Normen
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
AsylG 1997 §5
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
AsylG 1997 §5
Spruch:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Der Verfassungsgerichtshof hält es für zweckmäßig, zunächst §5 des Asylgesetzes 1997 (im folgenden: AsylG) wiederzugeben, der in einem bestimmten Umfang (nämlich im unterstrichenen Teil) den Gegenstand der vom Unabhängigen Bundesasylsenat (im folgenden bloß: Bundesasylsenat) eingebrachten Gesetzesprüfungsanträge bildet. Dieser Paragraph hat folgenden Wortlaut:
"§5. (1) Ein nicht gemäß §4 erledigter Asylantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.
(2) Gemäß Abs1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist.
(3) Eine Ausweisung gemäß Abs1 und 2 gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat."
Die eben wiedergegebenen Absätze 1 und 2 des §5 AsylG beruhen auf der Stammfassung des AsylG (BGBl. I 76/1997); Abs3 dieses Paragraphen wurde durch Ziffer 2 der (am 8. Jänner 1999 kundgemachten) Novelle des AsylG, BGBl. I 4/1999, angefügt.
II. Beim Bundesasylsenat sind Verfahren über die Berufungen von zwei chinesischen Staatsangehörigen (Vater und seine mj. Tochter) gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. Mai 2000 anhängig mit dem ihre Asylanträge mit Bezugnahme auf §5 Abs1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gemäß Art5 Abs2 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags (im folgenden: Dubliner Übereinkommen), BGBl. III 165/1997, ausgesprochen wurde, daß für die Prüfung der Asylanträge Frankreich zuständig sei. Unter einem wurde in diesem Bescheid verfügt, daß die Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Frankreich ausgewiesen werden.
III. 1. Aus Anlaß dieser Berufungssachen stellt der Bundesasylsenat unter Bezugnahme auf Art140 Abs1 iVm Art129c Abs6 und Art89 Abs2 B-VG jeweils den Antrag, den letzten Satz im §5 Abs1 AsylG 1997, BGBl. I 76, sowie im §5 Abs3 leg.cit., idF BGBl. I 4/1999, die Wortfolge "1 und" als verfassungswidrig aufzuheben. Zur Präjudizialität führt der Bundesasylsenat aus, er habe in den gegenständlichen Fällen §5 Abs1 und Abs3 AsylG anzuwenden. Weiters verweist der Bundesasylsenat zur näheren Begründung auf den im hg.
Verfahren
G47/00 eingebrachten Gesetzesprüfungsantrag bzw. auf die erstattete Replik und erhebt diese (den Anträgen beigeschlossenen) Schriftsätze zu seinem Vorbringen in den vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren. In den verwiesenen Schriftsätzen wird zur Präjudizialität folgendes ausgeführt:
"Der unabhängige Bundesasylsenat hat im gegenständlichen Berufungsverfahren gemäß den §§5, 32 AsylG die im Antrag genannten Normen anzuwenden, zumal unter Berücksichtigung der obzitierten Fassung des Spruches des angefochtenen Bescheides und des hiegegen gerichteten, sowohl auf Art3 wie auf Art8 EMRK Bezug nehmenden Berufungsvorbringens."
2. Die Bundesregierung verweist auf die im Verfahren G47/00 erstattete Äußerung, in der die Verfahrensvoraussetzungen implizit als gegeben erachtet werden, die in Zweifel gezogene Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesstellen verteidigt und der Sache nach der Ausspruch begehrt wird, jene nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
IV. Die Anträge des Bundesasylsenates erweisen sich jedoch als nicht zulässig.
1. Der Verfassungsgerichtshof nimmt auf seine ständige, sowohl Gesetzesprüfungsanträge als auch amtswegig eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren betreffende Judikatur hinsichtlich der Verfahrensvoraussetzungen Bezug, wonach die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Gesetzesbestimmung so gezogen werden müssen, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (so zB. VfSlg. 8.155/1977). Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, daß im Gesetzesprüfungsverfahren (ebenso - wie nur nebenher angemerkt sei - im Verordnungsprüfungsverfahren) der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm - bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages - nicht zu eng gewählt werden darf (so etwa VfSlg. 8.155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996 und 14.890/1997). Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ferner (vgl. dazu VfSlg. 12.235/1989 und insbesondere das Erkenntnis G141/99 ua. vom 15. März 2000), daß ein Prozeßhindernis der geschilderten Art auch dann vorliegt, wenn die isolierte Aufhebung einer Bestimmung Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der anderen, im Rechtsbestand verbleibenden hervorruft, wenn also der Wegfall bestimmter angefochtener Sätze den verbleibenden Rest der Gesetzesbestimmung unverständlich wie auch unanwendbar werden ließe, weil nämlich nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt.
An dieser Rechtsprechung hält der Verfassungsgerichtshof fest; sie ist auch für die Beurteilung der vorliegenden Gesetzesprüfungssache maßgebend: Die antragsgemäße Aufhebung des letzten (dritten) Satzes im Abs1 des §5 AsylG sowie der Wendung "1 und" im Abs3 dieses Paragraphen hinterließe den Abs3 leg.cit. als einen legislativen Torso, dessen Anwendbarkeit in Frage stünde. Zur Sinnermittlung der im Gesetzestext verbleibenden Wendung "... Ausweisung gemäß Abs2 ..." im §5 Abs3 AsylG wäre nämlich infolge der in §5 Abs2 enthaltenen (weiteren) Verweisung auf Abs1 dieses Paragraphen auch auf dessen letzten Satz Bedacht zu nehmen, der die Verbindung einer Ausweisung mit dem Zurückweisungsbescheid vorschreibt. Dieser letzte Satz des §5 Abs1 AsylG soll jedoch gemäß den Antragsbegehren aufgehoben werden, was zur Folge hätte, daß die in Abs3 dieses Paragraphen enthaltene Verweisung auf Abs1 dieser Bestimmung - soweit eine Ausweisung in Frage steht - ins Leere führen würde. MaW: Gelangt die Asylbehörde (nach Maßgabe des Dubliner Übereinkommens) zur Ansicht, der Asylantrag sei wegen der Zuständigkeit eines anderen Vertragsstaates zur Feststellung des prüfungszuständigen Staates zurückzuweisen, entstünde wegen des Entfalls der Rechtsregel im letzten Satz des §5 Abs1 AsylG der mit den heranzuziehenden Auslegungsmethoden kaum beseitigbare Zweifel, ob eine Ausweisung des Asylwerbers in den prüfungszuständigen Staat zu verfügen wäre.
2. Die Anträge des Bundesasylsenates waren sohin wegen des zu engen Anfechtungsumfanges, ohne daß auf sie inhaltlich einzugehen war, nach §19 Abs3 Z2 lita VerfGG mit einem in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschluß zurückzuweisen.
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