VfGH KI-9/94

VfGHKI-9/944.10.1995

Zulässigkeit des Antrags auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof nach Zurückweisung von Säumnisbeschwerden wegen Untätigkeit des Kultusministers hinsichtlich eines Antrags auf Anerkennung der Zeugen Jehovas als Religionsgesellschaft nach dem AnerkennungsG; Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes infolge gegebener Sachidentität; Feststellung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs zur Entscheidung über die bei ihm eingebrachte Säumnisbeschwerde; Aufhebung des entgegenstehenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs; Rechtsanspruch auf Anerkennung als Religionsgesellschaft bei Vorliegen der im AnerkennungsG enthaltenen Voraussetzungen; Erlassung eines Bescheides im Anerkennungsfall entbehrlich aber nicht unzulässig; im Fall der Anerkennung als Religionsgesellschaft durch ein im Säumnisbeschwerdeverfahren ergehendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs Verpflichtung des Bundesministers zur Kundmachung der Anerkennung im Verordnungsweg

Normen

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art132
B-VG Art138 Abs1
B-VG Art138 Abs1 litb
AnerkennungsG §2
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs4
VfGG §46 Abs1
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art132
B-VG Art138 Abs1
B-VG Art138 Abs1 litb
AnerkennungsG §2
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs4
VfGG §46 Abs1

 

Spruch:

Der Verwaltungsgerichtshof war zuständig zur Entscheidung über die bei ihm von F A u.a. am 4. August 1992 eingebrachte, auf Art132 B-VG gestützte Säumnisbeschwerde, in der die Verletzung der Pflicht des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport zur Entscheidung über den bei diesem Bundesminister mit Schriftsatz vom 17. Juni 1987 gemäß §2 des Anerkennungsgesetzes, RGBl. 68/1874, gestellten Antrag auf Anerkennung der Zeugen Jehovas als Religionsgesellschaft geltend gemacht wurde.

Der entgegenstehende Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155, mit dem diese Säumnisbeschwerde zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.

Der Bund (Verwaltungsgerichtshof) ist schuldig, den Antragstellern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 36.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Dem Antragsvorbringen zufolge leiten die vier in Österreich wohnhaften Einschreiter seit Jahren den österreichischen Zweig der unter dem Namen "Zeugen Jehovas" auf der ganzen Erde tätigen Religionsgemeinschaft.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 1987 (wiederholt mit Eingabe vom 21. Juli 1990) beantragten sie beim (damaligen) Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport - als dem zur Vollziehung des Gesetzes vom 20. Mai 1874, RGBl. 68, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften (AnerkennungsG) berufenen Ministers (im Gesetz und in den folgenden Ausführungen als "Kultusminister" bezeichnet) - gemäß §2 leg.cit. die Anerkennung des bisher gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses "Jehovas Zeugen" als Religionsgesellschaft.

Da der Bundesminister diesen Antrag unerledigt ließ, brachten die Einschreiter am 4. August 1992 beim Verwaltungsgerichtshof eine auf Art132 B-VG gestützte Säumnisbeschwerde ein und begehrten, daß der Verwaltungsgerichshof selbst eine Sachentscheidung über den Antrag vom 17. Juni 1987 treffen möge. Der Verwaltungsgerichtshof wies diese Beschwerde mit Beschluß vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155, zurück.

b) Mit einer beim Verfassungsgerichtshof am 10. Mai 1994 eingebrachten, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde machten die Einschreiter gleichfalls die Säumnis des Bundesministers geltend und begehrten, der Verfassungsgerichtshof wolle über den erwähnten Antrag vom 17. Juni 1987 entscheiden. Der Verfassungsgerichtshof wies diese mit Beschluß vom 21. Juni 1994, B960/94, mit der Begründung zurück, daß ihn keine Rechtsvorschrift zur Entscheidung über Anträge, mit denen die Verletzung der Entscheidungspflicht einer Behörde geltend gemacht wird, berufe.

2. Mit Eingabe vom 16. November 1994 stellen die Einschreiter den vorliegenden, auf Art138 Abs1 litb B-VG gestützten Antrag. Es hätten in derselben Sache sowohl der Verwaltungsgerichtshof als auch der Verfassungsgerichtshof ihre Zuständigkeit verneint. Daher liege ein negativer Kompetenzkonflikt vor. Sie stellen daher den Antrag auf Entscheidung dieses Kompetenzkonfliktes mit dem weiteren Begehren, die dem Erkenntnis entgegenstehenden behördlichen Akte aufzuheben. Schließlich wird der Zuspruch von Kosten beantragt.

3. Der Verwaltungsgerichtshof erstattete am 30. Jänner 1995 eine Äußerung.

Nach Schilderung des Sachverhaltes führt der Verwaltungsgerichtshof wie folgt aus:

"Ein Kompetenzkonflikt liegt vor, wenn zwei oder mehrere Behörden die (ausschließliche) Zuständigkeit in derselben Sache in Anspruch nehmen (bejahender oder positiver Kompetenzkonflikt) oder ablehnen (verneinender oder negativer Kompetenzkonflikt) und eine der beteiligten Behörden ihre Kompetenz zu Unrecht in Anspruch nimmt oder ablehnt (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 7.Aufl., Rdz 1080).

Ein negativer Kompetenzkonflikt liegt nach der in der Lehre (vgl. Walter-Mayer, a.a.O.) und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. u.a. VfSlg. 459/1925, 3190/1957, 6082/1969 u.a.m.) übereinstimmend vertretenen Auffassung vor, wenn jede der beiden im Konflikt verwickelten Behörden (Gerichte oder Verwaltungsbehörden) in derselben Sache angerufen wurde und aus dem Grunde der Unzuständigkeit eine Entscheidung in der Sache selbst in der verfahrensrechtlich hiefür vorgesehenen Form abgelehnt hat. Ein Kompetenzkonflikt liegt somit nicht vor, wenn zwei unzuständige Behörden angerufen werden und ihre Zuständigkeit ablehnen. Es gehört ferner nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes beim negativen Kompetenzkonflikt wohl zum Kern des Begriffes, daß bei zwei angerufenen Behörden beide abstrakt zuständig sein können, über den geltend gemachten Anspruch in derselben Sache zu entscheiden. Die Voraussetzungen für einen negativen Kompetenzkonflikt sind überdies nur gegeben, wenn in den Verfahren vor beiden Behörden die Partei identisch ist, wenn die von der Partei bei beiden Behörden gestellten Begehren dieselbe Sache betreffen und wenn die beiden Behörden eine Sachentscheidung aus dem Grunde der Unzuständigkeit abgelehnt oder das Begehren aus dem Grunde der Unzuständigkeit zurückgewiesen haben (vgl. z.B. VfSlg. 6082/1969).

