Normen
StGG Art5
Krnt GrundstücksteilungsG 1985 §3
Krnt WohnsiedlungsG 1970 §3, §6
StGG Art5
Krnt GrundstücksteilungsG 1985 §3
Krnt WohnsiedlungsG 1970 §3, §6
Spruch:
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in dem gemäß Art5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Kärnten ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters die mit 18.000 S bestimmten Kosten dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 30. November 1972, U. Abt. 1 B - 19.235/3/72, wurde der Diözese G (im Bescheid als bischöfliches Gurker Ordinariat bezeichnet) gemäß den §§3 und 6 des Gesetzes über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten, LGBl. für Kärnten 110/1970, die im Teilungsplan vom 16. Juli 1972, GZ 2537/72 ausgewiesene Unterteilung des Grundstückes 124 in die Grundstücke 124/1, 124/2, 124/3 und 124/4 sowie des Grundstückes 515, alle EZ 9 KG Klagenfurt, IV. Bezirk, mit der Auflage genehmigt, daß das neu gebildete Grundstück 124/4 im Ausmaß von 1.372 m2 und ein Teilstück im Ausmaß von 40 m2 aus der Parzelle 124 zur Vereinigung mit dem Straßengrundstück 777/56, EZ 1427, KG Klagenfurt, VIII. Bezirk, insgesamt also 1.412 m2 kosten- und lastenfrei ins öffentliche Gut der Landeshauptstadt Klagenfurt abzutreten sind. Weiters wurde in diesem Bescheid verfügt, daß die grundbücherliche Durchführung dieser Auflage dem Magistrat der Landeshauptstadt Klagenfurt bis zum 31. März 1973 nachzuweisen ist.
Am 19. Dezember 1972 schlossen die Landeshauptstadt Klagenfurt und die Diözese G auf der Grundlage des oben genannten Teilungsplanes ein Übereinkommen, das den Tausch von Teilen der in der KG Klagenfurt gelegenen Grundstücke zum Gegenstand hatte.
Gemäß §1 Punkt I dieses Übereinkommens tauschte und übergab die Landeshauptstadt Klagenfurt ein Trennstück im Ausmaß von 72 m2 vom Grundstück 512 und ein Trennstück von 1 m2 des Grundstücks 777/56 (öffentliches Gut) an die Diözese G (beide Trennstücke wurden mit dem Grundstück 124/3 vereinigt).
Nach §1 Punkt II des Übereinkommens tauschte und übergab die Diözese G das neugebildete Grundstück 124/4 im Ausmaß von
1.372 m2 und ein Trennstück des Grundstücks 124 im Ausmaß von 40 m2 an die Landeshauptstadt Klagenfurt. Im Punkt III ist festgehalten, daß dieser Tausch auf dem rechtskräftigen Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 30. November 1972, U. Abt. 1 B - 19.235/3/72, beruhe. Beide Vertragsteile nahmen gemäß Punkt IV zur Kenntnis, daß aus diesem Tausch keinerlei Aufzahlungen erfolgen.
Im §7 des Übereinkommens ist festgehalten, daß der Grundtausch sowie die Auflassung der Widmung als öffentliches Gut vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt in seiner Sitzung vom 13. Dezember 1972 genehmigt wurde.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 22. Dezember 1972 wurden mehrere Grundbuchshandlungen bewilligt, ua. die lastenfreie Abschreibung des Trennstückes des Grundstückes 124 im Ausmaß von 40 m2 und des Grundstücks 124/4 zum Gutsbestand der EZ 1427 (Landeshauptstadt Klagenfurt - öffentliches Gut).
Am 18. März 1991 stellte die Diözese G den "Antrag auf kosten- und lastenfreie Rückübereignung des Grundstücks 124/4 KG Klagenfurt mit Ausnahme einer Zufahrt zum Grundstück 124/3 der Post- und Telegraphenverwaltung", weil der Enteignungszweck, nämlich die Schaffung einer Verbindungsstraße zwischen der Lichtenfelsgasse und der Vereinsgasse bzw. Paulitschgasse nicht verwirklicht worden sei.
Am 16. September 1994 stellte die Diözese gemäß §73 Abs1 AVG den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag vom 18. März 1991 auf den Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt.
