VfGH V125/03

VfGHV125/034.12.2003

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung eines Wiener Plandokuments hinsichtlich der Widmung eines Grundstücks als "Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" infolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines Baubewilligungsbescheides aufgrund bereits erstellter Baupläne für eine erteilte Bewilligung auf Widerruf für Bauten langen Bestandes

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Plandokument Nr 7207. Beschluss des Wr Gemeinderates vom 05.11.99
Wr BauO 1930 §9
Wr BauO 1930 §70, §71, §71a
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Plandokument Nr 7207. Beschluss des Wr Gemeinderates vom 05.11.99
Wr BauO 1930 §9
Wr BauO 1930 §70, §71, §71a

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit ihrem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehren die Antragstellerinnen,

"die [...] mit Beschluss des Gemeinderates der Stadt Wien vom 5.11.1999 Pr. Zl. 293 GPZ/1999 erlassene Verordnung [...] über die Festsetzung des Flächenwidmungs- und des Bebauungsplanes Plandokument 7207 wegen Gesetz- und Verfassungswidrigkeit aufzuheben,

in eventu nur hinsichtlich der [...], im je hälftigen Eigentum der Antragstellerinnen stehenden, von den Straßenzügen Wilhelminenstraße, Am Predigtstuhl und Oberwiedenstraße vollständig umschlossenen Liegenschaft EZ 988 GB 01405 Ottakring bestehend aus den Grundstücken 629/1, 629/120, 3590, 3591 je Baufläche,

in eventu hinsichtlich der darin verfügten Widmung Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel (Sww),"

als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Zur Antragslegitimation führen sie aus, die Verordnung greife unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein und verletze diese. Es stehe kein anderer Weg zur Verfügung, um die Rechtswidrigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Aufgrund der Widmungs- und Nutzungsart "Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" könne insbesondere gemäß §6 Abs3 BO für Wien keine Baubewilligung "im Sinne des §60 BO für Wien" für das dort zumindest seit 1920 bestehende Gebäude oder sonstige künftige Bauten erteilt werden, wodurch die Nutzungsmöglichkeit und -intensität drastisch eingeschränkt werden. Für dieses Gebäude habe lediglich - mit Bescheid "A37/16 Am Predigtstuhl E988/1277/2002" vom 11. September 2002 - eine Bewilligung gemäß §71a BO für Wien (Bewilligung auf Widerruf gemäß §71 für Bauten langen Bestandes) erwirkt werden können. Diese Bewilligung bedeute im Hinblick auf die "Provisorialität" einen massiven Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen. Auch jede weitere Absicht bezüglich einer "über §6 Abs3 BO hinausgehende[n] Bebauung" auf der 9.088 m² großen Liegenschaft werde durch die Widmung "Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" verhindert.

3. In der Sache bringen die Antragstellerinnen vor, die Widmung ihres Grundstückes als "Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" verletze sie in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK). Die Liegenschaft bilde eine "Enklave inmitten allseits verbauten Gebietes".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980, 10.353/1985, 11.730/1988, 16.140/2001).

2. Es kann aber aus folgendem Grund dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerinnen eine aktuelle Betroffenheit durch die angefochtene Verordnung in ausreichendem Maße darzutun vermochten:

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung Individualanträge auf Verordnungsprüfung, mit denen die Aufhebung von Bestimmungen eines Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes begehrt wurde, dann als unzulässig erachtet, wenn es dem betroffenen Liegenschaftseigentümer nach der in Betracht kommenden baurechtlichen Gesetzeslage ohne erheblichen Kostenaufwand (insbesondere den Aufwand für die Anfertigung der für eine Baubewilligung erforderlichen kostspieligen Planunterlagen) möglich und daher zumutbar war, in einem besonderen Verfahren einen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpfbaren Bescheid zu erwirken, dessen Anfechtung im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung der Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung und zur Anregung ihrer von Amts wegen zu veranlassenden Überprüfung bietet (s. etwa VfSlg. 11.227/1987 in Ansehung der behördlichen Vorprüfung nach der Kärntner Bauordnung oder VfSlg. 11.348/1987 hinsichtlich des Antrags auf Widmungsbewilligung nach der Steiermärkischen BauO 1968).

Ein derartiger zumutbarer Weg steht einem Antragsteller, der die Aufhebung von Bestimmungen eines nach der Bauordnung für Wien erlassenen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes (Plandokumentes) begehrt, grundsätzlich nicht zur Verfügung. Es kommt insbesondere auch die Erwirkung eines Bescheides im Sinne des §9 der Bauordnung für Wien, durch den die Bebauungsbestimmungen bekannt gegeben werden, nicht in Betracht, weil gemäß Abs7 dieses Paragraphen eine abgesonderte Berufung nicht zulässig ist, eine Berufung gegen einen solchen Bescheid vielmehr nur mit der Berufung gegen einen Bescheid verbunden werden kann, der sich auf die Bekanntgabe oder Verweigerung der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen stützt (vgl. dazu VfSlg. 12.743/1991, 15.889/2000).

Im gegebenen Zusammenhang bringen die Antragstellerinnen jedoch vor, dass ein auf der als "Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel" gewidmeten Liegenschaft bestehendes Gebäude mit Bescheid vom 11. September 2002 gemäß §71a Bauordnung für Wien auf Widerruf bewilligt worden sei.

Hat ein Gebäude oder eine bauliche Anlage zur Gänze oder in wesentlichen Teilen seit mehr als 30 Jahren an derselben Stelle ohne jede Baubewilligung bestanden, gilt dieses Bauwerk als mit rechtskräftigem Bescheid gemäß §71 auf Widerruf bewilligt, wenn unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese Bestimmung (§71a) vollständige Bestandspläne im Sinne des §63 Abs1 lita (Baupläne) und des §64 (Baupläne) vorgelegt werden und der Behörde die Zustimmung des Grundeigentümers nachgewiesen wird. Da das Gebäude nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen nach §71a Bauordnung für Wien bewilligt worden ist, haben diese offensichtlich auch die erforderlichen Baupläne im Zuge des Bewilligungsverfahrens vorgelegt. Es ist den Antragstellerinnen somit aufgrund der bereits erstellten Baupläne zumutbar, diese - ohne weiteren Kostenaufwand - auch in einem Baubewilligungsverfahren nach §70 Bauordnung für Wien vorzulegen und eine Bewilligung zu beantragen. Der Verfassungsgerichtshof sprach in der Vorjudikatur aus, dass die allein notwendige Beibringung eines Beleges über das Eigentum und einer skizzenhaften zeichnerischen Darstellung des Vorhabens jedenfalls zumutbar ist (vgl. auch VfSlg. 8404/1978, ferner VfSlg. 9135/1981, 9574/1982, 9987/1984). Dass die Vorlage der sonstigen Belege nach §63 Bauordnung für Wien nicht zumutbar sei, behaupten die Antragstellerinnen auch nicht.

Der Verordnungsprüfungsantrag war somit schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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