VfGH B1156/03

VfGHB1156/0328.2.2004

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Abweisung des Antrags der Bundesimmobiliengesellschaft auf Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für eine Generalsanierung des Hauptgebäudes des Flüchtlingslagers Traiskirchen im Rahmen der örtlichen Baupolizei; keine mittelbare Bundesverwaltung mangels Vorliegen eines bundeseigenen Gebäudes; Verletzung hingegen im Eigentumsrecht durch gesetzwidrige Auslegung der Widmung des Baugrundstücks als "Bauland-Sondergebiet-Bundesgebäude" infolge Abstellens auf den Eigentümer statt auf die Nutzung; Zuständigkeit der Gemeinde zur Festlegung einer derartigen Widmung im Rahmen der örtlichen Raumplanung; Zulässigkeit der näheren Festlegung eines Sondergebiets für Bundesgebäude

Normen

B-VG Art15 Abs5
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art118 Abs3 Z9
StGG Art5
BundesbetreuungsV §1 Abs2
Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Traiskirchen. Änderung vom 09.03.84
Nö BauO 1996 §2 Abs3
Nö BauO 1996 §20 Abs3
Nö ROG 1976 §16 Abs1 Z6
Nö ROG 1976 §21 Abs6 Z1
Nö ROG 1976 §30 Abs5
B-VG Art15 Abs5
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art118 Abs3 Z9
StGG Art5
BundesbetreuungsV §1 Abs2
Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Traiskirchen. Änderung vom 09.03.84
Nö BauO 1996 §2 Abs3
Nö BauO 1996 §20 Abs3
Nö ROG 1976 §16 Abs1 Z6
Nö ROG 1976 §21 Abs6 Z1
Nö ROG 1976 §30 Abs5

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 2.142,- € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 890/4, EZ 2131 KG Traiskirchen. Vertreten durch die "Immobilienmanagementgesellschaft des Bundes mbH" suchte sie mit Eingabe vom 30. Oktober 2001, Posteingang am 9. November 2001, um die baubehördliche Bewilligung für die "Generalsanierung der" - auf diesem Grundstück befindlichen - "Betreuungsstelle Traiskirchen (Hauptgebäude)" an. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Traiskirchen wies diesen Antrag mit Bescheid vom 17. Juni 2002 gemäß §20 Abs3 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200 in der geltenden Fassung, ab. Das Areal sei im Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Traiskirchen als "Bauland Sondergebiet Bundesgebäude" gewidmet; deshalb seien lediglich Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden, die sich im Eigentum des Bundes befinden und für Aufgaben des Bundes verwendet werden, zulässig. Nunmehriger Eigentümer sei allerdings die beschwerdeführende Gesellschaft; es erfolge also lediglich eine Nutzung durch den Bund, ohne dass das Areal im Eigentum des Bundes stünde.

Die dagegen erhobene Berufung wies der Stadtrat der Stadtgemeinde Traiskirchen mit Bescheid vom 13. Jänner 2003 als unbegründet ab. Er verwies auf die von der Stadtgemeinde Traiskirchen eingeholte "Raumordnungsfachliche Stellungnahme" des DI Dr. L P vom 11. Jänner 2002, die auszugsweise lautet:

"Da keine aussagekräftigen Unterlagen zur Zusatzbezeichnung 'Bundesgebäude' aus der Zeit der erstmaligen Widmung im Jahre 1983 auffindbar sind, ist hier eine Interpretation der Meinung des damaligen Gemeinderates vorzunehmen. Es ist anzunehmen, daß dieser wahrscheinlich bundeseigene, öffentlichen Zwecken dienende Gebäude angestrebt hat. Demnach sind auf diesem Areal lediglich Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden, die sich im Eigentum des Bundes befinden und für Aufgaben des Bundes verwendet werden, zulässig."

Der Stadtrat führte aus, eindeutiges Ziel des "damaligen Gemeinderates" (gemeint wohl: des Gemeinderates bei Beschlussfassung über die Flächenwidmung) sei gewesen, die Errichtung von Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden, welche der Unterbringung von Asylwerbern dienen sollen, nicht zuzulassen, da die geordnete Unterbringung von Asylwerbern zwar im öffentlichen Interesse sei, jedoch keine öffentlichen Zwecke im Sinne des Art15 Abs5 B-VG vorlägen.

