Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch den jeweils angefochtenen Bescheid in dem durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit je 18.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige des ehemaligen Jugoslawiens und leben - den unwidersprochen gebliebenen Beschwerdeausführungen zufolge - seit 1991 in Österreich. Zunächst hielten sie sich aufgrund von Sichtvermerken im Bundesgebiet auf.
Mit vier Bescheiden vom 28. November 1995 wurden die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen mit der Begründung abgewiesen, daß der Unterhalt nicht gesichert sei, weil der Vater der Beschwerdeführer nur Krankengeld beziehe. Die dagegen erhobenen Berufungen wies der Bundesministers für Inneres mit den angefochtenen Bescheiden ebenfalls gemäß §5 Abs1 Aufenthaltsgesetz ab, weil der Unterhalt der Beschwerdeführer nicht gesichert sei. Dazu ist im jeweiligen Bescheid noch folgendes ausgeführt:
"Ihre Einwendungen haben nicht belegen können, aus welchen Gründen die Ermessensausübung der Behörde bei der Beurteilung des gesicherten Lebensunterhaltes gesetzwidrig gewesen wäre. Sie sind somit Ihrer Pflicht am Verfahren entsprechend mitzuwirken nicht ausreichend nachgekommen."
2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, mit denen insbesondere die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1.1. Die angefochtenen, die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz versagenden Bescheide greifen in das den Beschwerdeführern durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ein.
1.2. Ein Eingriff in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht wäre dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer dem Art8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein solcher Fall läge nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hätte (vgl. VfSlg. 11638/1988).
2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 16.3.1995, B2259/94, mit näherer Begründung dargelegt hat, ist die Behörde auch bei Anwendung der in §5 Abs1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen wird, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art8 Abs2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die familiären und sonstigen privaten Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen.
3. Die belangte Behörde hat angenommen, daß §5 Abs1 AufG der Behörde Ermessen einräume. Beim Begriff "Lebensunterhalt ... für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert" handelt es sich aber um einen unbestimmten Gesetzesbegriff und nicht, wie die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage annimmt, um die Einräumung von Ermessen an die Behörde durch den Gesetzgeber.
Die Annahme der belangten Behörde, §5 Abs1 AufG räume ihr Ermessen ein, bedeutet ein grobes Verkennen der Rechtslage, das in die Verfassungssphäre reicht.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugsprochenen Kosten ist Umsatzsteuer von je 3.000 S enthalten.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
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