VfGH B2815/97

VfGHB2815/9730.6.2000

Verletzung im Gleichheitsrecht durch denkunmögliche Auslegung des Begriffs "unbebautes Grundstück" bei Erteilung einer Baubewilligung und Abweisung von Anrainereinwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft; Wertung eines Grundstücks als unbebaut nur bei Fehlen einer in Bezug auf die jeweils relevante Immission empfindlichen Bebauung; bisherige Nutzung des fraglichen Nachbargrundstücks zu Betriebszwecken; keine Bedenken gegen die zugrundeliegenden Widmungen als "Wohngebiet" bzw als "gemischtes Baugebiet"

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
Oö BauO 1994 §31 Abs5
Oö BautechnikG §2, §3
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
Oö BauO 1994 §31 Abs5
Oö BautechnikG §2, §3

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 20.500,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die N Wohnungsbaugesellschaft m.b.H beantragte am 18. Jänner 1996 die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau einer Wohnhausanlage für 90 Wohneinheiten mit Tiefgarage auf den Grundstücken Nr. 111/1 und 111/3 (nunmehr Grundstück Nr. 858/3), je KG Lichtenegg. Die beschwerdeführende Gesellschaft, die ua. Eigentümerin der angrenzenden (nur durch die Lichtenegger Straße vom Baugrundstück getrennten) Grundstücke Nr. 126/1 und 126/2, KG Lichtenegg ist, erhob in der mündlichen Bauverhandlung Einwendungen gegen das Bauvorhaben. Mit Bescheid vom 6. August 1996 erteilte der Magistrat der Stadt Wels die Baubewilligung. Die Einwendungen wurden teilweise zurück- teilweise abgewiesen. Die Einwendung, dass die Liegenschaft nur dann der Wohnnutzung zugeführt werden dürfe, wenn entsprechende bautechnische und schallschutztechnische Abschirmungen gegen die Emissionen des Betriebes der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgesehen werden, wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Baugrundstück bereits bebaut gewesen sei, die Demolierungsarbeiten mit Ende 1986 abgeschlossen worden seien und man daher nicht von einem unbebauten Grundstück im Sinne des §31 Abs5 Oberösterreichische Bauordnung 1994 (im Folgenden: OÖ BauO 1994) sprechen könne. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft als Nachbarin im Wesentlichen mit der Begründung Berufung, dass der Flächenwidmungsplan im Widerspruch zum Raumordnungsgesetz stehe, der "Teilbebauungsplan Nr. 9/1952" nicht ausreichend determiniert sei und nicht den aufgrund der Flächenwidmungsänderung geänderten Verhältnissen angepasst worden sei, dass das Bauprojekt die im Bebauungsplan vorgesehene Straßenbreite um 1 m reduziere und somit das Interesse an einem guten Funktionieren der Verkehrsverbindungen beeinträchtige und dass die durch den Flächenwidmungsplan ermöglichte Wohnbebauung die Folge einer rechtswidrigen Flächenwidmung sei. Diese ergebe sich aufgrund der "Unzulässigkeit der heranrückenden Wohnbebauung" und der widmungsgemäßen betrieblichen Nutzung des Grundstückes der beschwerdeführenden Gesellschaft.

Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (zur Einholung von Gutachten zur Überprüfung der vom geplanten Bauprojekt ausgehenden Emissionen) wurde die Berufung mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wels vom 30. Juni 1997 abgewiesen.

2. Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9. Oktober 1997 keine Folge gegeben. In der Begründung wird zunächst darauf hingewiesen, dass dem Nachbarn gemäß §31 Abs3, 4 und 5 OÖ BauO 1994 nur ein beschränktes Mitspracherecht zustehe. Weiters geht die belangte Behörde hinsichtlich des von der beschwerdeführenden Gesellschaft behaupteten Widerspruchs des geplanten Bauvorhabens zum Bebauungsplan T 9/19 52 davon aus, dass mangels Festlegung von Baufluchtlinien im Teilbebauungsplan dieser Widerspruch nicht vorliege. Auch finde sich in der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 keine Bestimmung, die dem Nachbarn ein subjektives Recht auf eine bestimmte Straßenbreite einräume, da diese ausschließlich dem öffentlichen Interesse diene. Zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der maßgeblichen Raumpläne sei die belangte Behörde nicht befugt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gegründete Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (Teilbebauungsplan T 9/19 52, Flächenwidmungsplan Nr. 2/1991) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf ein faires Verfahren verweist die Beschwerde auf die Rechtsprechung des EGMR, nach der das Eigentumsrecht ein civil-right im Sinne des Art6 EMRK darstelle und der ausreichende Zugang zu ordentlichen Gerichten zur Behandlung von Einwendungen gegen das Bauvorhaben möglich gemacht werden müsse. Zur behaupteten Gesetzwidrigkeit des Teilbebauungsplanes T 9/19 52 führt die beschwerdeführende Gesellschaft aus, dass dieser sich an die Änderung der Flächenwidmung von einem betrieblich gewerblich genutzten Grund auf eine Wohnnutzung anpassen hätte müssen. Flächenwidmungs- und Bebauungspläne seien anlässlich der Änderung der maßgeblichen Rechtslage oder wenn es das Gemeinwohl erfordere, zu ändern. Dazu komme, dass der Teilbebauungsplan Nr. 9/1952 nicht ausreichend determiniert sei, da der Baukörper des Firmengebäudes des Vorbesitzers (Nahrungsmittelfabrik B) als Festlegung verstanden werden müsse und nicht dahingehend, wie die belangte Behörde vorbringe, dass keine Baufluchtlinien existieren, da keine Legende bestehe, in der Baufluchtlinien ausdrücklich festgelegt seien. Es fehle daher die exakte Festlegung von Baufluchtlinien im Bebauungsplan bzw. eine entsprechende Aufklärung in einer verbalen Legende zum Bebauungsplan. Der Bebauungsplan verstoße daher gegen das Legalitätsprinzip des Art18 B-VG.

Der maßgebliche Flächenwidmungsplan sei gesetzwidrig, da die Grundstücke der beschwerdeführenden Gesellschaft (Nr. 126/1 und 126/2, je KG Lichtenegg) seit Jahrzehnten betrieblich genutzt seien, und die durch eine entsprechende Widmungssituation ermöglichte Wohnhausbebauung nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine unzulässige "heranrückende Wohnbebauung" darstelle. Die Flächenwidmung für das Baugrundstück habe nicht "Bauland - Wohngebiet" sondern "Bauland-gemischtes Baugebiet bzw. Betriebsbaugebiet" zu lauten.

4. Die Oberösterreichische Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt und unter anderem vorbringt, dass die beschwerdeführende Gesellschaft hinsichtlich der Problematik der heranrückenden Wohnbebauung in der Vorstellung keine subjektive Rechtsverletzung behauptet habe und im Hinblick darauf auch nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sein könne, da eine solche Verletzung wohl nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit des Flächenwidmungsplanes, was die festgelegten Baulandwidmungen anbelangt, begründet werden könne, da die grundsätzliche Möglichkeit der Erhebung von Einwendungen im Sinne des §31 Abs5 OÖ BauO 1994 nicht auf bestimmte Baulandkategorien beschränkt sei. Auch habe die beschwerdeführende Gesellschaft den Feststellungen der Baubehörden 1. und 2. Instanz, wonach es sich bei dem zu bebauenden Grundstück nicht um ein "bisher unbebautes Grundstück" im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesbestimmung handle, weder in der Berufung noch in der Vorstellung etwas entgegengehalten. Die Tatsache aber, dass auf dem Bauplatz schon bisher Bauten bestanden haben, stehe einer Berücksichtigung derartiger Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft von vornherein im Wege.

5. Die Stadt Wels legte die Verordnungsakten vor und gab eine Stellungnahme ab, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Zum Einwand der heranrückenden Wohnbebauung führt sie aus, dass im Sinne des §31 AbsOÖ BauO 1994 bei Neubauten auf "bisher unbebauten" Grundstücken auch Einwendungen zu berücksichtigen seien, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten Anlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken. Dies gelte jedoch nur für Immissionen, die auf Grund rechtskräftiger Bescheide zulässig seien. Im gegenständlichen Fall handle es sich bei Grst. Nr. 858/3 nicht um ein unbebautes Grundstück, wie auch die beschwerdeführende Gesellschaft selbst einräume, zumal sich auf diesem Grundstück vormals bereits Gebäude befunden haben, die der Bebauungsplan T 9 auch ausweise. Weiters legte die Stadt Wels eine Kopie des Flächenwidmungsplanes vor, aus der ersichtlich ist, dass das Grst. Nr. 858/3 KG Lichtenegg, das bebaut werden soll, "Bauland-Wohngebiet" und das Grundstück der beschwerdeführenden Gesellschaft mit der Grst. Nr. 126/1 und 126/2, KG Lichtenegg, als "gemischtes Baugebiet" gewidmet ist.

6. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, beantragte die Abweisung der Beschwerde und Zuspruch der entstandenen Kosten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2. Im Flächenwidmungsplan Nr. 1/1984 waren die Grundstücke Nr. 858/3 sowie Nr. 126/1 und 126/2 als Wohngebiet gewidmet. Mit der

"34. Änderung des Flächenwidmungsplanes für die Stadt Wels" vom 26. Jänner 1988 wurde die Widmung der Grundstücke Nr. 126/1 und 126/2 von "Wohngebiet" auf "gemischtes Baugebiet" geändert. Mit dem vom Gemeinderat der Stadt Wels am 22. November 1990 beschlossenen Flächenwidmungsplan Nr. 2/1991, genehmigt von der Oberösterreichischen Landesregierung am 8. März 1991, wurden die Widmungen des Grundstückes des geplanten Wohnobjektes, Grst. Nr. 858/3, und der beschwerdeführenden Gesellschaft gehörenden Grundstücke Nr. 126/1, 126/2, KG Lichtenegg, als "Wohngebiet" bzw. letzteres als "gemischtes Baugebiet" beibehalten. Angesichts der Gesamtkonzeption der Flächenwidmung in diesem Bereich bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der konkreten Widmungen.

Die erstinstanzliche Behörde hat - gestützt auf §31 Abs5 OÖ BauO 1994 - die Möglichkeit verneint, dass der Inhaber eines Gewerbebetriebes beim Neubau von Wohngebäuden auf bisher nicht mit Wohngebäuden bebauten Grundstücken Einwendungen gegen die heranrückende Wohnbebauung geltend machen könne. Die beschwerdeführende Gesellschaft machte im Verwaltungsverfahren und in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde nicht eindeutig die gleichheitswidrige Anwendung des §31 Abs5 OÖ BauO 1994, der die Einwendungen bezüglich der heranrückenden Wohnbebauung regelt, geltend, wehrte sich jedoch gegen die "heranrückende Wohnbebauung", die sie fälschlicherweise - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - schlechthin als "unzulässig" einstufte. Sie begründete die Unzulässigkeit mit einer rechtswidrigen Flächenwidmung. Die belangte Behörde ging, wie sie in ihrer Gegenschrift erläuterte, davon aus, dass die beschwerdeführende Gesellschaft keine subjektive Rechtsverletzung geltend gemacht habe, sondern sich im Hinblick auf die heranrückende Wohnbebauung auf die Rechtswidrigkeit der Flächenwidmung bezogen habe.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass das Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft, dass die heranrückende Wohnbebauung schlechthin unzulässig sei und die Flächenwidmung rechtwidrig sei, von der belangten Behörde folgendermaßen zu deuten gewesen wäre: Die beschwerdeführende Gesellschaft machte geltend, dass die von ihrem Betrieb ausgehenden Emissionen aufgrund der konfligierenden Widmungen Wohngebiet - gemischtes Baugebiet auf die geplanten Wohnbauten einwirkten. Die belangte Behörde behandelte das Vorbringen dahingehend, dass sie einerseits ihre Unzuständigkeit für die Normprüfung aussprach und andererseits auf das Vorbringen der "heranrückenden Wohnbebauung" nicht mehr näher einging.

Obwohl die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrer Beschwerde nicht ausdrücklich die gleichheitswidrige Auslegung des §31 Abs5 OÖ BauO 1994 behauptet, macht sie doch die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend. Im Ergebnis erweist sich die Beschwerde als gerechtfertigt, weil der belangten Behörde ein in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsfehler unterlaufen ist.

3. §31 Abs4 und 5 OÖ BauO 1994, LGBl. Nr. 66/1994 idF Nr. 93/1996 lauten:

"(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

(5)Bei Neubauten auf bisher unbebauten Grundstücken (heranrückende Bebauung) sind auch Einwendungen zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten baulichen Anlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken. Dies gilt jedoch nur für Immissionen, die aufgrund rechtskräftiger Bescheide zulässig sind. In diesem Fall hat der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen."

Die Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft wurden von der erstinstanzlichen Behörde mit der Begründung zurückgewiesen, dass das zu bebauende Grundstück kein "bisher unbebautes Grundstück" sei, da es vorher schon bebaut gewesen sei.

Der Verfassungsgerichtshof stellte in seinem Erkenntnis B1367/97-10 vom 28. September 1999 fest:

"Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem richtungsweisenden Erkenntnis VfSlg. 12.468/1990 zu §6 Abs8 der Wiener Bauordnung erkannt hat, ist einer Vorschrift, die die Errichtung von Betrieben in Wohngebieten beschränkt, ein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen, der insbesondere die Qualität der Wohnverhältnisse sicherstellen will. Erfaßt man die Regelung nach dem evidenten Zweck, so fehlte es an einer sachlichen Rechtfertigung für die Annahme, daß eine vom Gesetz verpönte schwerwiegende Beeinträchtigung ausschließlich dann zu unterbinden ist, wenn die Quelle der Emissionen geschaffen werden soll, nicht hingegen in dem bloß durch die zeitliche Abfolge verschiedenen Fall, daß sie bereits besteht und erst durch die Errichtung von Wohnhäusern ihre beeinträchtigende Wirkung entfalten kann. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Aussagen in den Erkenntnissen VfSlg. 13.210/1992 (zu §23 Abs2 OÖ Bauordnung) und VfSlg. 14.943/1997 (zu §134 Abs3 und §134a der Wiener Bauordnung) wiederholt.

