VfGH B774/04

VfGHB774/0421.6.2006

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer schloss mit seiner damaligen Ehegattin am 2. Juli 1998 durch Notariatsakt eine Vereinbarung, wonach ihm unter der Voraussetzung der rechtskräftigen Scheidung Anspruch auf einen Teil des Erbes seines verstorbenen Schwiegervaters eingeräumt wurde. Für den Fall, dass der der Ehegattin des Beschwerdeführers zukommende Betrag S 100.000.000,-- übersteigt, sah die Vereinbarung einen Höchstbetrag für den Anteil des Beschwerdeführers iHv S 20.000.000,-- vor. Aufgrund dieser Vereinbarung erhielt der Beschwerdeführer letztlich im Jahr 2003

S 600.000,-- in Form eines Sparbuches.

2. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 6. Mai 2004 wurden dem Beschwerdeführer Gebühren gem. §33 TP20 Abs1 Gebührengesetz 1957 für einen außergerichtlichen Vergleich iHv S 400.000,-- vorgeschrieben. Bei der Bemessung der Gebühren stützte sich die belangte Behörde auf §22 Gebührengesetz 1957 und legte den vereinbarten Höchstbetrag von

S 20 Mio. zu Grunde.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der der Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt. Die Beschwerde macht im Wesentlichen die Verfassungswidrigkeit des §22 Gebührengesetz 1957 geltend.

4. Der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Wien, legte innerhalb der ihm gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde beantragt.

5. Der Beschwerdeführer replizierte auf die Gegenschrift.

II. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. Oktober 2005 gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolgen "eine Leistung nicht mit einem bestimmten Betrage, wohl aber deren höchstes Ausmaß ausgedrückt oder ist" und "im ersteren Falle nach dem Höchstbetrag, im letzteren Falle" in §22 Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267, ein. Mit Erkenntnis vom 20. Juni 2006, G1/06, hob er die genannten Wortfolgen als verfassungswidrig auf.

III. Die Beschwerde ist begründet.

Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (z.B. VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

IV. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.

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