Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
BundesvergabeG 2002 §175, §177, §191, Anhang X
PauschalgebührenV, BGBl II 324/2002 §1
BundesvergabeG 2006 §318, Anhang XIX
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
BundesvergabeG 2002 §175, §177, §191, Anhang X
PauschalgebührenV, BGBl II 324/2002 §1
BundesvergabeG 2006 §318, Anhang XIX
Spruch:
Die Wortfolge "den §§320 Abs1, 328 Abs1 und" in §318 Abs1 sowie die Wortfolge "Dienstleistungsaufträge ... 1600 €" in der letzten Zeile des Anhanges XIX jeweils des Bundesvergabegesetzes, BGBl. I Nr. 17/2006, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Diese verfassungswidrigen Wortfolgen sind auch in den am 8. Oktober 2007 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.
Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Bundesvergabeamt ist ein Verfahren anhängig, in dem ein übergangener Bieter die Nichtigerklärung der im Zuge der Vergabe eines Dienstleistungsauftrages im Oberschwellenbereich vorgenommenen Ausscheidung seines Angebotes vom 5. April 2007 einerseits und der Zuschlagsentscheidung vom 10. April 2007 andererseits beantragte sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung begehrte. Für diese drei Anträge entrichtete der Nachprüfungswerber jeweils € 1.600,--, sohin insgesamt € 4.800,--, an Pauschalgebühren an das Bundesvergabeamt.
Das Arbeitsmarktservice Steiermark als Auftraggeber des Vergabeverfahrens und Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren nahm mit Schreiben vom 23. April 2007 die Zuschlagsentscheidung und mit gleich datiertem Schreiben auch die Ausscheidensentscheidung zurück. Im Hinblick auf den allfälligen Zuspruch eines Gebührenersatzes an den übergangenen Bieter vertrat der Auftraggeber die Auffassung, dass lediglich zwei Anträge zu vergebühren gewesen seien und daher ihr selbst auch nur der Ersatz von € 3.200,-- aufzuerlegen sei.
Mit Schriftsatz vom 25. April 2007 zog der Nachprüfungswerber sämtliche Anträge - mit Ausnahme jenes auf Ersatz der Pauschalgebühren - zurück.
2. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Bundesvergabeamt gemäß §291 Abs3 Bundesvergabegesetz 2006, BGBl. I 17 (im Folgenden: BVergG 2006) iVm Art89 Abs2 B-VG den vorliegenden Antrag, die Wortfolge "den §§320 Abs1, 328 Abs1 und" in §318 Abs1 sowie die Wortfolge "Dienstleistungsaufträge ... 1600 €" in der letzten Zeile des Anhanges XIX des BVergG 2006 als verfassungswidrig aufzuheben.
Nach Wiedergabe der wesentlichen Entscheidungsgründe des Erk. vom 4. März 2006, G154/05, V118/05, VfSlg. 17.783/2006, führte das Bundesvergabeamt zur Präjudizialität aus, dass sowohl das Ausscheiden eines Angebotes als auch die Zuschlagsentscheidung eine (jeweils) gesondert anfechtbare Entscheidung iSd §2 Z16 BVergG 2006 darstellten und der Nachprüfungswerber im Anlassverfahren daher zwei Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers gemäß §320 Abs1 BVergG 2006 gestellt habe. Diese beiden Anträge sowie der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung habe der Nachprüfungswerber - nach Rücknahme der angefochtenen Entscheidungen durch den Auftraggeber - zurückgezogen, weshalb das Bundesvergabeamt gemäß §319 BVergG 2006 nunmehr zu entscheiden habe, ob der Nachprüfungswerber während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt worden sei und ihm daher ein Anspruch auf Gebührenersatz zustehe.
§318 Abs1 erster Satz BVergG 2006 entspreche im Wesentlichen dem vom Verfassungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen (teilweise) als verfassungswidrig erkannten §177 Abs1 BVergG 2002, BGBl. I 99 (im Folgenden: BVergG 2002). Der Anhang XIX des BVergG 2006 sei wortident mit Anhang X BVergG 2002. Das System der Pauschalgebühren nach dem BVergG 2006 sei nämlich im Vergleich zum BVergG 2002 unverändert geblieben. Lediglich die Verpflichtung zur zusätzlichen Entrichtung von Gebühren nach dem Gebührengesetz sowie zur neuerlichen Entrichtung einer Pauschalgebühr für jeden (weiteren) Antrag auf Verlängerung der einstweiligen Verfügung sei entfallen.