Während beim positiven Kompetenzkonflikt der 'Konflikt' schon und jedenfalls dadurch gegeben ist, daß zwei oder mehrere Behörden in derselben Sache die Zuständigkeit in Anspruch nehmen, ist dies beim negativen Kompetenzkonflikt nicht so einfach. Im folgenden wird zum besseren Verständnis von (bloß) zwei beteiligten Behörden ausgegangen; entsprechendes gilt für mehrere beteiligte Behörden. Beim negativen Kompetenzkonflikt ist dann, wenn beide Behörden eine Sachentscheidung mangels Zuständigkeit ablehnen, kein Konflikt gegeben, wenn beide dies zu Recht tun. Ein Konflikt liegt beim negativen Kompetenzkonflikt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann nicht vor, wenn eine der beiden Behörden mangels jeglicher abstrakter Kompetenz unter keinen Umständen für zuständig erklärt werden könnte. Der Begriff 'Zuständigkeitsstreit' setzt eine Auslegungsdifferenz über eine in Betracht kommende Zuständigkeitsnorm voraus. Besteht aber ganz offenkundig über die Zuständigkeitsnorm, die die Kompetenzgrenze zwischen den beiden in Betracht kommenden Behörden zieht, keine Auslegungsdifferenz, ist also diese Grenzlinie der Zuständigkeiten unbestritten, weil sowohl objektiv als auch erkennbar den Verfahrensparteien klar ist, daß eine der beteiligten Behörden für den geltend gemachten Anspruch niemals zuständig sein kann, dann liegt kein Zuständigkeitsstreit, kein negativer Kompetenzkonflikt im Sinne des Art138 Abs1 litb B-VG und des §46 VfGG vor. Ein solcher Fall ist hier angesichts der mangelnden Säumnisbeschwerdekompetenz des Verfassungsgerichtshofes gegeben. Die zurückweisende Entscheidung einer solchen offenkundig und unbestritten unzuständigen Behörde (wie hier jene des Verfassungsgerichtshofes) ist evident richtig.

Die zurückweisende Entscheidung der anderen beteiligten Behörde

(Gericht, Verwaltungsbehörde, Verwaltungsgerichtshof) ist

ausschließlich auf dem hiefür eingerichteten Rechtsmittelweg zu

überprüfen. Mit anderen Worten: Verneint die eine Behörde ihre

Zuständigkeit zur Sachentscheidung über eine bestimmte Sache

(einen bestimmten Antrag) jedenfalls zu Recht (dies trifft hier

auf den Zurückweisungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes zu),

dann liegt ein Konflikt über konkrete, gesetzlich eingeräumte

Zuständigkeiten und über die Auslegung der die

Zuständigkeitsgrenze zwischen den beteiligten Behörden ziehenden

Normen begrifflich nicht vor. Sowohl der Begriff des

Kompetenzkonfliktes in Art138 B-VG als auch die Begriffe

'Kompetenzkonflikt' und 'die Zuständigkeit abgelehnt haben

(verneinender Kompetenzkonflikt)' im §46 Abs1 VfGG setzen in

Beziehung auf den gestellten Antrag (die Sache) eine mögliche,

abstrakte Zuständigkeit voraus. §46 Abs1 VfGG stellt darauf ab,

daß ein Kompetenzkonflikt 'dadurch entstand, daß in derselben

Sache ... der Verwaltungsgerichtshof und der

Verfassungsgerichtshof ... die Zuständigkeit abgelehnt haben

(verneinender Kompetenzkonflikt)'. Es heißt in dieser Vorschrift

eben nicht, daß ein Kompetenzkonflikt 'darin besteht, daß ... der

Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit abgelehnt haben'; vielmehr ermöglicht die gewählte Fassung des Wortlautes eine Auslegung dahingehend, daß es sich um eine kontroversielle Frage der Auslegung über zumindest abstrakt mögliche Entscheidungszuständigkeiten handelt, die aus Anlaß einer Ablehnung einer Zuständigkeit bei den Verfahrensparteien und den beteiligten Behörden entstanden sind. Es muß sich um einen Streit über die Zuständigkeitsnorm handeln, die die Entscheidungszuständigkeiten zwischen den von den Verfahrensparteien angerufenen beteiligten Staatsorganen untereinander abgrenzt.

Selbst wenn der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1994, B960/94-3, als geeigneter Ausgangspunkt für einen negativen Kompetenzkonflikt gewertet würde, lägen die Voraussetzungen für einen solchen Konflikt nicht vor, weil der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Beschluß vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155, nicht seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde abgelehnt, sondern die Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß §34 Abs1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückgewiesen hat.

In diesem Zusammenhang ist zunächst auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1930, VfSlg. 1351, zu verweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof zwischen einem 'echten Zuständigkeitsstreit' und 'Divergenzen materiellrechtlicher Art zwischen Amtshandlungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden' unterschieden und die 'Ausdehnung des Begriffes Kompetenzkonflikt' abgelehnt hat. Die Frage, ob eine bestimmte Divergenz, die zwischen den Amtshandlungen zweier Behörden besteht, einen Streit um die Kompetenz darstellt oder ob diese Divergenz nur die materielle Gesetzmäßigkeit des Aktes der einen Behörde betrifft, könne nicht aus Art138 B-VG oder aus irgendwelchen anderen Bestimmungen der Verfassung, sondern nur aus den gesetzlichen Vorschriften über die Verteilung der Zuständigkeiten und über das Verfahren vor den Gerichten und vor den Verwaltungsbehörden beantwortet werden; denn das B-VG nehme nicht selbst die Grenzziehung vor zwischen den Mängeln, die als Mängel der Zuständigkeit, und den anderen Mängeln, die als Mängel der materiellen Gesetzmäßigkeit zu behandeln seien; es setze vielmehr, wenn es die Entscheidung über Kompetenzkonflikte im Art138 dem Verfassungsgerichtshof überweist, diese Grenzziehung als gegeben voraus. Nur dann, wenn die Verfahrensvorschriften einen Mangel bestimmter Art als einen Mangel der Zuständigkeit behandeln, könne, ..., ein Streit über die Zuständigkeit, ein Konflikt über die Kompetenz entstehen. Wenn hingegen nach den Prozeßvorschriften ein Mangel bestimmter Art nicht als ein Mangel der Zuständigkeit, sondern als ein Mangel der materiellen Gesetzmäßigkeit zu behandeln sei, könne der Konflikt, der infolge eines solchen behaupteten Mangels zwischen den Amtshandlungen zweier Behörden, ..., entsteht, auf keinen Fall als ein Konflikt über die Zuständigkeit, als ein Kompetenzkonflikt angesehen werden.

Besonders aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang auch der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Februar 1959, VfSlg. Nr. 3490, mit dem der Verfassungsgerichtshof einen Antrag der Österreichischen Ärztekammer und der Ärztekammer für Tirol auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Oberlandesgericht Wien zurückgewiesen hat. In der Begründung hat der Verfassungsgerichtshof abschließend ausgeführt:

'Der Verwaltungsgerichtshof hatte nach §27 VerwGG 1952 vorerst zu untersuchen und festzustellen, ob das Bundesministerium eine ihm obliegende Entscheidungspflicht gegenüber den Antragstellern verletzt hat, sohin im näheren, ob die Antragsteller als eine Partei in einem Verwaltungsverfahren einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßigen Sachabspruch über ihre Anregung hatten, daß eine aufsichtsbehördliche Verfügung erlassen werde. Wenn der Verwaltungsgerichtshof die Parteieigenschaft der Antragsteller verneint und die Beschwerde mangels Berechtigung der Erhebung zurückgewiesen hat, so hat er im Rahmen seiner Zuständigkeit geurteilt, also keineswegs eine Unzuständigkeitsentscheidung gefällt. Auf Grund welcher Überlegungen der Verwaltungsgerichtshof die Parteistellung der Antragsteller nicht anerkannt hat, spielt, was die Antragsteller verkannt haben, in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Es ist somit die im §46 VerfGG 1953 vorgesehene Prozeßsituation nicht gegeben. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das Anbringen der Antragsteller beim Verwaltungsgerichtshof und beim Gericht 'dieselbe Sache' zum Gegenstand hatte.'

Auch in seinem Beschluß vom 22. März 1993 hat sich der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage des §27 VwGG darauf gestützt, daß den damaligen Beschwerdeführern ein Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung ihres Begehrens nicht zukomme und hat aus diesem Grund die Säumnisbeschwerde 'wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung' gemäß §34 Abs1 VwGG zurückgewiesen. Diese Verfahrensvorschrift differenziert eben zwischen verschiedenen Gründen der Zurückweisung. So sind Beschwerden wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes oder aber mangels der Berechtigung zur Erhebung zurückzuweisen. Mängel der Beschwerdelegitimation können daher nicht unter den Zurückweisungsgrund der Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes subsumiert werden.

Gegen das Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes sprechen auch noch folgende Überlegungen:

'Dieselbe Sache' liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vor, wenn dieselbe Rechtsvorschrift auf denselben Sachverhalt als Hauptfrage angewendet wird (vgl. z.B. VfSlg. 1340/1930, 1341/1930, 2429/1952 und 2956/1956).

Der Verfassungsgerichtshof hat in dem zu seinem Beschluß vom 21. Juni 1994, B960/94, führenden Verfahren lediglich Vorschriften des Bundes-Verfassungsgesetzes (insbesondere Art144 B-VG) angewendet und aus diesen - ohne jegliche Heranziehung der Bestimmungen des Anerkennungsgesetzes - seine - offenkundig nicht gegebene - Zuständigkeit verneint. Der Verwaltungsgerichtshof hat hingegen in seinem Beschluß vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155, an Hand der Normen des Anerkennungsgesetzes geprüft, ob den Antragstellern darin eine Rechtsposition verschafft wird, die ihnen einen Rechtsanspruch auf Bescheiderlassung verschafft, und hat nach der Beantwortung dieser Frage die Säumnisbeschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß §34 Abs1 VwGG als unzulässig zurückgewiesen. Es liegt somit auch nicht 'dieselbe Sache' im Sinne des Art138 B-VG vor, weshalb es an einem Kompetenzkonflikt mangelt.

Die gegenständliche Problematik besteht vielmehr in der unterschiedlichen Auffassung über die Auslegung des Anerkennungsgesetzes durch den Verfassungs- und den Verwaltungsgerichtshof. Diese unterschiedliche Auslegung des Anerkennungsgesetzes hat aber nicht in dem Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1994, B960/94-3, seinen Niederschlag gefunden, sondern in dem Beschluß vom 25. Juni 1992, G282/91, mit dem der Individualantrag der nunmehrigen Antragsteller auf Aufhebung des §2 Abs1 des Anerkennungsgesetzes mangels Legitimation zurückgewiesen wurde.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in seinem Beschluß vom 25. Juni 1992 im wesentlichen die Auffassung, der zuständige Bundesminister habe, wenn er das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen verneine, über den Antrag bescheidmäßig negativ abzusprechen; wenn er hingegen zum Ergebnis gelange, es seien alle Anerkennungsvoraussetzungen gegeben, so müsse er entweder die Anerkennung - sogleich - durch Verordnung aussprechen oder aber vorerst einen an die Antragsteller adressierten positiven Bescheid und zusätzlich eine an die Allgemeinheit gerichtete Verordnung erlassen.

Dagegen vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Anerkennung lediglich durch Rechtsverordnung auszusprechen ist (vgl. die Beschlüsse vom 11. Mai 1953, VwSlg. 2965/A und vom 27. September 1982, VwSlg. 10.833/A). Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Beschluß vom 27. September 1992 auch dargelegt, daß er der Auffassung, über die Ablehnung des Antrages auf Anerkennung müsse ein Bescheid ergehen, nicht beitritt. Die Entscheidung darüber, ob eine Verordnung zu erlassen ist, stellt seiner Ansicht nach - solange vom Gesetzgeber nichts Gegenteiliges angeordnet ist - einen wesentlichen Teil des Verordnungsrechtes dar. Den Verordnungsgeber in seiner Entscheidung darüber, ob von ihm eine Verordnung erlassen wird oder nicht, an einen individuellen Verwaltungsakt zu binden, ließe sich auch mit den von der Bundesverfassung vorausgesetzten Rechtsquellentypen der Verordnung und des Bescheides und ihres Verhältnisses zueinander, mit dem hiefür eingerichteten, unterschiedlich ausgestalteten Rechtsschutzsystem sowie mit dem stufenförmigen Aufbau der Rechtsordnung nicht in Einklang bringen. Ebensowenig erscheint eine Auslegung des Anerkennungsgesetzes zulässig, nach der die Entscheidung über das 'ob' der Erlassung der Verordnung nur für den Fall der Verneinung dem Verordnungsgeber entzogen und einem individuellen Verwaltungsakt vorzubehalten wäre. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes erscheint es aber auch nicht vertretbar, daß ein und derselbe Rechtsakt 'Anerkennung' sowohl in der Rechtssatzform der Verordnung als auch der des Bescheides zu ergehen hätte. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes liefe eine in Bescheidform intendierte Anerkennung vielmehr auf einen Rechtsformenmißbrauch hinaus (vgl. auch VfSlg. 11624/1988). Im übrigen würde auch ein lediglich an den Anerkennungswerber adressierter positiver Bescheid nicht eine an die Allgemeinheit der Rechtsunterworfenen gerichtete Anerkennung bewirken. Eine solche kann nur im Wege einer Verordnung erfolgen, deren Erlassung jedoch mit dem vorhandenen Rechtsschutzinstrumentarium nicht erzwungen werden kann. Auf die Erlassung einer generellen Norm, sei es in Form eines Gesetzes oder einer Verordnung, steht niemandem ein Rechtsanspruch zu (vgl. z.B. den Beschluß vom 31. März 1977, Zl. 425/77, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem zu §3 Z. 5 des Bundesministeriengesetzes ergangenen Erkenntnis vom 14. Oktober 1976, VwSlg. 9151/A, ausgesprochen hat, kann nach Art132 B-VG in Verbindung mit §27 VwGG auf ihn nur das Recht und die Pflicht zu einer Entscheidung, nicht aber die Pflicht, eine Leistung von der Art einer Auskunftserteilung zu erbringen, übergehen. Die Rechtsprechung verneint die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde auch dann, wenn eine Partei einen Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten der Behörde, das keinen Bescheid darstellt, geltend macht (vgl. H. Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, Kommentar zu §27 VwGG). Mit Säumnisbeschwerde kann, wie sich aus den §§36 Abs2 und 42 Abs5 VwGG (arg.: nachzuholender oder versäumter 'Bescheid'), ergibt, nur die Erlassung eines Bescheides begehrt werden. Auch eine Säumnisbeschwerde, mit der die Erlassung einer Verordnung oder eines ihr im Verordnungserlassungsverfahren vorgelagerten und ihre Zulässigkeit und/oder Rechtmäßigkeit bedingenden (Teil)Aktes begehrt wird, kann mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung (§34 Abs1 VwGG) keiner Erledigung in der Sache zugeführt werden.

