VfGH V76/99

VfGHV76/994.10.2000

Gesetzwidrigkeit einer Kostenersatzregelung für die Verschreibung von Bädern in der Krankenordnung der BVA mangels gesetzlicher Deckung

Normen

B-VG Art18 Abs2
ASVG §456
B-KUVG §158
Krankenordnung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter Pkt 13 Abs4
B-VG Art18 Abs2
ASVG §456
B-KUVG §158
Krankenordnung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter Pkt 13 Abs4

 

Spruch:

Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, kundgemacht in der Sozialen Sicherheit 1978, Amtliche Verlautbarungen Nr. 13/1978 in der Fassung der am 15.1.1992 beschlossenen, mit Erlaß des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 29.5.1992, Zl. 26.619/1-5/1992 genehmigten 18. Änderung der Krankenordnung, kundgemacht in den Amtlichen Verlautbarungen der Sozialen Sicherheit Nr. 102/1992 vom 15.10.1992, war gesetzwidrig.

Die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt II kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Beschluß vom 31.8.1999, 10 ObS 101/99x, stellte der Oberste Gerichtshof (im folgenden: OGH) als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen aus Anlaß einer Revision der beiden klagenden Parteien gegen ein Urteil des Oberlandesgerichtes Graz beim Verfassungsgerichtshof den auf Art89 Abs2 B-VG gestützten Antrag, gem. Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Soziale Sicherheit 1978, Amtliche Verlautbarung Nr. 13 und 14/1978, idF Soziale Sicherheit 1992, Amtliche Verlautbarung Nr. 102/1992, - außer Kraft gesetzt durch die 20. Änderung der Krankenordnung (kundgemacht in der Sozialen Sicherheit 1996, Amtliche Verlautbarung Nr. 42/1996) - gesetzwidrig war.

1.2. In seinem Antrag führt der OGH unter wortwörtlicher Zitierung der angefochtenen Bestimmung aus, daß den beiden miteinander verheirateten klagenden Parteien von einem Facharzt für Neurochirurgie zur Linderung verschiedener Leidenszustände vor allem im Bereich der Wirbelsäule Thermalbäder verordnet worden seien. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 13.10.1995 sei dem Antrag der klagenden Parteien vom 11.9.1995 auf Ersatz der Kosten dieser über ärztliche Verordnung in einer bestimmten, namentlich angeführten Kuranstalt in Anspruch genommenen Thermalbäder gem. §§52 Z2 und 62 Abs2 B-KUVG mit der Begründung nicht stattgegeben worden, daß es sich dabei nicht um eine notwendige Krankenbehandlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gehandelt habe.

Die gegen diese abweisenden Bescheide erhobenen Klagen würde im wesentlichen mit der Begründung, daß es sich um Kosten einer notwendigen Krankenbehandlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gehandelt habe, Kostenersatz in der Höhe von jeweils S 3.070,--, und zwar S 550,-- an Kosten für einen Zehner-Block zum zehnmaligen Eintritt in das Thermalbad und S 2.520,-- an Fahrtkosten zum Thermalbad begehren.

Die beklagte Sozialversicherungsanstalt habe die Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten und eingewendet, daß gemäß Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung der beklagten Partei Bäder, die nicht den für Heilbäder geltenden Voraussetzungen - d.h. Verabfolgung nach ärztlicher Vorschrift unter ärztlicher Aufsicht in ärztlich geleiteten Kuranstalten - entsprächen, nicht auf Rechnung der beklagten Partei gewährt werden würden. Die von den klagenden Parteien in Anspruch genommenen Thermalbäder würden diese Voraussetzungen nicht erfüllen, da sie weder unter ärztlicher Aufsicht erfolgt seien, noch dabei physiotherapeutische Leistungen erbracht worden seien.

Das Erstgericht habe die beiden Klagebegehren unter Berufung auf §62 B-KUVG iVm. Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung der BVA mit der Begründung abgewiesen, daß die von den Klägern konsumierten Bäder nicht sämtliche Voraussetzungen für einen Kostenersatz nach Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung erfüllen würden.

Das Berufungsgericht habe der Berufung der Kläger nicht Folge gegeben.

