VfGH B3551/05

VfGHB3551/0529.9.2006

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhalts bei Nacherhebung von Erbschaftssteuer wegen Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Zuge eines Erbübereinkommens; Nacherhebung in diesem Fall nach dem Zweck der Begünstigung sachlich nicht gerechtfertigt; verfassungskonforme Auslegung im Sinne eines Ausschlusses von Vermögenszuteilungen zur Ermöglichung der Weiterführung eines Betriebs von der Nacherhebung geboten

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ErbStG 1955 §15 Abs1 Z17, §15a Abs5
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ErbStG 1955 §15 Abs1 Z17, §15a Abs5

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am 29. Juni 2001 ist J.A. verstorben. Im angefochtenen Bescheid wurde - insoweit übereinstimmend mit dem Beschwerdevorbringen - von Folgendem ausgegangen: Die Witwe des Verstorbenen, I.A., war durch Erbvertrag als alleinige Erbin eingesetzt, hat sich im Verlassenschaftsverfahren aber ihres Erbrechts auf Grund des Erbvertrages sowie ihres gesetzlichen Erbrechts entschlagen und ihren Pflichtteil in Höhe von 1/6 des Reinnachlasses geltend gemacht. Die Söhne der Witwe und des Verstorbenen, der Beschwerdeführer (Mag. H.A.) und sein Bruder W.A., waren auf Grund des Gesetzes zu gleichen Teilen als Erben berufen. W.A. hat sich seines gesetzlichen Erbrechtes "zur Hälfte entschlagen", sodass er "einen Anteil von einem Viertel (1/4) und sein Bruder einen Anteil von drei Viertel (3/4) des Nachlasses erhielt".

Mit einem in der Verlassenschaftsabhandlung am 6. Mai 2003 geschlossenen Übereinkommen der Erbbeteiligten über die Aufteilung und Übernahme des Nachlasses und zur Abfindung des Pflichtteilsanspruches der Witwe wurde der Nachlass aufgeteilt.

Nach dem Beschwerdevorbringen enthielt der Nachlass laut einem von den Erben in der Verlassenschaftsabhandlung abgegebenen eidesstättigen Vermögensbekenntnis Aktiva in Höhe von ATS 7.848.065,55 (€ 570.341,16). Die Nachlassaktiva bestanden aus Liegenschaftsvermögen (ATS 1.275.000,--, € 92.657,88), Spareinlagen, Konto-Guthaben, Wertpapieren (ATS 5.516.924,30, € 400.930,52) und Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften (ATS 1.056.141,--, € 76.752,76). Dem standen Nachlasspassiva in Höhe von ATS 2.667.305,65 (€ 193.840,66) gegenüber, so dass sich ein Reinnachlass von ATS 5.180.759,90 (€ 376.500,50) errechnete.

2. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass das Nachlassvermögen in dem zwischen den Erbbeteiligten geschlossenen Erbteilungsübereinkommen in der Weise aufgeteilt wurde, dass der Beschwerdeführer bestimmte (Anteile an) Liegenschaften sowie bewegliches Vermögen (Bankguthaben und Wertpapierdepots im Wert von ATS 3.263.698,93) übernahm. Die Gesellschaftsanteile des Erblassers übernahm im Wesentlichen der Bruder des Beschwerdeführers, W.A., zum geringen Teil auch - zur Abgeltung des Pflichtteils - die Mutter, I.A.

3. Die vom Beschwerdeführer zu entrichtende Erbschaftssteuer wurde in erster Instanz mit ATS 164.526,99 (€ 11.956,57) festgesetzt. In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, dass bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage die durch Erbteilungsübereinkommen zwischen den Erbbeteiligten vorgenommene Zuteilung der einzelnen Bestandteile des Nachlassvermögens zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Linz (in der Folge: UFS), seiner Berufung keine Folge und setzte die Erbschaftssteuer mit € 12.540,47 fest. Hiebei wurden die dem Beschwerdeführer entsprechend der Erbquote zufallenden Vermögenswerte einbezogen. Das Erbteilungsübereinkommen wurde nicht berücksichtigt. Der Freibetrag gemäß §15a ErbStG 1955 (für den ererbten Anteil an der A-GmbH) wurde nicht zuerkannt. Begründend wird dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer durch Abgabe der Erbserklärung zu 3/4 Erbe an dem GmbH-Anteil geworden sei, diesen jedoch durch das Erbteilungsübereinkommen weiter übertragen habe, wodurch der (begünstigungsschädliche) Tatbestand der Weiterveräußerung innerhalb der Fünfjahresfrist gegeben sei.

