VfGH B974/94

VfGHB974/945.3.1996

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung eines Antrags auf Ausstellung einer (weiteren) Heiratsurkunde in slowenischer Sprache infolge Außerachtlassung einer Bestimmung des VolksgruppenG über das Recht auf Erteilung von Auszügen aus Personenstandsbüchern in der Sprache der Volksgruppe; keine Verletzung im Recht auf Gebrauch der slowenischen Sprache im Verkehr mit Behörden

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StV Wien 1955 Art7 Z3
VolksgruppenG §20 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StV Wien 1955 Art7 Z3
VolksgruppenG §20 Abs2

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Bundesbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit 19.800 S bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Beschwerdeführer Mag. R V und L V-G, beide erklärte Angehörige der slowenischen Volksgruppe in Kärnten, gingen am 9. September 1993 vor dem Standesbeamten der Marktgemeinde Eberndorf/Kärnten die Ehe ein. Die Trauung wurde in deutscher Sprache vorgenommen; dementsprechend wurde die Heiratsurkunde in dieser Sprache ausgefertigt.

1.2.1.1. Am 16. September 1993 langte beim Gemeindeamt der Marktgemeinde Eberndorf ein Ansuchen der Eheleute um Ausstellung einer (weiteren) Heiratsurkunde in slowenischer Sprache ein.

1.2.1.2. Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister der Marktgemeinde Eberndorf mit Bescheid vom 11. Jänner 1994, Zl. 6048/1993, abgewiesen.

1.2.2. Der dagegen von den Antragstellern erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Kärnten mit Bescheid vom 6. April 1994, Zl. 1W-25/10/94, nicht Folge.

1.3.1. Gegen den Berufungsbescheid ergriffen Mag. R V und L V-G gemeinsam Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 (Abs1) B-VG. Darin wird die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, so im Recht auf Gebrauch des Slowenischen als Amtssprache nach Art7 Z3 des Staatsvertrags von Wien 1955, BGBl. 152/1955, und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen, nämlich des §2 Abs1 Z3 Volksgruppengesetz, BGBl. 396/1976 idF BGBl. 24/1988, und des §2 der Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977, BGBl. 307/1977, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts begehrt.

1.3.2. Der Landeshauptmann von Kärnten als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintrat.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Der Instanzenzug ist ausgeschöpft.

2.1.2. Da auch die anderen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl. VfSlg. 9744/1983, 12836/1991 ua.) trifft die Verfassungsvorschrift des Art7 Z3 Satz 1 des Staatsvertrags von Wien, BGBl. 152/1955, eine - Art8 B-VG (über die Staatssprache der Republik) ergänzende - Sonderregelung zugunsten und zum Schutz sprachlicher Minderheiten. Sie garantiert ua. österreichischen Staatsbürgern, die der slowenischen Minderheit (Volksgruppe) angehören, (ua. in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens mit slowenischer oder gemischter Bevölkerung) das Recht auf Gebrauch der slowenischen Sprache im Verkehr mit Behörden. Demgemäß gewährleistet die Verfassungsbestimmung des Art7 Z3 Satz 1 des Staatsvertrags von Wien BGBl. 152/1955 ein subjektives öffentliches Recht.

2.2.2. In diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gebrauch des Slowenischen vor Behörden aber kann der bekämpfte Verwaltungsakt die Beschwerdeführer - ganz unabhängig von ihrer in der Beschwerdeschrift vertretenen Auffassung, unter dem Begriff "Verwaltungsbezirk" in Art7 Z3 Satz 1 des Staatsvertrags seien Gemeindegebiete zu verstehen und die Marktgemeinde Eberndorf habe eine slowenische oder gemischte Bevölkerung iS dieser Norm - nach Lage dieses Falles allein schon deshalb nicht verletzen, weil die Heiratswilligen die Absicht, sich vor dem Standesbeamten der Volksgruppensprache zu bedienen, der Aktenlage nach in keiner Weise erkennen ließen, obgleich hiezu durchaus Gelegenheit bestanden hätte. Demgemäß wurden die Trauungszeremonien in deutscher Sprache vollzogen und die Heiratsurkunde in dieser Sprache ausgestellt (vgl. dazu VfSlg. 9752/1983, 592). Aus Art7 Z3 Satz 1 des Staatsvertrags kann angesichts der von den Beschwerdeführern gewählten Vorgangsweise, wie eben geschildert, ein Anspruch auf Erteilung einer oder weiterer Heiratsurkunden in slowenischer Sprache nicht (mehr) hergeleitet werden.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die beiden Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art7 Z3 des Staatsvertrags von Wien BGBl. 152/1955 nicht verletzt wurden.