Gegen dieses Urteil richte sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung als nichtig aufzuheben, hilfsweise die Entscheidung im Sinne einer Stattgebung der Klagebegehren abzuändern. Ebenfalls hilfsweise sei ein Aufhebungsantrag gestellt worden. Die beklagte Partei habe in ihrer Revisionsbeantwortung beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

2.1. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung führt der OGH aus, daß sich der dem Kostenersatzbegehren der Kläger zugrundeliegende Sachverhalt noch im Jahr 1995 und damit vor Inkraftreten der 20. Änderung der Krankenordnung ereignet habe, welche in dem neu eingefügten Punkt 75 bestimme, daß u.a. Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung auf Sachverhalte, die sich nach Ablauf des Tages der Kundmachung (am 20.3.1996 in: Soziale Sicherheit - Amtliche Verlautbarung Nr. 42/1996) dieser 20. Änderung ereignen, nicht mehr anzuwenden sei. Die Bestimmungen des Punktes 13 Abs4 der Krankenordnung seien aber hier bei der Prüfung des Anspruches der Kläger anzuwenden, weil sich die beklagte Partei und die Vorinstanzen in der Begründung der Abweisung des Kostenersatzbegehrens ausdrücklich auf diese Bestimmung gestützt hätten. Der im Kapitel "Arzthilfe" enthaltene Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung lege fest, daß die Kosten für Bäder, die nicht den für Heilbäder geltenden Voraussetzungen entsprechen, von der beklagen Partei nicht ersetzt werden würden. Diese Bestimmung stelle sich somit offenkundig als Durchführungsbestimmung zu §62 Abs2 B-KUVG dar. Wenn die Voraussetzungen für einen im Gesetz eingeräumten Anspruch in einer Verordnung näher determiniert seien bzw. sich in der Verordnung diesbezügliche Beschränkungen fänden, so sei der Anspruch auf der Grundlage der Verordnung zu prüfen. Solange eine wirksame Verordnung bestehe, die einen Anspruch ausschließe, bilde die Verordnung die Entscheidungsgrundlage und es sei unzulässig, unter Übergehung der Verordnung die die Grundlage der Verordnung bildenden gesetzlichen Bestimmungen als Anspruchsgrundlage heranzuziehen. Aus diesen Gründen sei Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung für die vorliegende Entscheidung präjudiziell.

Bei der Krankenordnung handle es sich um eine Verordnung, wobei gemäß §158 B-KUVG hinsichtlich der Satzung, der Krankenordnung und Geschäftsordnungen der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter die Bestimmungen des Abschnittes VII des Achten Teiles des ASVG gelten würden. Gemäß §456 ASVG habe der Träger der Krankenversicherung eine Krankenordnung aufzustellen, die insbesondere die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die Kontrolle der Kranken zu regeln habe.

2.2. Gegen die angefochtene Vorschrift hegt der OGH folgende Bedenken:

In Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung werde nicht eine der in §456 ASVG genannten Angelegenheiten geregelt, sondern es werde darin festgelegt, unter welchen Voraussetzungen von der beklagten Partei die Kosten für Bäder ersetzt werden würden. Für eine solche Regelung fehle aber die gesetzliche Grundlage im B-KUVG. Auch die Verwendung des Wortes "insbesondere" im §456 ASVG vermöge keine gesetzliche Deckung für die im Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung getroffene Regelung abzugeben, da sonst §456 ASVG selbst mangels hinreichender Determinierung verfassungswidrig sei. Abschließend weist der OGH darauf hin, daß nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichtshofes (E vom 27.2.1999, V102/98 = VfSlg. 15436/1999) eine Bestimmung der Krankenordnung der beklagten Partei gesetzwidrig war, da dort entgegen dem §456 ASVG Regelungen über die Anspruchsvoraussetzungen für den Kostenersatz für Zahnersatz enthalten gewesen waren.

3.1. Der angefochtene Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung der BVA, Amtliche Verlautbarung - Soziale Sicherheit Nr. 13/1978 und Nr. 14/1978 in der Fassung Nr. 102/1992, lautete:

"Bäder, die nicht den für Heilbäder geltenden Voraussetzungen - d.h. Verabfolgung nach ärztlicher Vorschrift unter ärztlicher Aufsicht in ärztlich geleiteten Kuranstalten - entsprechen, insbesondere auch Hand-, Fuß- und Sitzbäder, die auch im Hause des Kranken bereitet werden können, werden nicht auf Rechnung der BVA gewährt."

