VfGH G363/01

VfGHG363/0126.2.2002

Gleichheitswidrigkeit von Schwellenwertregelungen mangels sachlicher Rechtfertigung des Ausschlusses des vergabespezifischen Rechtsschutzes im Unterschwellenbereich

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
Sbg LandesvergabeG §2 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
Sbg LandesvergabeG §2 Abs2

 

Spruch:

1. §2 Abs2 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Landesvergabegesetz - LVergG), LGBl. für das Land Salzburg Nr. 1/1998, idF LGBl. Nr. 99/2000 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2002 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

2. Der Landeshauptmann von Salzburg ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Salzburg verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1289/01 ein Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Salzburg (im folgenden: VKS) anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

a) Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft legte für das Gewerk "Schwesternrufanlage", dessen Ausschreibung im Rahmen des Bauvorhabens "Seniorenheim Taxham, Umbau des Hauses 1" durch die Stadtgemeinde Salzburg erfolgte, ein Anbot. Nachdem dieses Angebot ausgeschieden und der Zuschlag mit Schreiben vom 12. Dezember 2000 einem anderen Bewerber erteilt worden war, wandte sie sich mit Eingabe vom 7. Februar 2001 mit einem Nachprüfungsantrag an den Vergabekontrollsenat für das Land Salzburg (im folgenden: VKS). In der Begründung vertrat sie u.a. die Auffassung, daß es sich bei der gegenständlichen Vergabe um einen Lieferauftrag handle.

b) Mit Bescheid vom 25. Juli 2001 wies der VKS den Antrag, "die Entscheidung des Auftraggebers, die nach der Bewertung der Angebote vor der Antragstellerin liegenden Angebote nicht auszuscheiden, für nichtig zu erklären," mangels Anwendbarkeit des Salzburger Vergabegesetzes zurück und verpflichtete die beschwerdeführende Partei zur Tragung der Sachverständigengebühren. Begründend wurde ausgeführt, daß der gegenständliche Auftrag, dessen geschätzter Auftragswert mehr als € 200.000,-- betrage, nicht - wie die Antragstellerin meint - als Lieferauftrag, sondern vielmehr als Los eines Bauauftrages mit einem geschätzten Auftragswert von rund

S 40 Mio. zu qualifizieren sei, welcher deutlich unter dem für Bauaufträge maßgeblichen Schwellenwert von € 5 Mio. zu liegen komme. Da sohin die Voraussetzungen für die Anwendung des Salzburger Vergabegesetzes - LVergG, LBGl. 1/1998 idF LGBl. 99/2000, nicht vorlägen (s. §2 LVergG iVm §§2 und 6 des Bundesvergabegesetzes 1997, BGBl. I 56 idF BGBl. I 120/1999), sei der Antrag zurückzuweisen.

c) Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz, dies wegen Anwendung eines für verfassungswidrig erachteten Gesetzes, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird. Die beschwerdeführende Kommanditgesellschaft ist der Auffassung, daß die belangte Behörde in denkunmöglicher Weise vom Vorliegen eines Bauauftrages ausgegangen sei, und trägt - ausgehend von der Auffassung, daß es sich beim gegenständlichen Auftrag um einen Lieferauftrag handelt - Bedenken ob der im LVergG für diesen Auftragstyp getroffenen "Schwellenwertregelung" vor.

d) Die belangte Behörde hat keine Gegenschrift erstattet; die Verwaltungsakten wurden während des Gesetzesprüfungsverfahrens nachgereicht.

