VfGH B227/91

VfGHB227/9110.12.1992

Prüfung eines Ersatzbescheides nach stattgebendem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes; Verletzung im Eigentumsrecht durch Unterstellung eines verfassungswidrigen Inhaltes der Bestimmung des EStG 1972 über den Verlustvortrag bei Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung; kein Ausschluß des Verlustabzuges selbst bei griffweiser und pauschaler Schätzung in bloßen Teilbereichen der betrieblichen Tätigkeit

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
GewerbesteuerG 1953 §6 Abs2
EStG §18 Abs1 Z4
VwGG §63 Abs1
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
GewerbesteuerG 1953 §6 Abs2
EStG §18 Abs1 Z4
VwGG §63 Abs1

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig den Beschwerdeführern zuhanden ihres Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Nach §18 Abs1 Einkommensteuergesetz 1972 (EStG) sind als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte unter anderem abzuziehen

"4. bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §4 Abs1 oder nach §5 auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, die in den sieben vorangegangenen Wirtschaftsjahren entstandenen Verluste aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb, soweit sie nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre ausgeglichen oder abgezogen worden sind. Die Höhe des Verlustes ist nach den Vorschriften der §§4 bis 14 zu ermitteln, ..."

Eine ähnliche Regelung trifft §6 Abs2 Gewerbesteuergesetz.

Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bedeutung der Einschränkung "aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung" in §18 Abs1 Z4 EStG.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 28. Dezember 1984 wurden unter anderem gemäß §188 BAO negative Einkünfte der von den Beschwerdeführern gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus dem Betrieb eines Hotels mit verschiedenen Dienstleistungs- und Freizeiteinrichtungen für die Jahre 1977 und 1978 festgestellt. Über eine vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion erhobene Beschwerde hob jedoch der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. September 1987, Zl. 85/14/0038,0039, diesen Feststellungsbescheid auf. Der mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Bescheid der Finanzlandesdirektion vom 25. Jänner 1991 entscheidet nunmehr neuerlich über die Berufung gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1977 und 1978. Er stellt Verluste von 5,583.153 S für 1977 und von 1,466.633 S für 1978 fest und spricht aus, daß diese Verluste nicht vortragsfähig sind.

Hinzuschätzungen wurden in den Erlösbereichen Tennisplätze, Motorboote und Friseur vorgenommen, weil die vom Personal geführten Aufzeichnungen durch persönliche Aufschreibungen des Erstbeschwerdeführers ersetzt worden waren (die schon der Betriebsprüfer als unglaubwürdig erachtet hatte), und im Bereich von Bar und Diskothek, weil die vom Personal hergestellten Bons und Registrierkassenstreifen vernichtet worden waren und der Erstbeschwerdeführer diese Einnahmen im Wege einer den innerbetrieblichen Waren(Getränke)fluß zu Verkaufspreisen nachvollziehenden "Stockverrechnung" erfaßt zu haben meinte.

Die Frage der Vortragsfähigkeit der Verluste aus 1977 und 1978 war bereits Gegenstand des Verfahrens zur Vorschreibung der Einkommensteuer für 1981 (für den Erstbeschwerdeführer) von 1981 bis 1983 (für den Zweitbeschwerdeführer). Mit Bescheiden vom 11. November 1985 - zu einem Zeitpunkt also, in dem das Verfahren über die Präsidentenbeschwerde gegen die Feststellung von Verlusten beim Verwaltungsgerichtshof noch anhängig war - lehnte die Finanzlandesdirektion im Instanzenzug den Verlustvortrag mit der Begründung ab, daß für die Verlustjahre die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht gegeben gewesen sei. Über die Frage, ob ein einheitlich festgestellter Verlust vortragsfähig sei, müsse für die einzelnen Teilhaber einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bei ihrer Veranlagung zur Einkommensteuer und für jeweils das Kalenderjahr, für welches der Abzug geltend gemacht wird, abgesprochen werden. Lediglich hinsichtlich der Höhe des Verlustes (Verlustanteiles), nicht aber hinsichtlich der Berechtigung zum Verlustvortrag bestehe eine Bindung an den Feststellungsbescheid.

