VfGH V47/00

VfGHV47/0030.9.2000

Aufhebung der als Rechtsverordnung zu qualifizierenden Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung der Tiroler Landesbediensteten betreffend Übertragung von Aufgaben gemäß dem Tir Landes-PersonalvertretungsG an den Obmann mangels Kundmachung sowie wegen Verstoßes gegen die im Gesetz festgelegte Aufgabenverteilung

Normen

Beschluss der Zentralpersonalvertretung der Tiroler Landesbediensteten vom 20.06.97 über die Übertragung von Aufgaben nach §13 Abs2 Tir Landes-PersonalvertretungsG 1994 an den Obmann, ergänzt mit Beschluss vom 15.05.98
Tir Landes-PersonalvertretungsG §10 Abs7, Abs9
Tir Landes-PersonalvertretungsG §13 Abs2
Beschluss der Zentralpersonalvertretung der Tiroler Landesbediensteten vom 20.06.97 über die Übertragung von Aufgaben nach §13 Abs2 Tir Landes-PersonalvertretungsG 1994 an den Obmann, ergänzt mit Beschluss vom 15.05.98
Tir Landes-PersonalvertretungsG §10 Abs7, Abs9
Tir Landes-PersonalvertretungsG §13 Abs2

 

Spruch:

I. Der Beschluss der Zentralpersonalvertretung der Tiroler Landesbediensteten vom 20.6.1997 über die "Übertragung von Aufgaben nach §13 Abs2 Tiroler Landes-Personalvertretungsgesetz 1994 an den Obmann" (Protokoll über die Sitzung der Zentralpersonalvertretung am 20.6.1997, Tagesordnungspunkt 5), ergänzt mit Beschluss der Zentralpersonalvertretung vom 15.5.1998 (Protokoll über die Sitzung der Zentralpersonalvertretung vom 15.5.1998, Tagesordnungspunkt 3), wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Gemäß §10 Abs7 Tiroler Landes-Personalvertretungsgesetz 1994 - LPVG, LGBl. 1994/58, kann die Dienststellenpersonalvertretung, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit oder Einfachheit gelegen ist, die Entscheidung über bestimmte Angelegenheiten dem Obmann, einzelnen Mitgliedern oder einem Ausschuss übertragen. Nach §10 Abs9 LPVG gilt der genannte Abs7 sinngemäß für die Zentralpersonalvertretung.

1.1.2. Der mit "Befugnisse" überschriebene §13 LPVG lautet in seinem Abs2 wörtlich wie folgt:

"(2) Die Personalvertretung hat das Recht, mitzuwirken

a) bei allgemeinen Angelegenheiten des Dienst-, Besoldungs- und Personalvertretungsrechtes, soweit es sich um Maßnahmen handelt, die sich auf alle Bediensteten oder auf einzelne Gruppen von Bediensteten beziehen;

b) bei der Erstellung oder Änderung des Dienstplanes und der Aufgabenverteilung, soweit sich diese auf einen längeren Zeitraum erstrecken;

c) bei Maßnahmen, die im Interesse des Dienstnehmerschutzes und der Gesundheit der Bediensteten gelegen sind;

d) bei der Aufnahme von Bediensteten;

e) bei der Ernennung und bei der Ernennung im Dienstverhältnis von Beamten sowie bei der Überstellung von Vertragsbediensteten;

f) bei der Versetzung von Bediensteten, es sei denn, die Versetzung erfolgt mit Zustimmung des Bediensteten;

g) bei der Versetzung und beim Übertritt in den Ruhestand, es sei denn, die Versetzung oder der Übertritt erfolgt auf Antrag oder Erklärung des Bediensteten oder auf Grund gesetzlicher Anordnung;

h) bei der Auflösung des Dienstverhältnisses durch Entlassung oder Kündigung durch den Dienstgeber und bei der einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses;

i) bei der Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz von Übergenüssen und der Verpflichtung zum Schadenersatz;

j) bei der Vergabe von Wohnungen durch das Land sowie bei der Festsetzung der Vergütung für Dienst- und Naturalwohnungen;

k) bei der Auswahl der Bediensteten, die zu Mitgliedern von Dienstprüfungskommissionen bestellt werden sollen;

l) bei der Auswahl der Bediensteten, die zu Mitgliedern der Leistungsfeststellungskommission oder der Disziplinarkommissionen bestellt werden sollen;

m) bei der Auswahl von Bediensteten für die dienstliche Ausbildung;

n) bei der Urlaubseinteilung und deren Änderung, bei der Gewährung von Karenzurlauben ohne gesetzlichen Anspruch und von Sonderurlauben in der Dauer von mehr als drei Tagen, ausgenommen zur Vorbereitung auf die Dienstprüfung;

o) bei der Einführung neuer Kontrollmaßnahmen;

p) bei der Gewährung von Vorschüssen und Geldaushilfen, bei anderen Maßnahmen der sozialen Betreuung der Bediensteten und bei der Erstellung von Grundsätzen über die Gewährung von Belohnungen;

q) bei der Anordnung von Überstunden, es sei denn, die Überstunden werden nur für einen Bediensteten für nicht mehr als drei Tage hintereinander angeordnet;

r) bei der Untersagung einer Nebenbeschäftigung;

s) bei der Auswahl von Bediensteten für eine nicht bloß vorübergehende Verwendung an Bildschirmarbeitsplätzen;

t) bei der Einführung neuer Arbeitsmethoden und von Systemen zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten der Bediensteten, die über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person oder über die Ermittlung von fachlichen Voraussetzungen hinausgehen."

1.2.1. Die Zentralpersonalvertretung der Tiroler Landesbediensteten nahm in ihrer Sitzung am 20.6.1997 (zu Tagesordnungspunkt 5 des Sitzungsprotokolles) den folgenden Antrag an:

"Der Obmann beantragt, ihm für die laufende Funktionsperiode aus Gründen der Einfachheit und Zweckmäßigkeit die Befugnisse nach §13 Abs2 LPVG zu übertragen, mit folgenden Ausnahmen:

1.2.2. In ihrer Sitzung am 15.5.1998 beschloss die Zentralpersonalvertretung (zu Tagesordnungspunkt 3 des Sitzungsprotokolles) den "Ausnahmekatalog" des Beschlusses vom 20.6.1997 wie folgt zu ergänzen:

"- §13 Abs2 lite bei der Ernennung und bei der Ernennung im Dienstverhältnis von Beamten, ausgenommen bei der Überstellung von Vertragsbediensteten".

1.3. Gemäß §35 Abs2 LPVG hat die Landesregierung Beschlüsse und sonstige Maßnahmen der Organe der Personalvertretung, die gegen Gesetze oder Verordnungen verstoßen, aufzuheben.

1.4.1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1601/98 eine auf Art144 Abs1 B-VG gegründete Beschwerde gegen einen Bescheid der Tiroler Landesregierung anhängig. Mit diesem Bescheid wurde einem auf §35 Abs2 LPVG gestützten Antrag einzelner Bediensteter, die Mitglieder der Zentralpersonalvertretung sind, auf Aufhebung der Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung vom 20.6.1997 und vom 15.5.1998 über die Übertragung von Aufgaben an den Obmann nicht Folge gegeben; vielmehr wurden diese Beschlüsse als gesetzmäßig erachtet.

1.4.2. In der gegen diesen Bescheid von seinen Adressaten erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet.

1.5.1. Aus Anlass der Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG beschlossen, ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung der Tiroler Landesbediensteten (vom 20.6.1997 und vom 15.5.1998) einzuleiten.

1.5.2. In diesem Verfahren legte die Tiroler Landesregierung als oberste, zur Vertretung der angefochtenen Verordnung berufene Verwaltungsbehörde des Landes die auf die Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung bezughabenden Akten vor, nahm jedoch von einer Äußerung Abstand. Die Zentralpersonalvertretung der Tiroler Landesbediensteten reichte durch ihren Obmann eine Stellungnahme beim Verfassungsgerichtshof ein, in der sie den im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken entgegen tritt.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Im genannten (Prüfungs)Beschluss des Verfassungsgerichtshofes sind zunächst die folgenden - für die Frage der Zulässigkeit des nunmehrigen Verordnungsprüfungsverfahrens maßgebenden - Erwägungen enthalten:

"Die Beschwerde scheint rechtzeitig zu sein. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass sie auch sonst zulässig ist ... .

Der in Prüfung gezogene Beschluss der Zentralpersonalvertretung (samt Ergänzung) - der Eingang in die Rechtsordnung gefunden und als solcher (also ohne vorheriges aufsichtsbehördliches Kontrollverfahren) rechtliche Geltung erlangt haben dürfte - scheint nicht bloß auf die Übertragung bestimmter Aufgaben an ihren Obmann in konkreten Einzelfällen gerichtet zu sein, sondern sich auf die generelle Übertragung bestimmt gearteter Aufgaben zu beziehen und damit Zuständigkeiten des Obmannes begründenden Inhalt zu haben. Es dürfte sich somit bei dem in Rede stehenden Beschluss um eine generelle Norm und - da sie von einer Verwaltungsbehörde ausgeht - um eine Rechtsverordnung handeln ... .

