VfGH B1328/03

VfGHB1328/033.12.2003

Zurückweisung der Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrags auf Zuerkennung einer Entschädigung nach dem Salzburger Raumordnungsgesetz nach Rückwidmung der Grundstücke des Beschwerdeführers; keine Legitimation zur Beschwerdeführung infolge Unterlassung der Anrufung des hier allein zuständigen Gerichts

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art5
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
Sbg RaumOG 1998 §25
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art5
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
Sbg RaumOG 1998 §25

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundstücke Nrn. 838/5 und 838/22, GB St. Michael im Lungau, welche mit Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde St. Michael im Lungau vom 23. Juni 1998 und vom 5. August 1998 von "Bauland" in "Grünland" umgewidmet wurden. Mit Schreiben vom 25. September 2001 beantragte der Beschwerdeführer aufgrund der genannten Rückwidmung die Zuerkennung einer Entschädigung gemäß §25 Salzburger Raumordnungsgesetz 1992 idF LGBl. Nr. 75/1997.

2. Die Salzburger Landesregierung wies diesen Antrag mit Bescheid vom 29. Juli 2003 als unbegründet ab und führte dazu ua. aus, dass die beiden in Rede stehenden Grundflächen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Flächenwidmungsplanes bereits länger als 10 Jahre als Bauland gewidmet gewesen seien, an der Grundfläche Nr. 838/5 kein Eigenbedarf erklärt worden sei und für die Grundfläche Nr. 838/22 durch Abgabe widerstreitender Erklärungen des Beschwerdeführers eine nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Geltendmachung des Eigenbedarfes erfolgt sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), sowie die Verletzung des durch Art18 B-VG normierten Gebotes der Bestimmtheit von Gesetzen und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

1. Gemäß der durch die Novelle LGBl. Nr. 68/2000 eingefügten Bestimmung des §51 Abs5 Salzburger Raumordnungsgesetz 1998 (idF: Sbg. ROG 1998) ist auf Entschädigungen für die Umwidmung von Bauland im Rahmen der Anpassung der Flächenwidmungspläne nach §45 Abs12 erster Satz leg. cit. (Anm: Übergangsbestimmung, Anpassung bestehender Flächenwidmungspläne an die Bestimmungen des Sbg. ROG 1998) §25 Abs1 und 2 leg. cit. in der bisher geltenden Fassung (Anm: LGBl. Nr. 75/1997) weiterhin anzuwenden. Der Beschwerdeführer hat den in Rede stehenden Antrag auf Entschädigung bei der Salzburger Landesregierung am 25. September 2001 eingebracht; die Zuständigkeit zur Entscheidung über diesen Antrag gemäß §25 Abs3 und 4 Sbg. ROG 1998 ist daher dessen ungeachtet an der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Geltung stehenden Rechtslage des Sbg. ROG 1998 in der Fassung LGBl. Nr. 68/2000 zu messen.

2. §25 Sbg. ROG 1998, LGBl. Nr. 44/1998, zuletzt geändert durch die Novelle LGBl. Nr. 68/2000, lautet:

"Entschädigung

§25

(1) Für die dadurch entstehenden vermögensrechtlichen Nachteile, dass durch den Flächenwidmungsplan oder dessen Änderung Bauland einer Widmung gemäß §17 Abs1 Z1 bis 10 in Grünland oder Verkehrsfläche umgewidmet und dadurch die Verbauung eines Grundstückes verhindert wird, ist auf Antrag eine angemessene Entschädigung zu leisten, wenn diese Umwidmung innerhalb von zehn Jahren nach seiner erstmaligen Ausweisung auf Grund dieses Gesetzes oder während der Wirksamkeit einer in dieser Zeit erteilten Baubewilligung erfolgt. Die Zehn-Jahres-Frist verlängert sich

a) um die Zeit, während der die Bebauung aus nicht vom Eigentümer der Flächen zu vertretenden Gründen unmöglich war;

b) um zehn Jahre, wenn es sich um eine Fläche im erforderlichen Ausmaß handelt, die dem Eigentümer oder seinen unmittelbaren Nachkommen zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses dienen sollte, die Bebauung aber unzumutbar war;

oder

c) um zehn Jahre, wenn es sich um Flächen zur Erweiterung oder Verlegung bestehender Betriebe handelt, die Bebauung aber unzumutbar war. Die Verlängerung der Frist setzt voraus, dass der Eigentümer spätestens bis zum Ende der Auflage des Entwurfes des Flächenwidmungsplanes gemäß §21 Abs5 neuerlich eine Nutzungserklärung gemäß §17a Abs1 dritter Satz abgibt und dabei die Gründe für die Unzumutbarkeit der Bebauung glaubhaft macht.