Gegen die genannten Einkommensteuerbescheide für 1981 bis 1983 erhoben die Beschwerdeführer zu B27/86 und B28/86 Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der aus Anlaß dieser Beschwerden von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §4 Abs1 oder nach §5 auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln" in §18 Abs1 Z4 EStG unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes prüfte und mit Erkenntnis vom 3. März 1987, G170-172/86 = VfSlg. 11260/1987 aussprach, daß diese Worte nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden, anhand der dieses Ergebnis tragenden verfassungskonformen Auslegung der geprüften Wortfolge aber in den Beschwerdefällen mit Erkenntnis vom 12. Oktober 1987, B27,28/86 = VfSlg. 11495/1987 zur Aufhebung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide gelangte:

Die Behörde habe dem angewendeten Gesetz zu Unrecht einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt.

Der für die Bedeutung der ordnungsgemäßen Buchführung für die Zulässigkeit des Verlustvortrages wesentliche Teil dieses Erkenntnisses VfSlg. 11260/1987 lautet:

"Die in Prüfung stehende Wortfolge hat die normative Bedeutung, daß das Institut des Verlustvortrags nur jenen Einkommensteuerpflichtigen zur Verfügung steht, die ihren Gewinn durch Vermögensvergleich ermitteln, wobei die auf §5 EStG verweisende Formulierung 'auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung' - wie die Bundesregierung entgegen einer verbreiteten Praxis der Finanzverwaltung richtig erkennt - nicht bedeutet, daß eine formell ordnungsmäßige Buchhaltung Voraussetzung für den Verlustvortrag ist, sondern daß ein Verlustvortrag für bilanzierende Einkommensteuerpflichtige immer dann zulässig ist, wenn der Verlust - allenfalls auch nach Korrektur der Buchhaltung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung - seiner Höhe nach errechnet werden kann und das Ergebnis auch überprüfbar ist.

Geht man von diesem Verständnis aus, so ist auch den im Einleitungsbeschluß gegenüber der Ausschaltung von bilanzierenden Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken der Boden entzogen."

Das erst nach diesem Erkenntnis, aber noch vor Aufhebung der Bescheide in den Anlaßbeschwerdeverfahren ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1987 über die Präsidentenbeschwerde gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften und die gleichfalls angefochtene Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages für 1976 bis 1980 führt zur Rüge der anteiligen Kürzung der für 1979 und 1980 erzielten Gewerbeerträge um den 1977 entstandenen Fehlbetrag folgendes aus (Hervorhebung im Original):

"Gemäß §6 Abs3 GewStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung wird bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn durch Bestandsvergleich auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, der Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahre ... ergeben haben.

Nun hat zwar der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. März 1987, G170-172/86, bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit (auch) dieser Worte im §18 Abs1 Z4 EStG ausgeführt, diese Formulierung bedeute nicht, 'daß eine formell ordnungsmäßige Buchhaltung Voraussetzung für den Verlustvortrag ist, sondern daß ein Verlustvortrag für bilanzierende Einkommensteuerpflichtige immer dann zulässig ist, wenn der Verlust - allenfalls auch nach Korrektur der Buchhaltung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung - seiner Höhe nach errechnet werden kann und das Ergebnis auch überprüfbar ist'. Für den Standpunkt der belangten Behörde läßt sich jedoch daraus nichts gewinnen. Denn er erklärte Verlust für das Jahr 1977 wurde nicht nach Korrektur der Buchhaltung auf Grund der abgabenbehördlichen Prüfung, sondern weitgehend durch griffweise und pauschale Schätzung ermittelt. Überdies ist zu bedenken, daß die Motorboote- und Bar(Diskotheken)erlöse noch eine Änderung erfahren könnten. Von einem, in seiner Höhe nach errechneten und auch überprüfbaren Verlust für das Jahr 1977 kann daher keine Rede sein.

