VfGH G104/05

VfGHG104/0513.12.2005

Aufhebung einer Verordnungsermächtigung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft im Marktordnungsgesetz 1985 zur Erlassung von Vorschriften über Erzeugerprämien zur Durchführung von gemeinschaftsrechtlichen Regelungen wegen Verstoßes gegen das Determinierungsgebot; pauschale Verweisung auf Gemeinschaftsrecht unzulässig; in der Folge Aufhebung der Tierprämienverordnung 2000 mangels gesetzlicher Grundlage

Normen

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz lita
B-VG Art140 Abs6
MOG 1985 §99 Abs1 Z5
TierprämienV 2000, BGBl II 497/1999
Verordnung (EG) Nr 1254/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch Art6
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz lita
B-VG Art140 Abs6
MOG 1985 §99 Abs1 Z5
TierprämienV 2000, BGBl II 497/1999
Verordnung (EG) Nr 1254/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch Art6

 

Spruch:

In §99 Abs1 Z5 des Marktordnungsgesetzes 1985, idF BGBl. I 2001/108 wird die Wortfolge "Erzeuger- und" als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2007 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Im Verfassungsgerichtshof ist zu B1317/02 ein Beschwerdeverfahren anhängig, dem im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

Der Beschwerdeführer betreibt seinen Angaben zu Folge in Tirol einen Rinderhaltungsbetrieb. Er ist nicht Mitglied einer Zuchtorganisation, sein Viehbestand weist aber - seinen Behauptungen zu Folge - jene Kennzeichnung und Registrierung auf, die vom Gemeinschaftsrecht und den innerstaatlichen Regelungen, insbesondere vom Tiroler Tierzuchtgesetz, verlangt werden.

Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden kurz: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der Agrarmarkt Austria abgewiesen, womit (unter anderem) die Gewährung der beantragten Mutterkuhprämie für acht Kalbinnen mit der Begründung versagt wurde, der Antragsteller gehöre keiner anerkannten Zuchtorganisation an; laut Datenbestand der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der Rinderzüchter sei der Betrieb kein Zuchtbetrieb.

Gegen diesen (Berufungs-)Bescheid richtet sich die oben genannte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

2. Aus Anlass der Behandlung dieser Beschwerde beschloss der Verfassungsgerichtshof am 7.10.2004, die Gesetzmäßigkeit des zweiten Satzes im Abs2 und des Abs3 des §9 der Tierprämienverordnung 2000 BGBl. II 1999/497 gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen zu prüfen.

3. In diesem, zu V70/04 protokollierten Verordnungsprüfungsverfahren beschloss der Verfassungsgerichtshof am 17.6.2005 die Wortfolge "Erzeuger- und" in §99 Abs1 Z5 des Marktordnungsgesetzes 1985 idF BGBl. I 2001/108, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

Dazu erstattete die Bundesregierung eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufheben; für den Fall der Aufhebung wird begehrt, für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von 18 Monaten zu bestimmen; diese Frist sei erforderlich, um im Gefolge einer Aufhebung der geprüften Bestimmung das Marktordnungsgesetz 1985 umfassend neu zu fassen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1.1. Art6 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch, ABl. 1999 L 160, S 21 (29), enthält Regelungen über die "Mutterkuhprämie". Demnach können Erzeuger, die in ihrem Betrieb Mutterkühe halten, auf Antrag eine Prämie zur Erhaltung des Mutterkuhbestandes erhalten, wenn diese Erzeuger weder Milch noch Milcherzeugnisse aus ihrem Betrieb abgeben oder die abgegebene Menge an Milch und Milcherzeugnissen in näher umschriebener Weise begrenzt ist (Abs1 und 2); der Prämienanspruch jedes Erzeugers ist individuell begrenzt (Abs3 iVm. Art7); zur Anwendung dieser Regelungen werden nur diejenigen Färsen berücksichtigt, die einer Fleischrasse angehören oder aus der Kreuzung mit einer Fleischrasse hervorgegangen sind und einem Aufzuchtbetrieb angehören, in dem Kälber für die Fleischerzeugung gehalten werden (Abs6). Mitgliedstaaten, in denen mehr als 60 % der Mutterkühe und Färsen in Berggebieten gehalten werden, können von Art6 Abs3 abweichende Sonderregelungen beschließen (Art10 Abs1).

