Normen
B-VG Art83 Abs2
BundesvergabeG §52
BundesvergabeG §113
BundesvergabeG §115
BundesvergabeG §122
EG Art234
Richtlinie des Rates vom 21.12.89. 89/665/EWG, zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentl Liefer- und Bauaufträge Art1
VfGG §88
B-VG Art83 Abs2
BundesvergabeG §52
BundesvergabeG §113
BundesvergabeG §115
BundesvergabeG §122
EG Art234
Richtlinie des Rates vom 21.12.89. 89/665/EWG, zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentl Liefer- und Bauaufträge Art1
VfGG §88
Spruch:
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die Spruchpunkte I und III des angefochtenen Bescheides in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtvertreters die mit S 19.667,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Die Bundesrechenzentrum GmbH hat mit Veröffentlichung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 3400 Drucker inklusive Zubehör ausgeschrieben: Auftragsgegenstand sollte die Lieferung von insgesamt 3000 betriebsbereiten Laserdruckern mit je einem Toner, den notwendigen Strom- und Datenkabeln ("Druckertyp 1"), sowie die Lieferung von 400 betriebsbereiten Laserdruckern einer bestimmten Druckerserie oder gleichwertiger Art mit je einem Toner sowie den notwendigen Strom- und Datenkabeln ("Druckertyp 2") sein. Die Auftraggeberin behielt sich die Vergabe in Teilen vor und erklärte in diesem Sinne das Legen von Teilangeboten für zulässig. In den Ausschreibungsunterlagen wurde hinsichtlich der als "Druckertyp 1" anzubietenden Ware festgelegt, daß das Tonersystem des Druckers so angelegt sein müsse, daß der Benutzer nicht mit Tonersubstanzen in Berührung kommen könne.
b) Die beschwerdeführende Gesellschaft bot als "Druckertyp 1" 3000 Stück eines ihrer Druckerprodukte an; den Zuschlag für diese Teilleistung erhielt in der Folge jedoch ein mitbietendes Unternehmen.
c) Die beschwerdeführende Gesellschaft stellte daraufhin beim Bundesvergabeamt (BVA) den Antrag, festzustellen, daß wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz (BVergG) oder der hiezu ergangenen Verordnungen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Weiters wurde beantragt, festzustellen, ob die beschwerdeführende Gesellschaft "in ihrer Eigenschaft als übergangener Bewerber beziehungsweise Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes und der hiezu ergangenen Verordnungen keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte". Schließlich wurde der Antrag gestellt, einem Sachverständigen den Auftrag zu erteilen, in Form von Ergänzungsgutachten zu bestimmten technischen Fragen betreffend einerseits das von der beschwerdeführenden Gesellschaft angebotene und andererseits das zugeschlagene Konkurrenzprodukt Stellung zu nehmen.
d) Mit Bescheid vom 25. Jänner 2000, Z F-17/98-32, wurden die beiden erstgenannten Anträge (mit den Spruchpunkten "1" (richtig wohl: I) und II) als unzulässig, der zuletzt genannte (mit Spruchpunkt III) als entscheidungsunerheblich zurückgewiesen.
Spruchpunkt I des Bescheides wird dabei wie folgt begründet:
"Die Ausschreibungsbestimmungen 6.2.1 (2), wonach das Tonersystem des Druckers so angelegt sein muss, dass der Benutzer nicht mit Tonersubstanzen in Berührung kommen kann, ist nach diesem Wortlaut des Ausschreibungstextes aus Sicht des redlichen Erklärungsempfängers so zu verstehen, dass soweit es technisch möglich ist, ein Kontakt mit der Tonersubstanz ausgeschlossen sein muss. Allfällige im Zuge von Anfragebeantwortungen geäußerte Motive des Auftraggebers für die Aufnahme dieser Bestimmung in den Ausschreibungstext, wie zum Beispiel mögliche Gesundheitsbeeinträchtigung durch Kontakt mit Tonersubstanz sind unerheblich.
...
Da das Angebot der Antragstellerin die in Rede stehende Ausscheidungsbestimmung somit nicht erfüllt und daher gemäß §52 Abs1 Z8 BVergG auszuscheiden gewesen wäre, liegt nach ständiger Spruchpraxis des Bundesvergabeamtes keine Legitimation zur Geltendmachung der von ihr behaupteten Rechtswidrigkeiten vor. Deshalb war der Antrag spruchgemäß zurückzuweisen (vgl. BVA vom 18. Juni 1998, F-3/98-12).
Das Bundesvergabeamt sieht sich jedoch veranlasst festzustellen, dass die vom Auftraggeber eingestandene Nichtausscheidung des Angebotes der Antragstellerin, obwohl es seiner Ansicht nach auszuscheiden gewesen wäre, eine Verletzung des §52 BVergG darstellt und somit rechtswidrig ist."
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gerügt und die kostenpflichtige Behebung des Bescheides begehrt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.
Die dem Verfahren als mitbeteiligte Partei beigezogene Auftraggeberin hat eine Äußerung erstattet, in der sie zunächst die Beschwerde als insoweit unzulässig erachtete, soweit sie anderes als die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages durch das BVA rüge; den übrigen Beschwerdebehauptungen trat sie entgegen und beantragte diesbezüglich die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist gemäß Art144 Abs1 B-VG als Adressat des bekämpften Bescheides, mit dem ihre Anträge zurückgewiesen wurden, zur Beschwerde legitimiert. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 14.390/1995, 14.889/1997, 15.507/1999) verletzt der Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, wenn die bescheiderlassende Behörde als Gericht im Sinne des Art234 Abs3 EG eingerichtet ist und es verabsäumt, eine entscheidungsrelevante Frage der Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Ein solcher Fehler ist dem BVA bei Erlassung des oben geschilderten Bescheides unterlaufen:
b) Schon in seiner Entscheidung VfSlg. 14.390/1995 hat der Verfassungsgerichtshof dargelegt, daß das BVA als vorlagepflichtiges Gericht im Sinne des Art234 Abs3 EG (damals noch: Art177 Abs3 EGV) zu qualifizieren ist. Der EuGH hat die Gerichtsqualität im Sinne der zitierten Bestimmung mehrfach bestätigt (vgl. etwa EuGH Rs. C-81/98 , Alcatel Austria AG ua., Slg. 1999, I-7671; Rs. C-76/97 , Tögel, Slg. 1998, I-5357; Rs. C-44/96 , Mannesmann ua., Slg. 1998, I-0073, etc.).
c) Im vorliegenden Verfahren wurde von der beschwerdeführenden Gesellschaft beim BVA unter anderem beantragt, die Frage zu prüfen, ob durch die Entscheidung der vergebenden Stelle, einem Mitbieter den Zuschlag zu erteilen, der Zuschlag wider die Bestimmungen des BVergG und seiner Verordnungen nicht dem Bestbieter erteilt worden war. Diesen Antrag wies das BVA durch Spruchpunkt I mangels Antragslegitimation zurück, da das Anbot der beschwerdeführenden Gesellschaft selbst den Ausschreibungsunterlagen nicht entsprochen habe und es daher gemäß §52 Abs1 Z8 BVergG auszuscheiden gewesen wäre.
§115 Abs1 BVergG lautet:
"(1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluß eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, kann die Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht."
Das BVA beruft sich im angefochtenen Bescheid auf seine Entscheidung vom 18. Juni 1998, F-3/98-12, in der es wie folgt argumentierte:
"Gemäß §115 Abs1 BVergG ... ist ein Unternehmer nur insoweit antragslegitimiert, als seine Möglichkeiten am Vergabeverfahren teilzunehmen durch die behaupteten Rechtswidrigkeiten beeinträchtigt werden konnten. Im vorliegenden Fall rügt die Antragstellerin im wesentlichen die rechtswidrige Anwendung der Zuschlagskriterien durch die Auftraggeberin. Hieraus hätte der Antragstellerin jedoch nur dann ein Schaden erwachsen können, wenn sie berechtigt gewesen wäre, für die Zuschlagserteilung in Betracht gezogen zu werden. Dies war jedoch nicht der Fall.
...
... Da das Angebot der Antragstellerin ... auszuscheiden gewesen wäre, konnte sie durch eine nachträgliche, allenfalls rechtswidrige Anwendung der Zuschlagskriterien in ihren Rechten nicht mehr beeinträchtigt werden. Der Antragstellerin gebricht es sohin an der Legitimation zur Geltendmachung der aufgezeigten Rechtswidrigkeiten, weshalb ihr Antrag spruchgemäß zurückzuweisen war."
Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt in einem Erkenntnis vom 27. September 2000, Z2000/04/0050, gegenüber dem steiermärkischen Vergabekontrollsenat (hinsichtlich der im stmk. VergG dem BVergG gleichartigen Antragsvoraussetzungen) die Ansicht, daß es einem Bieter an der Antragslegitimation für ein Nachprüfungsverfahren fehle, wenn sein Angebot mit einem einen Ausscheidungstatbestand erfüllenden - vom Auftraggeber formell aber nicht relevierten - Mangel behaftet sei.
In diesem Zusammenhang ist auf §52 Abs1 und 2 BVergG über das "Ausscheiden von Angeboten" zu verweisen:
"(1) Vor der Wahl des Angebotes für den Zuschlag hat die vergebende Stelle auf Grund des Ergebnisses der Prüfung die folgenden Angebote unverzüglich auszuscheiden:
1. - 11. ...
(2) Bieter, deren Angebote auf Grund des Ergebnisses der Prüfung ausgeschieden wurden, sind hievon unverzüglich(,) jedenfalls aber acht Tage vor Erteilung des Zuschlages unter Bekanntgabe des Grundes schriftlich zu verständigen. ..."
In anderen Entscheidungen (zB BVA 30.11.1998, N-33/98-17, in der Folge zitiert nach WBl. 1999, 283f.) hat das BVA die Rechtslage jedoch anders beurteilt, wenn das Angebot eines Bieters trotz Vorliegen eines Ausscheidungsgrundes vom Auftraggeber nicht ausgeschieden wurde:
"Die Auftraggeberin hat es ... unterlassen, diesen Umstand (i.e. die Abgabe eines den Ausschreibungsbestimmungen widersprechenden Angebotes) zu relevieren (und hat vom Ausscheiden der Antragstellerin abgesehen). Daher war die Antragstellerin weiterhin zur Teilnahme am Vergabeverfahren berechtigt und konnte sie daher durch das Nichtausscheiden (eines anderen Bieters) Schaden erleiden, weshalb ihre Antragslegitimation im Ergebnis zu bejahen ist (und der auch sonst zulässige Antrag daher auf seine Begründetheit zu prüfen war)."
Fraglich ist sohin die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens über Antrag eines Bieters, dessen Angebot vom Auftraggeber nicht gemäß §52 Abs1 und 2 BVergG ausgeschieden wurde, wenn das BVA zur Auffassung gelangt, daß ein Ausscheidungsgrund vorliegt.
Die Stellungnahmen in der Literatur sind zwiespältig:
Einerseits wird (von Latzenhofer, WBl. 1999, 285) aus §115 BVergG abgeleitet, "daß ein subjektives Recht auf Einhaltung einer Vergabevorschrift nur vorliegt, wenn diese den Eintritt von Schäden beim Unternehmer abwenden will. ... Die Teilnahmemöglichkeiten eines auszuscheidenden Unternehmers können aber durch das rechtswidrige Nichtausscheiden eines Konkurrenten oder durch eine gem §53 BVergG der Prüfung der Ausscheidenstatbestände nachfolgenden rechtswidrigen Bestbieterermittlung nicht mehr beeinträchtigt werden, da diese Teilnahmemöglichkeiten rechtlich bereits im Zeitpunkt der Abgabe des Angebots nicht vorhanden sind." Dem hält König (Vergaberecht in der Praxis, 2000, 103 f.) die "praktische Unmöglichkeit" der Ansicht des BVA entgegen, das die Übereinstimmung eines Angebots mit den technischen Ausschreibungsbedingungen vollinhaltlich wahrnehmen müßte, sodaß auf diese Weise "viele Auftraggeberaufgaben auf die Nachprüfungsinstanz verlagert" würden; er sieht darin aber vor allem einen "gemeinschaftsrechtlich bedenklich(en)" "Rechtsschutzverlust":
"(d)a viele Ausschlußentscheidungen vom BVA von Amts wegen ... getroffen werden, fehlt gegen diese Ausschlußentscheidung des BVA ein Rechtsmittel: die Prüfung des Bieters bzw seines Angebotes erfolgt nicht durch den Auftraggeber, sondern durch eine Behörde (als eine Art'Oberauftraggeber'), gegen die kein Rechtsmittel zulässig ist. Das BVA verkürzt damit den Rechtsschutz in gemeinschaftsrechtlich bedenklicher Weise ... " (in diesem Sinne wohl auch Holoubek, Grundfragen des Vergaberechtsschutzes in Österreich, in: Rill/Griller (Hrsg.), Grundfragen der öffentlichen Auftragsvergabe, 2000, 250).
Auch in der Beschwerde wird die mit der fehlenden Antragslegitimation der beschwerdeführenden Gesellschaft begründete Zurückweisung ihres Nachprüfungsantrags kritisiert, weil ihr dadurch die Möglichkeit genommen wird, Einfluß auf die Zuschlagsentscheidung zu nehmen:
"Wäre die Beschwerdeführerin mit ihrem Angebot bereits im Eignungsprüfungsverfahren ausgeschieden worden, hätte sie bereits vor Zuschlagserteilung eine Überprüfung beantragen können, was letztlich möglicherweise dazu geführt hätte, daß ein dem Recht auf einen gesetzlichen Richter entsprechendes Organ über den Antrag entschieden hätte ..."
d) Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß die Frage des Ausschlusses eines - möglicherweise - auszuscheidenden, vom Auftraggeber selbst aber nicht ausgeschiedenen Bieters vom Nachprüfungsverfahren (im Wege der Zurückweisung seines Nachprüfungsantrages gemäß §115 Abs1 BVergG) unter dem Aspekt der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für dieses Nachprüfungsverfahren zweifelhaft ist. Die Abs1 und 3 des Art1 der hier anzuwendenden Richtlinie 89/665/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. 1989
L 395, 33, geändert durch die Richtlinie 92/50/EWG , ABl. 1992 L 209, 1, (Rechtsmittelrichtlinie) lauten:
"(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, daß hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinien 71/305/EWG, 77/62/EWG und 92/50/EWG fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der nachstehenden Artikel, insbesondere von
Artikel 2 Absatz 7, auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.
(2) ...
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß das Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jedem zur Verfügung steht, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Liefer- oder Bauauftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Die Mitgliedstaaten können insbesondere verlangen, daß derjenige, der ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber zuvor von dem behaupteten Rechtsverstoß und von der beabsichtigten Nachprüfung unterrichten muß."
Der EuGH hat zu diesen Bestimmungen der Rechtsmittelrichtlinie in seiner Entscheidung vom 17. September 1997, Dorsch Consult, Slg. 1997, I-4961, Rz 46, festgestellt, daß die Erfordernisse einer der Richtlinie entsprechenden Auslegung des nationalen Rechts und eines effektiven Schutzes der Rechte des einzelnen es dem nationalen Gericht gebieten, "zu prüfen, ob dem einzelnen aufgrund der einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts ein Anspruch auf Nachprüfung der Vergabe ... zuerkannt werden kann" (vgl. auch VfSlg. 15.507/1999, 508 f.). In seinem Urteil vom 28. Oktober 1999, Alcatel Austria AG, Slg. I-7671, Rz 34 und 35, geht der EuGH von der Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach Art1 Abs1 der Rechtsmittelrichtlinie aus, "wirksame und möglichst rasche Nachprüfungsverfahren einzuführen, um sicherzustellen, daß die Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens beachtet werden". Er hält fest, daß "(n)ach dieser Bestimmung ... in diesen Verfahren die Entscheidungen der Vergabebehörde auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft (werden)", ohne daß eine "Beschränkung in bezug auf Art und Inhalt dieser Entscheidung vor(gesehen)" ist. Schließlich ist darauf zu verweisen, daß der EuGH in seinem Urteil vom 11. August 1995, Kommission/Deutschland, Slg. 1995, I-2311, Rz 19, die Vergaberichtlinien selbst (noch ohne Rechtsmittelrichtlinie) dahin verstanden hat, daß die in diesen Richtlinien "enthaltenen Vorschriften über die Teilnahme und die Publizität den Bieter vor Willkür des öffentlichen Auftraggebers schützen sollen" und zur Wirksamkeit eines solchen Schutzes erforderlich ist, daß sich "der Bieter ... gegenüber dem Auftraggeber auf diese Vorschriften berufen und gegebenenfalls deren Verletzung vor den nationalen Gerichten geltend machen kann".
Bei der Auslegung des Art1 Abs3 der Rechtsmittelrichtlinie ist davon auszugehen, daß es sich bei dieser Regelung um einen, auf unterschiedlichen Verfahrensordnungen und -vorstellungen der Mitgliedstaaten beruhenden Kompromiß handelt, der als Nachprüfungsvoraussetzungen die verletzte Rechtssphäre mit dem persönlichen Interesse des nicht zum Zuge gekommenen Bieters an der Anfechtung und Überprüfung der Zuschlagsentscheidung vereint. Die Legitimation zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach Art1 Abs3 der Rechtsmittelrichtlinie dürfte sohin weit zu verstehen sein und jedem zustehen, der einen bestimmten zur Vergabe anstehenden öffentlichen Auftrag erhalten will (Öhler, Rechtsschutz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Europäischen Union, 1997, 156 f.).
Angesichts dieses dem Verständnis der Rechtsmittelrichtlinie in der Auslegung des EuGH innewohnenden weiten Rechtsschutzauftrages für Bewerber und Bieter in einem Vergabeverfahren erscheint es fragwürdig, die Antragsvoraussetzungen nach §115 Abs1 BVergG in Verbindung mit §52 Abs1 und 2 BVergG so zu deuten, daß ein faktisch vom Auftraggeber nicht ausgeschiedener Bieter von der Nachprüfungsbehörde, dem BVA, vom Nachprüfungsverfahren durch Zurückweisung seines Rechtsschutzantrages ausgeschlossen werden kann, wenn die Nachprüfungsbehörde das Vorliegen eines Ausscheidungsgrundes vorfragenweise annimmt.
Diese Frage zu klären, ist im Rahmen des dualen Rechtsschutzsystems des Gemeinschaftsrechts Sache des EuGH. Da die Frage vom EuGH bisher auch noch nicht entschieden ist, wäre das BVA verpflichtet gewesen, sie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Im übrigen ist zu bemerken, daß die Frage der Anwendbarkeit vom Grundsatz der Amtswegigkeit geprägter Verfahrensregelungen - die unabhängig vom Parteienvorbringen die Nachprüfungsbehörde ermächtigen, vergabeverfahrensrechtlich relevante Umstände aufzugreifen - im Hinblick auf den in Art2 Abs8 der Rechtsmittelrichtlinie statuierten Grundsatz eines kontradiktorischen Nachprüfungsverfahrens auch dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Oberösterreich gemeinschaftsrechtlich klärungsbedürftig erschien und Gegenstand eines von ihm gefaßten Vorlagebeschlusses an den EuGH ist (UVS OÖ 15.12.2000, ZVwSen-550019/29/Gf/Km).
Da das BVA somit entgegen der Anordnung des Art234 Abs3 EG eine vorlagepflichtige Frage der Interpretation des Gemeinschaftsrechts dem EuGH nicht zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, hat es die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
3. Spruchpunkt I war sohin als verfassungswidrig aufzuheben. Angesichts des Zusammenhangs und der unmittelbaren Bezugnahme auf die Spruchpunkt I zugrundeliegenden Erwägungen trifft das Verdikt der Verfassungswidrigkeit auch den Spruchpunkt III, sodaß auch dieser als verfassungswidrig aufzuheben war.
4. Hingegen ist dem BVA nicht entgegenzutreten, wenn es durch Spruchpunkt II den von der beschwerdeführenden Gesellschaft gestellten Antrag, festzustellen, ob sie "als übergangener Bewerber beziehungsweise Bieter ... keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte", als unzulässig zurückweist: Einer solchen Antragstellung durch die beschwerdeführende Gesellschaft dürfte ein Mißverständnis des §113 Abs2 zweiter Satz BVergG zugrundeliegen: Denn die genannte Bestimmung normiert in eindeutiger und unbedenklicher Weise, daß die Legitimation für eine diesbezügliche Antragstellung nur dem Auftraggeber zusteht; sie steht in systematischem Zusammenhang mit §122 Abs2 BVergG, wonach sich der Auftraggeber mit einer diesbezüglichen Feststellung einer allfälligen Schadenersatzforderung des übergangenen Bewerbers oder Bieters entziehen kann.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist mit zwei ihrer Beschwerdepunkte durchgedrungen, mit einem unterlegen. Es waren ihr daher zwei Drittel der Normalkosten zu ersetzen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-- sowie ein mit S 1.667,-- bestimmter Anteil an der Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG enthalten.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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