Normen
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung Wirkung
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Wr BauO 1930 §69 Abs1
Wr BauO 1930 §69 Abs6
VfGG §87 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung Wirkung
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Wr BauO 1930 §69 Abs1
Wr BauO 1930 §69 Abs6
VfGG §87 Abs2
Spruch:
Die Beschwerdeführerinnen sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Stadt Wien ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 15.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit dem im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 22. Mai 1991 wies die Bauoberbehörde für Wien den Antrag der Beschwerdeführerinnen auf nachträgliche Bewilligung der Abweichung von einem näher bezeichneten, bescheidmäßig bewilligten Bauvorhaben gemäß §§70 und 71 BauO f Wien ab und begründete dies im wesentlichen damit, daß das Bauvorhaben in Widerspruch zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan PD Nr. 6020 stehe und mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 6. Dezember 1990 der Antrag auf eine Ausnahmebewilligung gemäß §69 Abs1 BauO f Wien abgewiesen worden war. Der Bescheid der Bauoberbehörde vom 22. Mai 1991 ist Gegenstand der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde.
II. Die Beschwerde ist begründet.
1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde insbesondere dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 9696/1983).
Mit dem heute gefällten Erkenntnis B104/91 hob der Verfassungsgerichtshof den in der Begründung des bekämpften Bescheides bezogenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 6. Dezember 1990, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerinnen auf Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften abgewiesen worden war, wegen Anwendung des als verfassungswidrig aufgehobenen §69 Abs1 BauO f Wien auf (zur Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung s. VfGH 11.12.1991 G74/90, G178/90). Die Aufhebung des die Ausnahmebewilligung versagenden Bescheides vom 6. Dezember 1990 durch den Verfassungsgerichtshof bewirkte, daß das (Bau-)Verfahren wieder in jenes Stadium zurücktrat, in dem es sich vor der Erlassung dieses Bescheides befunden hatte (§87 Abs2 VerfGG).
Daraus folgt die Unzuständigkeit der Bauoberbehörde für Wien zur Erlassung des nun angefochtenen Berufungsbescheides, mit dem die Baubewilligung versagt wurde: Gemäß §69 Abs6 BauO f Wien darf "vor Rechtskraft der Bewilligung der erforderlichen unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften ... eine Baubewilligung nicht erteilt werden". Da die Bauoberbehörde für Wien den über die Baubewilligung absprechenden Bescheid in der - nach dem eben Gesagten - objektiv unrichtigen Annahme erließ, daß der (nunmehr durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bescheid) über die begehrte Ausnahmebewilligung gemäß §69 BauO f Wien in Rechtskraft erwachsen war, nahm sie sohin eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit zu einer Sachentscheidung in Anspruch und verletzte damit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Beschwerdeführerinnen auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Der bekämpfte Bescheid war daher aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 2.500 enthalten.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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