Art 29 der - zur Durchführung der oben genannten (EG-) Verordnung ergangenen - Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 , ABl. 1999 L 281, S 30 (39), enthält eine "Sonderregelung für Färsen", die auszugsweise wie folgt lautet:

"(1) Die Kommission entscheidet spätestens am 1. November 1999, welche Mitgliedstaaten die Voraussetzungen des Artikels 10 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 erfüllen.

Die betreffenden Mitgliedstaaten teilen der Kommission vor dem 1. Januar 2000 ... mit, ob sie die Regelung des Artikels 10 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 (im folgenden: 'Sonderregelung') in Anspruch nehmen. Jede spätere Änderung ist der Kommission vor dem 1. Januar des betreffenden Jahres mitzuteilen.

(2) Mitgliedstaaten, die die Sonderregelung anwenden, legen Kriterien fest, die gewährleisten, daß die Prämie den Erzeugern gezahlt wird, deren Färsenbestand zur Erneuerung von Kuhbeständen bestimmt ist. Diese Kriterien können insbesondere eine Altersgrenze und/oder Rassenauflagen umfassen.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission vor dem 1. Januar des betreffenden Jahres die von ihnen festgelegten Kriterien mit. Jede spätere Änderung ist der Kommission vor dem 1. Januar des betreffenden Jahres bekanntzugeben.

..."

1.2. In - mitgliedstaatlicher - Durchführung dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelung bestimmt - unter dem Titel:

"Mutterkuhprämie für Kalbinnen" - §9 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Gewährung von Prämien für Rinder, Mutterschafe und Mutterziegen (Tierprämien-Verordnung 2000 - TPV 2000), BGBl. II 1999/497, (ausgegeben am 28. Dezember 1999) in Abs2 und 3 Folgendes:

"(2) Die Prämie ist für Kalbinnen mit einem Alter im Zeitpunkt der Antragstellung von acht bis 20 Monaten zu gewähren, die auf einem österreichischen Zuchtbetrieb gehalten werden. Als Zuchtbetrieb wird nur ein Mitglied einer zum Zeitpunkt der Antragstellung von der jeweiligen Landwirtschaftskammer oder Landesregierung anerkannten Zuchtorganisation angesehen.

(3) Die Daten von Zuchtbetrieben gemäß Abs2 sind von den Zuchtorganisationen oder der Zentralen Arbeitsgemeinschaft österreichischer Rinderzüchter der AMA zu übermitteln. Diese Daten haben sich auf Namen und Anschrift des Erzeugers, die Betriebsnummer gemäß LFBIS-Gesetz sowie Beginn und Ende der Mitgliedschaft zu beziehen."

1.3. Diese Bestimmungen der Tierprämienverordnung 2000 wurden auf Grund des §99 Abs1 Z5 des Marktordnungsgesetzes 1985 erlassen.

§99 des Marktordnungsgesetzes 1985, in seiner hier maßgeblichen - derzeit geltenden - Fassung BGBl. I 2001/108, lautet wie folgt (die in Prüfung gezogene Wortfolge in Abs1 Z5 ist hervorgehoben):

"Besondere Förderungsbestimmungen

§99. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann durch Verordnung, soweit dies zur Durchführung von Regelungen im Sinne des §94 Abs2 hinsichtlich Marktordnungswaren erforderlich oder geboten ist, Vorschriften erlassen über Verfahren sowie über Voraussetzungen und die Höhe von Vergünstigungen insbesondere bei