2.3.1. Hingegen hat die belangte Behörde die Beschwerdeführer - durch Willkürübung - im verfassungsgesetzlich verbürgten Gleichheitsrecht nach Art7 Abs1 B-VG verletzt, wie folgende Erwägungen zeigen:

2.3.2.1. Erst nach Abschluß des zu Pkt. 2.2.2. bezeichneten Verfahrens vor der Personenstandsbehörde suchten die beiden Beschwerdeführer erstmals um Ausfertigung einer (weiteren) Heiratsurkunde in slowenischer Sprache an.

2.3.2.2. Die Erledigung dieses Antrags hatte sich nach der Sondernorm des §20 Abs2 VolksgruppenG zu richten.

Danach sind auf Verlangen Auszüge aus Personenstandsbüchern und sonstige Urkunden vom Standesamt als Übersetzung in die Sprache der Volksgruppe zu erteilen. Dabei handelt es sich jedoch um keine Vorschrift, die nur Art7 Z3 des Staatsvertrags ausführt, weil die in §20 Abs2 VolksgruppenG einfachgesetzlich eingeräumten Rechte über die verfassungsgesetzlich gewährleisteten hinausreichen. §20 Abs2 VolksgruppenG, dessen örtlicher Anwendungsbereich nicht auf bestimmte Teile des Bundeslandes Kärnten beschränkt ist (vgl. auch §20 Abs1 VolksgruppenG), verpflichtet die Behörde nämlich zur Erteilung von Auszügen aus Personenstandsbüchern in der Sprache der Volksgruppe ohne Rücksicht darauf, in welcher Sprache das vorangegangene Verfahren vor sich ging, und ganz losgelöst vom Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Zumittlung einer solchen Urkunde (vgl. §15 Abs2 VolksgruppenG; s. auch E zur RV 217 BlgNR XIV. GP, 15 f.).

Daraus folgt, daß sich der angefochtene Bescheid als qualifiziert rechtswidrig erweist. Denn die belangte Behörde ließ, obwohl sie in der Entscheidungsbegründung (S 4 Mitte) das "Volksgruppengesetz" als Rechtsgrundlage ihres Bescheides bezeichnete, die vorliegend allein maßgebende Vorschrift des §20 Abs2 VolksgruppenG tatsächlich vollkommen außer acht. Eben diese - im angefochtenen Bescheid weder ausdrücklich noch erkennbar bezogene - Bestimmung aber räumt den beiden Beschwerdeführern mit klaren Worten und völlig unmißverständlich das (ortsungebundene) Recht ein, auf Verlangen Auszüge aus Personenstandsbüchern - in diesem Fall eine Heiratsurkunde - in der Sprache der Volksgruppe erteilt zu bekommen. Darüber aber setzte sich die belangte Behörde in Verkennung der gegebenen Rechtslage gänzlich hinweg.

Angesichts dieser Sach- und Rechtslage konnten die von den Beschwerdeführern gegen hier nicht anzuwendende generelle Normen vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken auf sich beruhen.

2.4. Der Beschwerde war im dargelegten Sinn stattzugeben und der bekämpfte Bescheid als verfassungswidrig aufzuheben.

3.1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.300 S enthalten.

3.2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Satz 1 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

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