5. In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde gemäß Art144 B-VG macht der Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde habe zu Unrecht bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage "sämtliche Nachlasswerte ohne Berücksichtigung des Erbteilungsübereinkommens und der den Erben aufgrund dieser Aufteilung tatsächlich, entsprechend ihrer Erbquoten, zufallenden Vermögenswerte einbezogen". Der Freibetrag gemäß §15a ErbStG 1955 für den Erwerb der im Nachlass befindlichen Gesellschaftsanteile durch den Beschwerdeführer sei zu Unrecht nicht zuerkannt worden.

Die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, wonach ein im Verlassenschaftsverfahren abgeschlossenes Erbteilungsübereinkommen nicht (mehr) als Erwerb von Todes wegen im Sinne des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes gelte und daher bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftssteuer unberücksichtigt zu bleiben habe, stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der "den allgemeinen erbschaftssteuerlichen Grundsatz" entwickelt habe, dass der Erwerb eines Vermögensgegenstandes auch dann ein erbrechtlicher bleibe, wenn er nicht (allein) auf Testament (Erbvertrag) oder gesetzlicher Erbfolge beruht, sondern (auch) auf ein Erb- oder Pflichtteilsübereinkommen zurückzuführen ist (Hinweis auf VfSlg. 15.428/1999). Bei richtiger, verfassungskonformer Gesetzesauslegung hätte die belangte Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass nur jene Nachlasswerte in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftssteuer für den Beschwerdeführer einzurechnen gewesen wären, die diesem nach dem in der Verlassenschaftsabhandlung abgeschlossenen Erbteilungsübereinkommen tatsächlich zugeflossen sind, keinesfalls aber die vom Bruder und der Mutter übernommenen Vermögenswerte, insbesondere die Gesellschaftsanteile.

Die Rechtsauffassung der belangten Behörde habe dazu geführt, dass der Beschwerdeführer bzw. sein Bruder die Begünstigung des (aliquoten) Steuerfreibetrages gemäß §15a ErbStG 1955 nicht in Anspruch nehmen konnten, weil im angefochtenen Bescheid das Erbübereinkommen als "Übertragung" der Gesellschaftsanteile innerhalb der 5-jährigen Behaltefrist im Sinne des §15a Abs5 leg.cit. qualifiziert und daher der Steuerfreibetrag nicht gewährt worden sei.

Durch eine undifferenzierte Zuordnung des Nachlasses ohne Berücksichtigung des Erbübereinkommens trete für den Beschwerdeführer eine Belastung mit Erbschaftssteuer ein, die "nichts mit den tatsächlich übernommenen Vermögenswerten zu tun hat". Daraus folge eine "nicht zu rechtfertigende Differenzierung" der Erben bei der Erbschaftssteuerbelastung. Eine sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierung entstehe bei dieser Rechtsansicht auch im Verhältnis zu Vermächtnisnehmern, die nur hinsichtlich der tatsächlich vermachten Werte der Erbschaftssteuer unterlägen. Im Übrigen sei der belangten Behörde ein gravierender Verfahrensfehler unterlaufen, weil sie keinerlei Feststellungen dazu getroffen habe, ob und inwieweit die im Erbübereinkommen vorgenommene Aufteilung des Nachlassvermögens von den Erbquoten abweiche.

Schließlich macht der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit der angewendeten Bestimmungen des ErbStG mit der Begründung geltend, dass §2 Abs1 Z1 leg.cit. von den Verwaltungsbehörden unterschiedlich ausgelegt werde und eine Divergenz zwischen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und jener des Verfassungsgerichtshofes bestehe. Die "unterschiedliche Auslegung der unbestimmten Gesetzesbegriffe" führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung in der Vollziehung, die dem Gesetz anzulasten sei.

6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Dem Beschwerdevorbringen hält sie im Wesentlichen entgegen, dass der für die Bemessung der Erbschaftssteuer maßgebliche "Erwerb" nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch die Abgabe der Erbserklärung "erbschaftssteuerlich vollzogen" sei. Eine Auffassung, wonach erst eine Aufteilung des Angefallenen den Erwerb von Todes wegen im Sinne des §2 Abs1 Z1 ErbStG 1955 auslösen würde, widerspreche dieser Rechtsprechung. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf VfSlg. 15.428/1999 gehe ins Leere, weil sich darin keinerlei Hinweis finde, dass die Erbschaftssteuerbemessung anhand einer privatrechtlichen Vereinbarung (einem Erbteilungsübereinkommen) vorzunehmen sei. In diesem Erkenntnis sei vielmehr festgehalten worden, dass eine privatautonome Regelung darüber, welchen Personen eine Steuerbefreiung zustehen würde, nicht vorgesehen sei, weshalb eine anteilige Aufteilung der nach §15 Abs1 Z17 ErbStG 1955 steuerbefreiten Teile des Nachlasses vorzunehmen sei. Eine willkürliche Verteilung der Erbmasse zwischen potentiellen Erben oder Pflichtteilsnehmern könne keinerlei Auswirkungen auf den Erbanfall haben; die Abgabenbehörden seien in Bezug auf die Quoten an das Abhandlungsverfahren gebunden. Auch der Erwerb von Nachlassteilen, die potentiell unter die Begünstigung (für Unternehmensübertragung) nach §15a ErbStG 1955 fallen könnten, erfolge nach den erbserklärten Quoten. Das Übereinkommen stelle daher eine nachträgliche Verfügung über dieses Vermögen dar. Dem Erblasser wäre es frei gestanden, über den Nachlass testamentarisch zu verfügen und so demjenigen zur Begünstigung des §15a ErbStG 1955 zu verhelfen, der die Unternehmensanteile endgültig übernehmen würde. Eine unsachliche Differenzierung zwischen den Erben sei dem Bescheid nicht vorzuwerfen. Vielmehr sei den Erbserklärungen und dem Abhandlungsverfahren entsprechend vorgegangen worden. Die von diesen abweichende Beteilung der beiden Erben und der Pflichtteilsberechtigten unterliege der Privatautonomie der Beteiligten und könne folglich keinen Einfluss auf die Erbschaftssteuerbemessung haben. Dies würde dem Stichtagsprinzip und der Einstufung der Erbschaftssteuer als Erbanfallsteuer zuwiderlaufen. Das Beschwerdevorbringen, wonach dem Beschwerdeführer die besteuerten Vermögenswerte teilweise "nicht zugeflossen" seien, sei insofern unzutreffend, als er durch Abschluss eines Erbteilungsübereinkommens über diese Werte verfügt habe, weshalb eine Dispositionsbefugnis auf Grund des Erbanfalles gegeben sein musste.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das Beschwerdevorbringen bezieht sich im Wesentlichen auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Abgeltungswirkung der Endbesteuerung für Kapitalvermögen gemäß §15 Abs1 Z17 ErbStG 1955 in Verbindung mit dem Endbesteuerungsgesetz.

In VfSlg. 15.428/1999 hatte der Gerichtshof über die Beschwerde einer Vermächtnisnehmerin zu entscheiden, der ein Bargeldbetrag von ATS 4,000.000,-- vermacht worden war. Die Erbschaftssteuerbefreiung für endbesteuertes Kapitalvermögen nach §15 Abs1 Z17 ErbStG 1955 wurde ihr von den Finanzbehörden versagt, weil die Steuerbefreiung für Legatare nur dann zum Tragen komme, wenn ihnen unmittelbar endbesteuertes Vermögen vermacht oder wenn ein derartiger Vermögenswert als Abfindung für die Ausschlagung des Vermächtnisses hingegeben werde. Eine solche Auslegung hielt der Verfassungsgerichtshof (nur) solange für unbedenklich, als "alles endbesteuerte Vermögen von Erbschaftssteuer frei bleibt". Für den im Fall der Erbteilung in solchen Fällen etwa erforderlichen internen Ausgleich zu sorgen, sei - so der Gerichtshof - Sache der Beteiligten. Ein verfassungswidriges Ergebnis erblickte der Gerichtshof in der dem (damals) angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Auslegung jedoch in jenen Fällen, in denen "der dem Empfänger endbesteuerten Vermögens von Todes wegen zukommende Anteil am Nachlass geringer ist als der Wert des endbesteuerten Vermögens". In solchen Fällen ginge die Steuerfreiheit für jenen Teil des endbesteuerten Vermögens verloren, dessen Wert dem Empfänger (Erben) nicht verbleibt, weil er Leistungen an andere (Legatare, Pflichtteilsberechtigte) erbringen muss. Vor dem Hintergrund von "Sinn und Zweck des Endbesteuerungsgesetzes und der darauf gestützten Z17 des §15 Abs1 ErbStG, den Erbgang im Hinblick darauf steuerfrei zu stellen, daß die aus seinem Anlaß anfallende Steuer insoweit - gesamthaft betrachtet, ohne Rücksicht auf die Lage im Einzelfall - mit dem Kapitalertragsteuerabzug abgegolten ist und im Hinblick auf die bereits erfolgte Abgeltung nicht (gleichsam neuerlich) eingehoben werden soll", sei eine Auslegung zu wählen, die im Ergebnis den Nachlass in jenem Umfang steuerfrei belässt, in dem er aus endbesteuertem Vermögen besteht.

