VfGH B73/96

VfGHB73/9611.12.1997

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Feststellung der Zugehörigkeit des Bediensteten eines Landeswasserbauamtes zur Arbeiterkammer; Landeswasserbauamt als Dienststelle mit Aufgaben im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung und nicht als Wasserrechtsbehörde mit hoheitlichen Aufgaben

Normen

AKG 1992 §10 Abs2 Z1 lita
VfGG §88
AKG 1992 §10 Abs2 Z1 lita
VfGG §88

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales wird auf Antrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Vorarlberg gemäß §11 ArbeiterkammerG die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers als Bediensteten des Landeswasserbauamtes in Bregenz zur Arbeiterkammer festgestellt. Das in der Geschäftseinteilung des Amtes der Landesregierung (im Bereich der Gruppe VII: Bauwesen und Raumplanung) als nachgeordnete Dienststelle bezeichnete Landeswasserbauamt sei eine auch nach außen hin selbständig auftretende, eigenen Namen und ein Dienstsiegel führende, an der Personalaufnahme mitwirkende und zur selbständigen Aufnahme von Handwerkern sowie Beschaffung von Waren bis zum Stückpreis von 20.000 S befugte Organisationseinheit - und nicht etwa bloß unselbständiger Teil des Amtes der Landesregierung - (woran die für Gebietskörperschaften selbstverständliche Weisungsbefugnis der obersten Organe nichts ändere); es handle sich aber nicht um eine Dienststelle, die in Vollziehung der Gesetze tätig sei: Abgesehen von der Ermächtigung zum Einschreiten in bestimmten Notsituationen und bei Betretung auf frischer Tat (nach dem Vorarlberger Klärschlammgesetz) komme ihr Befehls- und Zwangsgewalt nicht zu; diese Ermächtigungen seien aber zu marginal (Hinweis auf VfSlg. 13544/1993).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Nichtzugehörigkeit zur Arbeiterkammer (Verfassungsbestimmung des §10 Abs2 Z1 lita ArbeiterkammerG) und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG). Gegen das Vorliegen einer eigenen Dienststelle spreche (a) die Bindung der ihr angehörenden Bediensteten an Weisungen und Aufträge der zuständigen Regierungsmitglieder, (b) ihre Zugehörigkeit zum "Personalstab" des Landes Vorarlberg, (c) die Genehmigungsbedürftigkeit von Anschaffungen im Wert von über 20.000 S, (d) die Zuständigkeit der Personalabteilung beim Amt der Landesregierung im Zusammenwirken von Landesamtsdirektor und Landesregierung für die Einstellung von Personal, (e) die Besorgung aller Personalverwaltung durch diese Personalabteilung und (f) die Abwicklung des Schriftverkehrs mit Bundeszentralstellen über die Abteilung VII d (Wasser- und Landwirtschaftsbau) des Amtes der Landesregierung. Für die Ausnahme von der Arbeiterkammerzugehörigkeit genüge es außerdem, daß die Dienststelle (bloß) auch in Vollziehung der Gesetze tätig sei. Nach den §§9 und 10 des Klärschlammgesetzes verfüge das Landeswasserbauamt über unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt, indem es "zur Setzung von Maßnahmen bei Übertretungen" berechtigt sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren eine Vielzahl von Gesetzen genannt, in deren hoheitlicher Vollziehung das Wasserbauamt tätig sei. So zum Beispiel das Hydrographiegesetz, das mit der Begründung einer Zwangsdienstbarkeit ein typisch hoheitliches rechtstechnisches Mittel bereitstelle, um den Regelungszweck des Gesetzes zu verwirklichen. Da die Behörde jegliche Begründung unterlassen habe, warum sich aus den zahlreichen ins Treffen geführten Gesetzen keine hoheitlichen Befugnisse ergeben sollen, habe sie willkürlich gehandelt und auch den Gleichheitssatz verletzt.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Arbeiterkammer beantragen die Abweisung der Beschwerde.