Der im verfassungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Auftraggeber, die Stadtgemeinde Salzburg, hat eine Äußerung erstattet, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. 1. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §2 Abs2 LVergG idF LGBl. 99/2000 entstanden, durch den die Bestimmungen des Gesetzes betreffend das Vergabeverfahren und den vergabespezifischen Rechtsschutz bei der Vergabe von Aufträgen auf Aufträge beschränkt werden, deren geschätztes Auftragsvolumen einen bestimmten Betrag übersteigt. Er hat daher beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung, welche in folgendem normativen Zusammenhang steht, von Amts wegen zu prüfen.

a) Das LVergG enthält gesetzliche Regelungen über das Vergabeverfahren und die Vergabekontrolle für die Vergabe von Lieferaufträgen, Bauaufträgen, Baukonzessionsaufträgen und Dienstleistungsaufträgen durch bestimmte öffentliche, im §1 LVergG aufgezählte, Auftraggeber oberhalb bestimmter Schwellenwerte:

Der unter der Überschrift "Sachlicher Anwendungsbereich" stehende §2 LVergG idF LGBl. 99/2000 lautet (die in Prüfung stehende Bestimmung ist hervorgehoben):

"§2. (1) Dieses Gesetz gilt für Lieferaufträge, Bauaufträge, Baukonzessionsaufträge und Dienstleistungsaufträge. Es gelten die §§1 bis 4 BVergG einschließlich der darin erwähnten Anhänge I, III und IV. §3 Abs3 und 4 gilt mit der Maßgabe, daß anstelle der Bestimmungen des 1. und 4. Teiles des BVergG der 1. und 2. Abschnitt dieses Gesetzes anzuwenden sind.

(2) Dieses Gesetz gilt für die im Abs1 angeführten Aufträge nur dann, wenn der geschätzte Auftragswert den hiefür gemeinschaftsrechtlich festgelegten Schwellenwert erreicht. Es gelten die §§5 bis 9 BVergG mit Ausnahme jener Regelungen, die die im Anhang V zum BVergG genannten Auftraggeber betreffen. In den §§6 Abs2 und 7 Abs3 BVergG gilt anstelle der Verweisung auf die §§13 und 14 (BVergG) die Verweisung auf §5 dieses Gesetzes.

(3) Soweit völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs oder die Änderung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften dies erforderlich machen oder dies im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise bei der Vergabe von Aufträgen insbesondere bei Veränderungen der Wechselkursverhältnisse zweckmäßig ist, kann die Landesregierung durch Verordnung an Stelle der Schwellenwerte gemäß den im Abs2 genannten Bestimmungen des BVergG andere Schwellenwerte festsetzen."

Soweit im LVergG auf das Bundesvergabegesetz 1997 (BVergG) verwiesen wird, ist dieses in der Fassung der Gesetze BGBl. I 27/1998 sowie BGBl. I 80 und 120/1999 anzuwenden (so §21 LVergG idF LGBl. 99/2000).

Die in §2 Abs1 verwiesenen §§1 bis 3 BVergG definieren Liefer-, Bau-, Baukonzessions- und Dienstleistungsaufträge; §4 BVergG trifft eine Regelung für die Abgrenzung zwischen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen.

Die in §2 Abs2 LVergG verwiesenen §§5 bis 9 BVergG legen Schwellenwerte bei Liefer-, Bau-, Baukonzessions- und bei Dienstleistungsaufträgen außerhalb des und im Bereich(es) der sogenannten geschützen Sektoren sowie bei Wettbewerben fest. Die §§5 und 6 BVergG lauten wie folgt:

"Schwellenwerte bei Lieferaufträgen

§5. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Vergabe von Lieferaufträgen durch die in Anhang V genannten Auftraggeber dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 130 000 SZR beträgt. Im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung gilt dies nur für Lieferaufträge betreffend Waren, die in Anhang VI enthalten sind.

(2) Im übrigen gilt dieses Bundesgesetz für die Vergabe von Lieferaufträgen dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 200 000 Euro beträgt.

(3) Bei Leasing, Miete, Pacht oder Ratenkauf ist als geschätzter Auftragswert anzusetzen:

1. bei befristeten Verträgen der geschätzte Gesamtwert für die Laufzeit des Vertrages;

2. bei unbefristeten Verträgen oder bei zweifelhafter Vertragsdauer das 48fache der monatlichen Zahlung.