Hinsichtlich seiner Bedenken führte das Bundesvergabeamt Folgendes aus:
"Aus den oben genannten Erkenntnissen des VfGH ergibt sich, dass das im BVergG 2002 vorgesehene System der Pauschalgebühren in wesentlichen Teilen verfassungswidrig war. Für den gegenständlichen Fall erscheint es insbesondere wesentlich, dass vom Verfassungsgerichtshof gerügt wurde, dass die Festsetzung von ein und derselben Pauschalgebühr für jeden Antrag unsachlich ist, da für verschiedene Anträge, die idR entweder überhaupt keinen zusätzlichen oder zumindest keinen annähernd vergleichbaren Verfahrensaufwand der Behörde verursachten jeweils gleich hohe beträchtliche Pauschalgebühren zu entrichten sind.
Das Bundesvergabeamt kann nicht finden, dass der für die Bemessung der Gebühr maßgebliche durchschnittliche Verfahrensaufwand bei Erledigung der drei genannten und dieselbe Rechtssache betreffenden Anträge regelmäßig auch nur annähernd gleich hoch sein wird, zumal der Provisorialentscheidung nur ein summarisches Verfahren mit kurzer Entscheidungsfrist vorangeht. Weiters kommt es bei der Entscheidung über die Nichtigerklärung zweier gesondert anfechtbarer Entscheidungen zwar zu einer Multiplizierung der Gebühr jedoch nicht zu einer vergleichbaren Multiplizierung des Aufwandes, weil bei jedem weiteren Verfahrensschritt in der Regel auf vorherige Verfahrensschritte zumindest teilweise zurückgegriffen werden kann. Außerdem wurden im gegenständlichen Fall alle zu vergebührenden Anträge noch vor Erlassung eines Bescheides zurückgezogen, ohne dass dies nach der geltenden Rechtslage Einfluss auf die Höhe der zu entrichtenden Pauschalgebühren hat, was ebenfalls sachlich nicht gerechtfertigt erscheint. Die Kumulierung und Multiplizierung der (hohen) Gebühren erscheint daher unsachlich und die Effizienz des Rechtsschutzes behindernd."
3. Die Bundesregierung hat von einer meritorischen Äußerung Abstand genommen und für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen eine Frist bis 31. Jänner 2008 für deren Außerkrafttreten beantragt.
Das Arbeitsmarktservice Steiermark erstattete als Partei des Anlassverfahrens eine Äußerung, in der es dem Bundesvergabeamt hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedenken beitritt und u.a. darauf hinweist, dass der Nachprüfungswerber lediglich aus verfahrensrechtlichen Aspekten neben der Ausscheidensentscheidung auch die Zuschlagsentscheidung anfechten sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragen habe müssen. Auf Grund der - durch die Rücknahme der Ausscheidens- und Zuschlagsentscheidung bedingten - Zurückziehung sämtlicher Anträge durch den übergangenen Bieter habe das Vergabekontrollverfahren nur wenige Tage gedauert, innerhalb der sich die Tätigkeit des Bundesvergabeamtes auf die gegenseitige Verständigung der Verfahrensparteien beschränkt habe.
II. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Gemäß §318 Abs1 erster Satz BVergG 2006 hat ein übergangener Bieter für Nachprüfungsanträge (§320 Abs1), Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (§328 Abs1) und Feststellungsanträge (§331 Abs1 und 2) jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten. Für diese Anträge fallen keine Gebühren nach dem Gebührengesetz an (§318 Abs1 zweiter Satz BVergG 2006).
Nach §318 Abs3 BVergG 2006 ist die Pauschalgebühr gemäß den in Anhang XIX ausgewiesenen Sätzen bei Antragstellung zu entrichten.
