Normen
StGG Art12 / Versammlungsrecht
VersammlungsG §2 Abs1
StGG Art12 / Versammlungsrecht
VersammlungsG §2 Abs1
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (UVS Vlbg.) erkannte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 6. März 1996 den Beschwerdeführer schuldig, er habe es als Veranstalter einer am 16. August 1993 von 14.00 bis 15.30 Uhr auf der Trasse der im Bau befindlichen Landesstraße 52 in Rankweil-Brederis, etwa 100 Meter westlich der Querung des Ehbaches abgehaltenen Versammlung unterlassen, diese Versammlung wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch anzuzeigen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §19 iVm §2 Abs1 des Versammlungsgesetzes 1953 (VersG 1953) begangen. Über ihn wurden eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ("Recht auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), Eigentumsrecht, Willkürverbot, Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter") mit näherer Begründung (s.u. II.1) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Der UVS Vlbg. als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er begehrt, die Beschwerde abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Beschwerdeführer begründet seine Behauptung, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein, zusammengefaßt damit, daß dem UVS Vlbg. Verfahrensmängel vorzuwerfen seien:
a) Die Behörde habe nicht geklärt, wieso gerade der Beschwerdeführer die zur Anzeige der Versammlung verpflichtete Person war. Die Versammlung habe jemand anderer "dominiert"; dieser sei aber eine Person des öffentlichen Lebens, über den sich die Behörde nicht "drübergetraut" habe.
b) Die Behörde habe es unterlassen, die Akten des Bezirksgerichtes Feldkirch Zl. 10 C859/93v (betreffend ein Besitzstörungsverfahren) und Zl. 6 E4916/93 (betreffend ein Besitzeinweisungsverfahren) einzuholen, um solcherart die Voraussetzungen zu schaffen, sich mit dem vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sachwehrargument auseinanderzusetzen.
c) Der UVS habe den Tatzeitraum gegenüber dem von der erstinstanzlichen Behörde umschriebenen ausgewechselt.
d) Der UVS habe es - entgegen dem Art6 EMRK - unterlassen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen; dies wäre hier unbedingt geboten gewesen.
2.a) Der Verfassungsgerichtshof ist bei der Entscheidung über Beschwerden nach Art144 B-VG nicht an die Beschwerdebehauptungen gebunden, soweit damit die Verletzung bestimmter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht wird; vielmehr hat er zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer in irgendeinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde (vgl. z.B. VfSlg. 4062/1961, 7370/1974 und 12166/1989).
b) Hier liegt am nächsten zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich geschützten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt wurde. Dieses Recht gewährleistet nämlich nicht bloß, sich zu versammeln, sondern auch versammelt zu bleiben, also nicht auseinandergehen zu müssen.
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z.B. VfSlg. 8685/1979, 9107/1981, 9603/1983; VfGH 30.11.1995 B1495/94) kann auch eine Bestrafung wegen Übertretung des VersG 1953 in das erwähnte Grundrecht eingreifen.
Jede Verletzung des VersG 1953, die in die Versammlungsfreiheit eingreift, ist als Verletzung des durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten (vgl. z.B. VfSlg. 9103/1981, 9303/1981, 9646/1983, 9783/1983, 10443/1985; VfGH 30.11.1995 B262-267/95). Auch Verfahrensmängel können dieses Recht verletzen (vgl. z.B. VfSlg. 11832/1988). Auf die Einhaltung des im VersG 1953, im AVG und sonst in der Rechtsordnung geregelten Verfahrens besteht ein verfassungsgesetzlich gewährleisteter Anspruch, der unter Berufung auf die Versammlungsfreiheit geltend gemacht werden kann, sofern sich der unterlaufene Mangel als wesentlich darstellt, d.h., wenn die Behörde bei Beachtung der Verfahrensnormen zu einem anderen Spruch hätte kommen können (vgl. z.B. VfSlg. 3786/1960, 11832/1988; VfGH 30.11.1995 B1495/94).
c) Eine Verletzung des VersG 1953 oder von Verfahrensnormen ist hier nicht vorgekommen:
§2 Abs1 VersG 1953 lautet:
"(1) Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 24 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen."
Übertretungen des VersG 1953 (also auch von dessen §2 Abs1) sind dem §19 leg.cit. zufolge von den Verwaltungsbehörden zu bestrafen.
Unstrittig ist, daß hier eine allgemein zugängliche Versammlung i.S. des VersG 1953 stattgefunden hat und daß diese nicht der Behörde angezeigt wurde.
Der Beschwerdeführer behauptet denn auch nur die oben zu II.1. geschilderten Verfahrensfehler. Diese liegen aber nicht vor:
a) Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt geht hervor, daß in einer von den "Grünen - Grüne Alternative Vorarlberg" herausgegebenen Pressemitteilung von der in Rede stehenden "erneuten Protestkundgebung auf der L 52-Trasse" Mitteilung gemacht wurde. Diese Ankündigung ist mit "Arbeitsgemeinschaft:
Stopp Transit - Stopp Enteignung - J S" (d.i. der Beschwerdeführer) unterfertigt. Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz, die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, richtete am 29. September 1993 an den Beschwerdeführer eine "Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter". Darin wird ihm zur Last gelegt, die in Rede stehende Versammlung der Behörde nicht angezeigt zu haben. Der Aufforderung, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes schriftlich oder mündlich zu äußern, kam der Beschwerdeführer nicht nach; auch die seinem Rechtsvertreter gebotene Möglichkeit, in den Verwaltungsstrafakt einzusehen, wurde nicht wahrgenommen.
Die Bezirkhauptmannschaft Feldkirch ging daher im Straferkenntnis vom 27. Dezember 1994 zu Recht davon aus, daß der Beschwerdeführer als Veranstalter der Versammlung auftrat und daher zu deren Anmeldung verpflichtet gewesen sei. In der dagegen erhobenen Berufung wird der Umstand, daß der Beschwerdeführer als Versammlungsverantwortlicher betrachtet wird, nicht gerügt. Es kann daher dem UVS Vlbg. nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe ohne zusätzliches Ermittlungsverfahren den Beschwerdeführer als Täter angesehen.
b) Für die Strafbarkeit der Unterlassung der Versammlungsanzeige ist nicht wesentlich, welchem Zweck die Versammlung dienen sollte. Die Behörde konnte daher zu Recht davon absehen, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Bau der Landesstraße rechtmäßig erfolgte (vgl. VfGH 30.11.1995 B262-267/95, S 9).
c) Der UVS Vlbg. hat den Tatzeitraum nicht (unzulässigerweise) anders festgesetzt als die Behörde erster Instanz, sondern die Tat nur präziser umschrieben.
d) Dem §51e Abs2 VStG zufolge kann eine mündliche Verhandlung vor dem UVS u.a. dann unterbleiben, wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Gegen diese Bestimmung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 11855/1988, 13432/1993).
Hier war eine Geldstrafe von (lediglich) 1.000 S ausgesprochen und eine Verhandlung nicht begehrt worden.
3.a) Im Hinblick darauf, daß der Bescheid - wie dargetan - inhaltlich und prozessual dem Gesetz entspricht, ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer in einem sonstigen Recht (etwa nach Art11 EMRK) verletzt wurde.
b) Gegen die angewendeten Rechtsvorschriften bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Beschwerdeführer wurde daher auch nicht in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt.
c) Die Beschwerde war also abzuweisen.
4. Die Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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