  1. 1. Produktionserstattungen,
  2. 2. Übergangsvergütungen,
  3. 3. Denaturierungsprämien,
  4. 4. Nichtvermarktungsprämien,
  5. 5. Erzeuger- und Käuferprämien,
  6. 6. flächenbezogenen oder produktbezogenen Beihilfen,
  7. 7. Vergütungen für frühe Aufnahme von Marktordnungswaren,
  8. 8. Vergütungen im Zusammenhang mit der Destillation,
  9. 9. Vergütungen an Erzeugerorganisationen zum Ausgleich von Kosten für die Entnahme von Marktordnungswaren aus dem Handel,
  10. 10. Vergütungen zum Ausgleich von Lagerkosten,
  11. 11. Beihilfen für private Lagerhaltung,
  12. 12. Beihilfen zur Erleichterung des Absatzes,
  13. 13. Beihilfen für die Herstellung von Marktordnungswaren, die für bestimmte Zwecke verwendet werden,
  14. 14. Vergütungen für die Aufgabe der Produktion und
  15. 15. sonstigen Vergünstigungen.

(2) In Verordnungen nach Abs1 können, soweit dies in Regelungen im Sinne des §94 Abs2 vorgesehen ist, auch Preise vorgeschrieben werden, wenn dies zur Sicherstellung des Zwecks der Maßnahmen erforderlich ist.

(3) Soweit Bundesmittel bei Vergünstigungen nach Abs1 bereitgestellt werden sowie hinsichtlich Angelegenheiten des Abs1 Z8 ist das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen erforderlich."

§94 MarktordnungsG, auf dessen Abs2 in §99 Abs1 und 2 leg. cit. verwiesen wird, lautet wie folgt:

"Gemeinsame Marktorganisationen

§94. (1) Gemeinsame Marktorganisationen im Sinne dieses Abschnittes sind Regelungen zur Schaffung und Durchführung der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für die in Anhang II des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) angeführten Erzeugnisse sowie sonstige Handelsregelungen (im folgenden: gemeinschaftliches Marktordnungsrecht).

(2) Regelungen im Sinne dieses Abschnittes, ausgenommen Regelungen im Rahmen der Zuständigkeit nach §96 Abs3, sind

1. die Bestimmungen des EG-Vertrages samt Protokollen,

  1. 2. die Bestimmungen in Verträgen, einschließlich der zu ihnen gehörigen Akte mit Protokollen, die auf Grund des EG-Vertrages zustande gekommen sind oder zu dessen Erweiterung, Ergänzung oder Durchführung oder zur Begründung einer Assoziation, Präferenz oder Freihandelszone abgeschlossen und rechtswirksam sind,

  1. 3. Rechtsakte des Rates oder der Kommission der Europäischen Union auf Grund oder im Rahmen der unter den Z1 und 2 genannten Verträge sowie rechtsverbindliche Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften."

2. Im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts vorgebracht worden und auch nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit dieses Verfahrens spräche. Es ist daher zulässig.

3.1. Im Prüfungsbeschluss äußerte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung aus den folgenden Überlegungen dem aus Art18 Abs1 B-VG abzuleitenden, den Gesetzgeber bindenden Determinierungsgebot widerspricht:

"Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 15.354/1998 mwH) die Auffassung, dass durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union der Verwaltung keine generelle Ermächtigung zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht durch Rechtsverordnungen erteilt wurde; auch wurde Art18 Abs2 B-VG nicht so weit verändert, dass den Verwaltungsorganen die Befugnis übertragen worden wäre, Regelungen des Gemeinschaftsrechts - soweit sie einer mitgliedstaatlichen Durchführung überhaupt zugänglich sind (was auf unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht von vornherein nicht zutrifft) - unter Ausschaltung des Gesetzgebers zu konkretisieren (VfSlg. 15.189/1998, 15.354/1998).

