VfGH B2897/96

VfGHB2897/9624.6.1999

Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Beitragsordnungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für 1996 und 1997 und des Ausspruches, daß die Satzung des Wohlfahrtsfonds bis zu ihrer Kundmachung im "Wiener Arzt" 2a/1999 gesetzwidrig war, mit E v 25.06.99, V15/99, V16/99, V22/99.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zuhanden ihres Rechtsvertreters zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist als Ärztin Angehörige der Ärztekammer für Wien und nach §6 iVm §4 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien zu diesem Wohlfahrtsfonds beitragspflichtig.

2. Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien wurde der von der Beschwerdeführerin zu zahlende Beitrag zum Wohlfahrtsfonds für das Jahr 1995 festgesetzt. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung beim Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien war kein Erfolg beschieden; dieser wies die Berufung mit dem nun angefochtenen Bescheid ab.

3. Gegen diesen Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. In ihr begehrt die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und behauptet, durch diesen in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

II. 1. Mit Erkenntnis vom 24. Juni 1999, V15/99, V16/99 und V22/99, hat der Verfassungsgerichtshof die Beitragsordnungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für die Jahre 1996 und 1997 als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die Satzung dieses Wohlfahrtsfonds, kundgemacht durch Aufnahme und Einarbeitung in eine Loseblattsammlung, bis zum Inkrafttreten ihrer Kundmachung im "Wiener Arzt" 2a/1999 gesetzwidrig war.

2. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986).

Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungs-verfahren V15/99, V16/99 und V22/99 fand am 11. Juni 1999 statt. Die vorliegende Beschwerde war zum Zeitpunkt der Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig erkannte Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß dadurch die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin nachteilig beeinflußt wurde. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte