VfGH B2502/97

VfGHB2502/9719.6.1998

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung von Grunderwerbsteuer anläßlich eines Teilungsübereinkommens zweier Vermächtnisnehmerinnen einer Eigentumswohnung; analoge Anwendung der Befreiungsbestimmung des GrEStG 1987 für den Erwerb eines zum Nachlaß gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses geboten

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GrEStG 1987 §3 Abs1 Z3
WohnungseigentumsG 1975 §8 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GrEStG 1987 §3 Abs1 Z3
WohnungseigentumsG 1975 §8 Abs2

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 20.500 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Durch ein Nachvermächtnis auf den Überrest hat die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrer Schwester einen mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteil in Salzburg erworben. Zur Vermeidung einer gerichtlichen Feilbietung schlossen die beiden ein Teilungsübereinkommen, wonach die Beschwerdeführerin das Alleineigentum der Liegenschaft erwirbt und ihrer Schwester bei Verkauf der Eigentumswohnung den halben Kaufpreis, jedenfalls aber einen bestimmten Mindestbetrag bezahlt.

Aus diesem Anlaß schrieb das Finanzamt Grunderwerbsteuer in Höhe von 3,5% des Mindestbetrages vor. Die dagegen erhobene Berufung blieb erfolglos. Die für die Auseinandersetzung unter Miterben vorgesehene Ausnahme von der Grunderwerbsteuerpflicht (§3 Abs1 Z3 GrEStG 1987; ehemals §3 Z3 GrEStG 1955) sei angesichts des - näher dargelegten - Unterschiedes in der Rechtsstellung von Erben und Vermächtnisnehmern auf das Verhältnis mehrerer Vermächtnisnehmer untereinander nicht zu übertragen (Hinweis auf VfSlg. 12567/1990).

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, allenfalls durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes. Für den Fall, daß mehrere Vermächtnisnehmer den Anspruch auf eine nicht teilbare Leistung erwerben, müsse die sonst nur für Miterben geltende Regel bei sonstiger Verfassungswidrigkeit des Ergebnisses analog angewendet werden. Wenn es auch dem Gesetzgeber freistehe, Pflichtteilsberechtigte, die nur durch rechtsgeschäftliche Gestaltung, nämlich Abfindung mit einer Liegenschaft oder Erbschaftskauf durch einen von ihnen in eine vergleichbare Lage kommen wie Miterben, die Begünstigung zu versagen, so müsse doch in einem solchen, durch das Gesetz erzwungenen Fall der Auseinandersetzung die für Erben vorgesehene Ausnahme umso mehr gelten.

Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift darauf hin, daß schon der Erblasser die Möglichkeit gehabt hätte, die Notwendigkeit eines Teilungsübereinkommens zu vermeiden.

II. Die Beschwerde ist begründet.

Von der Grunderwerbsteuer ist unter anderem ausgenommen der Erwerb eines zum Nachlaß gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses (§3 Abs1 Z3 GrEStG 1987).

Es ist der belangten Behörde wohl zuzugeben, daß eine Auseinandersetzung zwischen einem Vermächtnisnehmer, dem der Erblasser eine Liegenschaft zugedacht hat, und anderen Vermächtnisnehmern oder den Erben dann und insoweit nicht mit der Erbteilung unter Miterben verglichen werden kann, wenn und insoweit die Liegenschaft ohnehin schon dem Vermächtnisnehmer gebührt und die Zuordnung einzelner Gegenstände an einzelne Personen nicht mehr erforderlich ist. Wie die Beschwerde indessen zutreffend darlegt, kann eine vergleichbare Lage aber ausnahmsweise dadurch entstehen, daß der Erblasser mehreren Personen ein und dieselbe Liegenschaft vermacht. Dagegen läßt sich nicht ins Treffen führen, daß der Erblasser durch eine andere Verfügung die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung unter den mehreren Vermächtnisnehmern hätte vermeiden können: Auch die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Erbteilung könnte der Erblasser dadurch vermeiden, daß er die Liegenschaft bereits einem der Miterben unter Anrechnung auf seinen Erbteil zuweist. In beiden Fällen kommt es - anders als im Verhältnis mehrerer, durch das Gesetz auf Geldansprüche verwiesener Pflichtteilsberechtigter zueinander - ohne Zutun der Überlebenden zu einer Lage, die eine Teilung angebracht erscheinen läßt.

Das gilt umso mehr für den hier zu entscheidenden Fall des Vermächtnisses einer Eigentumswohnung an mehrere Personen, die - anders als Ehegatten - nicht gemeinsam Wohnungseigentum erwerben können und durch das Gesetz (§8 Abs2 WEG) zur Zivilteilung durch Versteigerung gezwungen werden, wenn das Verlassenschaftsverfahren zu keinem zulässigen Ergebnis führt. In einem solchen Fall würde die Grunderwerbsteuerpflicht eines die Versteigerung abwendenden Teilungsübereinkommens in Wahrheit den Erbgang mit Erbschaftssteuer und Grunderwerbsteuer belasten. Dafür gäbe es angesichts der sonst für das Verhältnis von Erbschaftssteuer und Grunderwerbsteuer maßgeblichen Vorschriften (§3 Abs1 Z2 und 3 GrEStG 1987) keine sachliche Rechtfertigung.

Das Gesetz befaßt sich mit der durch den Erbgang notwendig gewordenen Teilung unter mehreren Vermächtnisnehmern nicht. Der in §3 Abs1 Z3 für Miterben ausgesprochene Grundsatz kann aber im Wege der Analogie auf ein solches Teilungsübereinkommen angewendet werden. Indem sie diese Möglichkeit verneinte, hat die belangte Behörde dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.

Der Bescheid ist daher wegen Verletzung des Gleichheitsrechtes aufzuheben.

Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 VerfGG).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind Umsatzsteuer in Höhe von 3.000 S und die Eingabengebühr in Höhe von 2.500 S enthalten.

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