Ausgehend davon scheint sich im hier vorliegenden Zusammenhang Folgendes zu ergeben:

Zwar dürfte §99 iVm. §94 MOG eine - gesetzliche - Ermächtigung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft enthalten, durch Verordnung Vorschriften über Verfahren, Voraussetzungen und die Höhe von Vergünstigungen insbesondere bei Erzeugerprämien zu erlassen, soweit dies zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen betreffend gemeinsame Marktorganisationen erforderlich oder geboten ist. Eine derartige gesetzliche Ermächtigung scheint aber nur dann bzw. nur insoweit dem aus Art18 B-VG abzuleitenden, an den Gesetzgeber gerichteten Gebot zu genügen, das Verwaltungshandeln inhaltlich hinreichend vorherzubestimmen, wenn bzw. als diese gesetzliche Ermächtigung iVm. der durchzuführenden gemeinschaftsrechtlichen Norm den Inhalt der zur Durchführung vorgesehenen - österreichischen - Verordnung in einer dem Art18 B-VG entsprechenden Weise vorherbestimmt (ähnlich VfSlg. 15.354/1998: hinreichende Determinierung des Verordnungsgebers durch eine Bestimmung des - österreichischen - GüterbeförderungsG im Hinblick auf deren gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung). Wenn hingegen der Spielraum, den die durchzuführende gemeinschaftsrechtliche Norm den sie durchführenden mitgliedstaatlichen Regelungen gewährt, jenen überschreitet, den das österreichische Verfassungsrecht mit Blick auf Art18 B-VG der Verwaltung einräumt, dann dürfte eine gesetzliche Regelung wie die hier in Rede stehende - als eine bloß 'formalgesetzliche Delegation' - dem aus Art18 B-VG abzuleitenden, an den Gesetzgeber gerichteten Determinierungsgebot widersprechen. Stellt also die durchzuführende gemeinschaftsrechtliche Norm den Mitgliedstaaten ausdrücklich mehrere Möglichkeiten zur Wahl, die eine Entscheidung des Gesetzgebers erfordern würde, oder machte die durchzuführende gemeinschaftsrechtliche Norm Maßnahmen erforderlich, die nach innerstaatlichem Recht dem Gesetzgeber vorbehalten wären [wie im vorliegenden Zusammenhang die Entscheidung für die Prämiengewährung an einen beschränkten Erzeugerkreis und somit die Differenzierung zwischen Mitgliedern anerkannter Zuchtorganisationen und anderen Rinderzuchtbetrieben], so dürfte eine gesetzliche Verordnungsermächtigung wie die des §99 MarktordnungsG 1985 als gesetzliche Ermächtigung für die Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen im Verordnungswege gemessen an Art18 B-VG nicht ausreichen. Bei all dem ist zu berücksichtigen, dass Art18 B-VG ein an den österreichischen Gesetzgeber gerichtetes Gebot ist und dessen mangelnde Beachtung daher diesem Gesetzgeber anzulasten sein wird.

Art 29 der Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 scheint es nun - sogar ausdrücklich - den Mitgliedstaaten, die die (Möglichkeit der) Sonderregelung für (die 'Mutterkuhprämie' für) Färsen iSd. Art10 der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 in Anspruch nehmen (wollen), zu überlassen, die Kriterien festzulegen, die gewährleisten, dass die Prämie den Erzeugern gezahlt wird, deren Färsenbestand zur Erneuerung von Kuhbeständen bestimmt ist, wobei diese Kriterien insbesondere eine Altersgrenze und/oder Rassenauflagen umfassen können.

Zur mitgliedstaatlichen Durchführung dieser Regelung in Österreich scheint im Hinblick auf die Verfassungsbestimmung des §93 MOG der Bundesgesetzgeber zuständig zu sein. Dieser dürfte sich dabei auf die Verordnungsermächtigung des §99 Abs1 leg. cit. beschränkt haben, die - für sich alleine betrachtet - eine verfassungsrechtlich unzulässige formalgesetzliche Delegation zu sein scheint.

Aber auch iVm. der durchzuführenden gemeinschaftsrechtlichen Norm dürfte sich nichts anderes ergeben. Für den VfGH ist nämlich - jedenfalls vorläufig - nicht zu erkennen, inwiefern das Tatbestandselement 'zur Erneuerung von Kuhbeständen' in Art29 der Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 im Kontext einer Regelung, die den Mitgliedstaaten ausdrücklich aufträgt, die Kriterien für die Prämiengewährung festzulegen, geradezu ein gemeinschaftsrechtliches Gebot bedeutete, Mutterkuhprämien nur Mitgliedern einer (von der Landwirtschaftskammer oder der Landesregierung) anerkannten Zuchtorganisationen zu gewähren; auch aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 77/504/EWG und aus dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 87/328/EWG - auf die der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in seiner Äußerung im Verordnungsprüfungsverfahren diesbezüglich verweist - scheint sich nichts Derartiges zu ergeben."

3.2. Die Bundesregierung hält dem in ihrer Äußerung Folgendes entgegen:

"Im Bereich des Wirtschaftsrechts sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes an den Gesetzgeber weniger hohe Anforderungen zu stellen [Rill, Art18 B-VG, in Rill/Schäffer (Hrsg.), B-VG Komm Rz 67]. So ist für Regelungen im Bereich des Wirtschaftsrechts keine so weitgehende gesetzliche Vorherbestimmung erforderlich wie in Bereichen, in denen eine exaktere Determinierung möglich ist und in denen das Rechtsschutzbedürfnis (wie etwa im Strafrecht, im Sozialversicherungsrecht oder im Steuerrecht) eine besonders genaue gesetzliche Determinierung verlangt. Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelung sein können, ist jedoch ganz allgemein davon auszugehen, dass Art18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (VfSlg. 13.785/1994, 15.468/1999, 16.993/2003). Der Grundsatz der Vorherbestimmung verwaltungsbehördlichen Handelns darf nicht in Fällen überspannt werden, in denen ein rascher Zugriff und die Berücksichtigung vielfältiger örtlicher und zeitlicher Verschiedenheiten für eine sinnvolle und wirksame Regelung wesensnotwendig sind (VfSlg. 1983/1950; vgl. auch 2660/1954, 2768/1954, 3295/1957, 3860/1960, 4988/1965, 10.275/1984). Das gilt insbesondere bei der Regelung wirtschaftlicher Tatbestände (VfSlg. 3027/1956, 5923/1969, 7338/1974, 8203/1977 und 8813/1980). Der Gesetzgeber darf die Feststellung sich ändernder volks- und betriebswirtschaftlicher Umstände und sonstiger Faktoren, von denen nach dem Gesetz der Inhalt der Verordnung abhängt, dem Verordnungsgeber überlassen (VfSlg. 8212/1977, 9261/1981, 10.275/1984; zuletzt Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2004, G67/04).

Die durch das MOG eingeräumten Verordnungsermächtigungen scheinen auf den ersten Blick sehr vielfältig und umfassend zu sein. Zu berücksichtigen ist aber, dass im Bereich der Gemeinsamen Marktorganisationen gemeinschaftsrechtliche Verordnungen bestehen, die unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten. Der den Mitgliedstaaten vorbehaltene oder eingeräumte Gestaltungsspielraum ist daher - im Gegensatz zu gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien - von vorne herein sehr begrenzt.

Wesentlich für die Verordnungsermächtigungen ist vor allem aber die Tatsache, dass Entscheidungen durch den Mitgliedstaat - soweit sie überhaupt erforderlich oder geboten sind - rasch erfolgen müssen. Die zur Schaffung von Gesetzen erforderliche Zeitdauer geriete mit dem Ziel einer zeitgerechten Anwendung von Gemeinschaftsrecht oftmals in Konflikt. Das hätte zur Folge, dass der Mitgliedstaat nicht in der Lage ist, die Verpflichtungen des EG-Vertrags zu erfüllen und das geltende Gemeinschaftsrecht in der gebotenen Weise anzuwenden.

So sah die zeitliche Dimension bei der Umsetzung der Tierprämien-Regelung wie folgt aus: Die Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 sowie die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 2342/1999 erlangten mit 1. Jänner 2000 Geltung. Die Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 , die die maßgeblichen Durchführungsbestimmungen enthält, wurde am 28. Oktober 1999 erlassen und am 4. November 1999 im Amtsblatt Nr. L 281, 30 publiziert. Nach Festlegung der rechtlichen Grundlagen (sei es durch den nationalen Gesetzgeber oder durch den Verordnungsgeber) sind auch noch administrative Vorkehrungen erforderlich (Druck von Antragsformularen, Merkblättern zur Information der betroffenen Wirtschaftskreise, usw.), die eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Auch bei extrem rascher Beschlussfassung durch den Gesetzgeber, d.h. günstiger zeitlicher Perspektive, wäre für das Jahr 2000 keine zeitgerechte nationale Regelung für die Mutterkuhprämie und damit auch keine Gewährung der Mutterkuhprämie möglich gewesen.