Auch eine Auslegung des Anerkennungsgesetzes vor dem Hintergrund des Artikels 9 MRK begründet keine Pflicht des Ministers, einen Bescheid zu erlassen. Es handle sich dabei um keine grundrechtlich geschützte Rechtsposition. Art63 Abs2 des Staatsvertrages von St. Germain räumt das Recht zur gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung neben den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften (Art15 StGG) allen religiösen Vereinigungen und allen Einwohnern des Staates Österreich ein. Die Beschwerdeführer sind somit unabhängig von einer gesetzlichen Anerkennung in der Ausübung ihrer Religion nicht beschränkt. Andere einfachgesetzliche Differenzierungen zwischen gesetzlich anerkannten und nicht anerkannten Religionsgesellschaften sind unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen und stehen in keinem Gegensatz zu Art9 MRK.

Der Verwaltungsgerichtshof räumt ein, daß die vorliegende Judikaturdivergenz unbefriedigend ist und den Wunsch nach einer Bereinigung entstehen läßt. Eine solche könnte etwa in einer Novellierung des aus dem Jahre 1874 (!) stammenden Anerkennungsgesetzes oder in der Erlassung eines allen rechtsstaatlichen Überlegungen genügenden neuen Anerkennungsgesetzes bestehen. Die Bereinigung der vorliegenden Judikaturdivergenz kann allerdings nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Wege der Konstruktion eines Kompetenzkonfliktes erfolgen. Ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache selbst gesetzmäßig war oder nicht, ist für die Frage des Kompetenzkonfliktes belanglos (vgl. z. B. VfSlg. 459/1925).

Würde der Verfassungsgerichtshof seine bisherige Zurückhaltung, Gerichte und andere Behörden an eine einfachgesetzliche Auslegung zu binden, wie dies z.B. in seiner ständigen Rechtsprechung zur Präjudizialität zum Ausdruck kommt, aufgeben und den verfassungsgesetzlich vorgegebenen Begriff des Kompetenzkonfliktes extensiv interpretieren, so würde dies in vielen Zurückweisungsfragen eine in der Verfassung (insbesondere Art138 B-VG) nicht vorgesehene Kontrolle und Bindung eines anderen Höchstgerichtes durch den Verfassungsgerichtshof zur Folge haben.

Dies beweist auch der vorliegende Fall, dem die Erhebung von Säumnisbeschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof und vor dem Verfassungsgerichtshof zugrundeliegt. Dadurch, daß der Verfassungsgerichtshof niemals zur Entscheidung des Inhaltes kommen kann, er habe seine Zuständigkeit zu Unrecht abgelehnt, niemals seinen Zurückweisungsbeschluß aufheben und niemals in der Sache selbst entscheiden kann, wird deutlich, daß die von ihm gewählte Vorgangsweise, die Parteien im Erkenntnis vom 10. März 1994, G239/93, zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof zu veranlassen, einzig und allein dem Ziel dient, eine Judikaturdivergenz zu bereinigen (und dadurch offensichtlich seiner Rechtsauffassung zum Durchbruch zu verhelfen). Der Verwaltungsgerichtshof gibt zu bedenken, daß auf diesem Wege, sollte er auch in anderen Fällen beschritten werden, nur ein geringer Teil möglicher Judikaturdivergenzen ausgeräumt werden könnte. Demgegenüber sollte in den anzustellenden Erwägungen der Umstand berücksichtigt werden, daß der in Säumnisbeschwerdesachen nach Art132 B-VG allein zuständige Verwaltungsgerichtshof durch diese Vorgangsweise im Zusammenhang mit einem extensiven Sinnverständnis des Begriffes der 'Zuständigkeit' (§34 Abs1 VwGG) in nahezu sämtlichen Fragen der Prozeßvoraussetzungen einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof unterworfen würde. Eine solche Befugnis ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes in der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als Kompetenzkonfliktsgericht nicht eingeschlossen.

Auf Grund dieser Erwägungen stellt der Verwaltungsgerichtshof daher den

A n t r a g ,

der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag der Antragsteller auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof mangels Bestehens eines solchen Kompetenzkonfliktes zurückweisen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag auf Entscheidung des behaupteten negativen Kompetenzkonfliktes erwogen:

A. Zur Zulässigkeit

1. Gemäß Art138 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte "zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten, insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst, sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten".

Nach der zitierten Verfassungsbestimmung iVm §46 Abs1 VerfGG besteht ein verneinender Kompetenzkonflikt u.a. dann, wenn in derselben Sache der Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof eine Sachentscheidung aus dem Grund der Unzuständigkeit abgelehnt haben.

2. Der Verwaltungsgerichtshof beantragt die Zurückweisung des Antrages. Er meint primär, daß überhaupt kein Kompetenzkonflikt vorliege.

a) Der Verwaltungsgerichtshof vertritt den Standpunkt, der Begriff "Zuständigkeitsstreit" setze eine Auslegungsdifferenz über eine in Betracht kommende Zuständigkeitsnorm voraus. Wenn aber eine solche Auslegungsdifferenz nicht bestehe, weil sowohl objektiv als auch erkennbar den Verfahrensparteien klar sei, daß eine der beteiligten Behörden für den geltend gemachten Anspruch niemals zuständig sein kann, liege ein negativer Kompetenzkonflikt (Zuständigkeitsstreit) nicht vor. Ein solcher Fall sei hier angesichts der mangelnden Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über eine Säumnisbeschwerde gegeben. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes sei evident richtig. Ein verneinender Kompetenzkonflikt iS des Art138 Abs1 B-VG iVm §46 Abs1 VerfGG setze in Beziehung auf den gestellten Antrag (die Sache) eine mögliche, abstrakte Zuständigkeit beider (Gerichts-)Behörden voraus. Es müsse sich "um eine kontroversielle Frage der Auslegung über zumindest abstrakt mögliche Entscheidungszuständigkeiten" handeln.

Der Verfassungsgerichtshof teilt die Meinung des Verwaltungsgerichtshofes über die Auslegung des Art138 B-VG und des §46 Abs1 VerfGG in dieser allgemeinen Form nicht. Diese Auffassung liefe darauf hinaus, daß ein Kompetenzkonflikt einen bestimmten Grad an Auffassungsdifferenzen bzw. Zweifeln voraussetze und der maßgebende Grad solcher Differenzen auch nachvollziehbar festgestellt werden könnte - eine Meinung, die der Verfassungsgerichtshof nicht zu teilen vermag -, sowie ferner, daß in Angelegenheiten einer Säumnisbeschwerde ein Kompetenzkonflikt iS des Art138 B-VG zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof niemals vorliegen könnte.

Demgegenüber ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, daß ein solches Interpretationsergebnis im Rechtsschutzanliegen, welches der Art138 B-VG verfolgt, eine Lücke entstehen ließe, deren Schließung der Verfassungsgesetzgeber gerade dadurch intendierte, daß er einem der in Betracht kommenden Höchstgerichte - nämlich dem Verfassungsgerichtshof - in der Frage eines Kompetenzkonfliktes (und nur in dieser Frage) eine Befugnis zur Überprüfung der Entscheidung eines anderen Höchstgerichtes eingeräumt hat. Art138 B-VG will vielmehr (bezogen auf den negativen Kompetenzkonflikt) ganz allgemein sicherstellen, daß die Durchsetzung eines Rechtsanspruches nicht schon daran scheitert, daß sich die in Betracht kommenden Verwaltungsbehörden und Gerichte für unzuständig erklären.

Insoweit ist der verfassungsrechtliche Begriff der Kompetenz iS des Art138 B-VG ein weiterer (eine Rechtsschutzlücke der erwähnten Art vermeidender) als jener der Unzuständigkeit iS des §34 Abs1 VwGG.