(2) Als vermögensrechtliche Nachteile gelten:

1. Aufwendungen des Eigentümers oder Dritter mit seiner Zustimmung, die im Vertrauen auf die bauliche Nutzbarkeit der Grundfläche für deren Baureifmachung erbracht worden sind;

2. jener Teil des Wertes der Grundfläche, der bei deren Erwerb wegen der Widmung im Flächenwidmungsplan als Bauland gegeben war, soweit er in der Gegenleistung (Kaufpreis, Tauschgrundfläche, Erbverzicht udgl) seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei ist der jeweils letzte Erwerb maßgebend, bei dem eine Gegenleistung erbracht wurde.

Aufwendungen für die Baureifmachung sowie Erwerbsvorgänge nach der Kundmachung gemäß §21 Abs1 bleiben bei der Feststellung vermögensrechtlicher Nachteile außer Betracht. Die Höhe der Aufwendungen bzw des Teiles der Gegenleistung ist durch den Antragsteller nachzuweisen. Dieser Betrag ist nach dem von der Bundesanstalt 'Statistik Österreich' amtlich letztverlautbarten Verbraucherpreisindex aufzuwerten. Für Zeiten vor dem Jahr 1967 ist dabei vom Verbraucherpreisindex I auszugehen.

(3) Der Antrag auf Entschädigung ist bei sonstigem Anspruchsverlust innerhalb von drei Jahren ab Wirksamkeit der Umwidmung bei der Landesregierung einzubringen. Die Entschädigungssumme ist von der Landesregierung nach Anhörung beeideter Sachverständiger durch Bescheid festzusetzen. Die Entschädigung ist einschließlich der mit ihrer Festsetzung verbundenen, von der Partei nicht verschuldeten Verfahrenskosten von der Gemeinde zu leisten.

(4) Jeder der beiden Teile kann, wenn er sich durch die Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigungssumme benachteiligt hält, binnen drei Monaten nach Zustellung des Bescheides die Festsetzung des Betrages der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich das Grundstück befindet. Wenn die gerichtliche Entscheidung angerufen wird, tritt der Bescheid der Landesregierung hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Entschädigung mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Über den Antrag ist im Außerstreitverfahren zu entscheiden. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden.

(5) Die Entschädigung ist vom jeweiligen Eigentümer des Grundstückes an die Gemeinde zu erstatten, sobald innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahren nach ihrer Auszahlung durch eine Änderung des Flächenwidmungsplanes oder aufgrund einer Bewilligung gemäß §24 Abs3 die Verhinderung der Verbauung des Grundstückes wegfällt und die Verwertung des Grundstückes als Bauland möglich ist. Die Erstattung hat in jenem Ausmaß zu geschehen, das dem inneren Wert der seinerzeitigen Entschädigung entspricht (Abs2). Falls zwischen den Beteiligten eine Einigung über die Zahlungsverpflichtung und die Höhe der Erstattungssumme nicht erfolgt, findet Abs4 sinngemäß Anwendung.

(6) Die Entschädigung ist der Gemeinde vom Land zu erstatten, soweit die Gemeinde an der Widmung der Grundstücke als Bauland entgegen ihren Interessen und entgegen ihrer erweislichen Absicht durch ein Entwicklungsprogramm oder im Verfahren nach §22 Abs2 durch die Landesregierung gebunden wird. Eine zurückgezahlte Entschädigung ist in diesem Fall an das Land abzuführen."

3. Wie der Verfassungsgerichtshof ua. bereits im Beschluss VfSlg. 13.979/1994 (zu der in den hier entscheidungswesentlichen Teilen weitgehend identen Rechtslage nach §25 des Sbg. ROG 1992) ausführte, handelt es sich bei der durch die Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes vorgenommenen Umwidmung eines Grundstückes in Grünland oder Verkehrsfläche, durch die die Verbauung eines Grundstückes verhindert wird, (nicht um eine Enteignung, sondern) um eine Eigentumsbeschränkung (vgl. dazu auch VfSlg. 11.209/1987 mwH; zur Abgrenzung gegenüber der Enteignung siehe etwa VfSlg. 9911/1983).

