VfGH B960/03

VfGHB960/0328.2.2005

Willkürliche Abweisung von Nachprüfungsanträgen in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags in Wien; keine Stützung der Rechtsansicht der belangten Behörde durch die herangezogenen Rechtsvorschriften des Wiener Landesvergabegesetzes

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Wr LandesvergabeG §98
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Wr LandesvergabeG §98

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Wien ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer zu Handen der Rechtsvertreter die mit € 2.143,- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Stadt Wien (Magistratsabteilung 56, städtische Schulverwaltung) hat ein offenes Verfahren für die Vergabe der Dienstleistung "Schulbusbetrieb für behinderte Schulkinder für den

22. Wiener Gemeindebezirk" nach den Bestimmungen des Wiener Landesvergabegesetzes (WLVergG), LGBl. 36/1995 idF 50/2000, durchgeführt. An diesem Vergabeverfahren haben sich sechs Unternehmen durch Legung eines Angebots beteiligt, unter ihnen auch der Beschwerdeführer. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sein Angebot gemäß §47 Z8 WLVergG ausgeschieden werde, da eine rechtsgültige Unterfertigung fehle. Den übrigen Bietern wurde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag an eine näher bezeichnete Bieterin zu erteilen.

In der Folge beantragte der Beschwerdeführer beim Vergabekontrollsenat des Landes Wien (VKS) die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Begehren, die Zuschlagsentscheidung sowie das "bisherige Vergabeverfahren" für nichtig zu erklären, sowie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Mit Bescheid vom 14. Mai 2003 wurden sämtliche Anträge abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des Beschwerdeführers in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

Der VKS hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge erkennen, dass der Beschwerdeführer weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch durch Anwendung einer rechtswidrigen Norm in seinen Rechten verletzt worden sei.

Der Beschwerdeführer hat "wegen neu hervorgekommener Tatsachen" eine als "Ergänzung der Bescheidbeschwerde" bezeichnete Äußerung erstattet.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer hat vor dem VKS releviert, dass sein Angebot zu Unrecht ausgeschieden worden sei. Er wandte sich in seinem Nachprüfungsantrag weiters gegen die in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehenen Zuschlagskriterien sowie die Leistungsbeschreibung, die seiner Ansicht nach nicht geeignet wäre, eine realistische Kalkulation bzw. realistische und vergleichbare Angebote zu erstellen. In seiner abweislichen Entscheidung vertritt der VKS die Ansicht, dass die Ausscheidung des Angebotes des Beschwerdeführers zwar zu Unrecht erfolgt sei, aber selbst im Falle der Zulassung des Angebotes des Beschwerdeführers "für ihn nichts gewonnen" wäre, als es auch dann nur an zweiter Stelle gereiht hätte werden können und damit für den Zuschlag nicht in Frage gekommen wäre. Das Ergebnis der Angebotsauswertung sei vom Beschwerdeführer hingegen nicht bekämpft worden, insbesondere hätte er nicht behauptet oder Beweismittel dafür angeführt, dass dem erfolgreichen Angebot der Zuschlag nicht erteilt hätte werden dürfen.

Im Hinblick auf die Behauptung der Rechtswidrigkeit der verwendeten Zuschlagskriterien bzw. die Leistungsbeschreibung führt der VKS Folgendes aus:

"Soweit aber der Antragsteller behauptet die Zuschlagskriterien wären für die Ermittlung eines Bestbieters ungeeignet gewesen, die Ausschreibung sei grob mangelhaft, ist dieses Vorbringen im Hinblick auf die Bestimmung des §98 Z4 WLVergG verfristet. Diese Anfechtungsgründe hätten vom Antragsteller spätestens 14 Tage vor der Angebotseröffnung (30.1.2003) im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht werden müssen. Die erstmals in dem am 6.5.2003 beim Vergabekontrollsenat eingelangten Antrag ausgeführten Bemängelungen der Zuschlagskriterien und der Ausschreibungsunterlagen sind daher verfristet (vergleiche EuGH vom 12.12.2002, C-470/99 ). Auf sie war daher nicht näher einzugehen."

2. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diese Entscheidung zunächst in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK dadurch verletzt, dass der VKS sein Vorbringen im Hinblick auf die angebliche Mangelhaftigkeit der Ausschreibung nicht überprüft habe, sondern allein festgestellt habe, dass die Ausscheidung seines Angebotes zu Unrecht erfolgt sei. Über die vorgebrachten Mängel der Ausschreibung habe der VKS nicht entschieden, da er zur Ansicht gelangt sei, dass "gemäß §98 Z4 WLVergG" der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens verfristet sei. In der dafür ins Treffen geführten Bestimmung des §98 Z4 WLVergG sei aber allein geregelt, dass Anträge an den VKS auf Nachprüfung einer Entscheidung "hinsichtlich der Unterlassung einer vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntmachung sowie, wenn der Unternehmer glaubhaft macht, dass der Auftraggeber die behauptete Rechtswidrigkeit entgegen einer Benachrichtigung nach §98 Abs2 WLVergG nicht behoben hat, bis zur Zuschlagserteilung eingebracht werden können". Im Zeitpunkt der Antragstellung sei ein Zuschlag noch nicht erteilt gewesen, weshalb eine Verfristung der geltend gemachten Mängel nicht möglich sei. Der Beschwerdeführer wiederholt in seinem Vorbringen im Wesentlichen seine bereits vor dem VKS vorgebrachten Bedenken gegen die Ausschreibung und die Leistungsbeschreibung und seinen Vorwurf, dass damit eine Vergleichbarkeit der Angebote nicht gewährleistet wäre.

§98 Z4 WLVergG sei denkunmöglich angewandt worden.

3. Der VKS verweist in seiner Gegenschrift darauf, dass der Beschwerdeführer die "maßgebliche Frist" zur Anfechtung der Ausschreibungsbestimmungen versäumt habe und dieses Versäumnis nicht mehr nachholen könne. Der VKS gesteht zu, dass im Bescheid ein "offensichtliches Versehen" dahin passiert sei, dass anstatt der Bestimmung des §98 Z2 WLVergG irrtümlich §98 Z4 WLVergG angeführt worden sei. §98 Z2 WLVergG sehe richtigerweise die im Bescheid verwiesene Rügepflicht des Nachprüfungswerbers vor.

Jener §98 Z2 WLVergG lautet:

"§98. Anträge an den Vergabekontrollsenat auf Nachprüfung wegen folgender behaupteter Rechtsverstöße sind beim Vergabekontrollsenat innerhalb nachstehender Fristen einzubringen:

[...]

2. hinsichtlich diskriminierender Anforderungen (§101 Z1), sowie, wenn rechtswidrigerweise das nicht offene Vergabeverfahren oder das Verhandlungsverfahren gewählt wurde, spätestens zwei Wochen, im Falle des §52 spätestens drei Tage, vor Ablauf der Bewerbungs- oder Angebotsfrist, bei Wettbewerben spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Frist für den Eingang der Wettbewerbsarbeiten;

3. ...

4. ..."

4. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).

b) Zunächst ist offenkundig, dass die von der belangten Behörde zur Stützung ihrer Rechtsansicht herangezogene Bestimmung des §98 Z4 WLVergG den Bescheid nicht zu tragen vermag. In jener Bestimmung ist allein normiert, dass Anträge an den VKS wegen eines behaupteten Rechtsverstoßes "hinsichtlich der Unterlassung einer vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntmachung sowie, wenn der Unternehmer glaubhaft macht, dass der Auftraggeber die behauptete Rechtswidrigkeit entgegen einer Benachrichtigung nach §96 Abs2 nicht behoben hat" bis zur Zuschlagserteilung einzubringen sind. Der VKS gesteht in seiner Gegenschrift auch selbst ein, dass ein "offensichtliche[s] Versehen" vorliege und stattdessen die Bestimmung des §98 Z2 WLVergG maßgeblich sei.

Auch auf diese Bestimmung lässt sich der Bescheid aber nicht stützen: §98 Z2 WLVergG regelt im Hinblick auf die Ausschreibung allein die Anfechtungsfrist bezüglich "diskriminierender Anforderungen", aber nicht die Bekämpfung sonstiger Mängel der Ausschreibung bzw. die rechtswidrige Wahl der Zuschlagskriterien. Eine Bestimmung, die bei sonstiger Präklusion den Antragsteller zwingt, solche Mängel innerhalb bestimmter Fristen geltend zu machen, ist dem WLVergG nicht zu entnehmen [vgl. demgegenüber etwa §20 Z13 lita) sublit aa) BVergG 2002]. Solche Einwände können daher auch nach Angebotsöffnung noch zulässig erhoben werden. Das Vorliegen von diskriminierenden Anforderungen hat der Beschwerdeführer demgegenüber nie behauptet; den Antrag aus diesem Grunde wegen Verfristung unbehandelt zu lassen, ist ein Fehler, der den Bescheid mit dem Vorwurf der Willkür belastet. Träfe das insofern nicht behandelte Vorbringen des Beschwerdeführers aber zu, ist nicht auszuschließen, dass der VKS bei der Beurteilung der Vergabe insgesamt zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,- sowie der Ersatz der Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180.- enthalten.

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