VfGH V2/99

VfGHV2/994.10.2000

Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung eines Teils der Satzung 1995 der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter betreffend festsitzenden Zahnersatz wegen zu eng gefaßten Aufhebungsbegehrens

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
Satzung 1995 der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
Satzung 1995 der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Mit Antrag vom 8.1.1999 begehrt das Oberlandesgericht Wien (im folgenden kurz: OLG Wien) als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen unter Berufung auf Art89 Abs2 B-VG mit näherer Begründung die Aufhebung der "Z. 5 lita und b des Anhanges 1 der Satzung 1995 der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), Amtliche(n) Verlautbarung Nr. 112/1995, Soziale Sicherheit 12/1995" wegen Gesetzwidrigkeit. Das OLG Wien hat in dem bei ihm behängenden Verfahren über die Klage eines Berufsmusikers (Trompeter) gegen die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter auf Kostenersatz für den für diesen angefertigten festsitzenden Zahnersatz zu entscheiden.

2.1. Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, mit der sie beantragt, dem Antrag des OLG Wien keine Folge zu leisten.

2.2. Die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat ebenfalls eine Äußerung erstattet, mit der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages beantragt.

2.3. Auch der Kläger des arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahrens hat eine Äußerung erstattet, in der er sich mit näheren Ausführungen den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließt.

3. Die maßgeblichen Bestimmungen der Satzung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, SoSi Nr. 12/1995, lauten folgendermaßen:

"Zahnersatz

§22.(1) Die BVA leistet den unentbehrlichen Zahnersatz. Unentbehrlich ist jener Zahnersatz, der notwendig ist, um eine Gesundheitsstörung zu vermeiden oder zu beseitigen. Zum unentbehrlichen Zahnersatz gehört auch seine Reparatur, sofern sie durch den normalen Gebrauch erforderlich ist.

...

§23. (1) Als abnehmbarer Zahnersatz werden Total- oder Teilprothesen aus Kunststoff oder Metallgerüstprothesen erbracht.

(2)...

(3) Die BVA leistet zu den Kosten eines vertraglich nicht geregelten festsitzenden Zahnersatzes den in Anhang 1 genannten Zuschuß. Kronen, Brücken, gegossene Stiftaufbauten und funktionell notwendige Halteelemente für einen abnehmbaren Zahnersatz gelten als festsitzender Zahnersatz."

"Anhang 1

Kostenerstattung und Kostenzuschüsse

  1. 1. ...
  2. 5. Zuschüsse für festsitzenden Zahnersatz nach §23 Abs3

a) im Fall der Unentbehrlichkeit (§22 Abs2) für eine

keramikfacettierte Krone (Verblendmetallkeramikkrone)

im sichtbaren Bereich............................... S 2.880,-

sonst............................................... S 1.600,-

ein Brückenglied, porzellanverblendet

im sichtbaren Bereich............................... S 2.400,-

sonst............................................... S 1.280,-

eine Vollgußkrone (Metallkrone)..................... S 1.600,-

ein Brückenglied aus Metall (Vollguß)............... S 1.280,-

b) wenn anstelle des unentbehrlichen abnehmbaren ein festsitzender

Zahnersatz angefertigt wird, auf den kein Anspruch nach §22 Abs2

besteht,

je Einheit........................................... S 1.000,-

Verankerungen von Kronen und Brücken (z.B. Implantatstifte) sind mit dem Zuschuß nach lita oder b abgegolten. Für einen gegossenen Stiftaufbau sowie ein funktionell notwendiges Halteelement für einen abnehmbaren Zahnersatz (z.B. Steg, Druckknopf, Anker) wird der Betrag nach Z3 litc geleistet."

4. Der Antrag ist unzulässig:

4.1. In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl. zB VfSlg. 7376/1974, 7726/1975, 9374/1982, 11506/1987, 14044/1995 u.a.).

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzes- oder Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzes- oder Verordnungsstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden (vgl. zB VfSlg. 6674/1972, 8155/1977, 9374/1982, 11455/1987, 14044/1995 u.a.)

Der Verfassungsgerichtshof geht bei Bestimmung des Umfang seiner als gesetz- oder verfassungswidrig aufzuhebenden Rechtsvorschrift stets vom Grundgedanken aus, daß ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit zu beseitigen, daß aber der nach der Aufhebung verbleibende Teil der Norm möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. zB VfSlg. 8461/1978 mit weiteren Judikaturnachweisen, weiters zB VfSlg. 11190/1986 und 11737/1988). Dieser Gedanke ist auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren maßgeblich.

4.2. Wie sich aus §23 Abs3 der Satzung ergibt, leistet die BVA zu den Kosten eines vertraglich nicht geregelten festsitzenden Zahnersatzes Zuschüsse, deren Höhe im Anhang 1 Z5 der Satzung festgesetzt ist. Der Antrag begehrt lediglich die Aufhebung der Z5 lita und b des Anhanges 1 der Satzung, obwohl die vom antragstellenden Gericht geäußerten Bedenken sich der Sache nach auch auf die im §23 Abs3 der Satzung enthaltene Verweisung auf die angefochtenen Satzungsbestimmungen beziehen.

Die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Z5 lita und b des Anhanges 1 zur Satzung besteht nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes darin, daß dem Versicherten seine Kosten nicht in ausreichendem Maße ersetzt werden.

Folgte man dem Aufhebungsbegehren des antragstellenden Gerichts, so hätte dies - da die Aufhebung der Verweisung im §23 Abs3 der Satzung nicht begehrt wird - zur Folge, daß die von diesem Gericht angenommene Gesetzwidrigkeit der bekämpften Satzungsbestimmungen, durch die Aufhebung der angefochtenen Vorschriften nicht beseitigt, sondern wegen des Fortbestehens der die Einschränkung bewirkenden Norm des §23 Abs3 der Satzung sogar noch vertieft würde. Im Hinblick darauf, daß ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Gesetzwidrigkeit zu beseitigen, erweist sich der Anfechtungsumfang sohin als zu eng, weshalb der Antrag insoweit unzulässig ist (vgl. zu einem ebenfalls zu engen Aufhebungsbegehren VfSlg. 14740/1997).

4.3. Es wäre daher für die Zulässigkeit der Anfechtung erforderlich gewesen, die maßgebliche Verweisung des §23 Abs3 erster Satz der Satzung in die Anfechtung miteinzubeziehen.

5. Der Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen. Auf die beiden mittlerweile zum festsitzenden Zahnersatz ergangenen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 18.3.2000 G24/98 u. a., VfGH 26.6.2000 V62/99), die diesem Erkenntnis beigeschlossen sind, wird hingewiesen.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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