VfGH A3/06

VfGHA3/0627.11.2006

Abweisung einer Klage auf Rückzahlung einer Geldstrafe; Rechtswirksamkeit aller Zustellungen an den Kläger mangels Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten im Folgeverfahren

Normen

B-VG Art137 / sonstige Klagen
Wr ParkometerG §1, §1a, §4
ZustG §9
B-VG Art137 / sonstige Klagen
Wr ParkometerG §1, §1a, §4
ZustG §9

 

Spruch:

Die Klage wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 3. Oktober 2002 wurde der Kläger wegen fahrlässiger Verkürzung der Parkometerabgabe gemäß §1 Abs3 iVm. §4 Abs1 Wiener Parkometergesetz bestraft.

In dem per Telefax am 4. November 2002 eingebrachten Einspruch teilte der Kläger mit, dass er seinem nunmehrigen Vertreter "Vollmacht und Zustellvollmacht" erteile. Der Nachweis einer solchen Vollmacht wurde nicht vorgelegt.

Dieses Verwaltungsstrafverfahren wurde am 10. August 2004 eingestellt.

1.2. Entsprechend den Angaben im Einspruch erging an den Kläger als Kfz-Halter eine Aufforderung, den Fahrzeuglenker bekannt zu geben. Die Zustellung dieser Aufforderung erfolgte an den im Einspruch vom 4. November 2002 bekannt gegebenen Rechtsvertreter.

Wie sich aus der Unterschrift auf der behördlich vorgefertigten Allonge zur Lenkererhebung ergibt, erfolgte die Lenkerbekanntgabe am 7. Jänner 2003 durch den Kläger persönlich.

1.3. Aufgrund wechselseitiger Beschuldigungen zwischen dem Kläger und dem von ihm bekannt gegebenen Fahrzeuglenker erging an den Kläger als Kfz-Halter wegen Übertretung des §1a Wiener Parkometergesetz eine Aufforderung zur Rechtfertigung. Diese war an ihn persönlich adressiert und wurde ihm durch Hinterlegung zugestellt.

Die in der Folge erteilte Rechtfertigung wurde ebenfalls vom Kläger selbst verfasst und unterfertigt.

2. Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 3. Juli 2003 wurde über den Kläger wegen unrichtiger Erteilung einer Lenkerauskunft gemäß §1a Wiener Parkometergesetz eine Geldstrafe von € 35,- verhängt. Das Straferkenntnis wurde ihm durch Hinterlegung am 16. Juli 2003 zugestellt.

3. Der dagegen mittels Telefax am 29. Juli 2003 erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (im Folgenden: UVS) vom 16. Juni 2004 keine Folge gegeben. Auch dieser Bescheid wurde dem Kläger durch Hinterlegung zugestellt. Am 26. August 2004 bezahlte er die über ihn verhängte Geldstrafe samt Anhang in Höhe von insgesamt € 45,50.

Gegen diesen Bescheid des UVS erhob der Kläger weder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof noch an den Verwaltungsgerichtshof.

4. Per Telefax vom 16. Jänner 2006 begehrte der Kläger vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, den Betrag von € 45,50, welchen er am 26. August 2004 einbezahlt hatte.

Daraufhin wurde dem Kläger mit Schreiben des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 23. Jänner 2006 mitgeteilt, dass das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sei und der UVS das Straferkenntnis bestätigt habe.

5. In seiner an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Klage gegen das Land Wien behauptet der Kläger, sämtliche Bescheide im eben dargestellten Verfahren seien nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Sie hätten zuhanden seines im Einspruch vom 4. November 2002 bekannt gegebenen Rechtsvertreters zugestellt werden müssen. Der Kläger sei somit nicht verpflichtet gewesen, den Strafbetrag von € 45,50 zu bezahlen und folglich berechtigt, diesen Betrag zurückzufordern.

6. Das Amt der Wiener Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der es den Ausführungen in der Klage entgegentritt und deren kostenpflichtige Abweisung beantragt.

7. Der Kläger erstattete eine Replik.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit erwogen:

1.1. Gemäß Art137 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche zu erkennen, die gegen den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden oder Gemeindeverbände erhoben werden, und weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Es handelt sich um eine subsidiäre Zuständigkeit, die nur dann gegeben ist, wenn über den umstrittenen vermögensrechtlichen Anspruch weder ein Gericht noch eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung über die Rückforderung bereits geleisteter Geldstrafen keinen Zweifel an der Zulässigkeit einer Klage der hier vorliegenden Art (vgl. VfSlg. 8812/1980, 9556/1982, 13.993/1994, 15.175/1998). Daran ändert auch der Umstand, dass der Kläger nie das Land Wien, sondern den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, zur Rückzahlung des Betrages von € 45,50 aufgefordert hat, nichts. Ein Zahlungsbegehren ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zwar an den Rechtsträger zu richten, gegen den der Anspruch besteht; es ist aber auch dann wirksam, wenn es an die Behörde gerichtet ist, die befugt war, den vorgeschriebenen - und nunmehr zurückgeforderten - Betrag einzuziehen (VfSlg. 11.262/1987, 12.298/1990, 13.993/1994).

III. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:

1. Der Kläger teilte im Verfahren wegen fahrlässiger Verkürzung der Parkometerabgabe mit, dass er an seinen nunmehrigen Vertreter "Vollmacht und Zustellvollmacht" erteile. Der Nachweis einer solchen Vollmacht wurde nicht vorgelegt. Der Rechtsanwalt ist auch niemals als Vertreter des Klägers eingeschritten oder hat sich - vor Erhebung der vorliegenden Klage an den Verfassungsgerichtshof - auf die erteilte Vollmacht berufen. Für das Wirksamwerden eines Vollmachtsverhältnisses ist wesentlich, dass die Bevollmächtigung angenommen wird (VfSlg. 12.091/1989). Hingegen genügt es nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes für das Vorliegen einer bloßen Zustellvollmacht, dass der Zustellbevollmächtigte der Behörde namhaft gemacht wird (VfSlg. 13.993/1994).

2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes können entrichtete Geldstrafen unter zwei Voraussetzungen - gestützt auf §1431 ABGB - zurückgefordert werden: Wenn es an einem Titel im Sinne einer rechtlichen Deckung fehlt und die Leistung aufgrund eines Irrtums erbracht worden ist. Einem Irrtum hat der Verfassungsgerichtshof - der zivilgerichtlichen Rechtsprechung folgend - die Zahlung einer Nichtschuld unter dem Druck der Exekution - somit unter Zwang - gleichgehalten (vgl. VfSlg. 8812/1980, 16.036/2000).

3. Im vorliegenden Fall fehlt es nicht an einer rechtlichen Deckung:

Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 13.993/1994 ausgesprochen hat, unterläuft einer Behörde im Falle eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen dem Verwaltungsstrafverfahren, in dem ein Rechtsanwalt allgemein (mit Zustellungsvollmacht) bevollmächtigt wurde, und einem darauf basierenden anderen Verfahren keine Rechtswidrigkeit, wenn sie die Bevollmächtigung auch für das Folgeverfahren als gegeben erachtet.

Unter den gegebenen Umständen lag jedoch kein Grund für die Annahme vor, dass sämtliche Schriftstücke im Folgeverfahren an den Zustellbevollmächtigten gerichtet hätten werden müssen. Die Behörde musste zu Recht davon ausgehen, dass die Bevollmächtigung für das Folgeverfahren nicht aufrecht war. Dass die Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers zuhanden des Zustellbevollmächtigten erfolgte, steht dem nicht entgegen. Insbesondere konnte der Umstand, dass die - an den Kläger persönlich adressierten - Schreiben ausnahmslos von diesem persönlich beantwortet wurden, der Behörde nahe legen, dass die im ersten Verwaltungsstrafverfahren erteilte Zustellbevollmächtigung im Folgeverfahren ohne Bedeutung war.

Es kann der belangten Behörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Folgeverfahren nicht von der Bestellung eines Zustellbevollmächtigten ausging. Sämtliche Zustellungen in diesem Verfahren waren rechtswirksam, und die Bescheide erwuchsen in Rechtskraft. Daraus folgt, dass der Kläger durch das Erkenntnis des UVS zahlungspflichtig geworden war und keine Nichtschuld beglichen hat. Das Land Wien ist nicht zur Rückzahlung des Strafbetrages verhalten.

Das Klagebegehren war daher abzuweisen.

4. Kosten waren nicht zuzusprechen, weil das obsiegende Land zwar den Ersatz der Prozesskosten begehrt, diese aber nicht ziffernmäßig verzeichnet hat (vgl. zB VfSlg. 11.939/1988, 14.323/1995).

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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