Mit Bescheid vom 22. Juni 1995 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt den Antrag auf Rückerstattung von Teilflächen des Grundstückes 124/4 gemäß §91 Abs3 des Klagenfurter Stadtrechtes 1993, LGBl. für Kärnten 112/1993, iVm den Bestimmungen des Grundstücksteilungsgesetzes 1985, LGBl. für Kärnten 3/1985 idF 14/1992 und 104/1992, als unzulässig zurück. Die Zurückweisung des Antrages begründet der Bescheid folgendermaßen:
"Vorweg war im gegenständlichen Fall zu klären, ob das Grundstücksteilungsgesetz, LGBl. Nr. 3/1985 - mit dem Inkrafttreten des Wohnsiedlungsgesetzes, LGBl. Nr. 59/1976 ist das Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten, LGBl. Nr. 110/1970, außer Kraft getreten. Der Titel des Wohnsiedlungsgesetzes 'Gesetz über Vorgänge im Bereich der Grundstücksordnung' wurde sodann mit ArtI Z1 des Gesetzes LGBl. Nr. 56/1983 durch den Titel 'Gesetz, mit dem Bestimmungen über die Grundstücksteilung erlassen werden (Grundstücksteilungsgesetz)' ersetzt - die gesetzliche Möglichkeit einräumt, Anträge auf Rückerstattung von bereits im Rahmen von Grundstücksteilungsverfahren an die Gemeinde übereigneten Grundflächen zu stellen.
Dazu wird festgehalten, daß das derzeit geltende Grundstücksteilungsgesetz 1985 derartige Anträge nicht vorsieht. Mit der Klärung dieser Frage steht damit aber bereits fest, daß der zu beurteilende Antrag nunmehr folgerichtig als unzulässig zurückzuweisen ist."
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben.
Entgegen dem Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Klagenfurt ging die Kärntner Landesregierung unter Beachtung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Art5 StGG davon aus, daß eine Rückübereignung trotz Fehlens einer entsprechenden Norm im Grundstücksteilungsgesetz dann zu erfolgen hätte, wenn die seinerzeit enteigneten Flächen nach einem gewissen Zeitablauf nicht dem Enteignungszweck zugeführt wurden.
Die Landesregierung kam jedoch zu dem Schluß, daß Rechtstitel für die erfolgte Eigentumsübertragung nicht der Bescheid des Bürgermeisters war, sondern das oben genannte zivilrechtliche Übereinkommen vom 19. Dezember 1972. Komme eine Eigentumsübertragung also auf zivilrechtlichem Wege zustande, dann seien "zur weiteren substantiellen Auseinandersetzung darüber, etwa dem Begehr auf Rückübereignung, allein die ordentlichen Gerichte berufen". Daher sei die Beschwerdeführerin durch die Entscheidung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Klagenfurt - auch wenn dieser Entscheidung inhaltlich nicht beizutreten sei - in keinem Recht verletzt worden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie die Verletzung in Rechten durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht wird.
3. Die Kärntner Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, die Verwaltungsbehörde hätte den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 30. November 1972 aufzuheben gehabt, hält die Kärntner Landesregierung entgegen, sowohl der Antrag der Diözese G vom 18. März 1991 als auch der Devolutionsantrag lauteten auf "Rückübereignung" und nicht auf Aufhebung der seinerzeitigen Auflage. Von diesem Antrag hätten die Behörden der Gemeinde, aber auch die Vorstellungsbehörde auszugehen gehabt.
4. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt erstattete namens der Landeshauptstadt Klagenfurt ebenfalls eine Gegenschrift, in der er die Meinung vertritt, bei der Grundabtretung handle es sich nicht um eine Enteignung; außerdem sei der Abtretungszweck erfüllt worden. Zudem würden nach wie vor noch Pläne verfolgt, die Parzelle 124/4 mit einer öffentlichen Verkehrsfläche zu verbinden.
5. In einer Replik tritt die Diözese G den Behauptungen der Landeshauptstadt Klagenfurt entgegen, die enteigneten Grundstücke seien dem Enteignungszweck zugeführt worden. Die Behauptung, die Enteignungszwecke würden nach wie vor verfolgt, sei angesichts des fast ein Vierteljahrhundert unerfüllten Enteignungszwecks unmaßgeblich. Schließlich lasse der Flächenwidmungsplan die Erfüllung des Enteignungszwecks nicht mehr zu.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Rechtsgrundlage der vorgeschriebenen Grundabtretung war §6 des Gesetzes über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten, LGBl. für Kärnten 110/1970. Diese Bestimmung lautete:
"§6
(1) Die Genehmigung nach §3 darf unter der Auflage erteilt werden, daß der Grundstückseigentümer, dessen Grundstück zum Zwecke künftiger Bebauung geteilt wird, Flächen, die im Flächenwidmungsplan oder im Bebauungsplan als öffentliche Straßen, Plätze oder als Flächen für den sonstigen öffentlichen Bedarf oder gemäß §11 des Straßengesetzes 1966 oder im Straßenplan als öffentliche Straßen festgelegt sind, bis zu 15 v. H. der Gesamtfläche des Grundstückes bei offener, bis zu 25 v.H. bei geschlossener Bauweise, kostenfrei sowie nach Möglichkeit lastenfrei an die Gemeinde übereignet.
