VfGH G128/00 ua

VfGHG128/00 ua22.6.2001

Gleichheitswidrigkeit der Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht; keine sachliche Rechtfertigung der Steuerbefreiung für die übrigen Unternehmensbereiche der ÖBB, mit Ausnahme der im öffentlichen Interesse liegenden Infrastrukturleistungen; keine Bedenken gegen die Anordnung der Weitergeltung der Abgabenbefreiungen für die ÖBB auch nach deren Ausgliederung aufgrund der bereinigten Rechtslage

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 /Präjudizialität
BundesbahnG 1992 §18
KStG §5 Z1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 /Präjudizialität
BundesbahnG 1992 §18
KStG §5 Z1

 

Spruch:

I. §5 Z1 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens von Körperschaften (Körperschaftsteuergesetz 1988 - KStG 1988), BGBl. Nr. 401/1988 idF BGBl. Nr. 697/1991, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2001 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. §18 erster Satz des Bundesgesetzes zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen (BundesbahnG 1992), BGBl. Nr. 825/1992, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein zur Z B1258/98 protokolliertes Verfahren betreffend eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg richtet, dem drei an die beschwerdeführende Gesellschaft adressierte Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Land zu Grunde liegen. Sie betreffen die Festsetzung der Körperschaftsteuer für die Jahre 1993, 1994 und 1995. Für das Jahr 1993 wurde die Körperschaftsteuer mit ATS 31.778.874,00 festgesetzt, für 1994 mit ATS 43.336.159,00. Für das Jahr 1995 betrug die Körperschaftsteuer vom Einkommen (bei einem Einkommen von ATS 0,00) ATS 0,00, die Differenz zur Mindestkörperschaftsteuer ATS 15.000,00; nach Abzug der anrechenbaren Steuer in der Höhe von ATS 155.550,00 verblieb eine Gutschrift im Betrag von ATS 140.550,00. Mit dem erwähnten Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg wurden die gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Land erhobenen Berufungen als unbegründet abgewiesen.

1.2.1. Bei der Behandlung der Beschwerde entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der die Ausnahme der Österreichischen Bundesbahnen bestimmenden Z1 des §5 KStG 1988. Sie lautet im Zusammenhang (in Prüfung gezogener Teil hervorgehoben):

"§5. Von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht sind befreit:

1. Die Österreichischen Bundesbahnen.

..."

Diese Bedenken schlossen auch §18 des für die Geltung der Ausnahme nunmehr maßgeblichen BundesbahnG 1992 ein. Er bestimmt nämlich (in Prüfung gezogener Teil hervorgehoben):

"§18. Alle dem bisherigen Wirtschaftskörper 'Österreichische Bundesbahnen' eingeräumten Abgabenbefreiungen gelten in gleicher Weise für die Gesellschaft 'Österreichische Bundesbahnen'. Die Gesellschaft tritt für den Bereich der Umsatzsteuer unmittelbar in die Rechtsstellung des bisherigen Wirtschaftskörpers 'Österreichische Bundesbahnen' ein."

1.2.2. Dabei nahm der Verfassungsgerichtshof zunächst an, dass die Beschwerde zulässig sei und er bei ihrer Erledigung den in Prüfung gezogenen §5 Z1 KStG 1988 in Verbindung mit dem gleichfalls in Prüfung gezogenen §18 erster Satz BundesbahnG 1992 mit anzuwenden haben würde, weil die Unsachlichkeit einer Ausnahmebestimmung auf den Grundtatbestand durchschlage, wenn ein systematischer Zusammenhang zwischen Grundtatbestand und Ausnahmetatbestand bestehe (unter Verweis auf das Erkenntnis zur Kommunalsteuer VfSlg. 14.805/1997).