Der Hinweis der belangten Behörde auf den Grundsatz von Treu und Glauben ist wegen der unbestrittenen Tatsache, daß auf Grund der Ergebnisse einer (früheren) abgabenbehördlichen Prüfung die für die Jahre 1971 und 1973 erzielten Verluste nicht vortragsfähig gewesen sind, verfehlt.

Auch das Argument, durch den unterbliebenen Abzug des anteiligen Fehlbetrages in den Jahren 1979 und 1980 seien Investitionsbegünstigungen aus dem Jahr 1977 'verloren' gegangen, schlägt nicht durch. Nicht die Investitionsbegünstigungen des Jahres 1977, sondern der Verlustvortrag ist 'verloren' gegangen."

Nach wörtlicher Wiedergabe dieses Teiles des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes heißt es im angefochtenen Ersatzbescheid der Finanzlandesdirektion:

"Diesem Erkenntnis folgend sieht der Berufungssenat die Verluste aus den Jahren 1977 und 1978 nicht als vortragsfähig an. Zwar überprüfte das Höchstgericht nur den Verlust aus dem Jahr 1977 ausdrücklich auf seine Vortragsfähigkeit hin, doch ist unbestritten, daß für das Jahr 1978 (im wesentlichen) dieselben Buchführungsmängel vorliegen, wie für das Jahr 1977, und waren bzw. sind die griffweisen und pauschalen Hinzuschätzungen betreffend das Jahr 1978 sogar höher als hinsichtlich des Jahres 1977 (S 277.229,-- bzw. S 227.000,--). Die Ausführungen des Höchstgerichtes können daher auch als Grundlage für die Nichtanerkennung der Vortragsfähigkeit des Verlustes aus dem Jahr 1978 dienen.

Der Einwand, die Hinzuschätzungen hätten sich seit Ergehen des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses entgegen den Erwartungen des Höchstgerichtes nur minimal verändert und erlaube dies eine andere rechtliche Beurteilung der Streitfrage, vermag die Berufung nicht zum Erfolg zu führen. Die Bw. irrt, wenn sie meint, das Höchstgericht habe nur in Erwartung einer erheblichen Erhöhung der Hinzuschätzungen im fortzusetzenden Berufungsverfahren dem Verlust des Jahres 1977 die Vortragsfähigkeit abgesprochen. Vielmehr hat das Höchstgericht bereits aufgrund der in den aufgehobenen Berufungsentscheidungen tatsächlich vorgenommenen Hinzuschätzungen die Vortragsfähigkeit des Verlustes verneint. Anders können die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht verstanden werden, hätte doch sonst das Höchstgericht eine bloße Annahme und nicht die tatsächlichen Gegebenheiten seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Mit der gegenständlichen Berufungsentscheidung werden nun in Übereinstimmung mit der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes und von der Bw. letztlich nicht mehr bekämpft die Hinzuschätzungen gegenüber den aufgehobenen Berufungsentscheidungen sogar erhöht (1977: S 227.000,-- statt S 132.000,--, 1978: 277.229,-- statt S 157.229,--). Umsomehr ist es gerechtfertigt, die strittigen Verluste nicht zum Abzug zuzulassen.