II.Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Wie zuletzt im Erkenntnis VfSlg. 14085/1995 bekräftigt wurde, hat nach §10 Abs2 Z1 lita AKG jeder, der dem Personalstand einer Dienststelle angehört, die in Vollziehung der Gesetze tätig ist, und bei einer solchen verwendet wird, ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht darauf, nicht der Arbeiterkammer anzugehören.

Die Frage ist daher zunächst, ob das Landeswasserbauamt Bregenz eine Dienststelle im Sinne der genannten Bestimmung ist. Der Verfassungsgerichtshof folgt hiebei - wie er gleichfalls zuletzt im Erkenntnis VfSlg. 14085/1995 dargelegt hat - der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs (VwSlg. 5187 A/1960 Sektion Wien der Abteilung für Wildbach- und Lawinenverbauung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, 5306 A/1960 Kärntner Wasserbauämter und 13781 A/1993 Landesstraßenbauamt in Vorarlberg), wonach als maßgebliche Kriterien die örtliche Trennung von anderen (unzweifelhaft in Vollziehung der Gesetze tätigen) Dienststellen, die Erfüllung bestimmter Verwaltungsaufgaben innerhalb eines räumlichen Wirkungsbereichs, das Auftreten unter einer eigenen Amtsbezeichnung, die Führung eines Dienstsiegels, der Ausweis des Personals im Stellenplan usw. gewertet werden. Es müssen nicht alle diese beispielhaft erwähnten Kriterien erfüllt sein. Ausschlaggebend ist das Vorhandensein einer relativen Selbständigkeit der Aufgabenbesorgung in einer organisatorisch verfestigen Form. Der Umstand, daß die Organisationseinheit in eine übergeordnete Einheit eingegliedert ist, steht einer Qualifikation als Dienststelle nicht im Weg. So waren in den vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen diese Einheiten eine Untergliederung der Abteilung eines Bundesministeriums (für Land- und Forstwirtschaft) oder Teil einer Abteilung (für Wasserbau, für Straßenbau) eines Amtes der Landesregierung - aber "als nachgeordnete Dienststellen getrennt errichtet" - und das vom Verfassungsgerichtshof als Dienststelle eingestufte Generalsekretariat des österreichischen Bundestheaterverbandes Teil der Zentralstelle (Bundesministerium für Unterricht und Kunst). Es verschlägt - wie beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts betont haben (VwSlg. 13781 A/1993, VfSlg. 14085/1995) - auch nichts, wenn der Leiter der Dienststelle dem Leiter der übergeordneten Einheit weisungsgebunden ist.

Das Landeswasserbauamt besorgt seine Aufgaben unter der Leitung des Beschwerdeführers durch eine größere Anzahl von Bediensteten in räumlicher Trennung vom Amt der Landesregierung, tritt unter dieser Bezeichnung nach außen auf und führt als solches ein Dienstsiegel; es ist nach dem Selbstverständnis der vorgelegten, den nach §2 des Bundesverfassungsgesetzes betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen vorgesehenen Inhalt allerdings überschreitenden Geschäftseinteilung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung wie auch andere Amtsstellen einer Abteilung des Amtes der Landesregierung "nachgeordnet". Wenngleich der Stellenplan der Landesverwaltung in Vorarlberg nicht nach Dienststellen gegliedert ist, ergibt sich aus der von der Behörde unwidersprochen festgestellten wesentlichen Mitwirkung des Landeswasserbauamtes an der Aufnahme des Personals für die Dienststelle und der Möglichkeit, handwerkliches Personal selbständig aufzunehmen, doch auch das Vorhandensein eines abgegrenzten Personalstandes.

Es ist daher insgesamt jene relative Selbständigkeit der Aufgabenbesorgung in einer organisatorisch verfestigten Form vorhanden, die nach der bisherigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe für die Annahme ausreicht, es liege eine selbständige Dienststelle im Sinne des §10 Abs2 Z1 lita AKG vor. Die Beschwerde hält dem nichts Beachtliches entgegen. Daß der Schriftverkehr mit Bundeszentralstellen über das Amt der Landesregierung abgewickelt wird und die Befugnis zur selbständigen Aufnahme von Personal und Anschaffung von Sachgütern beschränkt ist, folgt aus der Eingliederung des Wasserbauamtes in die Landesverwaltung, zeigt aber zugleich, daß im übrigen eine durchaus selbständige Dienststelle in Erscheinung tritt.