Dieses Erkenntnis und die Folgejudikatur des Verfassungsgerichtshofes ergingen ausschließlich zu Beschwerden von Vermächtnisnehmern (VfSlg. 15.428/1999, 15.554/1999, 15.556/1999, 16.497/2002) oder Pflichtteilsberechtigten (VfSlg. 15.474/1999) in Fällen, in denen die endbesteuerten Vermögenswerte im Nachlassvermögen den Wert des den Empfängern dieser Vermögenswerte (nach Abzug der Pflichtteilsforderungen oder Legate) überstiegen, sodass die Auswirkung der Endbesteuerung auch bei dem vom endbesteuerten Vermögen "abgeleiteten" Realisat zur Auszahlung an Legatare (bzw. Pflichtteilsnehmer) zum Tragen kommen musste. Die Aufhebung der Bescheide erfolgte jeweils deswegen, weil die belangte Behörde Feststellungen dazu unterlassen hatte, wer die endbesteuerten Vermögenswerte aus dem Nachlassvermögen erhalten hatte, weshalb ein Urteil darüber, ob der Erwerb eines Barlegats durch die (damalige) Beschwerdeführerin teilweise von der Abgeltungswirkung der Endbesteuerung erfasst und damit steuerfrei sei, ausgeschlossen gewesen sei.

2. Jene Konsequenz, die der Beschwerdeführer aus diesem Erkenntnis (und der Folgejudikatur) ableitet, nämlich dass für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Erbschaftssteuer beim Erwerb durch einen Erben der auf ihn fallende (Quoten-)Anteil am Nachlasswert generell nicht maßgeblich sein dürfe und ausschließlich die Summe jener Vermögensgegenstände maßgeblich sei, die ihm im Zuge eines Erbteilungsübereinkommens zugeteilt worden sind, ist weder dem zitierten Erkenntnis noch der dazu ergangenen Folgejudikatur zu entnehmen. Auch der von der Beschwerde zitierte "Grundsatz" ist vor dem Hintergrund des damaligen Sachverhaltes, der im zitierten Erkenntnis dargestellten Judikatur zu Pflichtteilsabfindungen und den Regelungen über die Endbesteuerung zu sehen. Letztlich ließ nämlich der Verfassungsgerichtshof die (einfachgesetzliche) Frage grundsätzlich offen, ob für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage auf den Anfall von Vermögen auf Grund einer Erbquote oder auf die (vom quotenmäßigen Erwerb abweichende) Vermögenszuteilung infolge eines Erbteilungsübereinkommens abzustellen ist. Er hat im zitierten Erkenntnis daher auch keine Bedenken gegen eine Ermittlung der Bemessungsgrundlage aufgrund einer quotenmäßigen Aufteilung des Nachlasses zwischen den Miterben (bzw. im Verhältnis zum Pflichtteilsberechtigten) geäußert oder etwa ausgesprochen, dass - abweichend von einer quotalen Bemessung - ausschließlich die privatautonome Aufteilung des Nachlasses für die Bewertung des steuerpflichtigen Erwerbs ausschlaggebend sein müsse. Vielmehr hat er im Ergebnis lediglich ausgesprochen, dass in jenem Umfang, in dem die Steuerbefreiung für das im Nachlass vorhandene endbesteuerte Vermögen nicht bereits bei den primär dazu Berufenen (z.B. Erben bzw. unmittelbar mit endbesteuertem Vermögen bedachten Legataren) "verbraucht" wird, der verbleibende Betrag des endbesteuerten Vermögens auch insofern noch steuerbefreiende Wirkung haben muss, als die übrigen Erbbeteiligten nicht das endbesteuerte Vermögen selbst, sondern ein entsprechendes Realisat erwerben.