(4) Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen oder bei Daueraufträgen ist als geschätzter Auftragswert entweder

1. der tatsächliche Wert der entsprechenden Aufträge im vorangegangenen Finanz- bzw. Haushaltsjahr oder in den vorangegangenen zwölf Monaten, nach Möglichkeit unter Anpassung an voraussichtliche Änderungen bei Mengen oder Kosten während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate, oder

2. der geschätzte Gesamtwert während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate bzw. während der Laufzeit des Vertrages, soweit diese länger als zwölf Monate ist,

anzusetzen. Die angewandte Berechnungsmethode darf nicht die Absicht verfolgen, die Anwendung dieses Bundesgesetzes zu umgehen.

(5) Kann die beabsichtigte Beschaffung gleichartiger Lieferungen zu Aufträgen führen, die gleichzeitig in Losen vergeben werden, so ist als geschätzter Auftragswert der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose anzusetzen.

(6) Sieht der beabsichtigte Lieferauftrag Optionsrechte vor, so ist der geschätzte Auftragswert auf Grund des größtmöglichen Umfangs von Kauf, Leasing, Miete, Pacht oder Ratenkauf unter Einbeziehung der Optionsrechte zu berechnen.

(7) Ein Beschaffungsauftrag für bestimmte Mengen von Lieferungen darf nicht in der Absicht aufgeteilt werden, ihn der Anwendung dieses Bundesgesetzes zu entziehen.

Schwellenwerte bei Bauaufträgen und

Baukonzessionsaufträgen

§6. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Vergabe von Bauaufträgen und Baukonzessionsaufträgen dann, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 5 Millionen Euro beträgt.

(2) Besteht ein Bauwerk aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, so muß bei der Errechnung des in Abs1 angegebenen Betrages der Wert eines jeden Loses berücksichtigt werden. Beläuft sich der kumulierte Wert der Lose auf den in Abs1 genannten Betrag oder einen höheren, unterliegen alle Lose diesem Bundesgesetz. Dies gilt, unbeschadet der Bestimmungen des §13 und §14, nicht für Lose, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als 1 Million Euro beträgt, sofern der kumulierte Auftragswert dieser Lose 20 vH des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt. Als Lose im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch gewerbliche Tätigkeiten im Sinne des Anhangs I (Gewerke).

(3) Bauaufträge, insbesondere die von diesen erfaßten Bauwerke, dürfen nicht in der Absicht aufgeteilt werden, sie der Anwendung dieses Bundesgesetzes zu entziehen.

(4) Bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes von Bauaufträgen ist außer dem Auftragswert auch der geschätzte Wert der Lieferungen zu berücksichtigen, die für die Ausführung der Arbeiten erforderlich sind und dem Auftragnehmer vom öffentlichen Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden."

b) Für die Vergabe von Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte bestimmt §5 LVergG unter der Überschrift "Erweiterung des Anwendungsbereiches":

"§5. (1) Für die Vergabe von Aufträgen, deren geschätzter Auftragswert die im §5 Abs2 BVergG oder in den §§6 bis 9 BVergG festgesetzten Schwellenwerte nicht erreicht, kann die Landesregierung durch Verordnung eine vom Österreichischen Normungsinstitut für die Auftragsvergabe herausgegebene Önorm für verbindlich erklären, soweit dies im Interesse des Wettbewerbes und der Gleichbehandlung von Bewerbern oder Bietern oder im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise bei der Vergabe von Aufträgen zweckmäßig ist. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen können insbesondere unter Bedachtnahme auf §4 Abs1 dieses Gesetzes sowie für die Vergabe von Dienstleistungsverträgen abweichende oder diese ergänzende Regelungen getroffen werden. In diesem Sinn können insbesondere auch einheitliche Wertgrenzen für die Anwendung einzelner Verfahrensarten festgesetzt werden. Diese können nach Wirtschaftsbereichen voneinander abweichen.

(2) In einer Verordnung nach Abs1 kann die Landesregierung im Interesse des Rechtsschutzes von Bewerbern oder Bietern auch die §§6 bis 14 dieses Gesetzes für verbindlich erklären. Dafür können auch gesonderte Wertgrenzen festgelegt werden.

(3) Dienstleistungsaufträge gemäß Anhang IV zum BVergG und Aufträge, die ein Auftraggeber zum Zweck der Durchführung einer im §84 Abs2 BVergG beschriebenen Tätigkeit im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationsbereich vergibt, sind in einer Verordnung nach Abs1 nicht zu erfassen."

Die in §5 Abs2 LVergG bezogenen §§6 bis 14 enthalten vor allem Regelungen über den vergabespezifischen Rechtsschutz durch den VKS sowie zivilrechtliche Bestimmungen.

Auf der Grundlage des §5 Abs1 LVergG erließ die Salzburger Landesregierung die Verordnung vom 8. August 2001, mit der die ÖNORM A 2050 auf die Vergabe von Aufträgen des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände unter den EU-Schwellenwerten erstreckt wird (2. Landesvergabeverordnung - 2. LVergV), LGBl. 86/2001, die gemäß ihrem §3 allerdings erst mit 1. Jänner 2002 in Kraft getreten ist, auf vor ihrem Inkrattreten bereits ausgeschriebene Leistungen keine Anwendung findet und zudem nicht von der in §5 Abs2 LVergG vorgesehenen Ermächtigung zur Verbindlicherklärung der §§6 bis 14 LVergG Gebrauch macht.

2. a) In seinem Einleitungsbeschluß vom 12. Dezember 2001 ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, daß die Beschwerde zulässig ist und er bei Überprüfung des angefochtenen Bescheides die in Prüfung genommene Bestimmung des §2 Abs2 LVergG anzuwenden hätte, um beurteilen zu können, ob der VKS seine Zuständigkeit zu Recht verneint hat, zumal das Erreichen des Schwellenwertes für Bauaufträge von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich verneint wird. Aber auch dann, wenn sich - wie die beschwerdeführende Gesellschaft meint - die vom VKS vorgenommene Qualifikation der der Ausschreibung zugrundeliegenden Leistung als Bauauftrag letzlich als denkunmögich erwiese, wäre die in Prüfung genommene Vorschrift, die die Zuständigkeit der belangten Behörde für die Überprüfung von Bau- und Lieferaufträgen bestimmt, für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes präjudiziell.

b) In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die sogenannte Schwellenwertregelung, wie sie im LVergG enthalten ist, zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung zwischen den Rechtspositionen von Bewerbern und Bietern im Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge führt, und führte dazu aus:

"Daß die Einräumung eines besonderen vergaberechtlichen Rechtsschutzes nur für Aufträge vorgesehen ist, die bestimmte Schwellenwerte übersteigen, hat der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 30. November 2000, G110,111/99, vom 26. Februar 2001, G43/00, und vom 9. Oktober 2001, G10/01, betreffend das Bundesvergabegesetz als dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend erkannt. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, daß der Gesetzgeber im Unterschwellenbereich auf eine außenwirksame Regelung, die den Bewerbern und Bietern wenigstens ein Minimum an Verfahrensgarantien zur Verfügung stellt, gänzlich verzichtet und die Bewerber und Bieter damit vom vergabespezifischen Rechtsschutz generell ausgeschlossen hat, sei nicht erkennbar.

Der Verfassungsgerichtshof sieht vorläufig keinen Grund, von seiner Ansicht abzugehen, daß der gänzliche Verzicht auf einen vergabespezifischen Rechtsschutz angesichts des Mangels geeigneter zivilverfahrensrechtlicher Vorschriften, die den besonderen Bedürfnissen einer raschen - vielfach keinen Aufschub duldenden - vergaberechtlichen Rechtskontrolle Rechnung tragen, zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führt. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die drei oben zitierten Erkenntnisse verwiesen."

3. a) Die Salzburger Landesregierung hat eine Äußerung erstattet und beantragt, §2 Abs2 LVergG nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

Begründend führt sie - auf das wesentlichste zusammengefaßt - aus, "(d)ie Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Norm entsteht ... allein daraus, dass die durch den Bundesgesetzgeber in den §§2 und 6 Bundesvergabegesetz 1997, BGBl I Nr 56, in der Fassung des Gesetzes BGBl I Nr 120/1999 festgesetzte Schwelle gleichheitswidrig ist, und nicht daraus, dass der Landesgesetzgeber selbst durch die Festsetzung einer Wertgrenze verfassungswidrige Ungleichbehandlungen von verschiedenen Bietern festlegt".