Auch dürfte in der - hinsichtlich der einzelnen betroffenen Veranlagungsjahre anscheinend nicht trennbaren - Berufungsentscheidung die Festsetzung der Körperschaftsteuer für die Jahre 1993 und 1994 nicht auf Basis der Mindestkörperschaftsteuer erfolgt sein; dies im Hinblick auf die Festsetzung für das Jahr 1993 schon deshalb, weil die Mindestkörperschaftsteuerregelung des §24 Abs4 KStG 1988 (idF BGBl. 1993/818 bzw. 1994/680) erstmals für das Kalenderjahr 1994 anzuwenden sei (ArtIII Z13, BGBl. 1993/818; ArtIV Z5, BGBl. 1994/680). Insoferne dürfte sich der hier vorliegende Fall von jenem unterscheiden, in dem mit Beschluss VfGH 2.12.1999 G99/99 ua. das damals eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des §5 Z1 KStG und des §18 erster Satz BundesbahnG mangels Präjudizialität dieser Bestimmungen einzustellen war, weil im damals bekämpften Bescheid Körperschaftsteuervorauszahlungen nur auf der Basis der Mindestkörperschaftsteuer vorgeschrieben wurde, von welcher die Österreichischen Bundesbahnen aber schon auf Grund des §24 Abs4 KStG (wonach die Mindestkörperschafsteuer nur (unbeschränkt) steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften auferlegt ist, zu welchen die Österreichischen Bundesbahnen aber von vornherein nicht zählen) nicht erfasst sind.

1.2.3. Ausgehend von diesen Zulässigkeits- und Präjudizialitätsannahmen sowie davon, dass auch die übrigen Prozessvoraussetzungen gegeben seien, beschloss der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des §5 Z1 KStG 1988 und des §18 erster Satz BundesbahnG 1992 zu prüfen.

Dabei gingen die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes - wie schon im Erkenntnis VfSlg. 14.805/1997 (Kommunalsteuer) - dahin, dass keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen sei, dass die Österreichischen Bundesbahnen in Bezug auf die Körperschaftsteuer anders als andere Unternehmungen behandelt werden, die Transportleistungen oder andere Infrastrukturleistungen erbringen. Denn diese Unternehmungen dürften anders als die Österreichischen Bundesbahnen (und zwar unabhängig von den jeweiligen Eigentümerverhältnissen) körperschaftsteuerpflichtig sein. Zusammenfassend äußerte der Verfassungsgerichtshof daher das Bedenken, dass §5 Z1 KStG 1988 iVm §18 erster Satz BundesbahnG 1992 gegen den Gleichheitssatz verstießen.

Weiters ging der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss von der Annahme aus, dass im Sinne der Rechtsprechung zum Verhältnis von Grund- und Ausnahmetatbestand im zitierten Kommunalsteuer-Erkenntnis und zuletzt im Erkenntnis VfSlg. 15.391/1998 (Grunderwerbsteuer) die Verfassungswidrigkeit auch durch bloße Aufhebung der Ausnahme beseitigt werden könnte (vgl. VfSlg. 15.267/1998 (Kärntner Fremdenverkehrsabgabe)).

1.3.1. Die im Gesetzesprüfungsverfahren zu einer Stellungnahme aufgeforderte Bundesregierung nahm von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand, vertritt jedoch in der eingereichten Note den Standpunkt, dass eine allfällige Gleichheitswidrigkeit der vom Verfassungsgerichtshof in Prüfung gezogenen Rechtslage durch die Aufhebung der Z1 des §5 KStG 1988 behoben werden könnte. Für den Fall einer Gesetzesaufhebung beantragt die Bundesregierung die Bestimmung einer Frist von zumindest sechs Monaten für das Außerkrafttreten; damit sollten allenfalls erforderliche legistische Vorkehrungen ermöglicht werden.