Auch mit dem Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1987, B27/86-14, B28/86-10, vermag die Bw. nichts für sich zu gewinnen. Zum einen, weil die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes zur Vortragsfähigkeit von Verlusten ohnedies Berücksichtigung durch den Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung der Verluste der Bw. fanden, zum anderen, weil es auch nicht zutrifft, daß - wie die Bw. vermeint - der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis die gegenständlichen Verluste als vortragsfähig qualifiziert hat. Zwar hob der Verfassungsgerichtshof die Berufungsentscheidungen betreffend die Einkommensteuer des N D für die Jahre 1981 bis 1983 und die Einkommensteuer des C D für das Jahr 1981, mit welchen die Verluste aus den Jahren 1977 und 1978 nicht zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen wurden, wegen Verfassungswidrigkeit auf, doch dies nur deshalb, weil die Behörde die für die Verlustvortragsfähigkeit geforderte Voraussetzung einer ordnungsmäßigen Buchführung fälschlicherweise in den Einkommensteuerverfahren jener Jahre, in welchen der Verlustvortrag vorgenommen werden sollte, gesondert beurteilt hatte. Es sei denkunmöglich, eine Bindung der Behörde, die den Einkommensteuerbescheid erläßt, hinsichtlich der Höhe des festgestellten Verlustes anzunehmen, ihr aber zuzugestehen, jeweils mit Wirkung für das Jahr, für das sie den Einkommensteuerbescheid erläßt, zu beurteilen, ob die Buchführung im Verlustjahr ordnungsmäßig gewesen sei. Zur Frage, ob die gegenständlichen Verluste nun tatsächlich vortragsfähig sind oder nicht, hat der Verfassungsgerichtshof nicht Stellung genommen."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, welche die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums, allenfalls die Rechtsverletzung durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm rügt, die schon in den Beschwerden gegen die Einkommensteuer vorgetragenen Bedenken gegen das Erfordernis der ordnungsmäßigen Buchführung wiederholt und zu vertiefen sucht und neuerlich vorschlägt, die einschlägige Wortfolge nicht als Bedingung für den Verlustvortrag, sondern als bloßen Hinweis auf die Art der Gewinnermittlung zu lesen. Die Unterscheidung zwischen einer (den Verlustvortrag nicht hindernden) Korrektur der Buchhaltung und einer (vortragsschädlichen) griffweisen und pauschalen Schätzung sei weder durch das Gesetz gedeckt noch sachlich zu rechtfertigen; sie stelle denjenigen, der mehrmals vorsätzlich Abgaben hinterziehe, dessen Schwarzgeschäfte aber bei der Betriebsprüfung feststellbar seien, besser als den fahrlässig Handelnden, der - wenn auch nur in geringem Umfang - eine Schätzung hinnehmen müsse. Im Beschwerdefall seien

"... die (aus dem angefochtenen Bescheid gar nicht ersichtlichen) Gründe für die Schätzung und deren Umfang (sowohl absolut gesehen als auch in Relation zu den Umsätzen bzw. zu den Jahresverlusten) keineswegs so, daß sie - auch bei strengster Auslegung - eine sachliche Rechtfertigung dafür abgeben könnten, daß negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb (für die beiden Streitjahre 1977 und 1978 in Höhe von über S 7 Millionen) nicht vortragsfähig sein sollten. Zugeschätzt wurden beispielsweise Tennisplatzerlöse von S 17.000,-- bzw. S 30.000,--, Motorbooterlöse von je S 85.000,-- (wobei jeweils S 30.000,-- Erhöhung Treibstoff laut Betriebsprüfung weggefallen ist), eine Erhöhung Friseurerlöse in einem Jahr per S 12.228,81 (was wohl kaum als 'griffige Schätzung' bezeichnet werden kann) und Bar- und Diskothekenerlöse per S 125.000,-- bzw. S 150.000,--. Es sind dies rein rechnerisch für 1977 in Summe Hinzuschätzungen im Ausmaß von 1 % und 1978 im Ausmaß von 0,96 % des jeweiligen Gesamtausmaßes von S 19,750.810,-- bzw. S 24,642.843,--. Schon dieses Zahlenmaterial widerlegt den Vorwurf 'umfangreicher Malversationen', wobei im gesamten Verfahren entschieden der Annahme entgegen getreten wurde, die beanstandeten Vorfälle seien in Verschleierungsabsicht getätigt worden. Auch die Prognose des VwGH, daß die Motorboot- und Bar-(Diskotheken)erlöse noch eine 'Änderung erfahren könnten', ist in diesem Licht der in Summe 1 % nicht übersteigenden Hinzuschätzungen zu sehen."

Für die belangte Behörde hat der Präsident der Finanzlandesdirektion Kärnten eine Gegenschrift vorgelegt, in der er die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes verteidigt, dem Vorwurf denkunmöglicher Gesetzesanwendung mit dem Hinweis auf das einschlägige Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes begegnet und der Behauptung der Beschwerde widerspricht, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei von der Behörde mißverstanden worden.

