VfGH B1472/98

VfGHB1472/9824.6.1999

Keine Verletzung im Eigentums- und im Gleichheitsrecht durch prozentuelle Kürzung der Rückerstattung von geleisteten Beiträgen bei Ausscheiden aus dem Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer; Verletzung im Gleichheitsrecht durch willkürliche Auferlegung einer rechtlich nicht existenten "Informationspflicht" bei nicht ordnungsgemäßer Zustellung; Verletzung im Eigentums- und im Gleichheitsrecht durch willkürlichen Abzug von angeblich offenen Beiträgen in voller Höhe vom Rückerstattungsbetrag; Quasi-Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Beitragsordnungen für 1996 und 1997 und der Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
StGG Art5
Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien §11
ÄrzteG §78 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
StGG Art5
Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien §11
ÄrzteG §78 Abs1

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 29.500 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die Beschwerdeführerin war als Ärztin Angehörige der Ärztekammer für Wien und nach §6 iVm §4 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien zu diesem Wohlfahrtsfonds beitragspflichtig.

1.2. Mit Bescheid vom 27. Juni 1997 entsprach der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien dem Antrag der Beschwerdeführerin, gemäß §78 ÄrzteG 1984 und §7 Abs1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds von der Beitragspflicht zum Versorgungssystem dieses Fonds mit Wirkung ab 1. Mai 1997 befreit zu werden.

Mit Bescheid vom 17. März 1998 verfügte der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds die Rückerstattung von öS 78.856,24 an die Beschwerdeführerin, wobei verschiedene, in der Folge von der Beschwerdeführerin bestrittene Forderungen des Wohlfahrtsfonds in Abzug gebracht wurden.

Der gegen diesen Bescheid an den Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds erhobenen Berufung blieb der Erfolg versagt; der Beschwerdeausschuß wies die Berufung ab und bestätigte den Bescheid des Verwaltungsausschusses.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin behauptet, in verschiedenen, näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt worden zu sein und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides verlangt.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde verlangt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die u zulässige u Beschwerde erwogen:

1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:

1.1. §78 Abs1 ÄrzteG 1984 lautet:

"§78. (1) Erbringt ein ordentlicher Kammerangehöriger den Nachweis darüber, daß ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuß auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach einem Gesetz oder den Pensionsvorschriften einer Dienstordnung gegenüber einer solchen Körperschaft zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht (...), ist er auf Antrag, ausgenommen den für die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen nach §73 einzuhebenden Teil des Fondsbeitrages, von der Verpflichtung nach §75 zu befreien.

(...)"

1.2.1. §7 Abs1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien lautet:

"§7 (1) Erbringt ein ordentlicher Kammerangehöriger den Nachweis darüber, daß ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuß auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach einem Gesetz oder den Pensionsvorschriften einer Dienstordnung gegenüber einer solchen Körperschaft zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht (...), ist er auf Antrag, ausgenommen den für die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen nach §73 einzuhebenden Teil des Fondsbeitrages, von der Verpflichtung nach §75 zu befreien. (...) Wird einem solchen Antrag stattgegeben, finden die Bestimmungen des §11 Abs3 (...) Anwendung (...)."

1.2.2. §11 Abs3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds lautet:

"§11 (...)

(3) Stellt ein Fondsmitglied die Ausübung seines Berufes ein oder verlegt es seinen Wohnsitz dauerhaft in das Ausland, werden ihm, soferne es die Fondsmitgliedschaft nicht freiwillig fortsetzt, auf seinen Antrag sowohl 50 vH der für die Grund- und Ergänzungsleistung (unter sinngemäßer Anwendung des Abs1 lita) als auch der volle auf seinem Konto ausgewiesene Betrag für die Zusatzleistung rückerstattet. Hiebei sind auch die von anderen Ärztekammern für das betreffende Fondsmitglied geleisteten Überweisungsbeiträge im Sinne des Abs1 anzurechnen. Von dem Rückerstattungsbetrag sind jedoch alle als Versorgungs- oder Unterstützungsleistungen gewährten Beträge in Abzug zu bringen."

1.2.3. §11 Abs1 lita zweiter Satz der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien lautet in der im Anlaßfall angewendeten Fassung:

"§11 (1) (...)

a) (...) Bei Berechnung des Überweisungsbeitrages bleiben die für bestimmte Zwecke in der Beitragsordnung festgesetzten Teile des Fondsbeitrages, wie der Beitragsteil zur Deckung der Altlast, die Todesfallbeihilfe, Krankenhilfe und Krankenunterstützung, außer Betracht."

1.3. Abschnitt IV Absatz 11 der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der im Anlaßfall angewendeten Fassung lautet:

"IV. (...)

(11) Guthaben sind mit fälligen Beiträgen gemäß Abschnitt I, II und VI der Beitragsordnung aufzurechnen."