1.3.2. Die Österreichischen Bundesbahnen - eine der beteiligten Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens - reichten eine schriftliche Äußerung beim Verfassungsgerichtshof ein. Sie treten der Präjudizialitätsannahme im Prüfungsbeschluss, insoweit sie §18 BundesbahnG 1992 betrifft, entgegen und suchen ihre Ausnahme von der Körperschaftsteuerpflicht unter Hinweis auf die Behandlung beschränkt Steuerpflichtiger, die verkehrspolitische Bedeutung der Österreichischen Bundesbahnen und die gleichartige Befreiung der Privatbahnen (seit der Novelle zum Privatbahnunterstützungsgesetz, BGBl. I 1999/82; in Kraft freilich erst seit 1.1.1999) sowie die Verwaltungsvereinfachung zu Folge Gewinnabfuhr an den Bund und ihre in Folge ministerieller Eingriffs- und Aufsichtsrechte im Vergleich mit den typischen Körperschaftsteuersubjekten unterschiedliche Rechtsform zu rechtfertigen. Abschließend wird beantragt, von einer Aufhebung des §5 Z1 KStG 1988 und des §18 erster Satz BundesbahnG 1992 Abstand zu nehmen, in eventu für das Außerkrafttreten gesetzlicher Bestimmungen - ua. für eine Anpassung des Rechnungswesens der Österreichischen Bundesbahnen an die geänderten steuerlichen Rahmenbedingungen - eine Frist von 18 Monaten zu bestimmen.

Im Einzelnen führen die Österreichischen Bundesbahnen ua. das Folgende aus:

"Ein Vergleich der ÖBB mit anderen Unternehmen, die primär Transportleistungen auf der Straße erbringen, ist im Hinblick auf die gesetzliche und faktische Sonderstellung der ÖBB nicht zulässig. Gerade im Vergleich zu Straßentransportunternehmen ist die betriebs- und volkswirtschaftliche Situation der ÖBB hinsichtlich zahlreicher Parameter, wie zB der erforderlichen Eigenkapitalausstattung, der Ertragsmöglichkeit, der Wettbewerbssituation, der Bereitstellung von Infrastruktur etc völlig anders ...

Als gleichheitsrechtlicher Maßstab können daher nur andere Eisenbahnunternehmen herangezogen werden. Da diese aber gemäß §5 Abs1 PrivatbahnG so wie die ÖBB von der unbeschränkten KöSt-Pflicht befreit sind, sind die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht gleichheitswidrig ...

Darüber hinaus unterscheiden sich die ÖBB in ihrer Organisationsstruktur (besondere ministerielle Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse) wesentlich von den typischen Körperschaftsteuersubjekten AG und GmbH ...

...

Schon im Hinblick auf die gesetzlich verankerte Sonderstellung der ÖBB mit dem BundesbahnG 1992 ist evident, dass die ÖBB nur schwer mit anderen Unternehmen (auch mit anderen Transportunternehmen) vergleichbar sind. Betriebszweck der ÖBB ist insbesondere die Sicherstellung einer modernen und leistungsfähigen Verkehrsbedienung, die den Anforderungen des Marktes und den Interessen der Verkehrspolitik entspricht, einschließlich der Erbringung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen (vgl. §1 Abs3 BundesbahnG). Im Gegensatz zu anderen - privaten - Transportunternehmen ist daher nicht die Gewinnerzielung primäres Ziel der ÖBB, sondern die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen und die Erfüllung verkehrspolitischer Aufgaben, auch wenn dies unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze geschieht (§1 Abs4 BundesbahnG 1992).

Einer der Schwerpunkte der österreichischen Verkehrspolitik ist die Verlagerung des Verkehrs (insbesondere des Gütertransportes) von der Straße auf die Schiene ... Auch wegen der geringeren Belastung der Umwelt besteht ein eminentes volkswirtschaftliches Interesse an einer gut funktionierenden Güterbeförderung durch die Bahn ...

Der VfGH anerkennt den rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers, mit steuerrechtlichen Vorschriften auch andere als fiskalische Zwecke zu verfolgen (VfSlg. 11.143). Es erscheint daher sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber durch die gegenständliche Steuerbefreiung die Erfüllung der Aufgaben der ÖBB im Interesse der Verkehrspolitik und des Umweltschutzes fördert, während andere Transportunternehmen, die keine vergleichbaren gesetzlichen Verpflichtungen im Interesse der Allgemeinheit zu erfüllen haben, nicht in den Genuss der Befreiung kommen.

Die Einrichtung der ÖBB als Gesellschaft des Sonderprivatrechts, verbunden mit zahlreichen Einschränkungen und Auflagen hinsichtlich ihrer Geschäftstätigkeit, entspricht offenbar auch nach Meinung des VfGH dem aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebot. Im Hinblick auf die mit dem BundesbahnG 1992 geschaffene Sonderstellung der ÖBB erscheint aber auch eine spezielle Regelung im Bereich des Steuerrechts als gerechtfertigt.

