VfGH B1302/02

VfGHB1302/023.3.2003

Sachliche Rechtfertigung der Einschleifregelung des Pensionistenabsetzbetrages nach dem EStG 1988 idF des Budgetbegleitgesetzes 2001

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §33 Abs5
EStG 1988 §33 Abs6 idF BudgetbegleitG 2001
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §33 Abs5
EStG 1988 §33 Abs6 idF BudgetbegleitG 2001

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer bezog im Kalenderjahr 2001 als Pensionist ein Einkommen (nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen) in Höhe von ATS 278.103,--. Bei der Berechnung der Einkommensteuer wurden ein allgemeiner Absetzbetrag, ein Alleinverdienerabsetzbetrag und ein Pensionistenabsetzbetrag berücksichtigt. Der Pensionistenabsetzbetrag wurde gemäß §33 Abs6 EStG 1988, idF BGBl. I 142/2000, auf ATS 1.720,-- gekürzt. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit angefochtenem Bescheid vom 2. Juli 2002 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

2.1. Der Beschwerdeführer behauptet, daß §33 Abs6 letzter Satz EStG 1988, idF BGBl. I 142/2000, der die Einschleifung des Pensionistenabsetzbetrages vorsieht, verfassungswidrig sei. Die genannte Bestimmung verstoße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und führe zu sachlich nicht gerechtfertigten Unterschieden.

Bereits aus dem Einleitungsteil der Bestimmung des §33 Abs6 EStG 1988 ergebe sich, daß durch diese Bestimmung für die dort näher definierten Pensionsbezieher ein Ausgleich dafür geschaffen werden sollte, daß ihnen die Absetzbeträge gemäß §33 Abs5 EStG 1988 im Zusammenhang mit Einkünften aus bestehenden Dienstverhältnissen (Verkehrsabsetzbetrag, Arbeitnehmerabsetzbetrag und Grenzgängerabsetzbetrag) nicht mehr zustünden.

Der wesentliche Unterschied zwischen der Personengruppe, die Anspruch auf die Gewährung des Absetzbetrages gemäß §33 Abs5 EStG 1988 habe, und der Personengruppe, die Anspruch auf den Absetzbetrag gemäß §33 Abs6 EStG 1988 habe, bestehe darin, daß erstere aktiv im Rahmen eines Dienstverhältnisses im Erwerbsleben stünde und letztere eine Pension beziehe.

Die Beschwerde geht davon aus, daß der Verkehrsabsetzbetrag offensichtlich berufsbedingte Mehrausgaben für Verkehrsmittel pauschal berücksichtigen solle; beim Arbeitnehmerabsetzbetrag sei die Intention des Gesetzgebers - zumindest auf Grund der Bezeichnung des Absetzbetrages - nicht erkennbar. Durch die Gewährung des Pensionistenabsetzbetrages nehme der Gesetzgeber offensichtlich typisierend Rücksicht darauf, daß diese Personengruppe alters- oder krankheitsbedingt erhöhte Aufwendungen habe und dadurch in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sei. Diese Ansatzpunkte differenzierender Gewährung von Absetzbeträgen seien grundsätzlich auch nach Meinung des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden.

2.2. Die Einschleifregelung in §33 Abs6 letzter Satz EStG 1988 führe jedoch zu einer unsachlichen Differenzierung, da nicht einzusehen sei, daß nur Bezieher von Pensionseinkünften, die den Betrag von ATS 230.000,-- übersteigen, den typischerweise mit der Zugehörigkeit zu dieser Personengruppe verbundenen Mehraufwand nicht oder nur in eingeschränkterem Maß hätten. Wenn der Gesetzgeber tatsächlich bei höheren Einkommen die geminderte Leistungsfähigkeit nicht mehr berücksichtigen wolle, müsse er in vergleichbaren Einkommenshöhen auch bei den Personen, die Anspruch auf Gewährung von Absetzbeträgen gemäß §33 Abs5 EStG 1988 haben, eine Einschleifregelung einführen, denn die Einschleifregelung bedeute im Ergebnis nichts anderes als eine (verdeckte) Erhöhung des Steuersatzes für Einkommensteile zwischen ATS 230.000,-- und ATS 300.000,--.

Die Mehrbelastung durch die Einschleifregelung sei aber auch im Verhältnis zu den Pensionisten, deren Pensionsbezug ATS 230.000,-- nicht überschreite, nicht gerechtfertigt, da der Pensionistenabsetzbetrag einen Ausgleich dafür darstellen solle, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gruppe der anspruchsberechtigten Pensionisten typischerweise alters- oder krankheitsbedingt vermindert sei. Sofern also dieser Berufsgruppe eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit zugestanden werde, sei es auch völlig unsachlich, dabei innerhalb der Gruppe der Pensionisten nach der Höhe des Pensionseinkommens zu differenzieren.

3. Die belangte Behörde legte innerhalb der ihr gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Behandlung der Beschwerde abzulehnen.