Art138 Abs1 litb B-VG zielt nämlich darauf ab, dem einzelnen - auch und gerade in jenen Fällen, in denen dies im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Instanzenzug nicht möglich ist - Gewißheit darüber zu verschaffen, ob überhaupt eine, und bejahendenfalls welche(s) der beiden angerufenen Gerichte oder Verwaltungsbehörden in seiner Sache zuständig ist; zu beachten ist dabei, daß ein Verfahren nach Art138 B-VG nicht einmal die Ausschöpfung des Instanzenzuges zur Voraussetzung hat (vgl. zB. VfSlg. 2687/1954, 2856/1955, 3798/1960, 8065/1977, 13030/1992).

b) Der Verwaltungsgerichtshof argumentiert weiters damit, daß er mit seinem Beschluß vom 22. März 1993 (s.o. I.1.a) nicht seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde abgelehnt habe, sondern die an ihn gerichtete Beschwerde mangels Berechtigung zu deren Erhebung gemäß §34 Abs1 VwGG als unzulässig zurückgewiesen habe. Die genannte Bestimmung differenziere eben zwischen verschiedenen Gründen der Zurückweisung. Mängel der Beschwerdelegitimation könnten nicht unter den Zurückweisungsgrund der Unzuständigkeit subsumiert werden.

Welcher Inhalt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zukommt, ergibt sich nicht ausschließlich aus der Formulierung des Spruches; vielmehr muß zur Feststellung des Inhaltes der Entscheidung auch auf die Gründe Bedacht genommen werden (vgl. VfSlg. 5407/1966). Der Verwaltungsgerichtshof hat im vorliegenden Fall die Eingabe nicht etwa mangels Legitimation (vgl. VfSlg. 383/1925) - z.B. wegen Verneinung der Parteieigenschaft (vgl. VfSlg. 3490/1959) - zurückgewiesen (also weil gerade die konkreten Personen nicht berechtigt gewesen wären, die Säumnisbeschwerde einzubringen), sondern deshalb, weil nach seiner Meinung in einer Rechtssache nach dem AnerkennungsG niemandem ein Rechtsanspruch auf Erlassung eines Bescheides oder einer Verordnung zukomme und demgemäß auch niemand legitimiert sei, eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Voraussetzung für einen Kompetenzkonflikt, nämlich, daß beide beteiligten Gerichtshöfe ihre Zuständigkeit abgelehnt haben (Art138 Abs1 litb B-VG iVm §46 Abs1 VerfGG), ist auch dann erfüllt, wenn einer der beteiligten Gerichtshöfe die Zulässigkeit der Beschreitung des Verwaltungsgerichtsweges (aus welchen rechtlichen Gründen immer) schlechthin verneint und sich daraus - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar seine Unzuständigkeit zur Erledigung einer bei ihm eingebrachten Beschwerde ergibt.

c) In seiner Äußerung meint der Verwaltungsgerichtshof ferner, daß nicht "dieselbe Sache" i.S. des §46 Abs1 VerfGG vorliege, habe doch der Verfassungsgerichtshof seinen Zurückweisungsbeschluß vom 21. Juni 1994 auf Art144 B-VG gegründet, während der Verwaltungsgerichtshof seinen Zurückweisungsbeschluß vom 22. März 1993 auf das AnerkennungsG gestützt habe. Dieselbe Sache liege jedoch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (nur) vor, wenn dieselben Rechtsvorschriften auf denselben Sachverhalt als Hauptfrage angewendet würden.

Auch dieses Vorbringen vermag die Annahme, es liege ein negativer Kompetenzkonflikt vor, nicht zu entkräften:

Ob "dieselbe Sache" vorliegt, ist insbesondere danach zu beurteilen, ob die vom Einschreiter an die beiden angerufenen Behörden gerichteten Begehren identisch sind. Ob nun diese Sachidentität gegeben ist, hängt weder von den in den beiden die Sachentscheidung verweigernden Erledigungen verwendeten Formulierungen noch von den darin zitierten Rechtsvorschriften ab (vgl. z.B. VfSlg. 2429/1952, 7431/1974, 7889/1976, 8878/1980, 9962/1984, 12912/1991, 13030/1992, 13440/1993).

Im vorliegenden Fall hatten die Einschreiter sowohl beim Verwaltungsgerichtshof als auch beim Verfassungsgerichtshof begehrt, das jeweils angerufene Höchstgericht möge wegen Säumnis des Kultusministers über ihren gemäß §2 AnerkennungsG am 17. Juni 1987 gestellten Antrag auf Anerkennung der Zeugen Jehovas als Religionsgesellschaft entscheiden.

Der Verwaltungsgerichtshof wies den an ihn gerichteten Antrag (s.o. I.1.a) zwar "wegen Mangels der Berechtigung" zur Erhebung der Säumnisbeschwerde gemäß §34 Abs1 VwGG zurück. Die Begründung seines Beschlusses läuft aber darauf hinaus, daß er seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde iS des Art138 Abs1 litb B-VG verneinte (s.o., litb).

Der Verfassungsgerichtshof begründete seinen Zurückweisungsbeschluß (s.o. I.1.b) ausdrücklich mit seiner Unzuständigkeit und beruft sich auf §19 Abs3 Z2 lita VerfGG.

Beide Gerichtshöfe haben also (in Anwendung der jeweils für sie maßgebenden Verfahrensvorschriften) in derselben Sache ihre Zuständigkeit negiert. Die für das Vorliegen eines (negativen) Kompetenzkonfliktes geforderte Sachidentität ist sohin gegeben.

Wie die folgenden Ausführungen (s.u. II.B) nachweisen, hat eines der Gerichte seine Zuständigkeit zu Unrecht abgelehnt.

d) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der vorliegende Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes zulässig ist.

B. In der Sache

Zu klären ist, welches der beiden Höchstgerichte seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat.

1. Weder Art144 B-VG noch eine andere bundesverfassungsrechtliche Vorschrift beruft den Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung über Anträge, mit denen die Verletzung der Entscheidungspflicht einer Behörde geltend gemacht wird.

Die Bundesverfassung sieht für den Verfassungsgerichtshof überhaupt keine Kompetenz vor, die jener gleicht, die dem Verwaltungsgerichtshof mit Art132 B-VG eingeräumt wird.

Der Verfassungsgerichtshof hat also seine Zuständigkeit, über die von den Einschreitern an ihn gerichtete Säumnisbeschwerde zu entscheiden, zu Recht abgelehnt.

2. Nicht so der Verwaltungsgerichtshof in Ansehung der an ihn adressierten Säumnisbeschwerde:

a) Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits zweimal eingehend mit der Frage beschäftigt, ob der Verwaltungsgerichtshof kompetent ist, über Beschwerden wegen Säumnis des Kultusministers im Zusammenhang mit an diesen gerichteten auf §2 AnerkennungsG gestützten Anträgen zu entscheiden:

Im Beschluß VfSlg. 11931/1988 führte der Verfassungsgerichtshof zur rechtlichen Durchsetzbarkeit der Anerkennung als Religionsgesellschaft nach dem AnerkennungsG aus:

"...