...

Gemäß §5 Abs1 PrivatbahnG idF vor der Novelle BGBl I 1999/82 (Privatbahnunterstützungsgesetz 1988) hatte der Bundesminister für Finanzen auf Antrag eines Privatbahn-Unternehmens auf die Einhebung (unter anderem) der Körperschaftsteuer mit Bescheid zu verzichten. Voraussetzung für die Steuerbefreiung der Privatbahn war ein hoher Betriebsabgang und die Erwartung, dass durch den Verzicht auf die Steuereinhebung (allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen) eine Betriebseinstellung vermieden werden kann.

Ein Verzicht auf Steuereinhebung konnte auch dann erfolgen, wenn zwar kein Betriebsabgang vorlag, die Einnahmen aber nicht zur Deckung der eisenbahnrechtlichen Verpflichtungen zur Berücksichtigung der Sicherheit, der Ordnung und der Erfordernisse des Eisenbahnbetriebs und des Eisenbahnverkehrs ausreichten. Im Falle einer entsprechenden Steuerbefreiung waren die dadurch ersparten Beträge für die Erfüllung dieser Verpflichtungen aufzuwenden.

Diese Regelung wurde mit BGBl 1999/82 in eine generelle Befreiung der Privatbahnen von der Körperschaftsteuer umgewandelt, die lautet:

'§5. (1) Die im §1 genannten Unternehmen sind von der Körperschaftsteuer befreit, wenn deren Unternehmungsschwerpunkt im Betreiben eines Eisenbahnunternehmens liegt.'

Die Erläuterungen der Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass eine derartige Steuerbefreiung auch den ÖBB eingeräumt ist, sodass insofern zwischen den ÖBB und den Privatbahnen eine Gleichstellung erfolgt (1654 BlgNR 20. GP 4). Da die Steuerbefreiungen in der Praxis regelmäßig gewährt wurden, soll mit der nunmehrigen generellen Steuerbefreiung auch eine Verwaltungsvereinfachung erzielt werden.

Mittels Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage wurde im Verkehrsausschuss die Neufassung des §5 PrivatbahnG dahingehend geändert, dass die Steuerbefreiung nur dann eintreten soll, wenn der Unternehmensschwerpunkt im Betreiben eines Eisenbahnunternehmens liegt (1733 BlgNR 20. GP). Damit sollte offenbar klargestellt werden, dass die Befreiung von der KöSt auch dann gilt, wenn die Privatbahn nicht nur ein Eisenbahnunternehmen betreibt, sondern - wie die ÖBB - auch Nebenbetriebe unterhält.

Der Gesetzgeber hat somit eine mögliche Ungleichbehandlung zwischen den ÖBB und den Privatbahnen dadurch beseitigt, dass er die den ÖBB gewährte Befreiung von der KöSt auch den Privatbahnen gewährt. Während somit nach der geltenden Rechtslage die ÖBB und Privatbahnen KöSt-rechtlich im Wesentlichen gleichgestellt sind, würde eine Aufhebung der Steuerbefreiung der ÖBB diese im Vergleich zu den Privatbahnen erheblich schlechter stellen. Dieses Ergebnis wäre seinerseits mit dem Gleichheitssatz nicht in Einklang zu bringen.

...

Die persönliche Steuerbefreiung des §5 Z1 KStG 1988 entspricht im Wesentlichen der bereits in der 1. Republik geltenden Rechtslage gemäß §4 Abs1 Z1 KStG 1934. Anlässlich der Neukodifikation des KStG 1988 wurde die Befreiung der ÖBB und der staatlichen Monopolbetriebe insbesondere aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung als gerechtfertigt angesehen, da allfällige Gewinne im Wege der Gewinnabfuhr an den Bund unmittelbar budgetwirksam waren (Erläut RV 622 BlgNR 17. GP ...). Seit Inkrafttreten der Novelle zum Finanzausgleichsgesetz 1997, BGBl 1999/32, mit 1. 1. 1998 fließen dem Bund allerdings nur mehr rund 69 % der KöSt zu. Diese Regelung des Finanzausgleiches wurde wohl in Kenntnis der bestehenden Steuerbefreiungen getroffen. Zudem erhalten die Länder und Gemeinden gemäß §20 Abs3 und 4 FAG 1997 bzw §20 Abs2 bis 4 FAG 2001 Finanzzuweisungen zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs.

Gemäß §1 BundesbahnG 1992 ist nunmehr der Bund Alleineigentümer der Gesellschaft 'Österreichische Bundesbahnen'. Da diese Eigentümerstruktur gesetzlich verankert ist, wäre eine Abtretung von Geschäftsanteilen durch privatrechtliche Verfügung des Bundes unzulässig. Es besteht daher nach derzeitiger Rechtslage nicht die Möglichkeit, dass ein Dritter wirtschaftliche Vorteile aus der Steuerbefreiung der ÖBB lukriert. Die Befreiung der ÖBB von der (unbeschränkten) Körperschaftsteuerpflicht ist daher unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung sachlich gerechtfertigt.

...

Mit den Erkenntnissen VfSlg. 14.805, 15.267 sowie 15.271 hat der VfGH die Befreiung der ÖBB von der Kommunalsteuer, den Fremdenverkehrsabgaben sowie der Rechtsgeschäftsgebühr als gleichheitswidrig aufgehoben. Diese Erkenntnisse legen bei oberflächlicher Betrachtung nahe, dass die in diesen Erkenntnissen angeführten Argumente auch eine Aufhebung der Körperschaftsteuerbefreiung der ÖBB gebieten.

Eine nähere Betrachtung zeigt indes, dass zwischen den erwähnten drei Steuern und der Körperschaftsteuer erhebliche Unterschiede bestehen, die einer Übertragung der bisherigen Rechtsprechung des VfGH zu den Steuerbefreiungen der ÖBB auf die Körperschaftsteuer entgegenstehen:

Bei den ÖBB handelt es sich um eine Sondergesellschaft des Privatrechts. Auf diese sind zwar gemäß §1 Abs1 BundesbahnG 1992 die Bestimmungen des GmbHG subsidiär anwendbar, doch stehen der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie gemäß §12 BundesbahnG umfangreiche Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse zu. So kann die Bundesministerin gemäß §12 Abs1 BundesbahnG allgemeine verkehrspolitische Weisungen erteilen. Gemäß §12 Abs3 BundesbahnG entscheidet überdies die Bundesministerin über die Genehmigung des Jahresabschlusses und des Lageberichtes sowie über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates, wobei insbesondere auf die Bestimmungen des BundesbahnG 1992 Bedacht zu nehmen ist. Durch diese besonderen Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse, die allesamt am gesetzlichen Maßstab der besonderen verkehrspolitischen Aufgaben der ÖBB ausgerichtet sind, unterscheiden sich die ÖBB wesentlich von typischen Körperschaftsteuersubjekten in der Rechtsform einer GmbH oder AG.

Im übrigen hatte der VfGH keine Bedenken gegen eine Befreiung der ÖBB von der Verpflichtung zur Entrichtung der Mindestkörperschaftsteuer (VfGH 2. 12. 1999, G99/99).

Darüberhinaus unterscheidet sich die Körperschaftsteuer von der Kommunalsteuer, den Fremdenverkehrsabgaben sowie den Rechtsgeschäftsgebühren dadurch, dass sie als ertragsabhängige Steuer weniger direkte Auswirkungen auf die Kosten einzelner Produktionsfaktoren hat als etwa die Kommunalsteuer, die dem Produktionsfaktor Arbeit unmittelbar zugerechnet werden muss. Die Befreiung der ÖBB von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht bewirkt daher - im Gegensatz etwa zur Befreiung des Faktors Arbeit von der Kommunalsteuer - keine spürbare Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Unternehmen."

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Im Verfahren ist weder vorgebracht worden noch sonst weiter hervorgekommen, dass die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Beschwerde und zur Präjudizialität des ua. in Prüfung gezogenen §5 Z1 KStG 1988 unzutreffend wären.