(2) Die Gemeinde darf nach Abs1 übereignete Flächen lediglich zu den bezeichneten Zwecken verwenden. Ein Austausch der Flächen ist zulässig."
Das Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten wurde ab 1. Juli 1976 durch das Wohnsiedlungsgesetz, LGBl. für Kärnten 59/1976, ersetzt, mit der Kundmachung LGBl. 3/1985 als Grundstücksteilungsgesetz 1985 wiederverlautbart und durch die Novelle LGBl. 104/1992 geändert. §3 des Grundstücksteilungsgesetzes 1985 sieht ebenfalls die Verpflichtung zur Grundabtretung aus Anlaß der Genehmigung einer Grundstücksteilung vor. Eine ausdrückliche Regelung des Rückübereignungsanspruches im Fall einer zweckverfehlenden Enteignung ist in diesem Gesetz nicht vorgesehen. Das Gesetz schließt aber einen solchen Anspruch auch nicht aus.
2. Eine im Zusammenhang mit einer Bauplatzbewilligung verfügte Abtretung einer Grundfläche in das öffentliche Gut ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 3666/1959, 8980/1980 S. 356, 8981/1980 S. 367, 11017/1986 S. 204) eine Enteignung. Gleiches gilt auch für eine mit einer Bewilligung der Grundstücksteilung verfügte Grundabtretung (vgl. VfSlg. 12891/1991).
Unter anderem im Erkenntnis VfSlg. 8981/1980 hat der Verfassungsgerichtshof ausführlich dargelegt, daß die Aufrechterhaltung einer einmal verfügten Enteignung verfassungsrechtlich unzulässig ist, wenn der öffentliche Zweck, zu dessen Verwirklichung ein Gesetz eine Enteignungsmöglichkeit vorsieht, tatsächlich nicht verwirklicht wurde. Eine einfachgesetzliche Regelung, die eine Enteignung für einen bestimmten öffentlichen Zweck (dem Art5 StGG entsprechend) für zulässig erklärt, enthalte wesensgemäß den Vorbehalt, daß es unzulässig sei, die Enteignung aufrecht zu erhalten, wenn der öffentliche Zweck vor seiner Verwirklichung wegfällt. Die Rückgängigmachung für den Fall der Nichtverwirklichung des als Enteignungsgrund normierten öffentlichen Zweckes sei dem Rechtsinstitut der Enteignung immanent.
Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 8980/1980 ausgesprochen hat, ist der Anspruch auf Rückübereignung durch rückwirkende Aufhebung des Enteignungsbescheides zu erfüllen (vgl. auch VfSlg. 11017/1986).
3. Da der angefochtene Bescheid einen Rückübereignungsanspruch verneint, greift er in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985, 11650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auf die Rechtsansicht gestützt, daß der Rechtstitel für die durchgeführte Eigentumsübertragung nicht der Enteignungsbescheid, sondern ein bestimmtes zivilrechtliches Übereinkommen gewesen sei. Daher sei der Verwaltungsbehörde das Recht zu einer Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin über eine allfällige Rückübereignung entzogen. Zu einer Entscheidung über einen derartigen Rückübereignungsanspruch seien die ordentlichen Gerichte zuständig.
Es ist der belangten Behörde zwar zuzugeben, daß die nach dem Enteignungsbescheid geschlossene Vereinbarung einen automatischen Rückfall des Eigentums nach Aufhebung des Enteignungsbescheides ausschließt. Dies führt jedoch nicht dazu, daß zur Entscheidung über den Rückübereignungsantrag ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Denn der Antrag auf Rückübereignung schließt auch den Antrag auf rückwirkende Beseitigung des Enteignungsbescheides in sich. Der - mangels einfachgesetzlicher Regelung der Rückübereignung - unmittelbar anwendbare Art5 StGG gebietet im Falle einer zweckverfehlenden Enteignung die rückwirkende Beseitigung des - im vorliegenden Fall nach wie vor dem Rechtsbestand angehörenden - Enteignungsbescheides. Dies auch dann, wenn - wie hier - die Rückabwicklung der geschlossenen Vereinbarungen durch eine zivilrechtliche Auseinandersetzung erfolgen muß. Da die belangte Behörde bereits die Zuständigkeit der Gemeindebehörde zur Beseitigung des Enteignungsbescheides verneint hat, ohne sich mit der Frage der Verwirklichung des Enteignungszweckes auseinanderzusetzen, hat sie - in denkunmöglicher Auslegung des Art5 StGG - die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.
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