Das AnerkennungsG geht vom Grundsatz aus, daß die Anerkennung nicht im Weg eines Spezialgesetzes erfolgt, sondern daß im jeweiligen Fall von der Verwaltung zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des AnerkennungsG für eine Anerkennung vorliegen oder nicht. Sind die Voraussetzungen gegeben, so besteht ein Rechtsanspruch auf Anerkennung (vgl. Klecatsky-Weiler, Österreichisches Staatskirchenrecht, 1958, FN 7 Abs2 zu §1 AnerkennungsG und die dort zitierte Literatur; weiters:

Klecatsky, Die Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Rechtsstellung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften in Österreich, EuGRZ, 1982, 444 f.; Pree, Österreichisches Staatskirchenrecht, 1984, 77). Wird die Anerkennung - sogleich - durch Verordnung ausgesprochen (wie dies nach herrschender Praxis geschieht - vgl. zB VfSlg. 11624/1988; VwSlg. 2965 A/1953, 10833 A/1982), erübrigt sich die Erlassung eines Bescheides gegenüber dem Antragsteller. Gelangt die Behörde jedoch zum Ergebnis, daß es an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung mangelt, so hat sie über den Antrag bescheidmäßig (negativ) abzusprechen. Der Antragsteller kann also - entgegen der vom Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen VwSlg. 2965 A/1953 und 10833 A/1982 vertretenen Meinung - im Weg der Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof seinen Rechtsanspruch auf Anerkennung der Religionsgesellschaft durchsetzen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür gegeben sind.

Eine andere Auslegung verstieße einerseits gegen den Grundsatz, daß Gesetze im Zweifel verfassungskonform auszulegen sind; würde die Rechtsordnung diese Rechtsschutzmöglichkeit nicht einräumen, dürften - wie oben ausgeführt - an die Unterscheidung zwischen anerkannten und nichtanerkannten Religionsgesellschaften keine Rechtsfolgen geknüpft werden. Eine gegenteilige Interpretation würde auch das aus Art18 B-VG fließende Prinzip verletzen, daß ein vom Gesetz eingeräumter Anspruch (wie hier auf Anerkennung als Religionsgesellschaft bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen) auch rechtlich durchsetzbar sein muß (vgl. zB VfSlg. 5240/1966; siehe auch Rill, Demokratie, Rechtsstaat und staatliche Privatwirtschaftsverwaltung, in:

Wenger-FS, Wien 1983, 61, und die dort in Anm. 18 enthaltenen weiteren Literaturhinweise).

...".

Im Beschluß VfSlg. 13134/1992 (er betraf einen Individualantrag der nunmehrigen Einschreiter auf Aufhebung des §2 erster Absatz des AnerkennungsG) nahm der Verfassungsgerichtshof auf die eben zitierte Entscheidung Bezug und legte ergänzend folgendes dar:

"Der Verfassungsgerichtshof geht in der eben wiedergegebenen Judikatur also davon aus, daß die Behörde, wenn sie im Zuge des Anerkennungsverfahrens das Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen festgestellt hat, verpflichtet ist, die Anerkennung zu gewähren, und daß sie das Ergebnis ihrer Ermittlungen in einer Weise zu äußern hat, die rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. Bei positivem Ergebnis ihrer Ermittlungen ist sie verpflichtet, die Anerkennung durch Verordnung auszusprechen; sie kann außerdem (zusätzlich) bescheidmäßig das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen feststellen. Bei negativem Ergebnis ist dieses jedenfalls bescheidmäßig auszusprechen und zu begründen. Bleibt die Anerkennungsbehörde untätig, so haben die Anerkennungswerber die Möglichkeit, beim Verwaltungsgerichtshof Säumnisbeschwerde gemäß Art132 B-VG zu erheben. (So schon Gampl, Österreichisches Staatskirchenrecht, Wien 1971, 144 ff. (149), mit Hinweisen auf ältere Literatur; ebenso Gampl, Staatskirchenrecht (Leitfaden), Wien 1989, 49).

Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Judikatur abzurücken, die auch in Anbetracht des Art13 EMRK geboten ist, der den Trägern von durch die EMRK eingeräumten Rechten (s. im konkreten Zusammenhang die Art9 und 14 EMRK) einen Anspruch auf individuelle Durchsetzung ihrer Konventionsrechte gewährleistet (vgl. insb. Holoubek, Das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz, JBl. 1992, 137 ff., insb. 146).

.....

Allenfalls könnte dem Verfassungsgerichtshof entgegengehalten werden, er übersehe die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (Art132 B-VG) nur dann zulässig ist, wenn der versäumte Verwaltungsakt in der Erlassung eines Bescheides besteht (vgl. zB VwGH 20.12.1978, Zl. 2701/77). Zurückzuweisen sind nach dieser Rechtsprechung also etwa Säumnisbeschwerden wegen Nichterlassung einer Verordnung (zB VwGH 7.11.1956, Zl. 1871/56; 9.6.1969, Zl. 677/69; 20.3.1986, Zl. 86/06/0038; VwSlg. 5072/A/1959) oder wegen Nichtvornahme einer - schlichten - Beurkundung (zB VwSlg. 100/A/1947; VwGH 12.6.1985, Zl. 85/01/0147). Weiters ist der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu entnehmen, daß eine Säumnisbeschwerde auch dann unzulässig ist, wenn lediglich die negative, nicht hingegen die positive Erledigung eines Anbringens durch Bescheid zu erfolgen hätte (vgl. etwa VwSlg. 9151/A/1976, und VwGH 20.12.1978, Zl. 2701/77, wonach eine Säumnisbeschwerde nicht zulässig ist, wenn eine nach §3 Z5 des BundesministerienG 1973, BGBl. 389, begehrte Auskunft von der zuständigen Behörde nicht fristgerecht erteilt wurde).

Ein solcher Einwand ginge hier aber ins Leere: Der zuständige Bundesminister ('Kultusminister') hat, wenn er das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen verneint, über den Antrag bescheidmäßig negativ abzusprechen; wenn er hingegen zum Ergebnis gelangt, es seien alle Anerkennungsvoraussetzungen gegeben, muß er (wie dies der Verfassungsgerichtshof im oben wiedergegebenen Erkenntnis ausgedrückt hat) entweder 'die Anerkennung - sogleich - durch Verordnung' aussprechen oder aber vorerst einen an den (die) Antragsteller adressierten positiven Bescheid und zusätzlich eine an die Allgemeinheit gerichtete Verordnung erlassen. Die Anerkennungswerber haben nämlich - sofern ihrem Antrag nicht ohnedies in der eben beschriebenen Weise durch Erlassung einer Verordnung Rechnung getragen wird - einen individuellen Anspruch auf eine der Rechtskraft fähige und nachprüfbare Erledigung. Dahingestellt bleiben kann hier, ob der (positive) Bescheid und die Verordnung in e i n e m ('janusköpfigen') Verwaltungsakt zusammengefaßt werden dürfen (vgl. hiezu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 5. Aufl., Wien 1991, RZ 380).

Der Verwaltungsgerichtshof hat - sofern er nicht (vorerst) von der im §42 Abs4 erster Satz VwGG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, oder wenn die belangte Behörde dem vom Verwaltungsgerichtshof nach dieser Gesetzesbestimmung erteilten Auftrag nicht nachkommt - über die Säumnisbeschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden, wobei er auch das sonst der Verwaltungsbehörde zustehende freie Ermessen handhabt (§42 Abs4 zweiter Satz VwGG). Das bedeutet, daß der Verwaltungsgerichtshof an Stelle der säumigen Verwaltungsbehörde die von dieser bescheidmäßig zu treffende Sachentscheidung zu fällen hat (vgl. zB VwSlg. 8704/A/1974). Der Verwaltungsgerichtshof ist zwar nicht ermächtigt, Verordnungen zu erlassen. Das hindert ihn aber nicht daran, über den nach dem AnerkennungsG gestellten Antrag - positiv oder negativ - abzusprechen und damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (insbesondere jenen der EMRK) zu entsprechen. Im Fall einer positiven Entscheidung wird der 'Kultusminister' (das ist nunmehr der Bundesminister für Unterricht und Kunst) sodann eine entsprechende Verordnung zu erlassen haben."

b) Die Einschreiter wendeten sich daraufhin mit Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die dieser mit Beschluß vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155, zurückwies (s.o. I.1.a).

Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Auffassung folgendermaßen:

"Gemäß Art132 B-VG ist zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde berechtigt, wer in einem Verwaltungsverfahren als Partei die Entscheidungspflicht geltend machen konnte. Die Beschwerde kann gemäß §27 VwGG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

Auf der Grundlage dieser Rechtsvorschriften ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine Säumnisbeschwerde nur erhoben werden kann, wenn der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung seines im Bereich der Verwaltung unerledigt gebliebenen Begehrens hatte (vgl. etwa den Beschluß vom 21. April 1986, Zl. 86/12/0010, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die §§1 und 2 AnerkennungsG lauten:

...

Der an die belangte Behörde gerichtete Antrag der Beschwerdeführer war auf Anerkennung der 'Zeugen Jehovas' nach §2 AnerkennungsG gerichtet.

Die Anerkennung eines Religionsbekenntnisses als Kirche oder Religionsgesellschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Februar 1988, V11/87, VfSlg. 11624) - durch RECHTSVERORDNUNG auszusprechen (vgl. die Beschlüsse vom 11. Mai 1953, Zl. 908/53, VwSlg. 2965/A, und vom 27. September 1982, Zl. 82/10/0138 und 0144, VwSlg. 10833/A).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem (...) Beschluß vom 27. September 1982 ausführlich begründend dargelegt, daß er der Auffassung, über die Ablehnung des Antrages auf Anerkennung müsse ein Bescheid ergehen, nicht beitritt. Der Gerichtshof sieht sich auch aufgrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes nicht veranlaßt, von dieser Ansicht abzugehen. Die Entscheidung darüber, ob eine Verordnung zu erlassen ist, stellt seiner Ansicht nach - so lange vom Gesetzgeber nicht Gegenteiliges angeordnet ist - einen wesentlichen Teil des Verordnungsrechtes dar. Den Verordnungsgeber in seiner Entscheidung darüber, ob von ihm eine Verordnung erlassen wird, an einen individuellen Verwaltungsakt zu binden, ließe sich auch mit den von der Bundesverfassung vorausgesetzten Rechtsquellentypen der Verordnung und des Bescheides und ihres Verhältnisses zueinander mit dem hiefür eingerichteten, unterschiedlich ausgestalteten Rechtsschutzsystem sowie mit dem stufenförmigen Aufbau der Rechtsordnung nicht in Einklang bringen. Ebensowenig erscheint eine Auslegung des AnerkennungsG zulässig, nach der die Entscheidung über das 'ob' der Erlassung der Verordnung nur für den Fall der Verneinung dem Verordnungsgeber entzogen und einem individuellen Verwaltungsakt vorzubehalten wäre.

Nach Ansicht des Gerichtshofes erscheint es aber auch nicht vertretbar, daß ein und derselbe Rechtsakt 'Anerkennung' sowohl in der Rechtssatzform der Verordnung als auch der des Bescheides zu ergehen hätte. Der Gerichtshof pflichtet in diesem Zusammenhang vielmehr der vom Verfassungsgerichtshof vertretenen Auffassung bei, daß eine in Bescheidform intendierte Anerkennung auf einen Rechtsformenmißbrauch hinausliefe (vgl. VfSlg. 11624/1988). Im übrigen würde auch ein lediglich an die Anerkennungswerber adressierter positiver Bescheid nicht eine an die Allgemeinheit der Rechtsunterworfenen gerichtete Anerkennung bewirken. Eine solche kann nur im Wege einer Verordnung erfolgen, deren Erlassung jedoch mit dem vorhandenen Rechtsschutzinstrumentarium nicht erzwungen werden kann. Der vom Verfassungsgerichtshof beabsichtigte Rechtsschutz der Anerkennungswerber muß somit letztlich auch nach der von ihm gewählten Konzeption versagen.

Was den Hinweis auf Art13 EMRK anlangt, so ist dieser nach Auffassung des Gerichtshofes nicht stichhältig, da im Beschwerdefall die Verletzung von in der Konvention festgelegten Rechten und Freiheiten nicht zur Diskussion steht.

Auf die Erlassung einer generellen Norm, sei es in der Form eines Gesetzes oder in der einer Verordnung, steht niemandem ein Rechtsanspruch zu (vgl. etwa den Beschluß vom 31. März 1977, Zl. 425/77, mit weiteren Judikaturhinweisen). Auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. den bereits mehrfach genannten Beschluß vom 25. Juni 1992) ist der Verwaltungsgerichtshof nicht ermächtigt, Verordnungen zu erlassen.

Aufgrund dieser Erwägungen mußte daher die vorliegende Säumnisbeschwerde wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß §34 Abs1 VwGG ohne weiteres Verfahren in einem nach §12 Abs3 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückgewiesen werden."

c) Der Verfassungsgerichtshof wies mit Beschluß vom 10. März 1994, G239/93, einen neuerlichen (auf Aufhebung der §§1 und 2 AnerkennungsG gerichteten) Individualantrag der Einschreiter wegen entschiedener Sache zurück. Daher beschäftigte er sich diesmal nicht mit der Frage der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über eine Säumnisbeschwerde in Angelegenheiten des AnerkennungsG.

Er fügte allerdings folgendes bei:

"Der Verfassungsgerichtshof ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium auch nicht dazu berufen, mit bindender Wirkung über die Zuständigkeit oder Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über eine im gegebenen Zusammenhang bei diesem Gerichtshof erhobene Säumnisbeschwerde zu befinden (vgl. zB VfSlg. 1641/1948, S 104).

Jenen Personen, die seinerzeit beim Verwaltungsgerichtshof (...) Säumnisbeschwerde eingebracht haben, steht es aber frei, beim Verfassungsgerichtshof eine an sich gleichartige - allerdings auf die behauptete Verletzung von Rechten, wie sie im Art144 B-VG aufgezählt sind, abgestellte - (Säumnis-)Beschwerde zu erheben; wenn sodann der Verfassungsgerichtshof diese Beschwerde mangels Zuständigkeit zurückweisen würde, könnten die Einschreiter in weiterer Folge gemäß Art138 Abs1 litb B-VG iVm §46 Abs1 VerfGG einen Antrag auf Entscheidung eines (verneinenden) Kompetenzkonfliktes stellen."

Die Einschreiter brachten dann auch beim Verfassungsgerichtshof eine Säumnisbeschwerde ein, die mit Beschluß vom 21. Juni 1994, B960/94, zurückgewiesen wurde (s.o. I.1.b).

d) Der Verfassungsgerichtshof sieht sich - ungeachtet der Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155 (s.o., Pkt. 2.b) sowie der in der Äußerung des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1995 zur Sache enthaltenen Ausführungen (s.o., Pkt. I.3.) und des Vorbringens des Vertreters des Verwaltungsgerichtshofes in der am 23. Juni 1995 durchgeführten mündlichen Verhandlung - nicht veranlaßt, von seiner in den oben (Pkt. II.B.2.a) zitierten Beschlüssen geäußerten Ansicht abzurücken:

aa) Der Verfassungsgerichtshof ist in der oben (II.B.2.a) wiedergegebenen Rechtsprechung - in Übereinstimmung mit der Lehre - davon ausgegangen, daß bei Vorliegen der im AnerkennungsG enthaltenen Voraussetzungen ein Anspruch auf Anerkennung als Religionsgesellschaft besteht.