2.1.2. Hingegen bestreiten die Österreichischen Bundesbahnen in ihrer Äußerung die Präjudizialität der ebenfalls in Prüfung gezogenen Bestimmung des §18 erster Satz BundesbahnG 1992. Diese Bestimmung sei im Anlassfall nicht anzuwenden, sie stelle lediglich klar, dass sich an der steuerlichen Behandlung der Bundesbahnen durch die Ausgliederung aus dem Bundesbereich nichts ändern soll und die diversen Befreiungstatbestände weiterhin (auch über den 31.12.1992 hinaus) anwendbar bleiben. Die Frage des zeitlichen Anwendungsbereiches der Steuerbefreiung zu Gunsten der Österreichischen Bundesbahnen sei aber nur für die Anwendbarkeit einer steuerlichen Vorschrift auf die Österreichischen Bundesbahnen relevant. Für die Feststellung aber, dass die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens nicht die Österreichischen Bundesbahnen sei und der Ausnahmetatbestand des §5 Z1 KStG 1988 daher nicht zum Tragen komme, bedürfe es des §18 erster Satz BundesbahnG 1992 nicht. Diese Bestimmung sei daher im gegenständlichen Verfahren nicht präjudiziell.

Dieser von den Österreichischen Bundesbahnen vertretenen Auffassung über die mangelnde Präjudizialität des §18 erster Satz BundesbahnG 1992 kann indes nicht gefolgt werden. Nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes sind hier zunächst zwei Fragen auseinanderzuhalten: die Frage nämlich, welche Bestimmung der Verfassungsgerichtshof bei Erledigung der Beschwerde im Anlassfall anzuwenden haben wird (§5 Z1 KStG 1988 oder §18 erster Satz BundesbahnG 1992 oder - wovon der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss ausging - beide Bestimmungen), und die weitere Frage, ob eine allfällige Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Steuerbefreiung auch durch Aufhebung bloß einer dieser Bestimmungen beseitigt werden kann. Hinsichtlich der im Rahmen der Prozessvoraussetzungen zu erörternden ersten Frage muss davon ausgegangen werden, dass beide in Prüfung gezogenen Bestimmungen präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1 B-VG sind. Was im Besonderen §18 erster Satz BundesbahnG 1992 betrifft, deshalb, weil diese Bestimmung die in §5 Z1 KStG 1988 für den bisherigen Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesbahnen" eingeräumte Befreiung von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht für die nunmehrige Gesellschaft "Österreichische Bundesbahnen" anordnet.

2.1.3. Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof erkannte mit dem Erkenntnis VfSlg. 14.805/1997 die die gesamte Unternehmenstätigkeit betreffende, umfassende Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der Kommunalsteuer als verfassungswidrig. Er begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

Die Österreichischen Bundesbahnen erbrächten im Wesentlichen sowohl Leistungen der Personen- und Güterbeförderung auf der Schiene sowie (in wesentlich geringerem Ausmaß) im Kraftwagendienst und im Schifffahrtsverkehr (im Geschäftsbericht als Unternehmensbereich "Absatz" bezeichnet) als auch Eisenbahninfrastrukturleistungen. Diese im BundesbahnG 1992 grundgelegte Teilung der Unternehmensbereiche wurzle in gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften.

Während für den Unternehmensbereich "Eisenbahninfrastruktur" gemäß §2 Abs2 BundesbahnG 1992 der Bund die Kosten zu tragen habe, hätten die Bundesbahnen die Aufwendungen des Unternehmensbereiches "Absatz" durch eigene Einnahmen zu decken. Bei den Einnahmen aus dem Unternehmensbereich "Absatz" spielten jene aus der Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Sinne des §3 BundesbahnG 1992 eine besondere Rolle. Entsprechend einer in dieser Bestimmung verwiesenen gemeinschaftsrechtlichen Regelung sei über die Erbringung dieser gemeinwirtschaftlichen Leistungen und deren Abgeltung eine Vereinbarung mit dem Bund geschlossen worden. Da die gemeinwirtschaftlichen Leistungen dem Gesetz gemäß gesondert abgegolten und die Leistungen im Unternehmensbereich "Infrastruktur" überhaupt durch den Bund finanziert würden, könne die Erbringung dieser Leistungen nicht als Rechtfertigung für die Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der Kommunalsteuer herangezogen werden, die dem Unternehmen für seine gesamte Unternehmenstätigkeit, also nicht nur für die Infrastrukturleistungen und die gemeinwirtschaftlichen Leistungen, sondern auch für die Erbringung der Leistungen im Personen- und Güterverkehr zu Gute komme.