Wenn daher beim Erben die Bemessungsgrundlage in der Weise ermittelt wird, dass - ohne Rücksicht auf ein nachfolgendes Erbteilungsübereinkommen - nach Abzug der Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten oder Legaten - unter Berücksichtigung der Steuerfreiheit des im Nachlass vorhandenen endbesteuerten Vermögens der Erbanfall nach Quoten von den solcherart verbleibenden Nachlassaktiva berechnet wird, ist dies eine denkmögliche Vorgangsweise, gegen die auch nach der zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, solange die Endbesteuerungswirkung nicht verloren geht.

3. Der angefochtene Bescheid erweist sich aber aus einem anderen Grund als rechtswidrig.

§15a ErbStG 1955 lautet in der (maßgeblichen) Fassung BGBl. I 106/1999 (durch BGBl. I 59/2001 erfolgte lediglich die Anpassung des Schilling-Betrags in einen Euro-Betrag):

"§15a. (1) Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen unter Lebenden von Vermögen gemäß Abs2, sofern der Erwerber eine natürliche Person ist und der Geschenkgeber das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen in einem Ausmaß erwerbsunfähig ist, daß er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Gesellschafter verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen, bleiben nach Maßgabe der Abs3 und 4 bis zu einem Wert von fünf Millionen Schilling (Freibetrag) steuerfrei.

(2) Zum Vermögen zählen nur

  1. 1. inländische Betriebe und inländische Teilbetriebe, die der Einkunftserzielung gemäß §2 Abs3 Z1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes 1988, in der jeweils geltenden Fassung, dienen;

  1. 2. Mitunternehmeranteile, das sind Anteile an inländischen Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wenn der Erblasser oder Geschenkgeber im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld mindestens zu einem Viertel unmittelbar am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist;

  1. 3. Kapitalanteile, das sind Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften, wenn der Erblasser oder Geschenkgeber im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld mindestens zu einem Viertel des gesamten Nennkapitals unmittelbar beteiligt ist.

(3) Der Freibetrag (Freibetragsteil gemäß Abs4) steht bei jedem Erwerb von Vermögen gemäß Abs2 zu, wenn Gegenstand der Zuwendung des Erblassers (Geschenkgebers) ist

1. ein Anteil von mindestens einem Viertel des Betriebes,

  1. 2. ein gesamter Teilbetrieb oder ein Anteil des Teilbetriebes, vorausgesetzt der Wert des Teilbetriebes oder der Anteil desselben beträgt mindestens ein Viertel des gesamten Betriebes,

  1. 3. ein Mitunternehmeranteil oder ein Kapitalanteil in dem im Abs2 Z2 und 3 angeführten Ausmaß.

(4) Der Freibetrag steht beim Erwerb

  1. 1. eines Anteiles eines Betriebes nur entsprechend dem Anteil des erworbenen Vermögens zu;

  1. 2. eines Teilbetriebes oder eines Anteiles daran nur in dem Verhältnis zu, in dem der Wert des Teilbetriebes (Anteil des Teilbetriebes) zum Wert des gesamten Betriebes steht;

  1. 3. eines Mitunternehmeranteiles (Teil eines Mitunternehmeranteiles) oder Kapitalanteiles (Teil eines Kapitalanteiles) nur in dem Ausmaß zu, der dem übertragenen Anteil am Vermögen der Gesellschaft oder am Nennkapital der Gesellschaft entspricht;

Bei einem Erwerb durch mehrere Erwerber steht jedem Erwerber unter Berücksichtigung der Z1 bis 3 der seinem Anteil am erworbenen Vermögen entsprechende Teil des Freibetrages zu.

(5) Die Steuer ist nachzuerheben, wenn der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb das zugewendete Vermögen oder wesentliche Grundlagen davon entgeltlich oder unentgeltlich überträgt, betriebsfremden Zwecken zuführt oder wenn der Betrieb oder Teilbetrieb aufgegeben wird.