3.2. In der Sozialen Sicherheit 1996, Amtliche Verlautbarung Nr. 42/1996, wurde die 20. Änderung der Krankenordnung der BVA am 20.3.1996 verlautbart, mit welcher dem Punkt 74 der Krankenordnung der folgende Punkt 75 angefügt wurde:

"Wirksamkeit

75. Auf Sachverhalte, die sich nach Ablauf des Tages der Kundmachung der 20. Änderung ereignen, sind folgende Bestimmungen dieser Krankenordnung nicht mehr anzuwenden:

Punkt 1 Abs2 bis 5; ... ; Punkt 13 Abs1 und 2, Abs3 letzter Satz und Abs4; ..."

3.3. §456 Abs1 ASVG idgF, der nach §158 B-KUVG hinsichtlich der Krankenordnung der BVA gilt, hat folgenden Wortlaut:

"§456. (1) Die Träger der Krankenversicherung haben eine Krankenordnung aufzustellen, die insbesondere die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die Kontrolle der Kranken zu regeln hat. §455 Abs1 ist anzuwenden."

§52 B-KUVG BGBl. Nr. 200/1967 idgF lautet auszugsweise:

"Leistungen

§52. Als Leistungen der Krankenversicherung werden nach

Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt:

1. ...

2. aus dem Versicherungsfall der Krankheit: Krankenbehandlung

(§§62 bis 65), erforderlichenfalls medizinische Hauskrankenpflege

(§71) oder Anstaltspflege (§§66 bis 68)

3. ..."

§62 B-KUVG idgF lautet auszugsweise:

"Krankenbehandlung

§62. (1) Die Krankenbehandlung umfaßt:

  1. 1. ärztliche Hilfe;
  2. 2.

    Heilmittel

  3. 3. Heilbehelfe und Hilfsmittel.

(2) Die Krankenbehandlung muß ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Durch die Krankenbehandlung sollen die Gesundheit, die Dienstfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden. Die Leistungen der Krankenbehandlung werden, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird, als Sachleistungen erbracht.

(3) ...

...

(6) ..."

§64 B-KUVG idgF lautet auszugsweise:

"Heilmittel

§64. (1) Die Heilmittel umfassen

  1. 1. die notwendigen Arzneien
  2. 2. die sonstigen Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen.

(2) ...

(3)..."

4.1. Der Vorstand der BVA hat eine Äußerung erstattet und die Verwaltungsakten vorgelegt.

In der Äußerung wird zur Frage der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Norm wie folgt Stellung genommen:

"Aus historischer Sicht wurde die Krankenordnung der Krankenversicherungsträger als ein Leitfaden zur Inanspruchnahme der Leistungen gesehen. Den Versicherten und Anspruchsberechtigten wurde aufgezeigt, wie sie sich zu verhalten hätten, um eine bestimmte Leistung zu erhalten. Gem. §158 B-KUVG i.V.m. §456 ASVG sind die Themen, die in der Krankenordnung zu regeln sind insbesondere die Pflichten der Versicherten und Leistungsempfänger im Leistungsfall, die Kontrolle der Kranken und das Verfahren bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung.

Gerade dieser Verfahrensteil der Krankenordnung darf aber nun nicht isoliert als reine Sammlung von Formalvorschriften zur Leistungsinanspruchnahme gesehen werden, sondern muss im Kontext mit den anderen Rechtsquellen des Sozialversicherungsrechtes, auch materiell-rechtliche Hinweise erhalten. Eine strikte Trennung dieser beiden Bereiche war unter Berücksichtigung des historischen Zusammenhanges nicht möglich. Die angefochtene Bestimmung sollte die Anspruchsberechtigten dazu anhalten, bei der Versorgung mit Bädern jene zu wählen, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen.

Insofern lässt sich Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung durchaus als verfahrensleitende Bestimmung verstehen bzw. kann die angefochtene Norm unter den Begriff der Verfahrensregelung subsumiert werden. Die Anspruchsberechtigten sollten in jene Richtung gelenkt werden, die für sie, unter Berücksichtigung des in der Krankenversicherung geltenden Grundsatzes der med(i)zinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, die optimale Behandlung ihrer Beschwerden gewährleistet.