Der Wortlaut der in Prüfung gezogenen Bestimmung determiniert nach Ansicht der Bundesregierung auch das Verwaltungshandeln hinreichend und räumt dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft keine Befugnis ein, Regelungen des Gemeinschaftsrechts unter Ausschaltung des Gesetzgebers durchzuführen.

§99 MOG, insbesondere die prüfungsgegenständliche Regelung, geht auf den der Marktordnungsgesetz-Novelle 1994 ... zugrundeliegenden Initiativantrag Nr. 733/A, II-13824 BlgNR 18. GP, in der Fassung des Berichts des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, 1739 BlgNR 18. GP, zurück. [Die Änderung des §99 Abs1 auf Grund des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 108/2001, hatte lediglich die Ersetzung der Wortfolge 'Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft' durch die Wortfolge 'Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft' zum Gegenstand.] Die hinter der verfahrensgegenständlichen Bestimmung stehende gesetzgeberische Intention wurde nicht erläutert.

Die Regelung des §99 Abs1 Z5 MOG ermächtigt den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Erlassung von Verordnungen über Verfahren sowie über Voraussetzungen und die Höhe von Vergünstigungen bei Erzeugerprämien. Diese Ermächtigung bezieht sich auf Marktordnungswaren, das sind gemäß §95 MOG Erzeugnisse, die den gemeinsamen Marktorganisationen unterliegen, sowie die Erzeugnisse, für die in Ergänzung oder zur Sicherung einer gemeinsamen Marktorganisation Regelungen im Sinne des §94 Abs2 MOG getroffen sind. Die gesetzliche Ermächtigung des §99 Abs1 Z5 MOG greift lediglich dann, wenn die Durchführung der Regelung im Sinne des §94 Abs2 MOG erforderlich oder geboten ist. Da dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, Überflüssiges angeordnet oder inhaltsleere Bestimmungen geschaffen zu haben (etwa VfSlg. 9185/1981, 12.397/1990 oder Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 2003, Zl. 2002/12/0316), ist von einer unterschiedlichen Bedeutung der Worte 'erforderlich' und 'geboten' auszugehen.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist eine Regelung 'erforderlich', die präzisierend oder klarstellend zur gemeinschaftsrechtlichen Regelung hinzutritt, damit die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erreicht werden können und dadurch erst die Anwendung des Gemeinschaftsrechts ermöglicht wird.

'Geboten' im Sinne der in Prüfung gezogenen Anordnung sind solche Regelungen, die aufgrund des Gemeinschaftsrechts an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, diesen keinen materiellen Spielraum einräumen (der andernfalls dem Gesetzgeber vorbehalten wäre), und der mitgliedstaatlichen Durchführung bedürfen. Ist jedoch aufgrund der durchzuführenden gemeinschaftsrechtlichen Norm den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem Verfahren, den Voraussetzungen bzw. der Höhe von Vergünstigungen bei Erzeugerprämien ein Spielraum eingeräumt, dann bietet die in Prüfung gezogene Bestimmung keine Grundlage für eine Durchführungsverordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Vielmehr wäre dieser Spielraum durch den Gesetzgeber wahrzunehmen.