Die §§318 f. sowie Anhang XIX des BVergG 2006, BGBl. I 17, lauten folgendermaßen (die aufgehobenen Wortfolgen sind hervorgehoben):
"Gebühren
§318. (1) Für Anträge gemäß den §§320 Abs1, 328 Abs1 und §331 Abs1 und 2 hat der Antragsteller jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten. Für diese Anträge und die Verfahren vor dem Bundesvergabeamt fallen keine Gebühren nach dem Gebührengesetz an.
(2) Die Höhe der Pauschalgebühr gemäß Abs1 richtet sich nach dem vom Auftraggeber durchgeführten Verfahren. Bezieht sich der Antrag lediglich auf die Vergabe eines Loses, dessen geschätzter Auftragswert den jeweiligen Schwellenwert gemäß den §§12 und 180 nicht erreicht, so ist lediglich die Pauschalgebühr für das dem Los entsprechende Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich zu entrichten.
(3) Die Pauschalgebühr ist gemäß den in Anhang XIX ausgewiesenen Sätzen bei Antragstellung zu entrichten. Bieter- und Arbeitsgemeinschaften haben die Pauschalgebühr nur einmal zu entrichten.
(4) Die Pauschalgebühren sind durch Barzahlung, durch Einzahlung mit Erlagschein, mittels Bankomatkarte oder Kreditkarte zu entrichten. Die über die Barzahlung und Einzahlung mit Erlagschein hinausgehenden zulässigen Entrichtungsarten sind durch das Bundesvergabeamt nach Maßgabe der vorhandenen technisch-organisatorischen Voraussetzungen festzulegen und entsprechend bekannt zu machen.
Gebührenersatz
§319. (1) Der vor dem Bundesvergaeamt wenn auch nur teilweise obsiegende Antragsteller hat Anspruch auf Ersatz seiner gemäß §318 entrichteten Gebühren durch den Auftraggeber. Der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz seiner gemäß §318 entrichteten Gebühren, wenn er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird.
(2) Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf einstweilige Verfügung besteht nur dann, wenn
1. dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und
2. dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag auf einstweilige Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde.
(3) Über den Gebührenersatz entscheidet das Bundesvergabeamt.
...
Anhang XIX
Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes
Direktvergaben..............................................200 €
Direkte Zuschlagserteilungen (§132 Abs3, §273 Abs3)
im Oberschwellenbereich.....................................600 €
Direkte Zuschlagserteilungen (§132 Abs3, §273 Abs3)
im Unterschwellenbereich....................................300 €
Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im
Unterschwellenbereich
Bauaufträge.................................................400 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge.........................300 €
Geistige Dienstleistungen...................................350 €
Nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung im
Unterschwellenbereich
Bauaufträge.................................................600 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge.........................350 €
Sonstige Verfahren im Unterschwellenbereich
Bauaufträge................................................2500 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge.........................800 €
Sonstige Verfahren im Oberschwellenbereich
Bauaufträge................................................5000 €
Liefer- und Dienstleistungsaufträge........................1600 €"
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Bundesvergabeamt an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Bundesvergabeamtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).
Vor dem Hintergrund seiner im Erk. VfSlg. 17.783/2006 und im Erk. vom 11. Oktober 2006, G109/06 ua., näher dargelegten Erwägungen zur Präjudizialität in vergleichbaren Fällen geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass - da im Verfahren auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind - der Antrag des Bundesvergabeamtes zulässig ist.
2. In der Sache:
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem schon erwähnten Erk.
VfSlg. 17.783/2006 die Wortfolge "und 175 Abs1" in §177 Abs1 sowie
die Wortfolge "Bauaufträge ... 2500 €" in der fünftletzten Zeile des
Anhanges X des BVergG 2002 als verfassungswidrig sowie die Wortfolge
"Bauaufträge ... 2500 €" in der fünftletzten Zeile des §1 der
Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes als gesetzwidrig erkannt. Er begründete dies wie folgt:
"2.1 Die Festsetzung einer Pauschalgebühr in gleicher Höhe für jeden der in §177 Abs1 BVergG genannten Anträge ist unsachlich:
[...]
