VfGH V6/93,V7/93

VfGHV6/93,V7/93V6/93,V7/9328.2.1995

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung der Satzungen von Kollektivverträgen mangels Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung infolge Außerkraftsetzung der Satzungen durch nachfolgende Kollektivverträge

Normen

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ArbVG §19 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ArbVG §19 Abs2

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Mit Antrag vom 14. Jänner 1993 (beim Verfassungsgerichtshof am 5. Februar 1993 eingelangt) wendet sich die antragstellende Gesellschaft gegen die Satzung

a) des am 1. Jänner 1992 in Kraft getretenen und zu KV 457/1991 hinterlegten Kollektivvertrages für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe unter anderem für das Bundesland Tirol mit Erklärung des Bundeseinigungsamtes beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 13. Mai 1992 (Register II S 5/1992/XIII/52, 53/2) und

b) der am 1. Jänner 1992 in Kraft getretenen und zu KV 15 - 18/1992 hinterlegten Kollektivverträge für Angestellte des Gewerbes unter anderem für das Bundesland Tirol mit Erklärung des Bundeseinigungsamtes beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 11. September 1992 (Register II S 7/1992/XIII/52, 53/3).

Die antragstellende Gesellschaft besitze eine Gewerbeberechtigung für das Spenglergewerbe mit Standort Hall in Tirol und sei Mitglied der Landesinnung Tirol der Spengler.

Sie sei verpflichtet, die bekämpften Satzungen anzuwenden. Ein anderer zumutbarer Weg, ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, stehe ihr nicht offen. Den Arbeitnehmern das Entgelt (im strittigen Bereich) vorzuenthalten und Sozialversicherungsbeiträge schuldig zu bleiben, sei ihr wegen der Folgen nicht zumutbar. Sie erachte aber die bekämpften Verordnungen aus den im Antrag näher dargelegten Gründen für gesetz- und verfassungswidrig.

2. Das Bundeseinigungsamt beantragt ebenso wie die zu Äußerungen eingeladenen Antragsteller im Satzungsverfahren, Österreichischer Geschwerkschaftsbund, Gewerkschaft Metall, Bergbau und Energie sowie Gewerkschaft der Privatangestellten, die Zurückweisung der Anträge, in eventu die Abweisung des Begehrens. Die bekämpften Satzungen seien gemäß §19 Abs2 ArbVG durch das Inkrafttreten ihnen nachfolgender, den Geltungsbereich der Satzungen vollständig erfassender Kollektivverträge mit 1. Jänner 1993, also bereits vor Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof, außer Kraft getreten: des Kollektivvertrages für die Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe, abgeschlossen am 4. November 1992, KV 47/93; Zusatzvereinbarung vom 24. November 1992, KV 48/93, und des Kollektivvertrages für die Angstellten des Gewerbes, abgeschlossen 11. November 1992, KV 149/93, samt Lohnordnung, KV 150/93, alle in Kraft getreten mit 1. Jänner 1993 (Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 13. Februar und 14. Mai 1993).

II. Die Anträge sind nicht zulässig.

Als generelle Verwaltungsakte (Verordnungen) könnten Satzungen (Satzungserklärungen) zwar nach Art139 B-VG beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden (VfSlg. 2410/1952, VfGH 29.9.1994, V85,86/92). Eine Anfechtung nach dem letzten Satz des Art139 Abs1 B-VG ist aber (arg. "verletzt zu sein" nicht etwa "verletzt worden zu sein") nur zulässig, wenn die bekämpfte Verordnung, mag sie auch inzwischen außer Kraft getreten sein, zumindest im Zeitpunkt der Antragstellung (noch) die behauptete und tatsächlich vorliegende (nachteilige) rechtliche Wirkung für den Antragsteller entfaltet hat. Denn durch den Individualantrag soll nur die fortdauernde Wirkung einer generellen Norm beseitigt werden (vgl. VfSlg. 9096/1981, 12870/1991).

Die vom Bundeseinigungsamt ins Treffen geführten Kollektivverträge setzten mit ihrem Inkrafttreten am 1. Jänner 1993 nach §19 Abs2 ArbVG die angefochtenen Satzungen außer Kraft. Die von der antragstellenden Gesellschaft behaupteten Eingriffe in ihre Rechtssphäre durch diese Satzungen lagen daher schon zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht (mehr) vor. Würde also die Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Satzungen vom Verfassungsgerichtshof festgestellt werden, träte für die gegenwärtige Rechtsposition der antragstellenden Gesellschaft keine Änderung ein.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, daß die angefochtenen Satzungen für die Zeit ihrer Geltung weiterhin Wirkungen entfalten. Die von der antragstellenden Gesellschaft ins Treffen geführten Wirkungen, die von ihr nach eigener Darstellung zu beachten waren, können aber durch eine Aufhebung der Verordnungen nicht mehr beseitigt werden. Sie könnten nur von der Anlaßfallwirkung eines Verfahrens erfaßt werden, das im Hinblick auf die Präjudizialität der bekämpften Vorschriften über Antrag eines dazu berufenen Gerichtes oder aufgrund einer Beschwerde nach Art144 B-VG von Amts wegen eingeleitet wurde oder wird.

Die Anträge sind daher mangels Antragslegitimation zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).

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