Der Verfassungsgerichtshof hegt im Prüfungsbeschluss auch das Bedenken, dass sich der Marktordnungsgesetzgeber zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Art29 der Verordnung (EG) Nr. 2342/1999 auf die Verordnungsermächtigung des §99 Abs1 MOG beschränkt haben dürfte. Hiezu ist anzumerken, dass bei Schaffung der genannten Bestimmung der Marktordnungsgesetzgeber nicht sämtliche aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Normen den Mitgliedstaaten eröffneten 'Spielräume' [vorhersehen] und durch gesetzgeberische Entscheidung ausfüllen konnte. Aus dem Wortlaut der Verordnungsermächtigung kann auch nicht eine allfällige Intention abgeleitet werden, der Marktordnungsgesetzgeber habe sich zur Durchführung gemeinschaftsrechtlich eröffneter Spielräume betreffend Erzeugerprämien lediglich auf die genannte Verordnungsermächtigung beschränken wollen bzw. eine die Durchführung derartiger Normen abschließende Regelung schaffen wollen."

3.3. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu zerstreuen, dass die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung gegen das aus Art18 B-VG abzuleitende, den Gesetzgeber bindende Determinierungsgebot verstößt:

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl.va. VfSlg. 15.189/1998, 15.354/1998) den Standpunkt, dass durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union der Verwaltung keine generelle Ermächtigung zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht durch Rechtsverordnungen erteilt und Art18 Abs2 B-VG nicht so weit verändert wurde, dass den Verwaltungsorganen die Befugnis übertragen worden wäre, Regelungen des Gemeinschaftsrechts unter Ausschaltung des Gesetzgebers zu konkretisieren; vielmehr ist zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften nach dem Konzept des Art18 Abs2 B-VG nicht der Verordnungsgeber, sondern der Gesetzgeber berufen.

Aus den selben Erwägungen, die dieser Rechtsprechung zu Grunde liegen (vgl. dazu va. 15.189/1998), ist der Verfassungsgerichtshof weiters der Auffassung, dass Art18 Abs1 und 2 B-VG durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union auch insoweit nicht modifiziert wurde, als aus dieser Bestimmung der österreichischen Bundesverfassung das an den Gesetzgeber gerichtete Gebot abgeleitet wird, das gesamte Verwaltungshandeln, und im Besonderen auch die Erlassung verwaltungsbehördlicher Verordnungen, inhaltlich hinreichend vorherzubestimmen.

Die in Prüfung gezogene gesetzliche Regelung ermächtigt den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft durch Verordnung Vorschriften über Verfahren sowie über Voraussetzungen und die Höhe von Vergünstigungen bei Erzeugerprämien zu erlassen, soweit dies zur Durchführung von gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zur Schaffung und Durchführung der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für die in Anhang II EG-Vertrag angeführten Erzeugnisse sowie sonstige Handelsregelungen erforderlich oder geboten ist.

Die in Prüfung gezogene Regelung enthält somit eine Verweisung auf das gesamte gemeinschaftsrechtliche Marktordnungsrecht. Damit genügt sie aber, auch wenn eine Verweisung des innerstaatlichen Gesetzgebers auf Normen des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich zulässig ist (vgl. VfGH 4. 3. 2005, B249/04), dem - im vorliegenden Zusammenhang aus Art18 B-VG abzuleitenden - Erfordernis nicht mehr, dem zu Folge das Verweisungsobjekt in der verweisenden Norm ausreichend bestimmt festgelegt sein muss (vgl. VfSlg. 16.999/2003 mwH).

Die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung ist daher wegen Verstoßes gegen Art18 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.

4. Die auf Art140 Abs5 B-VG gestützte Setzung einer Frist für das Wirksamwerden der Aufhebung der Wortfolge "Erzeuger- und" im §99 Abs1 Z5 MarktordnungsG soll die Erlassung einer der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragenden gesetzlichen (Ersatz-)Regelung innerhalb des Zeitraumes ermöglichen, der sich aus dieser Fristsetzung ergibt.

Die nunmehr aufgehobene gesetzliche Bestimmung wurde iW mit der MarktordnungsG-Novelle BGBl. 1994/664 neu in das MarktordnungsG eingefügt. Ein Ausspruch iSd. Art140 Abs6 B-VG, dass gesetzliche Bestimmungen wieder in Kraft treten, die durch das vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetz aufgehoben worden waren, kommt somit nicht in Betracht.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 B-VG.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

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