VfGH B1749/00

VfGHB1749/0011.6.2001

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung eines Asylantrags aufgrund der Annahme der Zuständigkeit eines anderen EU-Staates zur Prüfung des Antrags iSd Dubliner Übereinkommens; verfassungswidrige Gesetzesauslegung im Hinblick auf die in E v 08.03.01, G117/00 ua, geäußerte Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Verpflichtung der Asylbehörden zu einer Sachentscheidung in bestimmten Fällen; verfassungswidrige Auslegung des §5 AsylG 1997 auch im Hinblick auf die Annahme des Ausschlusses des Non-Refoulement-Gebotes

Normen

AsylG 1997 §5
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Dubliner Übereinkommen betr die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen innerhalb der EG BGBl III 165/1997
AsylG 1997 §5
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Dubliner Übereinkommen betr die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen innerhalb der EG BGBl III 165/1997

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 27.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, reiste mit einem vom 23. November 1999 bis 23. Dezember 1999 gültigen "Schengen-Visum", das ihr von der französischen Vertretungsbehörde in Teheran erteilt worden war, legal in das Bundesgebiet ein und stellte am 26. April 2000 einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom 18. Juli 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß §5 Abs1 AsylG 1997 als unzulässig zurück, da für dessen Prüfung gemäß Art5 Abs4 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags, BGBl. III 165/1997, (im folgenden: Dubliner Übereinkommen) Frankreich zuständig sei (das sich auch zur Prüfung des Asylantrags bereit erklärt habe) und verband damit die Ausweisung der Beschwerdeführerin nach Frankreich.

2. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie ua. vorbrachte, daß sie Ehegattin eines in Österreich anerkannten Konventionsflüchtlings sei (die Trauung sei nach armenisch-evangelischem Ritus erfolgt) und daher Österreich zur Prüfung des Asylantrages zuständig sei.

Der Unabhängige Bundesasylsenat wies diese Berufung mit Bescheid vom 12. September 2000 ab und führte nach einer Zusammenfassung des bisherigen Verfahrensganges im wesentlichen aus, daß eine standesamtliche Heirat nicht erfolgt sei und damit Art4 Dubliner Übereinkommen nicht zur Anwendung kommen könne. Durch die Erfüllung eines Zuständigkeitskriteriums nach dem Dubliner Übereinkommen und der auf Grund dessen erfolgten Zustimmungserklärung stehe im vorliegenden Fall die Zuständigkeit Frankreichs eindeutig fest. Alle Mitgliedstaaten des Dubliner Übereinkommens hätten sich verpflichtet, jeden Asylantrag entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention zu prüfen und es bestehen keine Zweifel daran, daß Frankreich seiner Verpflichtung nachkommen werde.

II. 1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (ua. Art3, 8 und 13 EMRK) durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und führte in ihrer Gegenschrift im wesentlichen aus, daß die Beschwerdeführerin - wie die Ermittlungen ergeben haben - kein Familienleben iSd Art8 EMRK mit einem anerkannten Konventionsflüchtling führe. Trete in einem §5 AsylG-Verfahren entsprechend dem Dubliner Übereinkommen eine Fallkonstellation auf, in der eine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes drohe, so müsse auf Grund des Gebotes verfassungskonformer Interpretation von dem "Selbsteintrittsrecht" gemäß Art3 Abs4 Dubliner Übereinkommen Gebrauch gemacht werden.

III. Die Beschwerde, deren meritorischer Erledigung Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen, erweist sich als gerechtfertigt.

1. Die Beschwerde entspricht der Sache nach in allen entscheidungswesentlichen Belangen der Beschwerdesache B1541/00, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof darauf beschränken kann, auf die Entscheidungsgründe seines in dieser Beschwerdesache am heutigen Tage gefällten Erkenntnisses hinzuweisen. Die belangte Behörde ist auf die Frage der Anwendbarkeit des Art3 Abs4 Dubliner Übereinkommen in der Begründung ihres Bescheides überhaupt nicht eingegangen, was aber in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann (vgl. ua. VfSlg. 12.476/1990, 195). Aus dem Erkenntnis B1541/00 ergibt sich sinngemäß auch für den vorliegenden Beschwerdefall, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt wurde und der Bescheid daher aufzuheben ist.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG, vom jeweils zugesprochen Kostenbetrag entfallen 4.500 S auf die Umsatzsteuer.

IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

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