Ein solcher Anspruch muß - zumal die Rechtsordnung zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften differenziert und daran unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft - durchsetzbar sein, soll das Gesetz nicht in Widerspruch zu dem sich aus Art18 B-VG ergebenden Rechtsstaatsgebot stehen (vgl. z. B. VfSlg. 11931/1988). Auch die Berücksichtigung weiterer Verfassungsnormen (so Art7 B-VG, Art14 und 15 StGG sowie Art9 und 14 iVm Art13 EMRK) zeigt, daß bei verfassungskonformer Auslegung das AnerkennungsG einen Rechtsanspruch auf individuelle Durchsetzung gibt (vgl. VfSlg. 13134/1992, 13513/1993).

bb) Für die Durchsetzbarkeit der erwähnten, dem Kultusminister obliegenden Pflicht kommt nach dem System des Verfassungsrechtes primär die Beschwerde zumindest an einen der beiden Gerichtshöfe des öffentliches Rechtes in Betracht. Da bei einem Untätigbleiben des Kultusministers - wie oben erörtert - ausscheidet, daß der Verfassungsgerichtshof eine Sachentscheidung trifft, müßte in diesen Fällen eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sein.

Nun hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11624/1988 dargetan, daß das AnerkennungsG davon ausgehe, die Anerkennung iS dieses Gesetzes sei durch Rechtsverordnung auszusprechen. Erläßt der Kultusminister - wenngleich rechtswidrig - die Verordnung nicht, ist insoweit eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ausgeschlossen.

Der Verfassungsgerichtshof hat daher im Sinne einer gebotenen verfassungskonformen Auslegung auf die Verpflichtung des Kultusministers hingewiesen, gegebenenfalls (auch) einen (negativen oder positiven) Bescheid zu erlassen; damit aber besteht die Möglichkeit einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VfSlg. 11931/1988, 13134/1992).

Dem hält der Verwaltungsgerichtshof in der im vorliegenden Verfahren erstatteten Äußerung entgegen, "ein lediglich an den Anerkennungswerber adressierter positiver Bescheid würde nicht eine an die Allgemeinheit der Rechtsunterworfenen gerichtete Anerkennung bewirken". Wenn der Verwaltungsgerichtshof damit zum Ausdruck bringen wollte, ein individuell-konkreter Hoheitsakt sei zur Begründung von Rechtspersönlichkeit stets ungeeignet, so könnte der Verfassungsgerichtshof einer solchen Ausgangsposition nicht beitreten:

Die Verfassung überläßt es - im Rahmen der allgemein bestehenden verfassungsrechtlichen Schranken (so etwa des Sachlichkeitsgebotes und des Determinierungsgebotes) - dem einfachen Gesetzgeber, die Art und Weise zu bestimmen, wie ein Gebilde Rechtspersönlichkeit erlangt (so etwa bei einem Verein i. S. des Vereinsgesetzes durch Ablauf der sechswöchigen Untersagungsfrist oder aber durch vorherige bescheidmäßige Erklärung der Behörde, den Verein nicht zu untersagen; bei verschiedenen öffentlich-rechtlichen Genossenschaften durch bescheidmäßige Genehmigung der Statuten) und welche Rechte und Pflichten für welchen Personenkreis damit verbunden sind, so beispielsweise ob und welche Rechte und Pflichten über die Antragsteller hinaus für die Anhänger der Glaubensgemeinschaft mit dem Anerkennungsakt verbunden sind (vgl. VfSlg. 11624/1988, S 68).

Die Anerkennung als Religionsgesellschaft im Sinne des Anerkennungsgesetzes kann aufgrund des bundesverfassungsgesetzlichen Rechtstypenzwanges mit keinem anderen Instrument als mit Bescheid oder Verordnung erfolgen. Es ist dabei jedoch zu beachten, daß mit der Anerkennung als Religionsgesellschaft nicht nur ein individuell-konkreter Rechtsakt gegenüber den Proponenten dieser Religionsgemeinschaft bzw. gegenüber dieser selbst gesetzt wird, sondern darüber hinaus unbestrittenermaßen auch generell-abstrakte Wirkungen für einen unbestimmten Personenkreis verbunden sind. Da eine Anerkennungsverordnung gleichzeitig auch dem individuell-konkreten Rechtsschutzanliegen der Proponenten bzw. der Religionsgemeinschaft zur Gänze Rechnung trägt, ist im Anerkennungsfall die Erlassung eines Bescheides entbehrlich, wenn auch nicht unzulässig.

Wenn allerdings - wie im Säumnisbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Untätigkeit der Verwaltungsbehörde - die Bundesverfassung die Erlassung einer Verordnung durch das zur Entscheidung berufene Höchstgericht ausschließt, kommt auf dieser Ebene nur die Erlassung eines den versäumten Bescheid ersetzenden Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof (§42 Abs4 VwGG) in Betracht und ist im Hinblick auf das individuell-konkrete Rechtsschutzanliegen auch geboten. Der Bundesminister ist dann im Falle einer allfälligen Anerkennung als Religionsgesellschaft durch das im Säumnisbeschwerdeverfahren ergehende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet, diese Anerkennung im Verordnungswege kundzumachen. Der Umstand, daß für die Durchsetzung der Erlassung einer solchen Verordnung nach dem Rechtsschutzsystem der österreichischen Bundesverfassung den Interessenten kein dem Säumnisbeschwerdeverfahren vergleichbares Rechtsschutzinstrumentarium zur Verfügung steht, ändert nichts an der Verpflichtung des Bundesministers und deren - anderweitig gegebener, wenn auch nicht direkt durchsetzbarer - Sanktionierung; es darf dabei auch nicht übersehen werden, daß auch die Effektivität der Gewährung individuell-konkreten Rechtsschutzes nach Anrufung des Grenzorganes (etwa des Verwaltungsgerichtshofes) nur mehr davon abhängt, daß dieses Grenzorgan die ihm übertragenen Pflichten gesetzesgemäß wahrnimmt, ohne daß die Möglichkeit bestünde, sich im Falle von dessen Untätigkeit an ein anderes Staatsorgan zu wenden. Der Umstand allein, daß in der Frage der Verordnungserlassung im Untätigkeitsfall kein dem Bundesminister übergeordnetes Organ angerufen werden kann, vermag daher das Bestehen der Verpflichtung oder die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen an sich nicht in Frage zu stellen. Die Frage, welche Rechtswirkungen der Anerkennung einer Religionsgemeinschaft im einzelnen erst durch ordnungsgemäß kundgemachte Verordnung eintreten, kann hingegen in diesem Verfahren offenbleiben.

3. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes, die an ihn gerichtete Säumnisbeschwerde zurückzuweisen, nicht dem Gesetz entsprach.

Es war daher auszusprechen, daß die Entscheidung über die Säumnisbeschwerde in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt, und der entgegenstehende Beschluß aufzuheben.

4. Der Kostenausspruch gründet sich auf §52 VerfGG.

In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 6.000 S enthalten.

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