VfGH B2603/96

VfGHB2603/9623.1.1997

Keine Bedenken gegen die Einführung der Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatz eines Drittels der für Einwohner der entsprechenden Gemeinde mangels geeigneter Kinderbetreuungseinrichtungen geleisteten Sondernotstandshilfe an den Bund; keine Verletzung der Finanzverfassung, des Gleichheitssatzes und des Determinierungsgebotes

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
SondernotstandshilfeV
F-VG §2
F-VG §4
FAG 1993 §2 Abs2 idF StrukturanpassungsG
AlVG §39
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
SondernotstandshilfeV
F-VG §2
F-VG §4
FAG 1993 §2 Abs2 idF StrukturanpassungsG
AlVG §39

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Gemeinde ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführende Gemeinde in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) hat die Gemeinde Raiding mit Bescheid vom 15. März 1996 zum Ersatz eines Drittels der im Abrechnungszeitraum 1. Mai 1995 bis 30. September 1995 entstandenen Kosten der an M.H. ausbezahlten Sondernotstandshilfe in der Höhe von 2.580 S verpflichtet. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Landeshauptmann von Burgenland mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. Juli 1996 abgewiesen.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gegründete Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten durch Anwendung rechtswidriger genereller Normen geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Der Landeshauptmann von Burgenland legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige -Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid gründet sich auf §2 Abs2 FinanzausgleichsG 1993 - FAG, BGBl. 30/1993, idF des StrukturanpassungsG, BGBl. 297/1995, auf §6 Abs6 Arbeitsmarktpolitik-FinanzierungsG - AMPFG, BGBl. 315/1994 idF 297/1995 (die Nov. BGBl. 201/1996 wurde nicht angewendet), und auf §3 Abs5 der SondernotstandshilfeVO idF BGBl. 361/1995.

Gemäß §39 Abs1 ArbeitslosenversicherungsG 1977 - AlVG, BGBl. 609/1977, haben Mütter oder Väter "Anspruch auf Sondernotstandshilfe bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, wenn ...

2. sie wegen Betreuung ihres Kindes . . . keine Beschäftigung annehmen können, weil erwiesenermaßen für dieses Kind keine Unterbringungsmöglichkeit besteht".

§2 Abs2 FAG zufolge ersetzen die Gemeinden "dem Bund ein Drittel der Kosten der Sondernotstandshilfe (Leistungsaufwand inklusive Sozialversicherungsbeitrag) gemäß §39 AlVG jener Bezieher, die ihren Wohnsitz in der jeweiligen Gemeinde haben". In den Materialien zu dieser Bestimmung ist festgehalten, daß die Beteiligung der Gemeinden an den Kosten der Sondernotstandshilfe eine Verbindung zu deren Vorsorge für bedarfsorientierte Kinderbetreuungseinrichtungen bringt (134 BlgNR XIX. GP, 87).

Gemäß dem am 1. Mai 1995 in Kraft getretenen §6 Abs6 AMPFG haben die Gemeinden "ein Drittel der Ausgaben für die Sondernotstandshilfe (Leistungsaufwand inklusive Sozialversicherungsbeitrag), die an Mütter und Väter in der jeweiligen Gemeinde ausbezahlt wird, zu tragen". Für die Abrechnung sind zwei Stichtage pro Jahr festzulegen (das sind gemäß §3 der SondernotstandshilfeVO der 31. März und der 30. September). "Wird die Vorschreibung von der Gemeinde bestritten, hat die regionale Geschäftsstelle des AMS einen Bescheid zu erlassen. Gegen diesen Bescheid kann die Gemeinde Berufung an den Landeshauptmann erheben".

Die näheren Regelungen über die Abwicklung der Vorschreibung und Überweisung sind in der SondernotstandshilfeVO geregelt. Im §1 dieser VO ist der im §39 Abs1 AlVG enthaltene unbestimmte Gesetzesbegriff "Unterbringungsmöglichkeit für das Kind" näher determiniert. Im §2 der VO ist die Mitwirkung der Gemeinde geregelt. §3 der VO regelt die Abrechnung des durch die Gemeinde zu entrichtenden Betragsanteils.