2. Die u nach den verschiedenen, durch die Beiträge abzudeckenden Leistungen des Wohlfahrtsfonds differenzierende u Befreiungsbestimmung des §78 Abs1 ÄrzteG 1984 steht in folgendem rechtlichen Zusammenhang:

Das ÄrzteG 1984 unterscheidet in seinen §§63 ff. einerseits und §§71 ff. andererseits zwischen Unterstützungsleistungen und Versorgungsleistungen. Nach der Regelung des §78 Abs1 ÄrzteG kann nun das Fondsmitglied von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds, ausgenommen die auf die Abdeckung der Todesfallsbeihilfe und bestimmte Unterstützungsleistungen gewährte Beitragsteile befreit werden.

3.1. Mit dem durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Bescheid des Verwaltungsausschusses wurde jener Betrag festgesetzt, der der Beschwerdeführerin anläßlich ihrer Beitragsbefreiung nach §7 i.V.m. §11 Abs3 der Satzung zurückzuerstatten ist. Dabei wurden die offenen Fondsbeiträge für 1995, 1996 und 1997 in voller Höhe, sowie bereits gewährte Leistungen aus der Krankenunterstützung in Abzug gebracht.

3.2.1. Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, daß der Abzug bereits gewährten Krankengeldes vom Rückerstattungsbeitrag system- und rechtswidrig sei und sich in Beitragsordnung und Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung keine Rechtsgrundlage für einen solchen Abzug gewährten Krankengeldes finde.

3.2.2. Die Beschwerdeführerin hält es sodann für gleichheitswidrig, daß die Satzung des Wohlfahrtsfonds für den Fall einer Beitragsbefreiung nach §78 Abs1 ÄrzteG 1984 eine Rückerstattung von nur 50 vH und nicht der gesamten, vom Fondsmitglied geleisteten Beiträge vorsieht.

3.2.3. Die Beschwerdeführerin bekämpft sodann den Abzug der Fondsbeiträge für die Beitragsjahre 1995 bis 1997 zum einen mit der Begründung, daß es für eine Aufrechnung an einer Rechtsgrundlage fehle und überdies für die Jahre 1995 und 1996 keine rechtskräftigen Beitragsbescheide vorlägen, weshalb die aufgerechneten Forderungen des Wohlfahrtsfonds nicht fällig seien.

3.2.4. Ferner rügt die Beschwerdeführerin den Abzug der angeblich offenen Fondsbeiträge in voller Höhe: Hätte sie die in Rede stehenden Beiträge bereits entrichtet, so stünde ihr eine Rückvergütung in Höhe von 50 vH davon zu. Demgemäß müsse sie auch jetzt u sei es im Wege der Aufrechnung oder im Wege einer Beitragsvorschreibung u nur 50 vH der genannten Beiträge entrichten.

3.2.5. Die Beschwerdeführerin sieht sich schließlich - mit näherer Begründung - auch durch qualifizierte Verletzung von Verfahrensvorschriften in ihren Rechten verletzt.

4.1. Die belangte Behörde tritt in ihrer Gegenschrift den Ausführungen der Beschwerdeführerin entgegen.

4.2.1. Zunächst behauptet die belangte Behörde, gewährtes Krankengeld sei gar nicht in Abzug gebracht worden und das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin daher unbeachtlich.

4.2.2. Die belangte Behörde verteidigt des weiteren die Einbehaltung von 50 vH der zum Versorgungssystem geleisteten Beiträge im Hinblick darauf, daß u etwa im Invaliditätsfall u Ansprüche auf Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds entstehen hätten können.

4.2.3. Hinsichtlich der behaupteten mangelnden Rechtsgrundlage für den Abzug offener Forderungen verweist die belangte Behörde auf Abschnitt IV Abs11 der Beitragsordnung und macht geltend, daß zwischen Guthaben und Rückerstattungsansprüchen im Hinblick auf diese Bestimmung kein Unterschied gemacht werden könne.

Was die rechtliche Existenz der Beitragsvorschreibungen für 1995 und 1996 anbelangt, so bietet die belangte Behörde keinen Zustellnachweis an, sondern hält der Beschwerdeführerin vor, sie hätte sich spätestens nach Erhalt des durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Bescheides des Verwaltungsausschusses über den Bescheidzugang "informieren müssen".

4.2.4. Die belangte Behörde verteidigt auch inhaltlich die genannten Beitragsvorschreibungen und die ihnen zugrundeliegenden Bestimmungen der Beitragsordnung.

4.2.5. Hinsichtlich der Einbehaltung der vollen Beiträge für die Beitragsjahre 1995 bis 1997 behauptet die belangte Behörde schließlich, die Beschwerdeführerin hätte auch dann die vollen Beiträge bezahlen müssen, wenn diese Beiträge nicht in Abzug gebracht, sondern direkt vorgeschrieben worden wären.

4.2.6. Die belangte Behörde hält das Ermittlungsverfahren, das der Beschwerdeausschuß durchgeführt hat, im Hinblick auf die von ihr behauptete Rechtskraft der Vorschreibungen für die in Abzug gebrachten Beiträge für ausreichend und verteidigt auch diesbezüglich den angefochtenen Bescheid.

