VfGH B304/00

VfGHB304/0012.12.2000

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §25 Abs2 erster Satz Tir BauO 1998, LGBl 15/1998, mit E v 05.12.00, G93/00.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 32.200,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 20. August 1998 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Aldrans der G reg.Gen.m.b.H. die Baubewilligung zur Errichtung einer Wohnanlage mit 20 Wohneinheiten und einer Tiefgarage auf Grundstück Nr. 709/1 KG Aldrans unter Vorschreibung im Bescheid näher angeführter Auflagen. Die Einwendungen der nunmehrigen Beschwerdeführer wurden mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. Die Berufung wurde durch den Gemeindevorstand als unzulässig zurückgewiesen.

Die Tiroler Landesregierung wies mit Bescheid vom 21. Jänner 1999 die Vorstellungen als unbegründet ab unter Anwendung des §25 Abs2 Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998 (im Folgenden TBO 1998). Demnach komme den Vorstellungswerbern aufgrund der Lage der Grundstücke keine Parteistellung zu, um die Verletzung von Abstandsvorschriften nach §6 TBO geltend zu machen.

2. Auf Grund einer gemäß Art144 Abs1 B-VG erhobenen Beschwerde der Nachbarn hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Oktober 1999, B473/99, den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §25 Abs2 letzter Satz TBO 1998) auf.

3. Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid neuerlich die Vorstellung ab und stützte ihre Entscheidung auf §25 Abs2 erster Satz TBO 1998. Die Beschwerdeführer seien Eigentümer der Grundstücke 710/2 und 709/12 KG Aldrans. Zwischen diesen Grundstücken führe der Gemeindeweg Grundstück 1654 (öffentliches Gut). Eine Parteistellung der Vorstellungswerber sei daher gemäß §25 Abs2 erster Satz TBO 1998 nicht gegeben.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der Nachbarn, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG und Art1 des 1. ZP EMRK) sowie der Sache nach die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §25 Abs2 erster Satz TBO 1998) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

§25 Abs2 TBO 1998 räume den Nachbarn im vorliegenden Fall keine Parteistellung ein, weil ihr Grundstück von jenem des Bauwerbers durch einen drei Meter breiten Weg, der dem öffentlichen Verkehr im Sinne der straßenpolizeilichen Vorschriften diene, getrennt sei. Die Beschwerdeführer erachten u.a. die Differenzierung der Parteistellung, je nach dem, ob zwischen dem Grundstück der Nachbarn und jenem des Bauwerbers eine Privatstraße oder eine öffentliche Straße liege, für unsachlich.

5. Die Tiroler Landesregierung als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt, auf die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Argumente gegen §25 Abs2 erster Satz TBO 1998 jedoch nicht näher eingeht.

II. 1. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 29. Juni 2000 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 erster Satz des Gesetzes vom 11. Dezember 1997, mit dem eine Bauordnung für Tirol erlassen wird (Tiroler Bauordnung 1998), LGBl. Nr. 15/1998, eingeleitet.

Mit Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, G93/00, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die belangte Behörde hat daher eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten sind ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von

S 2.250,- sowie Umsatzsteuer in Höhe von S 4.950,- und eine Eingabengebühr von S 2.500,- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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