Ausdrücklich hielt der Verfassungsgerichtshof fest, dass er keine Bedenken gegen eine steuerliche Entlastung hätte, die im Unternehmensbereich "Eisenbahninfrastruktur" wirksam würde, doch dürfte sich eine solche Begünstigung bloß im Rechnungskreis Infrastruktur auswirken und nicht zur Quersubventionierung des Unternehmensbereiches "Absatz" führen. Auch bestünden im Prinzip keine Bedenken dagegen, im Zusammenhang mit den vertraglich vereinbarten gemeinwirtschaftlichen Leistungen und deren Abgeltung eine Steuerbefreiung quasi als Entgeltbestandteil vorzusehen, sofern dieser Begünstigung entsprechende Leistungen gegenüberstehen. Eine entsprechende Vereinbarung bestünde derzeit freilich nicht.

Nicht gerechtfertigt werden könne aber angesichts der im BundesbahnG 1992 in Verfolg der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben vorgesehenen Notwendigkeit der strikten Zuordnung der Leistungen des Bundes zu den einzelnen Bereichen eine Begünstigung hinsichtlich von Steuern, die bei der Erbringung der Leistungen des allgemeinen Personen- und Güterverkehrs anfallen. Das auch hiefür bestehende öffentliche Interesse vermöge die Steuerbefreiung nicht zu tragen, weil es nicht anders zu beurteilen sei als das öffentliche Interesse am reibungslosen Funktionieren der Erbringung anderer wesentlicher Verkehrsleistungen. Dies werde besonders deutlich, wenn man die erwähnten Leistungen der Österreichischen Bundesbahnen jenen Verkehrsleistungen gegenüberstelle, die andere Verkehrsträger wie zB Privatbahnen oder private Autobusunternehmungen erbringen. Dafür, dass die ebenfalls im öffentlichen Interesse liegende Verkehrsleistungen erbringenden Unternehmungen hinsichtlich der von ihnen an ihre Dienstnehmer gewährten Arbeitslöhne der Kommunalsteuerpflicht unterliegen, die Österreichischen Bundesbahnen aber nicht, sei eine sachliche Rechtfertigung nicht zu finden.