2.1. Die Beschwerde behauptet zunächst, §2 Abs2 FAG sei wegen Verfassungswidrigkeit, nämlich als dem §3 F-VG widersprechend aufzuheben; außerdem sei die Kostenersatzpflicht sachlich nicht gerechtfertigt und damit gleichheitswidrig.

Dem ist zu erwidern: §2 Abs2 FAG findet seine finanzverfassungsgesetzliche Deckung in §2 F-VG, wonach der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand tragen, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt. Ein Art7 Abs1 B-VG oder §4 F-VG verletzender Fehler des Gesetzgebers (vgl. VfSlg. 12505/1990 und 12832/1991) wurde nicht einmal behauptet. Da einerseits der Erlassung des §2 Abs2 FAG Beratungen der Finanzausgleichspartner (ua. mit Vertretern des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes) vorausgingen und da andererseits die genannte Bestimmung der am 1. März 1995 unter Punkt 5. zwischen den Finanzausgleichspartnern getroffenen Übereinkunft entspricht, hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken, daß durch die genannte Regelung die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Gemeinden iSd §4 F-VG überschritten werden.

2.2. Die Beschwerde behauptet weiters, der Begriff "Unterbringungsmöglichkeit" im §39 Abs1 AlVG widerspreche einerseits dem Bestimmtheitsgebot des Art18 Abs1 B-VG; andererseits sei er durch die SondernotstandshilfeVO unzulässigerweise eingegrenzt worden.

Dem ist zu entgegnen, daß der Begriff "Unterbringungsmöglichkeit für das Kind" im Zusammenhang mit dem Zweck der Regelung gesehen werden muß, eine Leistung für den Fall zuzuerkennen, daß die Mutter oder der Vater aus dem Grund der Betreuung ihres Kindes keine Beschäftigung annehmen können. Eine solche Leistung sollen sie nach dem Willen des Gesetzgebers dann nicht erhalten, wenn sie Gelegenheit haben, ihr Kind für die Dauer der Beschäftigung betreuen zu lassen. Daß unter "Unterbringungsmöglichkeit" des Kindes im Regelfall nicht die Betreuung durch Verwandte verstanden werden kann, ergibt sich schon daraus, daß solche Privatpersonen dazu nicht zwingend verpflichtet werden können (s. dazu in gesetzeskonformer Ausführung §1 Abs4 SondernotstandshilfeVO).

2.3. Ein weiteres Bedenken der Beschwerde richtet sich gegen den Begriff "Wohnsitz" im §2 Abs2 FAG. Die Sachlichkeit des Anknüpfungskriteriums "Wohnsitz" bei der Kostenersatzpflicht an sich wurde nicht bestritten. Aber auch unter dem Aspekt des Art18 Abs1 B-VG entstehen Bedenken nicht. Denn eine Zuordnung des von §2 Abs2 FAG verwendeten Begriffs "Wohnsitz" zu den Kategorien "Haupt- oder weiterer Wohnsitz" - wie es die Beschwerde zu fordern scheint - ist nach dem Zweck des Kostenersatzverfahrens nicht vonnöten (vgl. schon die allgemeine Wohnsitzbestimmung des §3 Z3 AVG).

2.4. Zusammenfassend liegt die von der beschwerdeführenden Gemeinde behauptete Verletzung in ihren Rechten durch Anwendung rechtswidriger genereller Normen sohin nicht vor.

Da die beschwerdeführende Gemeinde substantiiert nur die Verletzung von Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet hat, war nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines anderen (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechts vorliegt (zB VfSlg. 9607/1983, 10981/1986).

Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abzutreten, ob die beschwerdeführende Gemeinde in sonstigen (einfachgesetzlich gewährleisteten) Rechten verletzt wurde.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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