Diese Schwellenwertregelung des Bundesvergabegesetzes orientiere sich an den Vorgaben der gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien, die nur die Vergabe öffentlicher Aufträge oberhalb bestimmter Schwellenwerte regeln; Kleinaufträge seien für den Wettbewerb zur Herstellung eines offenen Binnenmarktes im Bereich der öffentlichen Aufträge unwesentlich.

Nach Auffassung der Salzburger Landesregierung sei es aus den Gründen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sachlich geboten, Aufträge mit kleinem Auftragsvolumen aufgrund eines einfachen Verfahrens mit geringem Aufwand zu vergeben. Die Sonderbehandlung für die unter den Schwellenwerten liegenden Bau- und Lieferaufträge bedeute für die öffentliche Hand Ersparnisse in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß. Eine Ausdehnung des Rechtsschutzes in diesen Bereichen würde für die zuständigen Behörden große Mehrbelastungen bedeuten, während die Kontrolle durch die dazu berufenen Gerichte keine nennenswerte Aufwandsteigerung bringe. Allein aus verwaltungsökonomischen Gründen und zur Vermeidung von doppelgleisigen Verfahren sei der vergaberechtliche Rechtsschutz in den "Unterschwellenbereichen" verzichtbar. Den im nicht durch das Bundes- bzw. Landesvergabegesetz geregelten Bereich ohnehin bestehenden zivilrechtlichen Bieterschutz (vgl. u.a. OGH 29.11.1989, 1 Ob 663/89 = JBl 1990, 520; 10.9.1991, 4 Ob 538/91 = ecolex 1992, 18, und 22.11.1994, 4 Ob 573/94 = ecolex 1995, 328) als nicht ausreichenden Rechtsschutz zu qualifizieren, würde nichts anderes bedeuten, als die Effizienz des zivilrechtlichen Rechtsschutzes in Zweifel zu ziehen.

Die Art und das Ausmaß des Rechtsschutzes an die Erreichung oder Überschreitung einer bestimmten betragsmäßigen Grenze zu knüpfen, sei auch in der ZPO (zB §501 Abs1) in - verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise - vorgesehen, und auch der Verfassungsgerichtshof selbst habe derartige Grenzziehungen aus Gründen der Verwaltungsökonomie als sachlich rechtfertigbar angesehen (vgl. VfSlg. 3568/1959 und 8942/1980).

Warum dieser Grundsatz für den Bereich des Vergaberechts nicht gelten sollte und entsprechende Beschränkungen als gleichheitswidrig erkannt werden, sei nicht ergründlich, zumal auch bei der Unterschreitung der Bagatellgrenze gemäß §501 Abs1 ZPO nur bloß ganz beschränkter Rechtsschutz, nämlich nur bei Nichtigkeit oder wegen einer dem Urteil zugrundeliegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, bestehe. Dem Gesetzgeber sei daher auch im Bereich des Vergaberechts ein Gestaltungsspielraum zuzugestehen, innerhalb dessen es ihm freisteht zu entscheiden, in welchen Fällen er den besonderen vergaberechtlichen Rechtsschutz einräumt.

b) Auch die mitbeteiligte auftraggebende Stadtgemeinde hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Auffassung vertritt, daß das Nachprüfungsverfahren in concreto auf den Rechtsschutz nach Zuschlagserteilung gerichtet gewesen sei und insofern eine Schwellenwertregelung zulässig sei.

III. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig; die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes erweisen sich auch als begründet.

1. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der Beschwerde und der Präjudizialität der in Prüfung genommenen Bestimmung im Anlaßverfahren zweifeln ließe; auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen liegen vor.