(...)

Überträgt man die in den genannten Vorerkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs vertretene Rechtsansicht auf die Regelung des §21 Abs5 der Kärntner Bauordnung 1992, so kommt man zum Ergebnis, daß der Wortfolge "die dem Schutz der Nachbarschaft ... dienen" auch der Fall des Inhabers einer gewerblichen Betriebsanlage zu unterstellen ist, dessen rechtliche Interessen durch die Bewilligung einer Wohnbebauung auf dem Nachbargrundstück deshalb berührt werden, weil er beispielsweise mit Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen rechnen muß (vgl. VfSlg. 15.188/1998)."

Die oberösterreichische Bauordnung 1976 ordnete in §23 Abs2 idF LGBl. Nr. 82/1983 (VfSlg. 13.210/1992) an, dass bauliche Anlagen in allen ihren Teilen so geplant und errichtet werden müssen, dass schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden. Schädliche Umwelteinwirkungen waren als solche definiert, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im Besonderen für die Benützer der Bauten und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung (Änderung der natürlichen Zusammensetzung der freien Luft zum Beispiel durch Rauch, Ruß, Staub und andere Schwebstoffe, Dämpfe, Gase und Geruchsstoffe), Lärm oder Erschütterung. Im Erkenntnis VfSlg. 13.210/1992 sprach nun der Verfassungsgerichtshof aus, dass §23 Abs2 auch Immissionen ("schädliche Umwelteinwirkungen") eines bereits bestehenden Gebäudes auf das Bauprojekt vermeiden will. Auch die geltende Rechtslage enthält fast gleich lautende Anordnungen zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen (§3 Z4 iVm §2 Z36 OÖ Bautechnikgesetz, LGBl. Nr. 67/1994 idF 5/1995).

Der Verfassungsgerichtshof geht angesichts dieser Rechtsprechung und dem durch §3 Z4 iVm §2 Z36 OÖ Bautechnikgesetz zum Ausdruck kommenden Zweck der Sicherung der Qualität der Wohnverhältnisse in Zusammenschau mit der Wortfolge "Bestimmungen (...) des Flächenwidmungsplanes (...), die (...) dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen" im §31 Abs4 leg. cit. OÖ BauO 1994 davon aus, dass der Abs5 des §31 leg. cit. folgendermaßen auszulegen ist: Das Grundstück gilt nur dann als bisher unbebaut, wenn es bisher keine in Bezug auf die jeweils relevante Immission empfindliche Bebauung aufweist. Unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes besteht ein gravierender Unterschied, ob das Nachbargrundstück einer Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Baubewilligung dieser Betriebsanlage mit einem Wohn- oder Betriebsgebäude bebaut war. Grenzte bereits damals ein Wohngebäude an die Betriebsanlage an, so waren allfällige schädliche Umwelteinwirkungen der Betriebsanlage auf das angrenzende Wohngebäude im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren zu berücksichtigen. War das an die Betriebsanlage angrenzende Grundstück damals ebenfalls betrieblich genutzt und bedurfte der Betrieb keines besonderen Immissionsschutzes, so waren im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren eine allfällige Beeinträchtigung oder Belästigungen eines Betriebes auf den anderen zu beurteilen. Wird hingegen auf einem Grundstück, das damals betrieblich genutzt wurde und an einen Betrieb grenzte, ein Wohngebäude errichtet, so lassen die nun beabsichtigten Wohnbauten strengere Auflagen durch die Gewerbebehörde aufgrund der mit dem Gewerbebetrieb verbunden Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des angrenzenden Wohngebäudes erwarten. Im früheren Betriebsanlagengenehmigungsverfahren war bei der Beurteilung der Immissionen auf das Nachbargrundstück davon auszugehen, dass dieses ebenfalls betrieblich genutzt wird und keines besonderen Immissionsschutzes bedarf.

4. Die belangte Behörde hätte angesichts dieser Judikatur die Wortfolge "unbebautes Grundstück" im §31 Abs5 OÖ BauO 1994 verfassungskonform im Sinne der Ausführungen in Punkt II. 3. auslegen müssen. Sie hätte weiters ihrer Subsumtion die Tatsache zugrundelegen müssen, dass frühere Bauten auf dem Grundstück Nr. 858/3 - wie sich aus dem behördlichen Vorbringen und dem Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft ergibt - zu Betriebszwecken genutzt worden sind. Die belangte Behörde ist daher von einem gleichheitswidrigen Verständnis der zitierten Gesetzesstelle ausgegangen und hat dadurch die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen einzugehen war.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbeitrag sind S 2.500,- an Eingabegebühr und

S 3.000,- an Umsatzsteuer enthalten.

6. Die Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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