Die dagegen erhobene Vorstellung wies die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid als unbegründet ab. Darin führt sie ua. aus:

"Die Aufsichtsbehörde hat sich auch mit der Frage zu beschäftigen, ob das Gebäude, das an die Bundesimmobiliengesellschaft m. b.H. übertragen worden ist, nach wie vor als bundeseigenes Gebäude anzusehen ist oder nicht. Es ist davon auszugehen, dass mit dem Übergang des Eigentums an eine privatrechtliche juristische Person - unabhängig der Besitzverhältnisse der Gesellschaftsanteile - kein Bundeseigentum mehr vorliegt. Daran vermag selbst der Umstand nichts zu ändern, dass der Bund 100 von 100 der Geschäftsanteile an dieser Gesellschaft hält und auch eine Nutzung des Gebäudes ausschließlich durch diesen erfolgt.

Auszugehen ist vielmehr von der unstrittigen Tatsache, dass das verfahrensgegenständliche Areal im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Traiskirchen als Bauland-Sondergebiet-Bundesgebäude gewidmet ist und hat dabei die Baubehörde bei der Prüfung der Widmungskonformität des Vorhabens auch die Zusatzbezeichnung 'Bundesgebäude' zu beachten. [...]

Zu Recht hat daher die Baubehörde I. Instanz den Bewilligungsantrag unter Hinweis auf die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstücks abgewiesen und kann daher dem Stadtrat der Stadtgemeinde Traiskirchen nicht entgegengetreten werden [...]."

2. Dagegen wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (Widmung des Grundstücks der beschwerdeführenden Gesellschaft im Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Traiskirchen) behauptet wird.

2.1. Zur behaupteten Verletzung im Recht auf Gleichheit führt die beschwerdeführende Gesellschaft aus, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Widmung des Baugrundstücks (1984) habe das NÖ ROG zwar in §16 Abs1 Z6 den Begriff "Bauland-Sondergebiet", aber keinen Widmungsbegriff "Bundesgebäude" enthalten. Daher sei diese Beifügung rechtlich irrelevant. Unstrittig sei das in Rede stehende Gebäude 1984 ein bundeseigenes Gebäude, das öffentlichen Zwecken dient (Art15 Abs5 B-VG), gewesen. Gemäß dieser Bestimmung falle auch die Widmung von Grundstücken für eine solche Bebauung in die mittelbare Bundesverwaltung. Daher sei der Gemeinderat zur Festlegung dieser Widmung nicht zuständig gewesen.

Folgte man der Auffassung der belangten Behörde, wäre es für alle durch das Bundesimmobiliengesetz BGBl. I Nr. 141/2000 ins Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft übertragenen Grundstücke - das sei die überwältigende Mehrheit der ehemals im Eigentum des Bundes stehenden Grundstücke - nicht mehr möglich, baubewilligungspflichtige Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, obwohl die NÖ BauO unter Androhung von Verwaltungsstrafen dazu verpflichte. Dies sei gleichheitswidrig.

Im Rahmen der Flächenwidmungsplanung dürfe jedenfalls nicht bestimmt werden, wer Eigentümer eines Grundstücks zu sein hat. Auf Grund des §16 Abs1 Z6 NÖ ROG sei lediglich die (nach wie vor gegebene) Nutzung relevant. Aufgrund von §30 Abs5 NÖ ROG sei "seit der Novelle 1995" eine Widmung "Bundesgebäude" als nicht bestehend anzusehen. Es gelte jedenfalls "die Auslegung gemäß Gesetzesnovelle 1995 und nicht [...] eine historische Auslegung unter Zugrundelegung nicht weiter nachvollziehbarer Interpretationen".

2.2. Auch das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sei verletzt, da ein Eingriff in dieses Recht vorliege, der auf einer - wie oben dargestellt - denkunmöglichen Auslegung der Rechtsgrundlagen beruhe. Praktisch werde dadurch auch der Erwerb des Grundstücks durch Dritte ausgeschlossen, weil ein Erwerber keine baubewilligungspflichtigen Sanierungsarbeiten mehr durchführen könne.