5.1. Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

5.2.1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985, 11650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

5.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hält zunächst an seiner Rechtsprechung fest, nach der eine prozentuelle Kürzung der Rückerstattung bei Ausscheiden oder Überweisung keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken begegnet (VfSlg. 10898/1986). Die Beschwerdeführerin ist also insofern nicht im Recht, als sie die Einbehaltung von 50 vH der bereits geleisteten Beiträge als verfassungswidrig rügt.

5.3. Mit dem übrigen Beschwerdevorbringen ist die Beschwerdeführerin jedoch im Recht:

5.3.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

5.3.2. Entgegen der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung der belangten Behörde trifft die Adressatin eines Bescheides keine wie auch immer geartete Verpflichtung, sich (bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Zustellung) über den Bescheidzugang "zu informieren". Für die Zustellung oder sonstige Erlassung der Beitragsvorschreibungen für 1995 und 1996 fehlt aber jeglicher Hinweis. Auch die belangte Behörde vermag nicht darzutun, daß der Beschwerdeführerin die fraglichen Beitragsvorschreibungen zugestellt worden wären. Bei dieser Sachlage kann daher der Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten werden, wenn sie die rechtliche Existenz dieser Vorschreibungen und damit die Fälligkeit der in Abzug gebrachten Forderungen bestreitet. Indem die belangte Behörde sich über diesen Einwand der Beschwerdeführerin hinweggesetzt und - in grober Verkennung ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Zustellung von Bescheiden - der Beschwerdeführerin eine rechtlich nicht existente "Informationspflicht" auferlegt hat, hat sie der Beschwerdeführerin gegenüber Willkür geübt.

5.3.3. Die Beschwerdeführerin ist auch mit dem Vorwurf im Recht, die belangte Behörde hätte die angeblich offenen Fondsbeiträge nicht in voller Höhe vom Rückerstattungsbetrag abziehen dürfen: Selbst unter der Voraussetzung der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Abzuges offener Forderungen hätte dieser Abzug nur in Höhe von 50 vH erfolgen dürfen. Wie die Beschwerdeführerin nämlich zutreffend ausführt, hätte sie 50 vH bereits abgeführter Beiträge rückerstattet bekommen. Indem die belangte Behörde jedoch entgegen der insoweit eindeutigen Rechtsvorschrift des §11 Abs3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds diese Beiträge in voller Höhe vom Rückerstattungsbetrag abgezogen hat, hat sie auch insoweit gegenüber der Beschwerdeführerin Willkür geübt und sie in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt.

5.3.4. Im durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien heißt es wörtlich:

"Ebenso in Abzug gebracht wurden offene Beträge aus dem Titel der Todesfallbeihilfe in Höhe von 16.620,00 (...) und Krankenunterstützung in Höhe von öS 5.561,00 (...) sowie gewährtes Krankengeld in Höhe von öS 73.540,00, sodaß sich der im Spruch bezeichnete Betrag ergibt."

Angesichts dessen ist es unerfindlich, wie die belangte Behörde behaupten kann, gewährtes Krankengeld sei nicht in Abzug gebracht worden.

5.4. Mit dem Erkenntnis V15/99, V16/99 und V22/99 vom 24. Juni 1999 hat der Verfassungsgerichtshof die Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für die Beitragsjahre 1996 und 1997 aufgehoben und ausgesprochen, daß die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien bis zum Inkrafttreten der Fassung der Kundmachung vom "Wiener Arzt" 2a/99 jedenfalls gesetzwidrig war.

5.4.1. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

5.4.2. Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986).

Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren V 15, V 16 und V22/99 fand am 11. Juni 1999 statt. Die der vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 10. August 1998 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schon anhängig; der der vorliegenden Beschwerde zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

5.4.3. Nach Lage des Falles ist es offenkundig, daß es dem angefochtenen Bescheid nach Aufhebung der Satzung an einer Rechtsgrundlage fehlt. Es kann daher auch dahinstehen, ob der in §11 Abs3 der Satzung vorgesehen gewesene Abzug bereits gewährten Krankengeldes sachlich gerechtfertigt gewesen ist.

5.4.4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides auch Abschnitt IV Abs11 der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien an. Dem Abschnitt IV wurde der Abs11 nach der letztmaligen ordnungsgemäßen Kundmachung im "Wiener Arzt" 3a/1995 bloß durch Einarbeitung in eine Loseblattsammlung angefügt.

Es ist bei der oben beschriebenen Wirkung des Erkenntnisses V 15, V 16 und V22/99 nach Lage des Falles auch offenkundig, daß es der von der belangten Behörde vorgenommenen Aufrechnung nach Aufhebung (unter anderem auch) des Abschnittes IV Abs11 der Beitragsordnung an einer Rechtsgrundlage fehlt. Die Beschwerdeführerin wurde somit auch insofern wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.

5.4.5. Die Beschwerdeführerin wurde durch den angefochtenen Bescheid überdies insofern wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt, als gestützt auf §11 Abs3 i. V.m. §11 Abs1 lita der vom Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig erkannten Satzung der Beitragsteil zur Deckung der Altlast von der Rückerstattung ausgenommen wurde.

6. Der Bescheid war aus allen diesen Gründen aufzuheben.

7. Der Kostenausspruch stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag sind öS 4.500 an Umsatzsteuer enthalten.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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