(6) Abs5 gilt nicht, wenn die Vermögensübertragung einen nach Abs1 bis 3 steuerbegünstigten Erwerb darstellt oder das zugewendete Vermögen Gegenstand einer Umgründung nach dem Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991, in der jeweils geltenden Fassung, ist, sofern für das an seine Stelle getretene Vermögen kein im Abs5 angeführter Grund für eine Nacherhebung der Steuer eintritt.

(7) Der Erwerber des begünstigten Vermögens hat Umstände, die zur Nacherhebung der Steuer führen, innerhalb eines Monats nach ihrem Eintritt dem Finanzamt anzuzeigen."

Die belangte Behörde hat angenommen, dass eine von der Erbserklärung abweichende Aufteilung der zum Nachlass zählenden Gesellschaftsanteile zwischen den Erbbeteiligten mittels Erbübereinkommens eine Übertragung dieser Gesellschaftsanteile innerhalb der 5-jährigen Behaltefrist darstelle, die nach §15a Abs5 ErbStG 1955 zum Entfall der Steuerbegünstigung für Unternehmensübertragungen bzw. einer Nacherhebung der Steuer führen müsse. Nun ist es offenkundiger Zweck des §15a ErbStG 1955, die Übergabe von Betrieben (gleichgültig, ob diese in Form eines einzelkaufmännischen Unternehmens oder einer Personen- oder Kapitalgesellschaft geführt werden) im Interesse der Substanzerhaltung und der Sicherung von Arbeitsplätzen zu erleichtern (vgl. Dorazil/Taucher, ErbStG, §15a 1.1). Begünstigt ist dabei einerseits der Erwerb durch Erbfall, andererseits die Schenkung durch die ältere bzw. nicht mehr erwerbsfähige Generation an die nächste Generation, somit typischerweise die Betriebsfortführung in der Familie. Vor dem Hintergrund des - an sich sachlichen - Zweckes der Begünstigung ist die Bestimmung des Abs5 leg.cit. auszulegen, der zufolge es zu einer Nacherhebung der Steuer kommt, wenn eine (Weiter)Übertragung bzw. betriebsfremde Verwendung des erworbenen Vermögens innerhalb von 5 Jahren derart erfolgt, dass die Fortführung des Betriebes durch die vom Freibetrag begünstigten Personen gerade nicht mehr gesichert erscheint. Während ein die Unternehmensfortführung wahrender Übergang im Fall der Schenkung jedenfalls ein einstufiger Vorgang ist, kann dasselbe Ergebnis beim Erwerb von Todes wegen bei Fehlen einer testamentarischen Verfügung zwangsläufig nur durch Zuteilung des Unternehmens im Rahmen der Erbauseinandersetzung (zivilrechtlich gesehen also durch einen zweiaktigen Vorgang) erreicht werden. Aus dem Zweck der Begünstigung folgt aber dann, dass eine "Übertragung", die die Unternehmenserhaltung durch den oder die begünstigten Erwerber nicht nur nicht gefährdet, sondern sich auf eine Aufteilung des Nachlasses zwischen diesen Erwerbern reduziert und die Erhaltung des Unternehmens(teils) sogar typischerweise sichert, sachlicher Weise nicht zu einer Nacherhebung der Steuer (oder einer Versagung des Freibetrags) führen darf. Dazu käme es aber, würde man als (steuerschädliche) "Übertragung" im Sinne des Abs5 des §15a leg.cit. auch eine im Zuge der Erbauseinandersetzung vereinbarte Zuteilung des Vermögens ansehen.

Mit der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auslegung, die auch eine Zuteilung der Vermögenswerte im Zuge eines Erbübereinkommens als "Übertragung" betrachtet, wurde dem Gesetz daher ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt: Es käme bei dieser Interpretation zur Nacherhebung der Steuer in Fällen, in denen eine solche nach dem Zweck der Begünstigung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Eine - nach dem Gesetzeswortlaut nicht ausgeschlossene - verfassungskonforme Auslegung muss demgegenüber zum Ergebnis führen, dass solche Vermögenszuteilungen, die die Kontinuität des Betriebes typischerweise erst ermöglichen, vom Nacherhebungstatbestand ausgeschlossen sind.

4. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Eingabengebühr in Höhe von € 180,-- und Umsatzsteuer in Höhe von € 360,-- enthalten.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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