2.3. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sei verletzt, weil die "abweislichen Entscheidungen" die Verweigerung einer Sachentscheidung in einer causa bedeuteten, die zu erfüllen die beschwerdeführende Gesellschaft gesetzlich verpflichtet sei. Außerdem sei die Gemeinde für die Widmung nicht zuständig gewesen.

2.4. Schließlich stütze sich der bekämpfte Bescheid auf eine gesetzwidrige Verordnung, weil eine Flächenwidmung "Bundesgebäude" bei Beachtung der Verfassung und des NÖ ROG von der Gemeinde nie festgelegt werden hätte dürfen.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt und ua. ausführt:

"Die verfassungsgesetzliche Kompetenznorm des Art15 Abs5 B-VG weist Akte der Vollziehung in Bausachen, soweit bundeseigene Gebäude betroffen sind, die öffentlichen Zwecken dienen, der mittelbaren Bundesverwaltung zu. Der Begriff 'bundeseigene Gebäude' im Sinne dieser Verfassungsbestimmung stellt auf die Eigentumsverhältnisse des jeweiligen Gebäudes ab. Der Begriff 'Bundesgebäude' schließt nur unmittelbares Eigentum des Bundes - und nicht auch solches, das im Eigentum einer Kapitalgesellschaft steht, die ihrerseits im Eigentum des Bundes steht - mit ein. Mit der Übertragung bestimmter - bisher bundeseigener Gebäude - in das Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft ist nunmehr diese und nicht mehr die Republik Österreich [der Bund] als Eigentümer[in] anzusehen. Es liegt sohin kein Bundesgebäude mehr vor, mag es auch öffentlichen Zwecken dienen.

[...][D]ie belangte Behörde [vertritt] die Auffassung [...], dass die Zusatzbezeichnung 'Bundesgebäude' auf die Eigentumsverhältnisse abstellt. Damit ist aber entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht dargetan, dass aufgrund des §16 Abs1 Z6 des NÖ ROG 1976 lediglich die bauliche Nutzung von Relevanz ist. Die Beschwerdeführerin verkennt auch den Inhalt des §30 Abs5 NÖ ROG 1976, hat doch diese Gesetzesbestimmung nicht die Auslegung einer Zusatzbezeichnung eines Sondergebietes zum Gegenstand, sondern regelt sie nur die Auslegung der Widmungsart selbst.

Im übrigen verweist die belangte Behörde auf den Umstand, dass der Raumordnungsbeirat im seinerzeitigen Widmungsverfahren 'unter der Voraussetzung, dass der Verwendungszweck des Areals des Flüchtlingslagers als Bauland-Sondergebiet-Bundesgebäude statt Schule ausgewiesen wird', ein positives Gutachten abgegeben hat. Andernfalls hätte die NÖ Landesregierung der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes gar nicht zugestimmt.

Im konkreten Baubewilligungsverfahren haben daher die Baubehörde[n] auf Gemeindeebene bei der Prüfung der Widmungskonformität des Bauvorhabens zu Recht auch die Zusatzbezeichnung 'Bundesgebäude' beachtet und war es der belangten Behörde im aufsichtsbehördlichen Verfahren verwehrt, sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung auseinanderzusetzen."

4. Die Stadtgemeinde Traiskirchen legte die Akten betreffend das Zustandekommen der Widmung des Baugrundstücks im Flächenwidmungsplan vor und erstattete eine Stellungnahme, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Zur Frage der Verletzung des Rechts der beschwerdeführenden Gesellschaft auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG):

1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat, wenn auch die beschwerdeführende Gesellschaft diese Frage so nicht aufwirft, Folgendes zu untersuchen:

Grundsätzlich sieht die NÖ BauO 1996, LGBl. 8200-15, die Zuständigkeit von bestimmten Gemeindeorganen als Baubehörden vor (§2 Abs2 NÖ BauO), die dann überdies im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde tätig werden (§3 Abs1 NÖ BauO). Gemäß §2 Abs3 NÖ BauO ist jedoch "[b]ei bundeseigenen, öffentlichen Zwecken dienenden Gebäuden" Baubehörde erster Instanz die Bezirkshauptmannschaft (bzw. der Magistrat in Städten mit eigenem Statut), Baubehörde zweiter Instanz "der Landeshauptmann (mittelbare Bundesverwaltung)". Damit will die NÖ BauO einerseits Art15 Abs5, andererseits Art118 Abs3 Z9 B-VG gerecht werden.