Die Entscheidung über den in §25 Abs1 Sbg. ROG 1998 normierten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung für eine derartige Eigentumsbeschränkung ist - ebenso wie die Entscheidung über Ansprüche auf Enteignungsentschädigung (s. etwa das zum NÖ Raumordnungsgesetz 1976 ergangene Erkenntnis VfSlg. 11.762/1988 mit Hinweis auf das Entschädigungsansprüche nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 betreffende Erkenntnis VfSlg. 11.760/1988) eine Entscheidung über "zivilrechtliche Ansprüche" ("civil rights") iS des Art6 Abs1 EMRK. Gemäß Art6 Abs1 EMRK muss über "civil rights", somit auch über den in §25 Abs1 Sbg. ROG 1998 vorgesehenen Entschädigungsanspruch, von einem "unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht ('Tribunal')" entschieden werden. Ein solches ist die Salzburger Landesregierung nicht.

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 11.762/1988 (unter Hinweis auf VfSlg. 11.760/1988) ausgesprochen hat, genügt die nachprüfende Kontrolle der Entscheidungen einer nicht als "Tribunal" eingerichteten Behörde über Enteignungsentschädigungen durch den Verwaltungsgerichtshof (gegebenenfalls gemeinsam mit deren Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof) den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art6 EMRK nicht. Diese Rechtsprechung ist auf Entscheidungen über Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen - wie sie hier in Rede stehen - zu übertragen.

Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch im Erkenntnis VfSlg. 11.762/1988 des weiteren folgendes ausgesagt:

"Der Verfassungsgerichtshof hält schließlich die Feststellung für notwendig, daß er mit dem EGMR (Fall Le Compte, EuGRZ 1981, 553) unter dem Aspekt des Art6 Abs1 EMRK nichts dagegen einzuwenden findet, daß auch über zivilrechtliche Ansprüche nach Art einer Enteignungsentschädigung vorerst eine Verwaltungsbehörde entscheidet, sofern nur danach ein Gericht die Befugnis besitzt, über die Enteignungsentschädigung einschließlich der Entschädigungshöhe auf Grund eigener Tatsachenfeststellung zu entscheiden (so auch Matscher,

Die Verfahrensgarantien der EMRK in Zivilrechtssachen, ÖZöffR 1980, 15)."

Auch diese Aussage gilt für die Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen gleichermaßen wie für Ansprüche auf Enteignungsentschädigungen. Sie ist demnach auch für den im vorliegenden Fall geltend gemachten Anspruch maßgeblich.

4. Der Verfassungsgerichtshof bleibt auch im vorliegenden Fall bei seiner bereits im oben genannten Beschluss VfSlg. 13.979/1994 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach §25 Sbg. ROG 1992 geäußerten Auffassung, dass die durch §25 Abs4 Sbg. ROG 1998 begründete Zuständigkeit des Gerichtes eine umfassende ist; sie besteht nicht allein dann, wenn die Verwaltungsbehörde eine - dem Grund nach gebührende - Entschädigung in bestimmter Höhe zuerkannt hat, sondern auch dann, wenn sie das Bestehen eines Entschädigungsanspruches dem Grunde nach verneint, den Entschädigungsantrag demnach abgewiesen hat.

5. Gegen den in Beschwerde gezogenen Bescheid stand dem Beschwerdeführer somit iS des §25 Abs4 Sbg. ROG 1998 die Anrufung des örtlich zuständigen Bezirksgerichtes offen. Die Anrufung des Gerichtes bewirkt gemäß §25 Abs4 zweiter Satz Sbg. ROG 1998, dass der Bescheid mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft tritt.

Wird die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Anrufung eines Gerichtes als ein Mittel, um den Bescheid außer Kraft zu setzen und die Ansprüche anderweitig endgültig durchzusetzen, nicht genutzt, so ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 4788/1964, 4972/1965; vgl. auch VfSlg. 3424/1958, 3425/1958, 4266/1962, 5941/1969, 9630/1983, 13.979/1994) die Legitimation zur Erhebung einer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht gegeben.

Die Beschwerde war daher mangels Legitimation zur Beschwerdeführung zurückzuweisen.

Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

6. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

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