Im Hinblick darauf, daß der Präsident einer Finanzlandesdirektion mit Erhebung der Präsidentenbeschwerde nach §292 BAO als Gegner der zuständigen Behörde auftritt und diese Rolle durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über seine Beschwerde nicht wieder verlieren kann, hält der Verfassungsgerichtshof dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion im Verfahren über eine Beschwerde gegen den auf Grund der Präsidentenbeschwerde ergangenen Ersatzbescheid nicht für berechtigt, die belangte Behörde zu vertreten. Der Gerichtshof hat daher dem Berufungssenat freigestellt, die Gegenschrift für die belangte Behörde zu erstatten. Der Berufungssenat hat sich hierauf den Ausführungen des Präsidenten angeschlossen.

II. Die Beschwerde ist begründet.

1. Festzuhalten ist zunächst, daß der angefochtene Bescheid keinen Ersatzbescheid nach Aufhebung eines Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof darstellt. Die Sache, über welche die Finanzlandesdirektion erstmals mit Bescheid vom 28. Dezember 1984 und nach Aufhebung dieses Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof mit dem hier angefochtenen Bescheid neuerlich entschieden hat, ist nicht jene Sache, in der der Verfassungsgerichtshof nach Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens mit Erkenntnis VfSlg. 11495/1987 den bei ihm angefochtenen Berufungsbescheid wegen Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes aufgehoben hat. Die Pflicht der Behörde, den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§87 Abs2 VerfGG), besteht nur in bezug auf den Verlustabzug bei Bemessung der Einkommensteuer für 1981 bis 1983 (worum es hier nicht geht).

Daß ein Ersatzbescheid nach einem stattgebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, an dessen Rechtsanschauung die Verwaltungsbehörde gebunden ist (§63 Abs1 VerwGG), beschränkt die Prüfungsmöglichkeiten des Verfassungsgerichtshofes - wie dieser in den Erkenntnissen VfSlg. 8536/1979 und 8782/1980 klargestellt hat - nur für den Fall, daß sich die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes aus einem bloßen Widerspruch zwischen der Rechtsansicht des Bescheides und dem Inhalt des Gesetzes ergibt, nicht aber dann, wenn der angenommene Gesetzesinhalt - wäre er tatsächlich der des Gesetzes - das Gesetz verfassungswidrig machen würde, eine verfassungskonforme Auslegung aber möglich und daher geboten ist. Den Vorwurf, dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt zu haben, hat der Verfassungsgerichtshof der Behörde in der Tat mit dem aufhebenden Erkenntnis VfSlg. 11495/1987 gemacht.

2. Offenkundig geht es im vorliegenden Fall aber um die gleiche Rechtsfrage wie in VfSlg. 11495/1987. Hie wie dort ist nämlich entscheidend, ob die Formulierung "auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung" eine besondere Anforderung an die Verläßlichkeit des Rechnungswerkes stellt und wieweit Mängel der Buchführung unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes ein Hindernis für den Verlustvortrag bilden dürfen.

a) Im Erkenntnis VfSlg. 11260/1987 hat der Verfassungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Bundesregierung dargelegt, daß die auf §5 EStG verweisende Formulierung des §18 Abs1 Z4 EStG entgegen einer verbreiteten Praxis der Finanzverwaltung nicht bedeutet, daß eine formell ordnungsmäßige Buchhaltung Voraussetzung für den Verlustvortrag ist. Der Verlustvortrag sei vielmehr immer dann zulässig, wenn der Verlust seiner Höhe nach errechnet werden kann und das Ergebnis auch überprüfbar ist, mag auch eine Korrektur der Buchhaltung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung erforderlich sein. Bei diesem Verständnis des Gesetzes sei den Bedenken der Boden entzogen, es könne nicht gerechtfertigt sein,

"jene Steuerpflichtigen vom Verlustvortrag auszuschließen, ... deren Buchführung zwar - wenn auch nicht bloß geringfügige - Mängel aufweist, bei denen aber - allenfalls nach Korrektur der Buchhaltung - die für den Verlustvortrag wesentlichen Daten feststellbar und nachprüfbar sind."

Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Auffassung fest. Sie wird durch die Entstehungsgeschichte der in Rede stehenden Bestimmung bestätigt. Noch im EStG 1953 war der Verlustabzug (in den zwei folgenden Kalenderjahren) - dem reichsdeutschen Vorbild entsprechend - schlechthin "buchführenden Land- und Forstwirten und ... Gewerbetreibenden, die Bücher nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches führen" eröffnet (§10 Abs1 Z5). Schon dies wurde aber dahin verstanden, "daß ordnungsmäßige Bücher auch tatsächlich geführt werden" müssen (Pucharski, Das Einkommensteuergesetz5, 1955, 158 Anm. 16, mit der Begründung, nur dann sei es möglich, die Höhe des Verlustabzuges und seine Ermittlung zu überprüfen). Wenn das EStG 1967 erstmals von Steuerpflichtigen sprach, die den Gewinn "nach §4 Abs1 oder nach §5 auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung" ermitteln, ohne diese Änderung einer Erläuterung bedürftig zu halten, muß wohl davon ausgegangen werden, daß insoweit nur die Formulierung verbessert, die Rechtslage aber nicht verändert werden sollte. Und diese Formulierung ist in das EStG 1972 eingegangen.

Der Zusammenhang zwischen dem Erfordernis einer "ordnungsmäßigen Buchführung" und der im Erkenntnis VfSlg. 11260/1987 gleichfalls überprüften Notwendigkeit des Betriebsvermögensvergleiches ist jedoch offenkundig. Wie das Gesetzesprüfungsverfahren gezeigt hat, gewährleistet nur der Betriebsvermögensvergleich (§4 Abs1 und §5 EStG) eine periodengerechte Gewinnermittlung. Der schon zum EStG 1953 zu lesende Satz, der Verlustabzug sei eben "wegen dieser Überprüfungsmöglichkeit" nur dem buchführenden Steuerpflichtigen eingeräumt (Pucharski aaO), konnte nur auf die periodengerechte Ermittlung der Betriebsergebnisse abstellen. Dieses Erfordernis, das bloße Einnahmen-Ausgaben-Rechner ungeachtet vollständiger und richtiger Aufzeichnungen vom Verlustvortrag ausschließt, wurde im Erkenntnis VfSlg. 11260/1987 - wenn auch nur in Anbetracht des bestehenden Wahlrechtes zwischen Betriebsvermögensvergleich und Einnahmen-Ausgaben-Rechnung - als sachlich gerechtfertigt erkannt. Es wäre geradezu widersinnig, einen Betriebsvermögensvergleich zu verlangen und auf die Einhaltung der ihn prägenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu verzichten. "Ordnungsmäßige Buchführung" ist daher die den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Buchführung, die eine periodengerechte Zuordnung der maßgeblichen Daten enthält. Solche Bücher, also Bücher solcher Art, müssen tatsächlich geführt werden ("Die bloße Verpflichtung zur Buchführung genügt nicht", Pucharski aaO).

Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist daher das Recht zum Verlustabzug sehr wohl an die Erfüllung einer äußeren Bedingung, nämlich die tatsächliche Führung von Büchern geknüpft, die eine periodengerechte Gewinnermittlung gewährleisten. Auch ein seiner Art nach taugliches Rechenwerk kann aber diesem Erfordernis dann nicht genügen, wenn es aufgrund seiner Mangelhaftigkeit eine Berechnung und Überprüfung des Verlustes nicht ermöglicht: "Ein Steuerpflichtiger, der ... seine Bücher so mangelhaft führt, daß eine Überprüfung der Geschäftsergebnisse nicht möglich ist, hat kein Recht auf den Verlustabzug" (Pucharski aaO).

