VfGH G57/00

VfGHG57/0015.3.2001

Zurückweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung der Verordnungsermächtigung zur Regelung der Taxi-Tarife im Gelegenheitsverkehrsgesetz wegen unzureichenden Aufhebungsantrags; alleinige Anfechtung der Verordnungsermächtigung ohne gleichzeitige Anfechtung der vom Gericht ebenfalls anzuwendenden Taxi-Tarifverordnung unzulässig; kein Wegfall der Verordnung ipso iure im Falle der Aufhebung der gesetzlichen Grundlage durch den Verfassungsgerichtshof

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
GelVerkG 1996 §14 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
GelVerkG 1996 §14 Abs1

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Beim Obersten Gerichtshof ist ein außerordentlicher Revisionsrekurs gegen eine vom Oberlandesgericht Linz bestätigte einstweilige Verfügung des Landesgerichtes Salzburg anhängig. Mit dieser wurde der Beklagten zur Sicherung eines (inhaltsgleichen) Anspruches der Klägerin auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen aufgetragen,

"es im geschäftlichen Verkehr bei der Ausübung des Taxi- und Mietwagengewerbes ab sofort bis zur rechtskräftigen Beendigung des ... Verfahrens zu unterlassen, Preise anzubieten oder tatsächlich zu gewähren, die unter den Tarifen liegen, die in der Verordnung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 12.11.1997 über verbindliche Tarife für das Taxigewerbe in den Gemeinden Bad Gastein, Bad Hofgastein und Dorfgastein verordnet sind".

Aus Anlaß dieser Rechtssache stellt der Oberste Gerichtshof unter Bezugnahme auf Art89 Abs2 iVm Art140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, §14 Abs1 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996 (GelverkG) als verfassungswidrig aufzuheben, und führt dazu aus:

Er habe bei der Entscheidung über den Revisionsrekurs die Verordnung des Landeshauptmannes von Salzburg vom 12. November 1997 über verbindliche Tarife für das Taxigewerbe in den Gemeinden Bad Gastein, Bad Hofgastein und Dorfgastein, Sbg. Landes-Zeitung Nr. 33 vom 10. Dezember 1997, (im folgenden: Gasteiner TaxitarifVO) anzuwenden, gegen deren gesetzliche Grundlage, den §14 Abs1 GelverkG, er das Bedenke hege, daß diese Bestimmung gegen die Erwerbsausübungsfreiheit verstoße, weil für die Erlassung von verbindlichen Tarifen kein öffentliches Interesse zu erkennen sei.

2. Der vom Obersten Gerichtshof angefochtene §14 Abs1 GelverkG, BGBl. 112/1996, lautet wie folgt:

"(1) Der Landeshauptmann kann auf Anregung der zuständigen Fachgruppe oder von Amts wegen unter Berücksichtigung der bestehenden Verhältnisse (Art und Umfang der verschiedenen Leistungen und des hiefür erforderlichen Aufwandes sowie Interessen der Kunden) für den mit Personenkraftwagen ausgeübten gewerbsmäßigen Gelegenheitsverkehr - ausgenommen Beförderungen von Schülern auf Grund des §30f des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376 - nach Anhörung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft und der Kammer für Arbeiter und Angestellte sowie in jenen Fällen, in denen ein Tarif nur für eine Gemeinde festgelegt werden soll, auch dieser, verbindliche Tarife festlegen. In den Fällen, in denen ein Tarif nur für eine Gemeinde gelten soll, kann auch diese die Festlegung verbindlicher Tarife anregen. Die Tarife sind durch Verordnung zu bestimmen und können für das gesamte Bundesland, für einzelne Verwaltungsbezirke oder für einzelne Gemeinden festgelegt werden. Für Beförderungen aus besonderen Anlässen können im Tarif Sondervereinbarungen (Pauschale) festgelegt werden."

Darauf gestützt erging die Gasteiner TaxitarifVO, mit der für Taxifahrten innerhalb des Gebietes der Gemeinden Bad Gastein, Bad Hofgastein und Dorfgastein Grund-, Strecken- und Zeittaxen sowie (Nacht-)Zuschläge in bestimmter Höhe festgelegt werden, die in Rechnung zu stellen sind (§1), besondere Tarifbestimmungen und Zuschlagsregelungen hiefür getroffen werden (§§2 und 3), weiters die Fahrpreise für über die genannten Gemeinden hinausgehende Fahrten der freien Vereinbarung anheimgestellt, dem Lenker bestimmte Auskunftspflichten auferlegt werden (§4) und schließlich Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung als Verwaltungsübertretungen gemäß §15 Abs1 Z5, Abs2 und 3 des GelverkG erklärt werden. §6 der Verordnung regelt deren Inkrafttreten und trifft damit im Zusammenhang stehende Bestimmungen.

II. Der Antrag erweist sich als unzulässig.

1. Gemäß Art140 Abs1 iVm Art89 Abs2 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen unter anderem auf Antrag des Obersten Gerichtshofes, wenn dieser gegen die Anwendung solcher Normen aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat. Für die Zulässigkeit eines solchen Antrages ist es erforderlich, daß der Umfang und die Grenzen der Anfechtung vom antragstellenden Gericht derart bezeichnet werden, daß die präjudiziellen, von den Bedenken erfaßten Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen, soweit sie in einem untrennbaren Zusammenhang miteinander stehen, vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden können (VfSlg. 8155/1977 mit weiteren Judikaturnachweisen, VfSlg. 14.740/1997 und 15.090/1998).

2. Wie der Oberste Gerichtshof in seinem Antrag selbst ausführt, hat er bei Entscheidung über den von der Beklagten erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die im Instanzenzug bestätigte einstweilige Verfügung die Gasteiner TaxitarifVO anzuwenden. Diese Verordnung wird vom Obersten Gerichtshof allerdings beim Verfassungsgerichtshof nicht angefochten.

Die vom Obersten Gerichtshof allein angefochtene Bestimmung des §14 Abs1 GelverkG enthält bloß eine Ermächtigung an den Landeshauptmann, (bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen) im Verordnungswege verbindliche Tarife für das Taxigewerbe festzulegen. Sie richtet sich ausschließlich an den Landeshauptmann als verordnungserlassendes Verwaltungsorgan. Ihre isolierte Anwendung durch den Obersten Gerichtshof ist somit auszuschließen.

Bereits in seiner bisherigen Judikatur (VfSlg. 4158/1962) hat der Verfassungsgerichtshof die gerichtliche Anfechtung einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung mangels deren Präjudizialität zurückgewiesen, wenn der Verordnungsgeber von dieser gesetzlichen Ermächtigung (noch) nicht Gebrauch machte.

3. Besteht nun - wie im vorliegenden Fall - eine derartige Verordnung, die eine Regelung für den vom Obersten Gerichtshof zu beurteilenden Sachverhalt trifft, so ist jedenfalls diese Verordnung (unmittelbar) anzuwenden. Im Falle von Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung hat sie der Oberste Gerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

Wie sich aus der jüngeren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 13.236/1992, 14.550/1996, 15.316/1998) zu auf Antrag eingeleiteten Normenprüfungsverfahren in vergleichbaren Problemkonstellationen ergibt, hat der Oberste Gerichtshof zusätzlich zur Verordnung zwar auch das zugrundeliegende Gesetz insoweit (mittelbar) anzuwenden und kann er dementsprechend seine verfassungsrechtlichen Bedenken dem Verfassungsgerichtshof in einem Verfahren gemäß Art140 Abs1 B-VG vortragen, sofern die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der anzuwendenden Verordnung (letztlich) darauf beruhen, daß Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit ihrer gesetzlichen Grundlage bestehen. Die alleinige Anfechtung der gesetzlichen Verordnungsermächtigung ist hingegen (anders als deren Mitanfechtung) unzulässig, weil den rechtlichen Bedenken des antragstellenden Obersten Gerichtshofes - treffen sie zu - nur Rechnung getragen werden kann, indem die gesetzliche Verordnungsermächtigung und die darauf gestützte Verordnung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden.

Für die Zulässigkeit der isolierten Anfechtung der gesetzlichen Verordnungsermächtigung kann auch nicht ins Treffen geführt werden, daß mit Aufhebung des Gesetzes die auf dessen Grundlage ergangene Verordnung ipso iure ihre Geltung verlöre. Dies gilt nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur für den Fall der Aufhebung des Gesetzes durch den Gesetzgeber (vgl. zB VfSlg. 13.552/1993 mit zahlreichen Hinweisen auf die Judikatur), nicht aber für den Fall der Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof aus Anlaß eines auf Antrag oder von Amts wegen eingeleiteten, konkreten Gesetzesprüfungsverfahrens (vgl. VfSlg. 10.800/1986, 10.950/1986, 11.848/1988). Die vom Obersten Gerichtshof beantragte Aufhebung des §14 Abs1 GelverkG hätte somit - weil die Aufhebung der von ihm anzuwendenden, verbindliche Tarife festlegenden Gasteiner TaxitarifVO nicht begehrt wird - zur Folge, daß auch bei Stattgabe des Aufhebungsantrags die vom Obersten Gerichtshof angenommene Verfassungswidrigkeit wegen Fortbestehens der Verordnung im Ergebnis nicht beseitigt würde.

4. Für die Zulässigkeit der Anfechtung des §14 Abs1 GelverkG wäre es daher erforderlich gewesen, die im Anlaßfall maßgebliche Gasteiner TaxitarifVO gemäß Art139 Abs1 B-VG ebenfalls anzufechten.

Der Antrag des Obersten Gerichtshofes auf Aufhebung des §14 Abs1 GelverkG allein ist mithin unzureichend. Er ist als unzulässig zurückzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

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