Hätte die belangte Behörde das hier in Rede stehende Bauvorhaben zu Unrecht nicht als ein solches, das "bundeseigene, öffentlichen Zwecken dienende Gebäude" betrifft, beurteilt, so wäre die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Denn das Nichtwahrnehmen der Unzuständigkeit der Gemeindebehörden durch die Vorstellungsbehörde verletzt den Vorstellungswerber im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (vgl. VfSlg. 8229/1977, 9026/1981).

1.2. Im Ergebnis ist die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter jedoch nicht verletzt worden:

Gemäß Art15 Abs5 B-VG - und vor dessen Hintergrund ist §2 Abs3 NÖ BauO auszulegen - fallen Akte der Vollziehung in Bausachen dann in die mittelbare Bundesverwaltung (und überdies gemäß Art118 Abs3 Z9 B-VG nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden), wenn

* sie bundeseigene Gebäude betreffen

und

* diese Gebäude öffentlichen Zwecken, wie der

Unterbringung von Behörden und Ämtern des Bundes oder von öffentlichen Anstalten - darunter auch Schulen und Spitälern - oder der kasernenmäßigen Unterbringung von Heeresangehörigen oder sonstigen Bundesbediensteten dienen.

Schon der Wortlaut des ersten Kriteriums "bundeseigene Gebäude" legt nahe, dass der Verfassungsgesetzgeber nur Gebäude erfassen wollte, deren Eigentümer im zivilrechtlichen Sinne die Gebietskörperschaft Bund ist. Eine Anknüpfung an einen anderen als diesen Eigentumsbegriff müsste vom B-VG - wie das an anderen Stellen geschieht (vgl. Art52 Abs2 und Art126b Abs2 B-VG) - ausdrücklich angeordnet werden.

Keinem Zweifel kann es ferner unterliegen, dass diese Bestimmung das - kumulative - Vorliegen von beiden genannten Voraussetzungen verlangt. Wenn der Verfassungsgesetzgeber - unabhängig von der wie dargelegt verstandenen, formellen Eigentümerstellung des Bundes - Gebäude, die der Bund zur Erfüllung von bestimmten Aufgaben nutzt (vgl. das zweite Kriterium), jedenfalls erfassen hätte wollen, so hätte er auf das erste Kriterium verzichten können.

Dass der - einfache - Bundesgesetzgeber durch das Bundesimmobiliengesetz, BGBl. I Nr. 141/2000, und die dadurch bewirkte Übertragung des weitaus überwiegenden Teils der ehemals im Bundeseigentum befindlichen Liegenschaften in das Eigentum der Bundesimmobiliengesellschaft die Zahl der Fälle, in denen Art15 Abs5 B-VG anzuwenden ist, erheblich reduziert hat, kann keine andere als die dargelegte Auslegung des Begriffs "bundeseigene Gebäude" in Art15 Abs5 B-VG gebieten.

Das Gebäude der beschwerdeführenden Gesellschaft ist daher - was die Beurteilung der Zuständigkeit der Gemeindebehörden im eigenen Wirkungsbereich betrifft - von der belangten Behörde zu Recht nicht als "bundeseigenes Gebäude" iSd Art15 Abs5 B-VG behandelt worden.

2. Zur Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums:

Der bekämpfte Bescheid, mit dem die Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft als Eigentümerin des Baugrundstücks gegen die Abweisung ihres Antrags auf Erteilung einer Baubewilligung durch die Gemeindebehörden abgewiesen wurde, greift in das Recht der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) ein (vgl. VfSlg. 9306/1981 uva.).

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums ist insbesondere dann verletzt, wenn die belangte Behörde den eingreifenden Bescheid auf eine generelle Rechtsnorm gestützt hat, der sie einen rechtswidrigen Inhalt unterstellt hat.