3.1. In der Gegenschrift hält sie der Beschwerde entgegen, daß der Pensionistenabsetzbetrag keine typisierende Berücksichtigung alters- und krankheitsbedingter Mehraufwendungen bezwecke. Die Minderung der Leistungsfähigkeit durch derartige Aufwendungen erfolge - ganz allgemein und damit ungeachtet des Alters und der Stellung des Steuerpflichtigen im Erwerbsleben - durch das Rechtsinstitut der außergewöhnlichen Belastung (§§34, 35 EStG 1988). Der Zweck und die sachliche Rechtfertigung bestünden vielmehr in einer Steuerbegünstigung für Bezieher niedriger Pensionseinkünfte.

Der Pensionistenabsetzbetrag substituiere den Verkehrsabsetzbetrag und den Arbeitnehmerabsetzbetrag. Die Rechtfertigung für den Arbeitnehmerabsetzbetrag (Lohnsteuerpflichtige seien mit einer Einkünftesteigerung sofort dem Zugriff des Fiskus unterworfen, während dies für veranlagungspflichtige Steuerpflichtige nicht in vergleichbarer Weise zutreffe) sei auch bei Pensionsbeziehern gegeben. Seit BGBl. I 142/2000 seien Pensionisten hier sogar insofern besser gestellt, als der Arbeitnehmerabsetzbetrag auf ATS 750,-- reduziert worden sei, während das Ausmaß des Pensionistenabsetzbetrages unverändert geblieben sei. Die sachliche Begründung des Verkehrsabsetzbetrages (Abgeltung des Aufwandes für Fahrten von und zur Arbeitsstätte) komme bei Pensionsbeziehern nicht zum Tragen. Die sachliche Rechtfertigung für die insofern gegenüber aktiven Arbeitnehmern gegebene tarifmäßige Begünstigung sei jedoch nach Ansicht der belangten Behörde darin zu sehen, daß Pensionsbezieher einem vom Einzelnen selbst nicht mehr beeinflußbaren, starren Einkünfteregime unterlägen. Hinzu komme der (einkommensteuerliche) Aspekt, daß Pensionsbezieher, die wie aktive Arbeitnehmer im Regelfall dem Lohnsteuerabzug unterworfen seien, in erheblich geringerem Umfang in der Lage seien, (lohn)steuerliche Begünstigungen, etwa nach §67 EStG 1988, in Anspruch zu nehmen, da diese Begünstigungen in deutlich größerem Ausmaß auf die Einkünftesituation von aktiven Arbeitnehmern zugeschnitten seien (z.B. §67 Abs7, §67 Abs8 oder §68 EStG 1988, wobei letztere Begünstigung mit der Deckelung selbst ein dem Pensionistenabsetzbetrag vergleichbares Element der sozialen Staffelung in sich trage).

3.2. Der Pensionistenabsetzbetrag stelle damit ein aus sozialen Gesichtspunkten vorgesehenes Äquivalent für die fremdbestimmte Situation des Pensionsempfängers einerseits sowie für den Umstand dar, daß dieselben nicht (mehr) in vergleichbarem Umfang in den Genuß lohnsteuerlicher Begünstigungen kommen könnten. Die belangte Behörde verweist in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2001, B1437/00, VfSlg. 16.196/2001, und kommt zu folgendem Ergebnis: "Sieht man das Wesen des Pensionistenabsetzbetrages daher bei richtiger Betrachtung in der zulässigen (wenn auch möglicherweise nicht gebotenen) sozialen Begünstigung von Pensionsbeziehern, kann in der Reduktion bzw. dem Wegfall dieser Begünstigung nicht die Herbeiführung einer verfassungswidrigen Rechtslage erblickt werden, die die Symmetrie steuerlicher Begünstigungen zu Lasten von Pensionsbeziehern verändert hätte."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. §33 Abs5 und 6 EStG 1988 in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I 142/2000 lauten folgendermaßen:

"(5) Bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis stehen folgende Absetzbeträge zu:

  1. 1. Ein Verkehrsabsetzbetrag von 4 000 S jährlich.
  2. 2. Ein Arbeitnehmerabsetzbetrag von 750 S jährlich, wenn die Einkünfte dem Lohnsteuerabzug unterliegen.
  3. 3. Ein Grenzgängerabsetzbetrag von 750 S jährlich, wenn der Arbeitnehmer Grenzgänger (§16 Abs1 Z4) ist. Dieser Absetzbetrag vermindert sich um den im Kalenderjahr zu berücksichtigenden Arbeitnehmerabsetzbetrag.

(6) Soweit einem Steuerpflichtigen die Absetzbeträge nach Abs5 nicht zustehen, hat er Anspruch auf einen Pensionistenabsetzbetrag bis zu 5 500 S jährlich, wenn er Bezüge oder Vorteile im Sinne des §25 Abs1 Z1 oder 2 für frühere Dienstverhältnisse, Pensionen und gleichartige Bezüge im Sinne des '25 Abs1 Z3 oder Abs1 Z4 bis 6 bezieht. Bei Einkünften, die den Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag begründen, steht der Werbungskostenpauschbetrag nach §16 Abs3 nicht zu. Der Pensionistenabsetzbetrag vermindert sich gleichmäßig einschleifend zwischen zu versteuernden Pensionsbezügen von 230 000 S und 300 000 S auf Null."

2. Mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über den Pensionistenabsetzbetrag (PAB) hat sich der Gerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 8003/1977 auseinandergesetzt. Er hat dort - unter Hinweis auf die Materialien zum EStG 1972 (474 BlgNR, 13. GP) - festgehalten, daß der Gesetzgeber den PAB zur steuerlichen Entlastung der Bezieher von Pensionen aus sozialen Gründen vorgesehen habe, dafür aber für diese Personengruppe das Werbungskostenpauschale weggefallen sei. Der Gerichtshof hat in dieser Entscheidung weder gegen den Entfall des Werbungskostenpauschales für Pensionisten noch gegen die konkrete Regelung des PAB verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.

3. Die bekämpfte Einschleifregelung wurde durch das Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I 142/2000, in §33 Abs6 EStG 1988 eingefügt. Die Materialien (311 BlgNR, 21. GP) erwähnen diese Änderung, ohne sie zu begründen. Offenbar soll sie dem allgemeinen Ziel des Budgetbegleitgesetzes 2001, nämlich der Budgetkonsolidierung, dienen (vgl. 311 BlgNR, 21. GP, 150).

4.1. Der Gerichtshof teilt nicht die Auffassung der Beschwerde, daß sich schon aus dem Einleitungssatz des §33 Abs6 EStG 1988 ergebe, daß mit dem PAB für die dort näher definierten Pensionsbezieher ein Ausgleich für den Entfall der Absetzbeträge gemäß Abs5 (für aktive Dienstnehmer) geschaffen werden sollte. Mag eine solche Überlegung auch Motiv für die Vorgangsweise des Gesetzgebers gewesen sein, so könnte sie doch jedenfalls keine sachliche Rechtfertigung für die Gewährung eines Absetzbetrages an eine Personengruppe abgeben, die die Voraussetzungen des §33 Abs5 EStG 1988 gerade nicht mehr erfüllt. Die fragliche Wortfolge soll somit offenbar nur bewirken, daß für ein und denselben Steuerpflichtigen nicht die Absetzbeträge nach Abs5 und Abs6 nebeneinander gewährt werden. Die sachliche Rechtfertigung des PAB muß hingegen auf anderen Gründen beruhen.

4.2. Nun kann es der Gerichtshof aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde dahingestellt sein lassen, ob der PAB - wie es den zitierten Materialien zum EStG 1972 zu entnehmen ist, im hg. Erkenntnis VfSlg. 8003/1977 angenommen wurde und von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift betont wird - als eine allgemeinen sozialen Erwägungen entspringende Begünstigung für eine bestimmte Gruppe von Einkommensbeziehern anzusehen ist oder ob der Gesetzgeber damit - wie in der Beschwerde ausgeführt wird - typisierend darauf Rücksicht nimmt, daß den Angehörigen dieser Personengruppe alters- oder krankheitsbedingt erhöhte Aufwendungen erwachsen und sie deswegen in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind.

Sollte es sich nämlich um eine tarifliche Begünstigung zugunsten einer Personengruppe handeln, die vom Gesetzgeber generell als sozial schwächer eingestuft wird, so bestünde aus der Sicht des Gleichheitssatzes kein Hindernis, diese Maßnahme mit steigendem Einkommen (verschleifend) abzubauen, da die soziale Situation des Steuerpflichtigen im Einkommensteuerrecht in erster Linie an Hand der Höhe des Einkommens beurteilt wird und daher nichts dagegen spricht, bei entsprechend hohem Einkommen eine sozial orientierte Tarifmaßnahme abzubauen.

Sollte der PAB hingegen die typisierende Berücksichtigung von alters- oder krankheitsbedingt erhöhten Aufwendungen bezwecken, so läge - auf diesen Zusammenhang weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift hin - eine pauschalierende Berücksichtigung von Aufwendungen vor, die vom EStG 1988 ansonsten als außergewöhnliche Belastungen eingestuft werden. Für diese Aufwendungen sieht das Gesetz aber bei individueller Geltendmachung im allgemeinen den Abzug eines Selbstbehaltes vor, der mit steigendem Einkommen nicht nur proportional, sondern überproportional ansteigt. Nichts anderes als ein solcher einkommensabhängiger Selbstbehalt (gegen den bei Aufwendungen der Privatsphäre aus verfassungsrechtlicher Sicht an sich keine Bedenken bestehen) wird aber letztlich bewirkt, wenn angenommene durchschnittliche alters- oder krankheitsbedingte Mehraufwendungen mit Hilfe eines Absetzbetrages berücksichtigt werden und dieser Absetzbetrag mit höherem Einkommen verschleifend abgebaut wird.

Damit ist aber auch erklärt (und gerechtfertigt), warum bei den Absetzbeträgen nach §33 Abs5 EStG 1988 eine gleichartige Einschleifregelung nicht vorgesehen ist.

5. Die beschwerdeführende Partei ist daher aus jenen Gründen, die in der Beschwerdeschrift aufgeführt sind, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt worden. Im Beschwerdeverfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß dies aus anderen, in der Beschwerde nicht behaupteten Gründen der Fall gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

III. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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