Die Bedenken richteten sich [...] dagegen, dass die (im Anlassverfahren präjudizielle) Pauschalgebühr für Bauaufträge im Unterschwellenbereich vom Antragsteller nicht nur einmal (etwa für einen Nachprüfungsantrag gemäß §163 Abs1 BVergG), sondern in gleicher Höhe auch für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie für jeden weiteren Antrag auf Verlängerung der einstweiligen Verfügung (solche werden oft befristet gewährt und können ohne Verlängerung noch vor Entscheidung in der Hauptsache ablaufen) und weiters noch für einen allenfalls nachfolgenden Feststellungsantrag zu entrichten ist. Im Anlassfall etwa hatte der Beschwerdeführer auch den Feststellungsantrag gemäß §175 Abs1 BVergG in gleicher Höhe wie den bereits vergebührten Nachprüfungsantrag, der durch den späteren Widerruf der angefochtenen Ausschreibung durch den Auftraggeber unzulässig wurde, erneut zu vergebühren. Der Gerichtshof nahm in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig an, dass diese mehrfache Gebührenpflicht für Anträge betreffend dieselbe Vergabe in keinem auch nur annähernden Verhältnis zum jeweiligen Verfahrensaufwand, der zur Entscheidung über die Anträge erforderlich ist, steht.
Die Vergebührung eines Feststellungsantrages nach §175 Abs1 BVergG kann mit der Vergebührung eines Nachprüfungsantrages und eines Antrages auf Erlassung oder Verlängerung einer einstweiligen Verfügung kumulieren. Verstärkt kommt es zu einer Kumulierung beim Widerruf der Ausschreibung, der nicht ganz selten bei ein und derselben Auftragsvergabe mehrfach erfolgt, was dann zu mehreren Vergabekontrollverfahren und damit zu einem neuerlichen Anfallen der Pauschalgebühr führt.
Zu einer weiteren Kumulierung führt auch das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen. Der Gerichtshof teilt zwar die Ansicht der Bundesregierung, dass das System gesondert anfechtbarer Entscheidungen regelmäßig zu einer raschen Abwicklung von Rechtsschutzverfahren im Vergabewesen dient. Er folgt auch dem Argument der Bundesregierung, dass die jeweils angefochtenen Entscheidungen einen eigenen Verfahrensgegenstand betreffen, sodass im Prinzip auch eine Vergebührung jedes der Anträge an sich sachlich ist.
Der Umstand, dass Entscheidungen des Auftraggebers aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht bloß gemeinsam mit der Anfechtung der Zuschlagsentscheidung bekämpft werden können, ändert aber nichts daran, dass der Antragsteller mehrfach hohe Pauschalgebührensätze bei derselben Auftragsvergabe zu entrichten hat, ohne dass die Multiplizierung der Gebühr einer vergleichbaren Multiplizierung des Aufwandes gegenübersteht, weil bei jedem weiteren Verfahrensschritt in der Regel auf vorherige Verfahrensschritte zumindest teilweise zurückgegriffen werden kann, was sich etwa zeigt, wenn auf ein Nachprüfungsverfahren ein Feststellungsverfahren folgt. Gerade im Unterschwellenbereich stehen die kumulierten Gebühren häufig in einem groben Missverhältnis zu der erwarteten Gewinnspanne, sodass die Gebühren im Ergebnis zu einer Beeinträchtigung der Effizienz des Rechtsschutzes führen. Auch erhöht sich das Nutzenäquivalent, also das wirtschaftliche Interesse des Unternehmers an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, nicht mit der Notwendigkeit mehrfacher Antragstellung.
2.2 Die Bundesregierung versucht dieses System damit zu rechtfertigen, dass es der Hintanhaltung völlig aussichtsloser oder mutwilliger Anträge diene.
Nun ist dem Gesetzgeber an sich überlassen, ein Gebührensystem so zu gestalten, dass dem rechtspolitisch legitimen Ziel der Schaffung einer angemessenen Verfahrensbarriere Rechnung getragen wird. Dabei darf aber nicht gleichzeitig das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Effizienz des Rechtsschutzes verletzt werden.