2.2.2. Diese Erwägungen, die die Gleichheitswidrigkeit der umfassenden Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der Kommunalsteuer erwiesen, gelten mutatis mutandis auch im vorliegenden Fall. Dass sich an der zu Folge dieser Rechtsprechung für die verfassungsrechtliche Beurteilung relevanten Struktur der von den Österreichischen Bundesbahnen zu erbringenden Leistungen etwas geändert hätte, wurde im Verfahren nicht vorgebracht, und zwar weder von der Bundesregierung noch von den Österreichischen Bundesbahnen selbst. Die durch §5 Z1 KStG 1988 iVm §18 erster Satz BundesbahnG 1992 bewirkte Steuerbefreiung bezieht sich auf alle Tätigkeiten der (Gesellschaft) Österreichische Bundesbahnen. Sie mag - wie sich aus den soeben referierten Entscheidungsgründen des Erkenntnisses VfSlg. 14.805/1997 ergibt - für die Infrastrukturleistungen gerechtfertigt sein, und es mag zulässig sein, sie bei der Berechnung der Abgeltung für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen zu berücksichtigen; nicht aber kann die Begünstigung für die übrigen Unternehmensbereiche gerechtfertigt werden. Denn im Unternehmensbereich "Absatz" erbringen die Österreichischen Bundesbahnen in gleicher Weise wie andere Unternehmungen im öffentlichen Interesse liegende Verkehrsleistungen; die Begünstigung der Österreichischen Bundesbahnen kann insofern - wie sich ebenfalls aus dem zitierten Vorerkenntnis ergibt - sachlich nicht gerechtfertigt werden. Eine gesetzliche Regelung, die die Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der Körperschaftsteuer bezogen auf die gesamte Unternehmenstätigkeit der Österreichischen Bundesbahnen vorsieht, ist daher in diesem Umfang gleichheitswidrig. Die von den Österreichischen Bundesbahnen in ihrer Äußerung vertretene Auffassung, bloß eine "oberflächliche Betrachtung" der in den Erkenntnissen VfSlg. 14.805/1997 sowie 15.267 und 15.271/1998 angestellten Erwägungen könne hinsichtlich der hier in Prüfung gezogenen Bestimmungen zum gleichen Ergebnis führen, ist für den Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehbar: was die der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie gemäß §12 BundesbahnG 1992 zustehenden "besonderen Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse, die allesamt am gesetzlichen Maßstab der besonderen verkehrspolitischen Aufgaben der Österreichischen Bundesbahnen ausgerichtet" seien, an den in diesen Erkenntnissen angestellten Erwägungen oder an ihrer Übertragbarkeit auf den hier vorliegenden Fall ändern sollten, ist schlechterdings unerfindlich. Soweit die Österreichischen Bundesbahnen ihre Ausnahme von der Körperschaftsteuerpflicht unter Hinweis auf das (freilich erst seit 1.1.1999 in Kraft stehende) Privatbahnunterstützungsgesetz, BGBl. I 1999/82, zu rechtfertigen suchen, ist ihnen zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof in den in Rede stehenden Vorerkenntnissen ganz allgemein darauf abgestellt hat, dass "die Österreichischen Bundesbahnen in bezug auf die Kommunalsteuer anders als andere Unternehmungen, die Transportleistungen oder andere im allgemeinen Interesse liegende Infrastrukturleistungen erbringen, bevorzugt behandelt" würden.

Der Verfassungsgerichtshof übersieht dabei auch nicht die unterschiedliche Struktur der hier in Rede stehenden Körperschaftsteuer und der den Vorerkenntnissen zu Grunde liegenden Abgaben - worauf von den Österreichischen Bundesbahnen im Verfahren hingewiesen wurde. Diese Unterschiede sind aber nicht derart beschaffen, dass sie eine Aufhebung des §5 Z1 KStG 1988 als verfassungswidrig aus den in diesen Erkenntnissen angestellten Erwägungen ausschlössen; insbesondere vermag der Verfassungsgerichtshof in der Behauptung der Österreichischen Bundesbahnen, ihre Befreiung von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht bewirke "keine spürbare Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Unternehmen", kein taugliches Argument gegen die bereits ausgebreitete Gleichheitswidrigkeit des §5 Z1 KStG 1988 zu sehen.

Die Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht erweist sich somit als gleichheitswidrig. Angesichts dessen hatte der Verfassungsgerichtshof §5 Z1 KStG 1988 als verfassungswidrig aufzuheben.

2.3. Fällt mit dieser Aufhebung (des §5 Z1 KStG 1988) die in Rede stehende Steuerbefreiung für die Österreichischen Bundesbahnen weg und hat somit §18 erster Satz BundesbahnG 1992 im Hinblick auf die Befreiung der Österreichischen Bundesbahnen von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht keinen Anwendungsbereich mehr, so ist den Bedenken gegen diese Bestimmung der Boden entzogen.

§18 erster Satz BundesbahnG 1992 war daher nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

2.4. Um - wie von der Bundesregierung beantragt - legistische Vorkehrungen zu ermöglichen (sh. VfSlg. 14.805/1997, 15.271/1998), sah sich der Verfassungsgerichtshof veranlasst, für das Außerkrafttreten der Z1 des §5 KStG 1988 eine Frist bis zum Ende des laufenden Jahres zu bestimmen. Damit müssten auch die Bundesbahnen jedenfalls in der Lage sein, den (allfälligen) Wegfall der Steuerbefreiung berücksichtigen zu können. Dieser Ausspruch gründet sich auf Art140 Abs5 B-VG.

Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz

B-VG.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt I erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG iVm §2 Abs1 Z4 BGBlG, BGBl. 1996/660.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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