Die belangte Behörde hat der - durch Verordnung erfolgten - Flächenwidmung des Baugrundstücks als "Bauland Sondergebiet Bundesgebäude" den Inhalt unterstellt, auf diesem Grundstück sei der Umbau des vom Bund als Flüchtlingsheim genutzten Gebäudes deshalb zu Recht nicht bewilligt worden, weil nicht der Bund, sondern die beschwerdeführende Gesellschaft nunmehr Eigentümer des Grundstücks sei.

Damit hat die belangte Behörde einer Verordnung einen gesetzwidrigen Inhalt beigemessen: Gemäß §16 Abs1 Z6 NÖ ROG (vgl. Punkt 2.1.4.) ist bei der Ausweisung von Sonderflächen im Bauland auf eine bestimmte Nutzung abzustellen, nicht auf einen bestimmten Eigentümer. Wie unter den Punkten 2.1.ff gezeigt, stellt - bei gesetzeskonformer Auslegung - die in Rede stehende Flächenwidmung auf die Nutzung der Liegenschaft als Flüchtlingsheim ab.

2.1. Zur Frage der Rechtmäßigkeit des Flächenwidmungsplans:

2.1.1. Zum Zustandekommen der Widmung des Baugrundstücks:

Gemäß der "Kundmachung" vom 26. Jänner 1983 war ein Entwurf einer Änderung des Flächenwidmungsplans der Stadtgemeinde Traiskirchen von 1. Februar bis 30. März 1983 im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsichtnahme aufgelegt. In diesem Entwurf hatte die Gemeinde offenbar nicht die Absicht, für das Baugrundstück die damals geltende Flächenwidmung "Bauland - Sondergebiet - Schule" zu ändern. Mit Schreiben vom 18. Mai 1983 übermittelte die Stadtgemeinde Traiskirchen dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abt. II/2, diesen Entwurf zur "Vorbegutachtung".

In seiner Sitzung am 24. Juni 1983 nahm der Gemeinderat der Stadtgemeinde Traiskirchen diesen Entwurf - ohne Diskussion über die Frage der Widmung des Baugrundstücks - einstimmig an.

Am 19. Oktober 1983 langte beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abt. II/2, der Antrag der Stadtgemeinde Traiskirchen auf aufsichtsbehördliche Genehmigung dieser Verordnung ein.

Über eine "Besprechung bei der Abteilung II/2 am 11.1.1984" findet sich ein Aktenvermerk mit auszugsweise folgendem Inhalt:

"Das BS-Schule (Areal des derzeitigen Flüchtlingslagers) wurde den derzeitigen Gegebenheiten entsprechend auf BS-Bundesgebäude richtiggestellt. Dazu wird vom Vertreter der Gemeinde Traiskirchen ausdrücklich erklärt, daß die Gemeinde gegen eine Bezeichnung 'Flüchtlingslager' in der Darstellung des Flächenwidmungsplanes schwerste Bedenken hat und daher ein entsprechender Gemeinderatsbeschluß für eine derartige Widmungsfestlegung nicht erwartet werden kann. [...]

Der Vertreter der Stadtgemeinde Traiskirchen nimmt das Besprechungsergebnis zustimmend zur Kenntnis [...]."

Mit Schreiben vom 13. Jänner 1984 ersuchte die Abteilung II/2 des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung die Abteilung R/2, für die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Raumordnungsbeirates das örtliche Raumordnungsprogramm der Stadtgemeinde Traiskirchen vorzumerken - dies mit der

"Empfehlung: positives Gutachten (mit dem Vorbehalt, daß der Verwendungszweck des Areals des Flüchtlingslagers als (BS-) Bundesgebäude (statt Schule) ausgewiesen wird."

Dieser Antrag wurde in der Sitzung des Raumordnungsbeirates am 1. Februar 1984 angenommen.

Aus dem Protokoll der Sitzung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traiskirchen vom 9. März 1984:

"Bürgermeister Josef Musser führt aus:

Anlässlich der Überprüfung der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes durch den Raumordnungsbeirat wurde die im vorgelegten Entwurf enthaltene Bezeichnung des Areals des gegenwärtigen Flüchtlingslagers als

BAULAND - SONDERGEBIET - SCHULE

beanstandet. Mit dem Hinweis, daß dieses Areal bereits seit über 30 Jahren nicht mehr als Schule verwendet wird, soll dieses Gebiet die Bezeichnung

BAULAND - SONDERGEBIET - BUNDESGEBÄUDE

erhalten.