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass er diesen Beschluss der Zentralpersonalvertretung (inklusive Ergänzung) bei der Überprüfung des angefochtenen Bescheides, der über die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses abspricht, anzuwenden hätte; daher dürfte dieser Beschluss (samt Ergänzung) hier präjudiziell in der Bedeutung des Art139 Abs1 B-VG sein."

2.1.2. Im Verfahren ist nun weder vorgebracht worden noch sonst weiter hervorgekommen, dass die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Beschwerde und zur Präjudizialität der in Prüfung gezogenen und als Rechtsverordnung qualifizierten Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung der Tiroler Landesbediensteten unzutreffend wären.

2.1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2.2.1. Das vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss zunächst aufgeworfene Bedenken, dass der relevante Beschluss der Zentralpersonalvertretung (samt Ergänzung) an einem Kundmachungsmangel leide, erwies sich als zutreffend. Das LPVG sieht zwar im Zusammenhang mit der Übertragung der Entscheidung über bestimmte Angelegenheiten an den Obmann der Zentralpersonalvertretung weder eine Kundmachungspflicht noch ein Kundmachungsorgan vor; nichts desto weniger muss es als Voraussetzung für die Gesetzmäßigkeit der als Rechtsverordnung zu qualifizierenden Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung angesehen werden, dass sie in ausreichender bzw. in ortsüblicher Weise kundgemacht wurden (vgl. VfSlg. 3714/1960, 4865/1964, 6843/1972, 12.346/1990). Da eine solche Publikation unterblieb, sind die in Prüfung gezogenen Beschlüsse gesetzwidrig. An diesem Ergebnis ändert es selbstredend nichts, dass die Zentralpersonalvertretung - wie sie in ihrer Stellungnahme ausführt - "beabsichtige, die in Rede stehenden Beschlüsse in das Internet zu geben"; selbst eine tatsächlich erfolgte Veröffentlichung der Beschlüsse im Internet würde - im vorliegenden Fall - das oben beschriebene Kundmachungserfordernis nicht erfüllen. Zu bemerken bleibt, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss ausführte, dass für die gebotene Publikation unter Umständen eine solche im Boten für Tirol in Betracht käme (s. etwa §10 Abs10 LPVG).

2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hält aber auch an dem weiteren im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken gegen die durch die in Prüfung gezogenen Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung erfolgte generelle Befugniszuweisung an ihren Obmann fest. Die Zentralpersonalvertretung führt in ihrer Stellungnahme dazu aus, dass die Übertragung von Angelegenheiten des §13 Abs2 LPVG aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit erfolgt sei: die Befassung des Gremiums (Zentralpersonalvertretung) mit den bloß einzelne Bedienstete betreffenden Problemstellungen etwa der Aufnahme, der Überstellung, eines Übergenusses oder einer Belohnung wäre aus organisatorischen Gründen unzweckmäßig und mit erheblichen Kosten verbunden. Ferner bestünde die Gefahr, dass die Zentralpersonalvertretung gelähmt und der effektiven Ausübung der ihr zustehenden Mitwirkungsrechte beraubt würde. Diese letztlich auf Zweckmäßigkeitsüberlegungen beruhenden Ausführungen sind nicht geeignet, das im Prüfungsbeschluss aufgeworfene grundsätzliche Bedenken zu zerstreuen. Auch geht es nicht darum, ob die dem Obmann übertragenen Aufgaben "hinreichend bestimmt" sind, wie die Zentralpersonalvertretung in ihrer Stellungnahme weiter meint; von verfassungsrechtlicher Relevanz ist in dem hier maßgebenden Zusammenhang vielmehr ausschließlich die Frage der generellen Befugniszuweisung an den Obmann. Da - wie schon im Prüfungsbeschluss dargetan - der Inhalt der in Rede stehenden Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung die gesetzlich festgelegte Aufgabenverteilung zwischen der Zentralpersonalvertretung als Kollegialorgan und dem Obmann der Zentralpersonalvertretung als monokratisch handelndem Organ dahingehend verändert, dass im Gegensatz zur Konstruktion des Gesetzes die Befugnisse der Zentralpersonalvertretung generell dem Obmann zugewiesen sind und dem Kollegium bloß - ausnahmsweise - einzelne dieser Befugnisse verbleiben, sind die in Prüfung gezogenen Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung - als gegen §10 Abs7 iVm Abs9 LPVG verstoßend - (auch) aus diesem Grund gesetzwidrig.

2.3. Die Beschlüsse der Zentralpersonalvertretung der Tiroler Landesbediensteten vom 20.6.1997 und vom 15.5.1998 waren aus diesen Gründen als gesetzwidrig aufzuheben.

2.4. Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

3. Diese Entscheidung konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefasst werden.

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