Normen
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgte
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
StGG Art9
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgte
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
StGG Art9
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Begründung
1.1.1. In gemeinsam ausgeführten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 (Abs1) B-VG begehrten H S und seine Mutter M S die kostenpflichtige Feststellung, daß sie durch dem Finanzamt Linz als belangter Behörde zuzurechnende "faktische Amtshandlungen" vom 9. August 1990 (Hausdurchsuchung, Beschlagnahme von Gegenständen), demnach durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden seien, so im Hausrecht (Art9 StGG), im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Wohnung und des Briefverkehrs (Art8 EMRK) und im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG), H S überdies im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG); hilfsweise wurde die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.
1.1.2. Das Finanzamt Linz als belangte Behörde erstattete unter Vorlage der Verwaltungsakten eine Gegenschrift und trat darin - teils ausdrücklich, teils der Sache nach - dafür ein, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
1.1.3. Über die Beschwerde des H S wurde bereits mit (Zurückweisungs-)Beschluß des Verfassungsgerichtshofs vom 30. September 1991, B1108/90, entschieden.
2. Über die Beschwerde der M S wurde erwogen:
2.1.1. Vorausgeschickt wird, daß dieses beim Verfassungsgerichtshof am 1. Jänner 1991 bereits anhängig gewesene Verfahren (über eine Beschwerde gegen Akte unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) kraft der Übergangsbestimmung des ArtIX Abs2 (iVm ArtX Abs1 Z1) des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 (Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988), BGBl. 685/1988, nach der "bisherigen" Rechtslage, d.h. nach der Rechtslage bis zum 31. Dezember 1990, zu behandeln ist.
2.1.2. Unter Berufung auf §93 Abs1 FinStrG hatte das Finanzamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz am 6. August 1990 zur Z78/90-wa einen schriftlichen (Hausdurchsuchungs-)Befehl gegen H S zur Vornahme einer Hausdurchsuchung in dessen "Wohnung und sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten sowie in den Wirtschafts-, Gewerbe- oder Betriebsräumen" ua. in 4050 Traun, Untere Dorfstraße 30, erlassen.
Die Begründung dieses Befehls lautete wörtlich wie folgt:
"H S hat in den vergangenen Jahren Buchhaltungsarbeiten und Abschlüsse für mehrere Personen und mehrere Firmen durchgeführt, ohne die erzielten Einnahmen steuerlich einzubekennen. Die Hausdurchsuchung in den Räumen des H S erscheint deshalb gerechtfertigt, weil durch eine Zeugenaussage dem Finanzamt bekannt geworden ist, daß er von jenen Firmen, die er steuerlich betreut, Geschäftsunterlagen aufbewahrt. Weiters besteht der begründete Verdacht, daß sich dort Aufzeichnungen über erzielte Einnahmen, Banküberweisungen, Sparbücher befinden, die im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen."
Die angeordnete Hausdurchsuchung wurde von finanzbehördlichen Organen am 9. August 1990 an Ort und Stelle, und zwar in Abwesenheit des Betroffenen (und der Beschwerdeführerin), unter Beiziehung von Sicherheitswachebeamten (§94 Abs4 FinStrG) durchgeführt.
Dabei wurden mehrere Aktenordner, Kontoblätter und Belege (des H S) beschlagnahmt und in amtliche Verwahrung genommen (VfGH 30.9.1991 B1108/90).
2.2.1. M S - gegen die ein Hausdurchsuchungsbefehl nicht ergangen war - steht das grundbücherlich einverleibte Recht zur "ausschließlichen Benützung der zwei linksseitig des Hauseingangs ... gelegenen Räume" im Hause 4050 Traun, Untere Dorfstraße 30, zu.
Sie behauptet nun, daß im Zug der Hausdurchsuchung gegen ihren Sohn (auch) diese ihre Wohnräume ohne Rechtsgrund durchsucht und daraus Unterlagen behördlich entfernt worden seien.
Die belangte Behörde bestreitet dies in ihrer Gegenschrift ausdrücklich: Die einschreitenden Organe hätten jene Räumlichkeiten des Hauses von der Hausdurchsuchung ausgenommen, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach nicht von H S bewohnt worden seien, wie dies vor allem auf die Räumlichkeiten links vom Eingang zugetroffen habe. Dazu führte die belangte Behörde in einer ihr gemäß §20 Abs2 VerfGG 1953 abverlangten Stellungnahme aus:
"Diese Räume (seien) im Zug der Hausdurchsuchung ... nur sehr kurz betreten (worden) - maximal eine Minute für beide Räume -, um sich einen Eindruck von der Verwendung dieser Räume zu verschaffen". Die Behauptung in der Beschwerdeschrift, daß dort ein PSK-Sparbuch und zwei Ordner beschlagnahmt wurden, treffe nicht zu, zumal zwei Beamte des Gendarmeriepostens Traun während der Amtshandlung anwesend waren und die Quittierung der beschlagnahmten Unterlagen überwacht hatten. Der Beschwerdeführer zu B1108/90 habe einem Sachbearbeiter des Finanzamts Linz auf die Frage hin, warum die Beschwerde derartige Behauptungen enthalte, geantwortet, er könne zwar nicht sicher sagen, daß diese Sachen beschlagnahmt worden seien, aber jedenfalls würden sie seit der Hausdurchsuchung fehlen. Diese Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht.
2.2.2. Das Beschwerdevorbringen findet keinerlei Stütze in den eingesehenen Verwaltungsakten AZ 78/90-wa des Finanzamts Linz, deren Beischaffung als Beweismittel die Beschwerdeführerin beantragt hatte. Ebensowenig liefert der Strafakt zur Straflisten-Nr. 91/90 des Finanzamts Linz, in den der Verfassungsgerichtshof ebenfalls Einsicht nahm, irgendwelche Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Beschwerdebehauptungen. Ein sicherer Nachweis dafür, daß es in den Wohnräumen der Beschwerdeführerin zur behaupteten Durchsuchung und Beschlagnahme gekommen sei, konnte bei all dem nicht erbracht werden. Von der Aufnahme der angebotenen weiteren Zeugenbeweise - angekündigte Lichtbilder wurden dem Beschwerdevorbringen zuwider nicht nachgereicht - mußte der Verfassungsgerichtshof (als unerheblich) Abstand nehmen, weil die beantragten Zeugen nach der Aktenlage gar nicht als Tatzeugen in Betracht kommen und im Beweisantrag nicht angegeben wird, aus welchen konkreten Gründen sie unter solchen Umständen überhaupt über die Vorgänge im Haus des H S am 9. August 1990 Entscheidungswichtiges aussagen könnten.
Der Vollständigkeit halber bleibt beizufügen, daß das bloße Betreten einer Wohnung (für ganz kurze Zeit), ohne dort nach etwas zu suchen, nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (noch) nicht als Hausdurchsuchung zu beurteilen ist (vgl. zB VfSlg. 6528/1971, 8668/1979; zuletzt:
2.2.3. Demnach fehlt es hier an erwiesenen Zwangsakten gegen die Beschwerdeführerin und damit an einem tauglichen Beschwerdegegenstand iSd Art144 Abs1 B-VG idF vor der B-VG-Novelle 1988, weshalb die Beschwerde - als unzulässig - zurückzuweisen war.
2.3. Der Eventualantrag der Beschwerdeführerin auf Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur für den - hier nicht gegebenen - Fall einer ablehnenden Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofs vorgesehen ist, nicht hingegen auch bei Zurückweisung einer unzulässigen Beschwerde (vgl. zB VfGH 25.2.1983 B439/82).
2.4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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