2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 13544/1993 dargetan hat, ist eine Dienststelle im Sinne der einschlägigen Verfassungsbestimmung des Arbeiterkammergesetzes (damals §5 Abs2 lita AKG 1954, nunmehr §10 Abs2 Z1 lita AKG 1992) dann "in Vollziehung der Gesetze tätig", wenn sie ihre Aufgabe mit Mitteln der Hoheitsverwaltung besorgt. Die Verwaltung des öffentlichen Wassergutes, die Wasserversorgung und Abwassertechnik, die Gewässeraufsicht, der Flußbau, die Hydrographie und der landeskulturelle Wasserbau - nach welchen Gesichtspunkten das Wasserbauamt gegliedert ist -, werden typischerweise in Form der Privatwirtschaftsverwaltung besorgt. Es ist im Verwaltungsverfahren unbestritten geblieben, daß das Landeswasserbauamt "keine Wasserrechtsbehörde" ist; es ist daher auch davon auszugehen, daß es nicht die den Wasserrechtsbehörden obliegenden Aufgaben zu erfüllen hat.

Wenn die Beschwerde insbesondere auf die §§9 und 10 des Vorarlberger Klärschlammgesetzes hinweist, tut sie nicht dar, daß die dort vorgesehenen Befugnisse der dort genannten Aufsichtsorgane (Fischereiaufseher, Gewässeraufsichtsorgane, Jagdaufseher, Naturwächter und Waldaufseher), wahrgenommene Übertretungen der Behörde anzuzeigen und "Personen, die sie bei einer solchen Übertretung auf frischer Tat betreten, anzuhalten und zum Nachweis ihrer Identität zu verhalten" (§9 Abs3), über die Ermächtigung hinausgehen, ausnahmsweise bestimmte hoheitliche Veranlassungen und Maßnahmen anstelle der Behörde zu treffen, wie sie schon das Erkenntnis VfSlg. 13544/1993 als unzureichend befunden hat, die Tätigkeit als solche der Hoheitsverwaltung zu werten. Auch dies sind - wie schon die Aufzählung der Aufsichtsorgane zeigt - keine Tätigkeiten, die für die hoheitliche Tätigkeit von Dienststellen kennzeichnend und diesen vorbehalten sind. Gleiches gilt von der Befugnis des Betretens oder Benützens von Grundstücken zur Durchführung hydrographischer Maßnahmen, über deren Reichweite im Streitfall die Behörde entscheidet (§9 Abs2 Hydrographiegesetz).

3. Was aber der pauschale, nicht weiter durch Nennung bestimmter Aufgaben spezifizierte Hinweis auf mehr als zwanzig Gesetze betrifft, "in deren Vollziehung" das Landeswasserbauamt tätig sein soll, ist nicht erkennbar, bei welcher dieser Aufgaben seine Mitwirkung über die Mithilfe bei ihrer Besorgung durch die jeweils zuständige Behörde hinausgeht und welche Bestimmung ihr Befehls- und Zwangsgewalt einräumen soll. Zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigen diese Gesetze die jeweils in Betracht kommende Behörde. Das Unterlassen einer näheren Analyse dieser Vorschriften durch die belangte Behörde verkennt den Inhalt des in Rede stehenden Grundrechts nicht, sodaß sich ein Eingehen auf den Vorwurf der Willkür erübrigt.

Die gerügten Verfassungsverletzungen haben nicht stattgefunden. Auch andere vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeiten sind nicht hervorgekommen. Die Beschwerde ist daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (vgl. VfSlg. 14085/1995).

Die rechtsfreundliche Vertretung der mitbeteiligten Arbeiterkammer war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, weshalb ein Kostenzuspruch unterbleibt.

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