Der Antrag des Referenten wurde vom Gemeinderat einstimmig angenommen."

Mit Bescheid vom 26. April 1984 genehmigte die Niederösterreichische Landesregierung gemäß §21 Abs5 und 7 und §22 Abs3 NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-1, diese Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traiskirchen, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm abgeändert wird. Die Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel von 30. April 1984 bis 14. Mai 1984 kundgemacht.

2.1.2. Die beschwerdeführende Gesellschaft bringt der Sache nach vor, zur Widmung des Baugrundstücks als "Bauland Sonderfläche Bundesgebäude" sei die Gemeinde aufgrund des Art118 Abs3 Z9 iVm Art15 Abs5 B-VG nicht zuständig und der Flächenwidmungsplan daher rechtswidrig.

2.1.3. Das trifft nicht zu:

Art 118 Abs3 Z9 B-VG verweist die örtliche Baupolizei nur "soweit sie nicht bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen (Art15 Abs5) zum Gegenstand hat", in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Die örtliche Raumplanung weist diese Bestimmung den Gemeinden jedoch ohne diese Einschränkung zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich zu.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwSlg. 7319 A/1968 ausführt, die "Widmung" einer Wiesenparzelle zum Zwecke der Bebauung mit einem bundeseigenen Gebäude, das öffentlichen Zwecken dient, sei ein Akt der "örtlichen Baupolizei" und daher zufolge des klaren Wortlautes des Art118 Abs3 Z9 B-VG ausdrücklich vom eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ausgeschlossen, so bezieht er sich damit auf die in der damaligen Fassung der Stmk. BauO noch vorgesehenen "Widmungsbescheide". In demselben Erkenntnis unterscheidet er von diesen "Widmungsbescheiden" nämlich die "Aufstellung und Abänderung von Flächenwidmungsplänen", die eine Angelegenheit der örtlichen Raumplanung darstellten; diesbezüglich sei der eigene Wirkungsbereich der Gemeinden nicht im Hinblick auf Widmungen für bundeseigene Gebäude eingeschränkt. Vgl. in diesem Sinne auch VwSlg. 11 513 A/1984.

2.1.4. Die beschwerdeführende Gesellschaft bringt darüber hinaus vor, das NÖ ROG 1976 habe zunächst zwar in §16 Abs1 Z6 den Begriff "Bauland-Sondergebiet", aber keinen Widmungsbegriff "Bundesgebäude" enthalten. Daher sei diese Beifügung rechtlich irrelevant. Aufgrund von §30 Abs5 NÖ ROG 1976 sei "seit der Novelle 1995" eine Widmung "Bundesgebäude" als nicht bestehend anzusehen.

§16 Abs1 NÖ ROG 1976, LGBl. 8000, lautete zum Zeitpunkt der Erlassung der Widmung des Baugrundstücks als "Bauland Sondergebiet Bundesgebäude" in der - die zitierten Teile betreffend noch geltenden - Stammfassung folgendermaßen:

"§16

Bauland

(1) Das Bauland ist entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Nutzungsarten zu gliedern:

  1. 1. Wohngebiete, [...]
  2. 2. Kerngebiete, [...]
  3. 3. Betriebsgebiete, [...]
  4. 4. Industriegebiete, [...]
  5. 5. Agrargebiete, [...]
  6. 6. Sondergebiete, die für Baulichkeiten zu Zwecken, welche ein besonderes Schutzbedürfnis erfordern, oder zu Zwecken bestimmt sind, welche sich nicht in die Z1 bis 5 einordnen lassen, wie Kranken- und Kuranstalten, Heime, Hotels und Pensionen, Schulen, Spiel- und Sportanlagen, Kasernen und dergleichen."

Seit Inkrafttreten der 10. Novelle zum NÖ ROG 1976 am 1. Jänner 1996 lautet §16 Abs1 Z6 NÖ ROG nunmehr:

"6. Sondergebiete, die für bauliche Nutzungen bestimmt sind, deren besonderer Zweck im Flächenwidmungsplan durch einen Zusatz zur Signatur ausdrücklich festgelegt ist. Das sind Nutzungen,

* die ein besonderes Schutzbedürfnis (Krankenanstalten,

Schulen u.dgl.) erfordern oder

* denen ein bestimmter Standort (Asphaltmischanlagen u.

dgl.) zugeordnet werden soll oder

* die sich nicht in die Z1 bis 5 (Kasernen,

Sportanlagen u. dgl.) einordnen lassen."

Mit derselben Novelle wurde §30 Abs5 NÖ ROG geschaffen, der lautet(e) (kursiv dargestellt sind - hier im Ergebnis unerhebliche - Änderungen durch die 13. ROG-Novelle):

"(5) Für die in den örtlichen Raumordnungsprogrammen [...] ausgewiesenen Widmungs[Entfall:- und Nutzungs]arten sind die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden. Nutzungsarten[nun:

Widmungsarten], die nach ihrer Bezeichnung nicht mit den Bestimmungen dieses Gesetzes übereinstimmen, gelten als nicht ausgewiesen."

Das NÖ ROG 1976 enthält in keiner der beiden Fassungen einen taxativen Katalog von Arten von "Sondergebieten", deren Festlegung in den - einen Teil der örtlichen Raumordnungsprogramme bildenden - Flächenwidmungsplänen den Gemeinden erlaubt ist; dass die Bezeichnung "Bundesgebäude" in den bloß demonstrativen Aufzählungen zulässiger Sondergebiete nicht vorkommt, macht die in Rede stehende Widmung also nicht gesetzwidrig.

Die Zusatzbezeichnung ist auch nicht rechtlich irrelevant. Gemäß der novellierten Fassung des §16 Abs1 Z6 NÖ ROG muss für ein Sondergebiet eine bauliche Nutzung zu einem besonderen Zweck ausdrücklich festgelegt sein. Auch dieser Voraussetzung wird die in Rede stehende Widmung im Ergebnis gerecht:

Vor dem Hintergrund einerseits der oben dargestellten Entstehungsgeschichte der in Rede stehenden Widmung und andererseits der gesetzlichen Grundlagen im NÖ ROG ergibt sich klar, dass mit der in Rede stehenden Widmung der schon lange bestehenden Nutzung des Grundstücks als Flüchtlingslager des Bundes durch die Festlegung eines entsprechenden Sondergebietes Rechnung getragen werden sollte. Diese Auslegung der Widmung des in Rede stehenden Grundstücks gebietet auch §1 Abs2 der Bundesbetreuungsverordnung, BGBl. Nr. 31/1992 ("Die Aufnahme [hilfsbedürftiger Asylwerber] in die Bundesbetreuung kann in den Bundesbetreuungsstellen Bad Kreuzen, Mödling-Vorderbrühl, Thalham und Traiskirchen erfolgen"), und zwar vor dem Hintergrund des Tatbestands zur Versagung der aufsichtsbehördlichen Bewilligung gemäß §21 Abs6 Z1 NÖ ROG 1976, gemäß dem das örtliche Raumordnungsprogramm einer rechtswirksamen überörtlichen Planung (hier: der Planung des Bundes in der Bundesbetreuungsverordnung) nicht widersprechen darf (vgl. auch Art118 Abs4 erster Satz B-VG, dem zufolge die Gemeinde die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes zu besorgen hat; zum Gebot der Einfügung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne einer Gemeinde in überörtliche Interessen vgl. VfSlg. 11.633/1988 - "Ennsdorf").

Da somit - wie gezeigt - die Festlegung des Zwecks "Bundesgebäude" "mit den Bestimmungen [des NÖ ROG in der geltenden Fassung] übereinstimm[t]" (vgl. §30 Abs5 NÖ ROG), trifft auch die Ansicht der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht zu, die Bezeichnung "Bundesgebäude" gelte seit der 10. ROG-Novelle als nicht ausgewiesen.

2.2. Da die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen, ins Eigentum der beschwerdeführenden Gesellschaft eingreifenden Bescheides einer Verordnung einen gesetzwidrigen Inhalt unterstellte, hat sie die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Schon aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von 327,- € und eine Eingabegebühr in Höhe von 180,- € enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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