VfGH B2025/92,V113/92,V114/92

VfGHB2025/92,V113/92,V114/92B2025/92,V113/92,V114/92B2025/92,V113/92,V114/9229.11.1993

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Vorschreibung eines Pflichtbeitrags für die Mitversicherung der Ehefrau eines Arztes in der Krankenpflegehilfe; keine Gesetzwidrigkeit bzw Unsachlichkeit der diese Vorschreibung anordnenden Regelungen der Satzung eines Wohlfahrtsfonds bzw der BeitragsO; Zurückweisung der Individualanträge mangels Legitimation

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
BeitragsO der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich §9 Abs4
Satzung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer für Oberösterreich §27 Abs2 lita
ÄrzteG §62 ff
ÄrzteG §72 Abs6
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
BeitragsO der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich §9 Abs4
Satzung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer für Oberösterreich §27 Abs2 lita
ÄrzteG §62 ff
ÄrzteG §72 Abs6

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer, der den Beruf eines Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Linz ausübt, ist Mitglied der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich. Nach seiner Eheschließung am 30.8.1991 ist ihm von der Wohlfahrtskasse für das vierte Quartal des Jahres 1991 der Pflichtbeitrag für die Mitversicherung seiner Frau gemäß §27 Abs2 lita der Satzung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer für Oberösterreich (im folgenden: Satzung) und §9 Abs4 der Beitragsordnung zur Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich (im folgenden: Beitragsordnung) in der Höhe von S 1.590,-- vorgeschrieben worden.

Dem daraufhin gestellten Antrag des Beschwerdeführers, ihn von der Verpflichtung zur Zuzahlung des Beitrages für die Krankenpflegehilfe für seine Frau deshalb zu befreien, weil diese als Apothekerin erwerbstätig und durch ihren Dienstgeber in Form einer Gruppenversicherung zusatz- bzw. zweiteklasseversichert sei, ist mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Beschwerdeausschusses der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich vom 29. Oktober 1992, Z BA 1/92, keine Folge gegeben worden. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß gemäß §25 Abs1 der Satzung jeder ordentliche Kammerangehörige nach Maßgabe ihrer Bestimmungen verpflichtet sei, an der Krankenunterstützung teilzunehmen und die vorgeschriebenen Fondsbeiträge zu leisten, soweit er nicht von der Beitragspflicht ganz oder teilweise befreit sei. Eine freiwillig eingegangene und eine Doppelversicherung bewirkende Zusatzversicherung eines Mitgliedes oder eines Familienangehörigen desselben zähle nicht zu den von der Satzung vorgesehenen Ausnahmen aus dem durch sie begründeten Pflichtversicherungsverhältnis. Aufgrund der persönlichen Verhältnisse des Antragstellers sei auch eine Befreiung von der Beitragspflicht infolge geringer finanzieller Leistungsfähigkeit nicht möglich. Im übrigen seien die Bestimmungen der Satzung und der Beitragsordnung vom Verwaltungsausschuß und vom Beschwerdeausschuß der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich ungeachtet allenfalls bestehender Bedenken gegen deren Gesetzmäßigkeit oder Verfassungskonformität anzuwenden.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art139 Abs1 und Art144 B-VG gestützte, als Beschwerde bezeichnete Eingabe, in der einerseits die Anträge gestellt werden, der Verfassungsgerichtshof möge "a) die Bestimmung des §27 Abs2 lita) der Satzung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer für OÖ. und

b) §9 Abs4 der Beitragsordnung zur Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für OÖ. als gesetzwidrig aufheben", und andererseits die Anträge auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

2.2. Die im Verfahren nach Art144 B-VG zur Erstattung einer Gegenschrift aufgeforderte bescheiderlassende Behörde, der Beschwerdeausschuß der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich, hat keine Äußerung erstattet. Die - hiezu nicht eingeladene - Ärztekammer hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine von der Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses und dem Präsidenten der Ärztekammer für Oberösterreich unterfertigte, als "Gegenschrift" bezeichnete Eingabe vorgelegt, auf die, als von unzuständiger Seite erstattet, nicht weiter einzugehen ist.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof hat zur - zulässigen - Beschwerde erwogen:

2.3.1. In der Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird vorgebracht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid dazu verpflichtet werde, für seine Gattin einen Beitrag zu leisten, obwohl diesem keine Leistung aus der Krankenpflegehilfe gegenüberstehe, da durch die von seiner Ehefrau abgeschlossene Zusatzversicherung zur Krankenversicherung alle jene Leistungen und Ausgaben abgedeckt seien, die sie sonst durch die Krankenpflegehilfe aufgrund der Satzung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer für Oberösterreich abgedeckt und vergütet bekommen würde. Er werde daher durch den angefochtenen Bescheid dazu verpflichtet, Beiträge für eine Krankenversicherung zu bezahlen, die ihn nicht betreffe und aus der keinerlei Leistungen bezogen würden. Er sei daher schlechter gestellt als andere Staatsbürger, welche nicht Kammerangehörige im Sinne des §40 Ärztegesetz 1984 seien. Eine sachliche Begründung für diese Differenzierung sei nicht gegeben, da es sich bei dem für seine Frau zu leistenden Beitrag um einen Beitrag für einen Nicht-Kammerangehörigen handle, der daher auch nicht der Risikogemeinschaft dieses Berufsstandes angehören könne. Auch die Möglichkeit des Ausscheidens der Ehefrau des Beschwerdeführers aus der freiwilligen Gruppenversicherung bei ihrem Dienstgeber zur Vermeidung einer zweifachen Beitragsleistung könne die bestehende Differenzierung nicht begründen. Wenn sie nämlich aus dieser freiwilligen Gruppenversicherung ausscheiden würde und nach mehreren Jahren allenfalls wieder einen Eintritt in diese Gruppenversicherung aus besonderen Gründen (etwa Ehescheidung) wünschen würde, so könnte ein neuerlicher Eintritt in diese möglicherweise aufgrund ihres Alters nicht mehr möglich sein, wodurch dann eine entsprechende Schlechterstellung gegeben wäre.

2.3.2. Der Beschwerdeführer behauptet, der angefochtene Bescheid verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Eine Verletzung dieses Rechtes kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Das Vorliegen solcher gravierender Verfahrensmängel - Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhaltes der angewendeten Vorschriften und/oder Willkür - wird aber gar nicht behauptet. Soweit die Begründung des angefochtenen Bescheides kritisiert wird, werden lediglich Fragen der korrekten Anwendung der Bestimmungen der Satzung und der Beitragsordnung aufgeworfen; ob die belangte Behörde jedoch richtig entschieden hat, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.

Wogegen sich die eine Verletzung des Gleichheitssatzes rügenden Beschwerdebehauptungen der Sache nach eigentlich wenden, sind die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides. Bedenken hinsichlich eines möglichen Widerspruches der den angefochtenen Bescheid tragenden Verordnungsbestimmungen zum Ärztegesetz 1984 sind im Verfassungsgerichtshof aus Anlaß des Beschwerdefalles jedoch nicht entstanden. In den Vorschriften bezüglich des Wohlfahrtsfonds im 2. Abschnitt des Ärztegesetzes 1984 (§§62 ff.) werden als Empfänger von Versorgungsleistungen neben den anspruchsberechtigten Kammerangehörigen auch deren Familienmitglieder (bzw. Hinterbliebene) genannt: Kinder, Waisen, Witwen, Witwer und Ehegatten. Darüber hinaus ist die Möglichkeit, in der Satzung des Wohlfahrtsfonds Leistungen für erkrankte Ehegatten vorzusehen, im Ärztegesetz 1984 ausdrücklich angeführt (vgl. §72 Abs6 leg.cit.). Aufgrund dieser Gesetzeslage ist es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht gesetzwidrig, wenn in der Satzung eines Wohlfahrtsfonds bzw. in einer Beitragsordnung bei der Regelung der Höhe der zu entrichtenden Beiträge auf die Familienverhältnisse der Kammerangehörigen Rücksicht genommen wird.

Ein Verstoß der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides gegen den - sowohl den Gesetz- als auch den Verordnungsgeber bindenden (vgl. VfSlg. 10492/1985) - Gleichheitssatz ist ebenfalls nicht erkennbar. Auch die vorgebrachten Bedenken vermögen es nicht, einen solchen darzutun. Der Beschwerdeführer begründet nämlich die Unsachlichkeit der Vorschreibung eines Beitrages - und damit auch die Unsachlichkeit der diese Vorschreibung anordnenden Regelungen - für die Mitversicherung seiner Frau in der Krankenpflegehilfe letztlich lediglich mit dem Hinweis auf die bestehende, von seiner Frau vor ihrer Eheschließung freiwillig abgeschlossene Zusatzversicherung zur Krankenversicherung. Ganz abgesehen davon, daß beim Bestehen eines Systems der gesetzlichen Sozialversicherung einer privaten Versicherung nur der Charakter einer Zusatzversicherung zukommen kann, macht der im Rahmen privatautonomer Gestaltungsfreiheit erfolgte Abschluß einer solchen freiwilligen Versicherung eine in bezug auf die Versorgung einer bestimmten Personengruppe - nämlich die Angehörigen einer Ärztekammer und ihre Familienmitglieder - im Krankheitsfalle getroffene Regelung nicht unsachlich, sodaß gegen diese aus der Sicht dieses Beschwerdefalles keine Bedenken im Hinblick auf Art7 B-VG bestehen.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2.3.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

2.3.4. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

2.4. Zu dem - wie aus der bezogenen Norm, dem Vorbringen und den gestellten Anträgen eindeutig hervorgeht fälschlicherweise - als "Beschwerde gemäß Art139 Abs1 B-VG" bezeichneten Individualantrag wird erwogen:

2.4.1. Zu dessen Begründung wird im wesentlichen vorgebracht, daß die Bestimmungen des §27 Abs2 lita der Satzung und des §9 Abs4 der Beitragsordnung nicht durch das Ärztegesetz gedeckt seien. Dieses nämlich sehe weder in seinem §75 noch in einer anderen Bestimmung vor, daß auch für Familienangehörige eines Kammerangehörigen, welche selbst kranken- und zusatzversichert sind, Beiträge zu bezahlen seien. Gerade das aber werde durch die bekämpften Bestimmungen angeordnet. Zur Zulässigkeit wird vorgebracht:

"Mir wurde der Beitrag für meine Gattin auch vorgeschrieben. Es sind daher die oben genannten gesetzwidrigen Bestimmungen der beiden genannten Verordnungen für mich tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden."

2.4.2. Voraussetzung für die Legitimation zur Stellung eines Individualantrages ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer durch die Stellung seines Antrages auf Befreiung von der Pflicht zur Leistung des Beitrages für die Mitversicherung seiner Frau in der Krankenpflegehilfe den ihm zumutbaren Weg der Erwirkung eines letztinstanzlichen Bescheides beschritten, der es ihm ermöglicht, seine Bedenken gegen §27 Abs2 lita der Satzung und des §9 Abs4 der Beitragsordnung im Wege der Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, was er mit seiner auf die Art139 Abs1 undArt144 B-VG gestützten Eingabe auch getan hat.

Die in dem auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Teil der Eingabe gestellten Anträge auf Aufhebung der Bestimmungen des §27 Abs2 lita der Satzung und des §9 Abs4 der Beitragsordnung waren daher allein schon aus diesem Grund mangels Legitimation zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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