Sollte die genannte Bestimmung trotzdem nicht unter dem Begriff der Verfahrensregelung subsumierbar sein, so handelt es sich bei der angefochtenen Norm aufgrund des oben aufgezeig(en)te(n) Zusammenhanges zumindest um eine vergleichbare Angelegenheit, die nach einer verfassungskonformen Interpretation des §456 ASVG in der Krankenordnung enthalten sein kann."

Aus diesen Gründen beantragt die BVA, den Antrag des OGH als unzulässig zurückzuweisen in eventu dem Antrag nicht Folge zu leisten.

4.2. Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales teilte mit, daß die Verwaltungsakten bereits zu einem anderen Verfahren übermittelt worden seien und nahm im Hinblick auf die "eindeutige Vorjudikatur" des Verfassungsgerichtshofes (E vom 27.2.1999, V102/98) von der Erstattung einer Äußerung Abstand.

5.1. Zur Zulässigkeit:

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (z.B. VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989).

Der OGH hat die Präjudizialitätsfrage denkmöglich bejaht:

Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind zwei Kostenersatzbegehren für Bäder, die vom zuständigen Sozialversicherungsträger u.a. unter Berufung auf Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung (zum Verordnungscharakter der Krankenordnung vgl. z.B. VfSlg. 12307/1990) abgelehnt worden war.

Der Antrag ist somit zulässig.

5.2. Der Antrag ist auch begründet.

Nach §456 Abs1 ASVG, der gemäß §158 B-KUVG anzuwenden ist, haben die Träger der Krankenversicherung eine Krankenordnung zu erlassen, die insbesondere die Pflichten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung und die Kontrolle der Kranken zu regeln hat. Einen solchen Inhalt weist die angefochtene Bestimmung jedoch nicht auf, da sie Voraussetzungen für die Zuerkennung von Kostenersatz für Heilbäder normiert.

Wie der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27.2.1999, V102/98 (= VfSlg. 15436/1999), bereits ausgesprochen hat und wie der OGH zutreffend angemerkt hat, vermag auch die Verwendung des Wortes "insbesondere" im §456 ASVG keine gesetzliche Deckung für die im Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung der BVA getroffene Regelung abzugeben, da ansonsten §456 ASVG mangels hinreichender Determinierung selbst verfassungswidrig wäre (vgl. auch VfSlg. 13236/1992). Auch sonst findet sich keine Bestimmung im B-KUVG, die als gesetzliche Deckung des angefochtenen Punktes 13 Abs4 herangezogen werden könnte.

Dem Argument der BVA, die getroffene Regelung wäre unter die Wortfolge "Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen" zu subsumieren, ist nicht beizupflichten, da verfahrens- und materiellrechtliche Regelungen wohl zu unterscheiden sind. Eine verfahrensrechtliche Bestimmung, die zu normieren hat, auf welche Weise bei der Vollziehung von Normen vorzugehen ist (Walter - Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Auflage, RZ 4) ist insbesondere nicht dazu bestimmt, materiellrechtliche Voraussetzungen für die Zuerkennung von Kostenersatz zu enthalten; solches ist dem Gesetzgeber bei der Wortwahl "Verfahren" nicht zuzusinnen. Dem Umstand allein, daß eine Norm verhaltenssteuernde Wirkung entfalten soll, wie die BVA hervorhebt, macht sie noch nicht zu einer Verfahrensbestimmung.

6. Die angefochtene, mit der Kundmachung der 20. Änderung der Krankenordnung in der Sozialen Sicherheit 1996 - somit vor dem Zeitpunkt dieses Erkenntnisses - außer Kraft getretene Verordnungsregelung entbehrte daher insoweit der gesetzlichen Deckung, als eine Norm dieses Inhalts nicht in den Regelungsbereich der Krankenordnung und damit in die Zuständigkeit des Vorstandes gem. §145 B-KUVG fällt, sondern vielmehr - allenfalls - von der Generalversammlung gem. §144 Abs1 Z4 B-KUVG im Rahmen der Satzung erlassen werden könnte. Es war aus diesem Grund gem. Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß der angefochtene Punkt 13 Abs4 der Krankenordnung der BVA gesetzwidrig war.

Die Verpflichtung der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II gründet auf Art139 Abs5 B-VG iVm. §60 Abs2 VerfGG.

Diese Entscheidung konnte gem. §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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