VfGH G264/94

VfGHG264/944.10.1995

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Wr BaumschutzG betreffend Fällungsbewilligungen und der Antragsberechtigung zur Erwirkung einer solchen Bewilligung mangels Legitimation; Möglichkeit der Beteiligung am Verwaltungsverfahren

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Wr BaumschutzG §4, §5
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Wr BaumschutzG §4, §5

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit seinem auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter, "die §§4 u. 5 des Gesetzes zum Schutze des Baumbestandes in Wien (Wiener Baumschutzgesetz), Landesgesetzblatt 1974/27 vom 7.5.1974 in der Fassung Landesgesetzblatt 1986/22 vom 14.3.1986" als verfassungswidrig aufzuheben. (Durch die - vom Antragsteller nicht erwähnte - Novelle zum Wiener BaumschutzG LGBl. 52/1993 erfuhren die angefochtenen Normen keine Änderung.)

2. Die angefochtenen Bestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:

"§4. (1) Das Entfernen von Bäumen bedarf einer behördlichen Bewilligung. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn

1. - 6. ...

(2) - (3) ...

§5. (1) Antragsberechtigt für eine Bewilligung nach §4 ist der Grundeigentümer (Bauberechtigte). Im Falle der Bestandgabe oder sonstigen Überlassung zur Nutzung ist unbeschadet allfälliger zivilrechtlicher Verpflichtungen auch der Bestandnehmer oder sonstige Nutzungsberechtigte zur Antragstellung berechtigt.

(2) - (5) ..."

3. Der Antragsteller bringt vor, daß nach den zitierten Bestimmungen antragsberechtigt hinsichtlich der Bewilligung von Baumfällungen auf einer Liegenschaft der Eigentümer oder der sonstige Nutzungsberechtigte sei; Nachbarn würden keine Parteienrechte zuerkannt. In der Verweigerung der Parteistellung im Verfahren zur Erteilung einer Baumfällungsbewilligung sei eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu erblicken. Der Landesgesetzgeber habe nämlich "in durchaus gleichgelagerten Sachverhalten" den Nachbarn regelmäßig Parteirechte zuerkannt - so "insbesondere im Baubewilligungsverfahren".

4. Zur Antragslegitimation bringt der Einschreiter vor:

"Ich bin Eigentümer der Liegenschaft ... in 1120 Wien und

wohne auch dort. Auf der benachbarten Liegenschaft ... stehen 4

mehrstämmige Linden sowie eine Esche mit einem Stammumfang von ca. 90 cm und einer geschätzten Höhe von ca. 20 m. Auf Antrag des Liegenschaftseigentümers wurde vom Magistratischen Bezirksamt zur Zl. MBA-12-P/347/93 am 9. November 1993 die Fällung dieser Bäume bewilligt. In diesem Verfahren erhielt ich laut Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien vom 29. August 1994 keine Parteistellung. Nunmehr wurde mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 21. Juli 1994 zur AZ MD-VfR-BXII-12/94 in diesem Zusammenhang eine Baubewilligung zur Errichtung eines Hauses auf dieser Liegenschaft erteilt. Es steht daher die Fällung dieser Bäume unmittelbar bevor. Aus diesem Grunde ist mir die Erlangung eines letztinstanzlichen Bescheides über die Verweigerung der Parteistellung für mich nicht zumutbar. Bis zur Erlangung eines derartigen Bescheides wären die gegenständlichen Bäume sicher schon gefällt. Daher ist der Weg des Individualantrages gemäß Art140 Abs1 B-VG für mich der einzige Weg einer Klaglosstellung."

II. Der Antrag ist nicht zulässig:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).

Ein solcher anderer zumutbarer Weg ist im vorliegenden Fall gegeben:

Es stand dem Antragsteller frei zu versuchen, sich am Verwaltungsverfahren betreffend die Erteilung der Fällungsbewilligung an den Eigentümer der Nachbarliegenschaft zu beteiligen. Wie aus dem Antragsvorbringen hervorgeht, hat er dies auch getan, da er (seinen eigenen Ausführungen zufolge) in diesem Verfahren eine Mitteilung des Magistrates der Stadt Wien erhalten hat, derzufolge ihm keine Parteistellung zukomme (s. oben, Pkt. I.4). Der Einschreiter hätte in der Folge begehren können, daß die Behörde über diese Frage mit einem Feststellungsbescheid abspricht; über diesen Antrag hätte die Behörde entscheiden müssen. Falls die Parteistellung verneint worden wäre, hätte der Einschreiter gegen diesen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG erheben und darin auch die Verfassungswidrigkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Gesetzesbestimmungen geltend machen können (vgl. VfSlg. 8148/1977 und die dort zitierte Vorjudikatur des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes).

Auch der vom Einschreiter ins Treffen geführte Umstand, daß die Fällung der Bäume "unmittelbar bevorsteht", macht die Erlangung eines (letztinstanzlichen) Bescheides über die Frage der Parteistellung - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht unzumutbar. Im übrigen vermag auch das Stellen eines an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Individualantrages den Vollzug einer rechtskräftig erteilten Fällungsbewilligung nicht zu hemmen.

2. Somit stand dem Einschreiter ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit zur Verfügung. Sein Individualantrag war daher mangels Legitimation zur Antragstellung gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

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