (nur) auf die zivilrechtlichen Regelungen über die Innehabung ab: Da nach außen ersichtlich niemand anderer die Anlage betreibe, genüge die sachenrechtliche Inhaberschaft für die Zuordnung der beschwerdeführenden Partei als Anlageninhaber. Der UVS geht erneut davon aus, dass N. L. durch das Zurückfallen des Grundstückes an ihn (mit Auflösung des Bestandvertrages) zum Inhaber (auch) der Anlage geworden ist.

Resümierend führt der UVS in rechtlicher Hinsicht wörtlich aus:

"Im ggstdl. Fall des Parallelverfahrens UVS-02/V/13/2468/2007, als auch im verfahrensggstdl. Sachverhalt ist somit die gleiche Feststellung zu treffen, dass für den Fall, dass nach außen ersichtlich niemand anderer die Anlage betreibt, die sachenrechtliche Inhaberschaft für die Zuordnung der Anlageninhaberschaft iS des AWG 2002 ausreicht. Ergänzend wurde im zitierten Parallelbescheid noch ausgeführt, dass aus zivilrechtlicher Rechtslage herrühre, dass bei Auflösung eines Bestandsvertrages mit rechtswirksamer Auflösung des Vertragsverhältnisses die Bestandssache an den Eigentümer zurückfällt und somit dieser die sachenrechtliche Gewahrsame darüber wieder erlangt. ... somit [war] den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei auch im zweiten Verfahrensgang nicht zu folgen und die Anlageninhaberschaft der beschwerdeführenden Partei auch im ggstdl. Verfahren zu bejahen, auch für den Fall, dass lediglich die Sachinhaberschaft und kein weiterer Betrieb vorgelegen hat."

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie "auf Beachtung der Bindungswirkung gemäß §87 Abs2 VfGG" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdebehauptungen mit näherer Begründung entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die vorliegende Beschwerde entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der dem hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 2009, B508/09, zugrunde liegenden Beschwerde derselben beschwerdeführenden Partei, mit der sie sich gegen einen im Zusammenhang mit einem anderen (Maßnahmenbeschwerde)Verfahren in Bezug auf dieselbe Anlage ergangenen, hinsichtlich der Frage der Anlageninhabereigenschaft des N. L. iSd §62 Abs4 AWG 2002 im Kern gleichlautend begründeten (Ersatz)Bescheid des UVS wandte.

2. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines zu B508/09 am 8. Oktober 2009 gefällten Erkenntnisses zu verweisen; aus diesem ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass die beschwerdeführende Partei durch den im zweiten Rechtsgang erlassenen (Ersatz)Bescheid abermals in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde und der Bescheid daher aufzuheben war.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-

enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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