VfGH B417/93

VfGHB417/9328.9.1993

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags nach Versäumung der Frist zur Behebung eines Formmangels (Firmenbuchauszug).

Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Grund, das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, daß es zu einem Irrtum bei den als Fristensachen aufzugebenden Schriftstücken durch seit Jahren stets verläßliche Mitarbeiter des Beschwerdevertreters kam.

Normen

VfGG §33
ZPO §146 Abs1
VfGG §33
ZPO §146 Abs1

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung eines Formmangels wird stattgegeben.

Begründung

Begründung

1. Mit einem am 23. Juni 1993 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz beantragt die beschwerdeführende Gesellschaft die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung eines Formmangels und legte gleichzeitig den über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs vom 23. März 1993, zugestellt am 25. März 1993, verlangten Nachweis der Vertretungsbefugnis (Firmenbuchauszug) jener Person(en), die für die Gesellschaft die Vollmacht erteilt hat bzw. haben, vor.

2. Zum (rechtzeitig eingebrachten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, daß die Eingabe "infolge eines heute nicht mehr nachvollziehbaren manipulativen Fehlers" nicht der Post überreicht wurde, obwohl die Abfertigung des Firmenbuchauszuges im - dem Verfassungsgerichtshof in Kopie vorgelegten - Kanzlei-Terminkalender bestätigt wurde und die Abfertigung durch verläßliche langjährige Mitarbeiter erfolgte, die ihre Aufgaben immer anstandslos und verläßlich erfüllt hatten.

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist begründet.

Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 10880/1986, 11537/1987). Nach dem vom Verfassungsgerichtshof als glaubhaft angenommenen Vorbringen des Beschwerdevertreters kann das Verschulden einer Kanzleikraft oder eines Mitarbeiters, für die die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO; vgl. auch VfSlg. 10345/1985), nur als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden. Der Verfassungsgerichtshof sieht nach Lage des Falles keinen Grund, das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, daß es zu einem Irrtum bei den als Fristensachen aufzugebenden Schriftstücken durch seit Jahren stets verläßliche Mitarbeiter des Beschwerdevertreters kam. Unter den vorliegenden Umständen kann nicht davon gesprochen werden, daß nicht auch einem sorgfältig arbeitenden Menschen eine derartige Fehlleistung gelegentlich unterlaufen kann (vgl. VfSlg. 10771/1986).

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zu bewilligen.

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