Die Bundesregierung versucht das Bedenken ferner zu entkräften, indem sie auf die Möglichkeit eines Gebührenersatzes im Falle des Obsiegens verweist. Der Verfassungsgerichtshof bestätigt seine bereits in seinem Prüfungsbeschluss vertretene Auffassung, dass ein möglicher Gebührenersatz weder die Unsachlichkeit einer jedenfalls vorläufig zu bestreitenden (und allenfalls auch endgültig zu tragenden) Gebühr zu rechtfertigen vermag, noch die durch eine hohe Verfahrensgebühr beeinträchtigte Effektivität des Rechtsschutzes wiederherstellt. Ein verfassungswidriges Gebührensystem wird nicht dadurch verfassungsmäßig, dass die Gebühr letztlich unter Umständen von einer anderen Partei zu tragen ist.
Im Übrigen tritt der den Rechtsschutz beeinträchtigende Effekt einer Gebühr bereits mit der vorläufigen Entrichtung der hohen Gebühren ein. Jeder Bieter und Rechtsschutzwerber hat - nicht nur bei aussichtslosen oder mutwilligen Prozessführungen - ein Verfahrensrisiko zu kalkulieren. Der Erfolg eines Rechtsmittels ist fast nie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar, sodass jeder Rechtsmittelwerber das Risiko der Tragung auch der Gebühr der (allenfalls obsiegenden) Gegenpartei in Betracht zu ziehen hat. Dabei wird er das Gebührenrisiko und den möglichen Nutzen (erzielbare Gewinnspanne) gegeneinander abwägen. Gerade bei Vergaben im Unterschwellenbereich, an denen sich auch kleinere Unternehmen beteiligen, wird diese Abwägung bei sorgfältiger kaufmännischer Überlegung zum Verzicht auf einen (vielleicht durchaus aussichtsreichen) Rechtsschutz führen.
Der Umstand, dass es Fälle gibt, in denen der Antragsteller die ausgelegte Pauschalgebühr nicht ersetzt erhält, obwohl er nicht als Unterliegender anzusehen ist, verstärkt nur noch die Wirkung der Gebührenhöhe. Soweit die Bundesregierung meint, dass derartige Konstellationen nicht vorkommen, sei darauf hingewiesen, dass beim Verfassungsgerichtshof derartige Fälle anhängig sind.
Die Möglichkeit des Ersatzes einer vorläufig zu bestreitenden hohen Verfahrensgebühr verhindert also nicht deren Wirkung als Verfahrensbarriere, selbst bei aussichtsreichen Anträgen von der Inanspruchnahme des Rechtsschutzes abzuhalten.
Auch das von der Bundesregierung zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2004, 2004/04/0081, vermag ihren Prozessstandpunkt nicht zu stützen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof seine verfassungsrechtliche Beurteilung ausdrücklich aus der Sicht des zugrunde liegenden Verfahrens vorgenommen und die Existenz einer Gebührenersatzregelung lediglich als einen (für die Frage der Effizienz des Rechtsschutzes) weiteren hinzutretenden Aspekt gewürdigt, nicht aber als einzig entscheidenden Umstand gewertet.
2.3 Zum Vorbringen der Bundesregierung, dass die Einnahmen aus der Entrichtung von Pauschalgebühren den Aufwand des BVA im Jahr 2005 nur zu einem Drittel gedeckt haben, sei darauf hingewiesen, dass es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz gibt, wonach Rechtsschutz nur dann gewährt werden muss, wenn die Parteien dessen Kosten zu tragen gewillt sind. Im Gegenteil: Das gesetzgeberische Anliegen der Deckung des durchschnittlichen Verfahrensaufwandes darf jedenfalls nicht dazu führen, dass die Effektivität des Rechtsschutzes beeinträchtigt wird.
3. Die Bedenken haben sich als gerechtfertigt erwiesen. Die Kumulierung und Multiplizierung der (hohen) Gebühren ist unsachlich und behindert die Effizienz des Rechtsschutzes."
Unter Berufung auf das Erk. VfSlg. 17.783/2006 hat der Verfassungsgerichtshof ferner mit Erk. vom 11. Oktober 2006, G124/06, V44/06, ausgesprochen, dass u.a. die Wortfolge "Liefer- und Dienstleistungsaufträge ... 1600 €" in der letzten Zeile des §1 der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Gebühren für die Inanspruchnahme des Bundesvergabeamtes gesetzwidrig war.