2. In der Sache bleibt der Verfassungsgerichtshof bei seiner schon mehrfach vertretenen Auffassung (VfGH 30.11.2000, G110,111/99; 26.2.2001, G43/00, und 9.10.2001, G10/01; vgl. auch VfSlg. 15.106/1998 und 15.204/1998), daß es dem Gleichheitssatz widerspricht, bei der Vergabe von Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber im Unterschwellenwertbereich auf eine außenwirksame Regelung, die den Bewerbern und Bietern wenigstens ein Minimum an Verfahrensgarantien zur Verfügung stellt, gänzlich zu verzichten und die Bewerber und Bieter damit vom vergabespezifischen Rechtsschutz generell auszuschließen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf diese Erkenntnisse verwiesen, zumal sich die von der Salzburger Landesregierung in ihrer Äußerung für die Sachlichkeit der in Prüfung stehenden Regelung vorgebrachten Argumente im wesentlichen mit jenen der Bundesregierung im Verfahren G110,111/99 (betreffend §3 Abs1 BVergG 1993) decken, die der Verfassungsgerichtshof in seinem dieses Verfahren abschließenden Erkenntnis mit ausführlicher Begründung verworfen hat.

Der Einwand des mitbeteiligten Auftraggebers geht schon deshalb ins Leere, weil die in Prüfung stehende Vorschrift für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte das gesamte im 2. Abschnitt des LVergG vorgesehene Rechtsschutzverfahren ausschließt.

§2 Abs2 LVergG idF LGBl. 99/2000 verstößt sohin gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz und ist daher, da er auch durch die Verfassungsbestimmung des §126a BVergG 1997 idF BGBl. I 125/2000 im Hinblick auf deren rückwirkende Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof (Erk. vom 11.10.2001, G12/00 ua.) nicht gedeckt ist, als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Ein Ausspruch gemäß Art140 Abs4 kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Salzburger Landesregierung von der ihr gemäß §5 LVergG eingeräumten Ermächtigung bisher nicht umfassend Gebrauch gemacht hat. Mit der 2. Landesvergabeverordnung wurde zwar mit Wirksamkeit 1. Jänner 2002 die ÖNORM A 2050 (Vergabe von Aufträgen über Leistungen - Ausschreibung, Angebot und Zuschlag - Verfahrensnorm vom 1. März 2000) für die Vergabe von Aufträgen, die die in Rede stehenden Schwellenwerte nicht erreichen, für verbindlich erklärt; diese insofern außenwirksame Regelung gilt aber nicht für alle dem LVergG unterliegenden öffentlichen Auftraggeber, sondern nur für die in §1 Abs1 Z1 genannten (Land, Gemeinden, Gemeindeverbände). Zudem fehlt es nach wie vor an einer Regelung, die den Bietern und Bewerbern einen vergabespezifischen Rechtsschutz einräumt.

4. a) Bei Bestimmung der gemäß Art140 Abs5 dritter Satz B-VG gesetzten Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung ging der Verfassungsgerichtshof zum einen davon aus, daß dem Gesetzgeber angesichts der Entscheidung vom 30. November 2000, G110,111/99, die Verfassungswidrigkeit des Verweises auf die Schwellenwertregelung seit mehr als einem Jahr bekannt sein mußte; andererseits ließ sich der Gerichtshof von der Erwägung leiten, daß es dem Salzburger Landesgesetzgeber möglich bleiben soll, die Regelung des Anwendungsbereiches und des je einzuhaltenden Vergabeverfahrens durch Verweisung auf eine - verfassungskonforme - Bundesregelung vorzunehmen. Da derzeit eine Neuordnung des Bundesvergaberechtes in Vorbereitung ist und der Bundesverfassungsgesetzgeber davon ausgeht, daß diese mit 1. September 2002 in Wirksamkeit treten soll (vgl. §128 Abs8 BVergG 1997), sah sich der Verfassungsgerichtshof veranlaßt, für das Inkrafttreten der Aufhebung eine Frist bis zum Ablauf des 31. Dezember 2002 zu bestimmen.

b) Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz

B-VG.

c) Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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