VfGH V121/96,V124/96

VfGHV121/96,V124/96V121/96,V124/9625.2.1997

Aufhebung der Flächenwidmungsplanänderung Nr 180 der Stadtgemeinde Lienz vom 26.04.90 und 07.07.92 mangels gesetzlicher Deckung nach Aufhebung bzw Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Tir RaumOG 1994, jedoch nur im präjudiziellen Umfang infolge nicht auszuschließender, einer gänzlichen Aufhebung zuwiderlaufender Interessen der Parteien (vgl E v 28.11.96, G195/96 ua).

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Allg
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art139 Abs3 dritter Satz
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz lita
Flächenwidmungsplanänderung Nr 180 der Stadtgemeinde Lienz vom 26.04.90 und 07.07.92, soweit darin ein Grundstück als Vorbehaltsfläche ausgewiesen ist
B-VG Art139 Abs1 / Allg
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art139 Abs3 dritter Satz
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz lita
Flächenwidmungsplanänderung Nr 180 der Stadtgemeinde Lienz vom 26.04.90 und 07.07.92, soweit darin ein Grundstück als Vorbehaltsfläche ausgewiesen ist

 

Spruch:

1. Der Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Mai 1977 und 28. Juli 1977, Z80 Cg, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung am 6. September 1977, ZVe-546-51/1975, kundgemacht durch öffentliche Auflage vom 27. September 1977 bis 18. Oktober 1977 wird als gesetzwidrig aufgehoben, soweit darin das Eckgrundstück Erzherzog-Eugen-Straße - Beethovenstraße als Wohngebiet ausgewiesen ist.

2. Der Bebauungsplan Nr. 78 der Landeshauptstadt Innsbruck vom 26. Juli 1951, ZVI-4441/51, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. September 1952, ZVe-325/2 und 1189/2, wird als gesetzwidrig aufgehoben, soweit darin Festlegungen für den Bereich der Erzherzog-Eugen-Straße 23 getroffen werden.

3. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebungen im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B1311/96 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 28. Februar 1996, ZI-8297/1995, mit dem im 2. Spruchpunkt die Berufung der beschwerdeführenden Nachbarn gegen den Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck betreffend die Erteilung einer Baubewilligung für einen "Geschäftsum- und -anbau und einen Dachaufbau im Anwesen Erzherzog-Eugen-Straße 23" als unbegründet abgewiesen wurde, anhängig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführer in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie in ihren Rechten durch die Anwendung gesetzwidriger Verordnungen, nämlich des Bebauungsplanes Nr. 78 der Landeshauptstadt Innsbruck vom 26. Juli 1951, ZVI-4441/51, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. September 1952, ZVe-325/2 und 1189/2, (im folgenden kurz: Bebauungsplan) sowie des diesem zugrundeliegenden Flächenwidmungsplanes der Landeshauptstadt Innsbruck vom 16. Mai 1977 und 28. Juli 1977, Z80 Cg, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung am 6. September 1977, ZVe-546-51/1975, kundgemacht durch öffentliche Auflage vom 27. September bis 18. Oktober 1977, (im folgenden kurz: Flächenwidmungsplan), als verletzt erachten.

3. Aus Anlaß dieses Verfahrens beschloß der Verfassungsgerichtshof am 9. Oktober 1996 den Bebauungsplan, soweit darin Festlegungen für den Bereich der Erzherzog-Eugen-Straße 23 getroffen werden, und den Flächenwidmungsplan, soweit darin das Eckgrundstück Erzherzog-Eugen-Straße - Beethovenstraße als Wohngebiet ausgewiesen ist, gemäß Art139 Abs1 B-VG auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte unter anderem das vorläufige Bedenken, daß sich der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan auf ein verfassungswidriges Gesetz stützten.

4. Die Tiroler Landesregierung verzichtete auf die Erstattung einer Äußerung.

5. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck verteidigt in seiner Äußerung den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Flächenwidmungsplan ist ebenso wie der Bebauungsplan hinsichtlich des als Wohngebiet ausgewiesenen Eckgrundstücks Erzherzog-Eugen-Straße 23, präjudiziell, weil der Verfassungsgerichtshof diese Normen insoweit bei seiner Entscheidung über die zu B1311/96 protokollierte Beschwerde anzuwenden hat.

2. Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die inhaltliche Gesetzmäßigkeit von Verordnungen bezogen auf jenen Zeitpunkt zu prüfen, in dem sie angewendet wurden oder anzuwenden waren (VfSlg. 12755/1991 mwH). Im vorliegenden Fall sind die in Prüfung gezogenen Verordnungen daher an jener Rechtslage zu messen, von der die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen (Vorstellungs-)Bescheides auszugehen hatte; es ist dies die Rechtslage am Tage der Zustellung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides.

3.2. Maßstab für die inhaltliche Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungen ist das Gesetz vom 6. Juli 1993 über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. für Tirol Nr. 81/1993, idF vor der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996 (im folgenden kurz: TROG 1994), da sich die den Verordnungsprüfungsverfahren zugrundeliegende Beschwerde gegen einen Bescheid der Gemeinde richtet, der noch vor der 1. Raumordnungsgesetz-Novelle ergangen war. Da mit Erkenntnis vom 28. November 1996, G195/96 ua., der Verfassungsgerichtshof das TROG 1994 mit 30. Juni 1998 insoweit als verfassungswidrig aufhob, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle derogiert wurde und feststellte, daß das TROG 1994 verfassungswidrig war, soweit ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle derogiert wurde, trifft das vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß geäußerte Bedenken zu, daß die genannten Verordnungen aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes erlassen wurden und daß sie sich auf ein verfassungswidriges Gesetz stützen.

3.3. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 7951/1976, 9535/1982, 10931/1986, VfGH 2.3.1995, G289/94, V297/94 ua.) hat die Verfassungswidrigkeit jener Gesetzesbestimmung, die die Verordnung trägt, zur Folge, daß die Verordnung hiermit der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt (Art139 Abs3 lita B-VG). Dies hat nicht nur für den Fall der Aufhebung der maßgeblichen Gesetzesstelle als verfassungswidrig, sondern auch für den Fall zu gelten, daß sich der Verfassungsgerichtshof aufgrund ihres bereits erfolgten Außerkrafttretens auf den Ausspruch zu beschränken hatte, daß die maßgebliche Gesetzesbestimmung verfassungswidrig war: Art139 Abs3 B-VG ist nämlich - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 8213/1977 ausgeführt hat - von dem Gedanken getragen, den Verfassungsgerichtshof in die Lage zu versetzen, in all jenen Fällen, in denen die festgestellte Gesetzwidrigkeit der präjudiziellen Verordnungsstelle offenkundig auch alle übrigen Verordnungsbestimmungen erfaßt, die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Der Fall, daß eine Verordnung aufgrund einer bereits außer Kraft getretenen, als verfassungswidrig erkannten gesetzlichen Vorschrift erlassen wurde, ist demnach dem Fall des Art139 Abs3 lita B-VG gleichzuhalten. Nur wenn sich Umstände im Sinne des Art139 Abs3, letzter Satz, B-VG ergeben, ist die betreffende Verordnung nicht zur Gänze aufzuheben.

Da im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen ist, daß die gänzliche Aufhebung der Verordnungen den rechtlichen Interessen der Parteien zuwiderläuft, waren die in Prüfung gezogenen Verordnungen lediglich in ihrem präjudiziellen Umfang aufzuheben.

4. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebungen stützt sich auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG.

5. Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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