Mit Erk. vom 11. Oktober 2006, G109,116/06, hob der Gerichtshof Wortfolgen im Wiener Vergaberechtsschutzgesetz als verfassungswidrig auf. Auch im Verfahren G35/06, V24/06, hob der Verfassungsgerichtshof mit Erk. vom 4. Oktober 2006 eine Wortfolge in §18 Abs1, den zweiten Satz in §18 Abs2 des Steiermärkischen Vergabenachprüfungsgesetzes als verfassungswidrig und den Pauschalgebührensatz für Bauaufträge im Unterschwellenbereich als gesetzwidrig auf. Mit Erk. vom 20. Juni 2007, G110/06, V37/06, erkannte der Verfassungsgerichtshof ferner Teile des Burgenländischen Vergabenachprüfungsgesetzes sowie §1 Z8 der Burgenländischen Pauschalgebührenverordnung als rechtswidrig.
Wie das Bundesvergabeamt zutreffend bemerkt, entspricht die Rechtslage des BVergG 2006 jener des BVergG 2002, deren teilweise Verfassungswidrigkeit der Gerichtshof in den oben genannten Erkenntnissen ausgesprochen hat:
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll auch das Pauschalgebührensystem des BVergG 2006 "den durchschnittlichen Aufwand der Geschäftsbehandlung abdecken"; es sei daher auch "sachlich gerechtfertigt [...], auch in diesen Fällen - in denen der Aufwand vielleicht etwas geringer ist - eine Gebührenpflicht vorzusehen" (RV 1171 BlgNR 22. GP, 136). Der im Anhang XIX des BVergG 2006 normierte Gebührensatz für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich ist auch in seiner Höhe gegenüber dem Anhang X des BVergG 2002 unverändert geblieben. Das Phänomen der vom Verfassungsgerichtshof in den oben dargestellten Erkenntnissen als unsachlich und die Effizienz des Rechtsschutzes beeinträchtigend beanstandeten Kumulierung von Gebührenpflichten für übergangene Bieter, die Rechtsschutz gegen Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber in Anspruch nehmen wollen, tritt auch nach den Bestimmungen des BVergG 2006 auf, wie der vorliegende Anlassfall veranschaulicht: Der Nachprüfungswerber hatte sowohl für seinen Antrag zur Bekämpfung der Ausscheidensentscheidung, als auch für den Antrag auf Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung und jenen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die gleich hohe Pauschalgebühr zu entrichten, ohne dass die Multiplizierung der Gebühr einer vergleichbaren Multiplizierung des Aufwandes gegenübersteht (vgl. VfSlg. 17.783/2006). Hinzu kommt, dass ein Unternehmer auch im Falle weiterer (gesondert anfechtbarer) Entscheidungen des Auftraggebers in ein und demselben Vergabeverfahren erneut zur Entrichtung der jeweils gleich hohen Pauschalgebühr verpflichtet ist.
Da die Rechtslage des BVergG 2006 im Wesentlichen jener des BVergG 2002 entspricht (vgl. idS G. Gruber, ZVB 2006, 216 [Glosse]), treffen die auf der verfassungsgerichtlichen Vorjudikatur basierenden Bedenken des Bundesvergabeamtes, denen die Bundesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren auch nicht entgegengetreten ist, zu. Die angefochtenen Bestimmungen waren daher wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz und gegen das rechtsstaatliche Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes als verfassungswidrig aufzuheben.
IV. 1. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
2. Dem Antrag der Bundesregierung, eine Frist für das Inkrafttreten der aufgehobenen Bestimmungen zu setzen, war nicht stattzugeben. Angesichts des Umstandes, dass spätestens seit dem Erk. VfSlg. 17.783/2006 legistischer Handlungsbedarf erkennbar war, war dem Interesse an der Herstellung einer dem Gebot der faktischen Effektivität des Rechtsschutzes entsprechenden Rechtslage der Vorzug zu geben (vgl. bereits Erk. vom 11. Oktober 2006, G109/06 ua.).
3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit in Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche stützt sich auf Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
4. Der Verfassungsgerichtshof sah sich des Weiteren veranlasst, von der Ermächtigung des Art140 Abs7 B-VG Gebrauch zu machen und auszusprechen, dass die aufgehobenen Wortfolgen auf die am 8. Oktober 2007 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden sind.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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