b) Daß nicht jeder Buchführungsmangel den Verlustabzug hindert, ist unstrittig: "Wenn die Mängel der Buchführung so unwesentlich sind, daß dadurch die Beweiskraft der Bücher nicht verlorengeht, bleibt das Recht auf den Verlustabzug erhalten" (Pucharski aaO). Deshalb hatte der Prüfungsbeschluß im mehrfach genannten Gesetzesprüfungsverfahren ausdrücklich angenommen, daß "auch nicht bloß geringfügige Mängel" den Verlustabzug verhindern, obwohl "- allenfalls nach Korrektur der Buchhaltung - die für den Verlustabzug wesentlichen Daten feststellbar und nachprüfbar sind", und das Erkenntnis diese Bedenken nun deshalb als zerstreut erachtet, weil bei verfassungskonformer Auslegung ein errechen- und überprüfbarer Verlust auch bei nicht bloß geringfügigen Mängeln vortragsfähig bleibt. Der Verlust kann auch dann noch errechen- und überprüfbar sein, wenn dazu die Korrektur der Buchhaltung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung erforderlich ist. Diese Möglichkeit ist nicht nur bei formellen, anhand des Rechenwerks selbst zu verbessernden Fehlern gegeben. Sie wird auch durch die Heranziehung anderer verläßlicher Unterlagen nicht ausgeschlossen. Ist die Richtigstellung von Fehlbuchungen möglich oder kann die unterlassene Buchung nachgetragen oder der unterlaufene Mangel durch Schätzung behoben werden, so darf einer ihrer Art nach auf periodengerechte Erfassung der Geschäftsvorgänge angelegten Buchführung nicht die Eignung abgesprochen werden, einen vortragsfähigen Verlust auszuweisen.

Die pauschale Verwerfung einer durch Schätzung zu ergänzenden Buchführung würde im Ergebnis eine überschießende, durch das Erfordernis ordnungsmäßiger Buchführung nicht mehr zu rechtfertigende Sanktion für die festgestellten Mängel darstellen. Die Notwendigkeit der Schätzung ergibt sich allein aus der objektiven Unmöglichkeit der zuverlässigen Ermittlung oder Berechnung von Besteuerungsgrundlagen (§184 Abs1 BAO). Also hätten selbst unverschuldete Fehler in einzelnen Punkten oder einer vergleichsweise zu vernachlässigenden Größenordnung zur Folge, daß den gesamten Verlusten die Vortragsfähigkeit aberkannt werden müßte. Das kann selbst bei griffweiser und pauschaler Schätzung in bloßen Teilbereichen zu weit gehen. Mängel einer ihrer Art nach tauglichen Buchhaltung können aber den Verlustvortrag sachlicherweise nur dann hindern, wenn sie nach Art und Umfang auf das ganze Rechenwerk ausstrahlen und auch nach einer Richtigstellung und Ergänzung (einschließlich allfälliger Sicherheitszuschläge) eine periodengerechte Erfassung der maßgeblichen Daten insgesamt nicht möglich erscheinen lassen.

3. Legt man diesen - verfassungsrechtlich gebotenen - Maßstab an den vorliegenden Sachverhalt, so erweist sich die Versagung des Verlustabzuges als unberechtigt. Zwar sind die Mängel der Buchhaltung erheblich und nicht wegen Geringfügigkeit abzutun. Doch treffen sie nur bestimmte abgegrenzte Teilbereiche der betrieblichen Tätigkeit der beschwerdeführenden Gesellschaft und erscheinen durch die behördlichen Hinzurechnungen ausgeglichen. Die erst durch Schätzung ermittelten Erlöse schmälern den anhand des Rechenwerkes ermittelten Verlust nur zu einem verhältnismäßig kleinen Teil.

Die belangte Behörde hat dem Gesetz also fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, das Gesetz folglich denkunmöglich angewendet und durch die in das Eigentum der Beschwerdeführer eingreifenden Bescheide die Beschwerdeführer im geltend gemachten Grundrecht verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, wurde von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte