Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StudFG 1983 §2 Abs3
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StudFG 1983 §2 Abs3
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 2. Juni 1989 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Studierenden an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, um Erteilung der Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit iS des §2 Abs3 litg des Studienförderungsgesetzes 1983 - StudFG, BGBl. 436/1983 idF des Bundesgesetzes BGBl. 379/1988, unter Berufung auf §2 Abs4 litb StudFG abgewiesen. Begründend wurde der Sache nach im wesentlichen ausgeführt, daß die im Falle des Beschwerdeführers gegebene, im §2 Abs3 litg StudFG umschriebene Überschreitung der Studienzeit, die nach dem Einleitungssatz des §2 Abs3 StudFG den Anspruch auf Studienbeihilfe ausschließt, gemäß §2 Abs4 litb StudFG nur dann nachgesehen werden könne, wenn die Studienverzögerung überwiegend auf wichtige Gründe iS des §2 Abs4 lita oder des §2 Abs3 letzter Satz StudFG zurückzuführen sei, was im Falle des Beschwerdeführers nicht zutreffe.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht, die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt und die Einleitung eines Verfahrens gemäß Art140 Abs1 B-VG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §2 Abs3 litg StudFG durch den Verfassungsgerichtshof angeregt wird.
Nach Ansicht des Beschwerdeführers verstößt diese Vorschrift, derzufolge ein Anspruch auf Studienbeihilfe nicht besteht, wenn die erste Diplomprüfung (das erste Rigorosum) nicht innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zusätzlich eines weiteren Semesters absolviert wird, gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der in einem solchen Fall eintretende gänzliche Ausschluß von der weiteren Gewährung einer Studienbeihilfe sei nämlich, so meint der Beschwerdeführer, sachlich nicht gerechtfertigt, weil einerseits nach §2 Abs3 litb StudFG die ohne wichtigen Grund eingetretene Überschreitung der zur Ablegung einer Diplomprüfung oder eines Rigorosums erforderlichen Studienzeit um mehr als ein Semester bereits den Verlust des Anspruches auf Studienbeihilfe bis zur erfolgreichen Ablegung dieser Prüfung zur Folge habe. Andererseits werde durch den §2 Abs4 litb StudFG das vom Gesetzgeber verfassungsrechtlich zulässigerweise angestrebte Ziel, nur solche Studierende zu fördern, die ihr Studium vollenden, durch §2 Abs4 litb StudFG keinesfalls gefördert, sondern ihm vielmehr entgegengewirkt.
3. Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. a) Der Beschwerdeführer, der seit Beginn des Sommersemesters 1985 an der Universität Wien studiert, hat den ersten Studienabschnitt der Studienrichtung Medizin am 11. November 1988 abgeschlossen. Da ihm, wie im erstinstanzlichen Bescheid (vom Beschwerdeführer unwidersprochen) erwähnt wird, auf Grund des Vorstudiums der Veterinärmedizin drei Semester für den ersten Studienabschnitt der Studienrichtung Medizin angerechnet worden waren, war das Wintersemester 1988/89 das elfte Semester des ersten Studienabschnittes dieser Studienrichtung.
Nach §3 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 3. September 1978, BGBl. 473, über die Studienordnung für die Studienrichtung Medizin umfaßt der erste Studienabschnitt vier Semester.
b) Für die Gewährung einer Studienbeihilfe ist unter anderem Voraussetzung, daß der Studierende einen günstigen Studienerfolg nachweist (§2 Abs1 litb StudFG). Nach §2 Abs3 litg StudFG besteht ein Anspruch auf Studienbeihilfe nicht, wenn die erste Diplomprüfung (das erste Rigorosum) nicht innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters absolviert wird. Die Überschreitung (auch) dieser Studienzeit kann der zuständige Bundesminister auf Antrag des Studierenden und nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde bei Vorliegen wichtiger Gründe iS des §2 Abs4 lita oder des §2 Abs3 letzter Satz StudFG nachsehen, wenn die Studienverzögerung überwiegend auf diese Gründe zurückzuführen ist (§2 Abs2 litb StudFG).
c) Die mit dem bekämpften Bescheid ausgesprochene Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Nachsicht der Überschreitung der Studienzeit iSd §2 Abs3 litg StudFG wurde damit begründet, daß die Studienverzögerung nicht im Sinne des §2 Abs4 litb StudFG überwiegend auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe zurückzuführen sei.
2. a) Der Gleichheitsgrundsatz richtet sich auch an den Gesetzgeber; er setzt ihm insofern verfassungsrechtliche Schranken, als er ihm verbietet, Differenzierungen vorzunehmen, die sachlich nicht gerechtfertigt sind (vgl. zB VfSlg. 8457/1978, 10064/1984, 10084/1984).
b) Der Verfassungsgerichtshof hält die in der Beschwerde aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes vorgebrachten Bedenken gegen die eine der rechtlichen Grundlagen des angefochtenen Bescheides bildende Vorschrift des §2 Abs3 litg StudFG für nicht begründet.
Diese Bestimmung wurde durch ArtI Z4 des Bundesgesetzes BGBl. 379/1988 mit Wirkung vom 1. September 1988 (s. ArtII Abs1 des Bundesgesetzes BGBl. 379/1988) neu in das StudFG eingefügt. Durch die Aufnahme dieser Bestimmung und die gleichzeitige ersatzlose Streichung der Vorschrift des §8 Abs1 litd StudFG (die das Erfordernis des Nachweises eines günstigen Studienerfolges auch für den zweiten oder dritten Studienabschnitt vorgesehen hatte) erfolgte eine Neuumschreibung des günstigen Studienerfolges, dessen Nachweis eine der Voraussetzungen für die Gewährung einer Studienbeihilfe bildet. Der erforderliche Studienerfolg ist nach dieser Neuregelung zwar nur dann gegeben, wenn die erste Diplomprüfung (das erste Rigorosum) innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters absolviert wird, doch entfiel dafür die Notwendigkeit, nach vier Semestern ab Beginn der Anspruchsdauer für den zweiten oder dritten Studienabschnitt den günstigen Studienerfolg durch Zeugnisse über erfolgreich absolvierte Lehrveranstaltungen und Prüfungen in einem der Studienzeit entsprechenden Ausmaß nachzuweisen.
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz BGBl. 379/1988 (580 BlgNR 17. GP, 11) enthalten im vorliegenden Zusammenhang insbesondere folgende Ausführungen:
"Die Änderung der erforderlichen Studiennachweise an
Universitäten geht von der Erfahrung aus, daß die Studienaktivität
im ersten Studienabschnitt einen wesentlichen Faktor für den
weiteren Studienerfolg darstellt. ... Für Absolventen der ersten
Diplomprüfung besteht die allergrößte Wahrscheinlichkeit, daß sie ihr Studium auch vollenden werden.
. . .
Das Ziel der Neuregelung in §2 Abs3 litg und §8 Abs1 besteht darin, Studierende, die allenfalls nach Beendigung von Orientierungsproblemen den ersten Studienabschnitt zügig beendet haben, im zweiten Studienabschnitt knapp vor dem Antreten zur zweiten Diplomprüfung durch die administrativ aufwendige Vorlage von Prüfungszeugnissen nicht mehr unnötig zu belasten. Dies umsomehr, als die bisher geforderten Studiennachweise von nahezu allen Studierenden ohnehin vorgelegt worden sind.
Maßgebliches Kriterium für den 'günstigen Studienerfolg' wird künftig die rechtzeitige Absolvierung der Diplomprüfungen darstellen. Ein allfälliger Mißbrauch ist nicht zu befürchten, da nach dem zweiten Semester der Gesamtstudienzeit und bei einem allfälligen Studienwechsel auch nach dem zweiten Semester der neuen Studienrichtung Studiennachweise vorzulegen sind. ..."
Es bedarf keiner näheren Begründung und wurde vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen, daß es mit dem sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ergebenden Sachlichkeitsgebot (vgl. dazu etwa VfSlg. 8457/1978, 9520/1982, 161; 11369/1987, 574) nicht in Widerspruch steht, die Gewährung einer Studienbeihilfe an den Nachweis eines günstigen Studienerfolges zu binden.
Dem Gesetzgeber kann aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles aber auch nicht unter Berufung auf den Gleichheitssatz entgegengetreten werden, wenn er als Kriterium des günstigen Studienerfolges die Absolvierung des ersten Studienabschnittes innerhalb einer bestimmten Frist festlegt.
Es liegt durchaus im Rahmen der dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit, wenn er, im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung (vgl. dazu etwa VfSlg. 9671/1983, 10089/1984, 11048/1986, 11469/1987, 11665/1988) von der durch die bisherigen Erfahrungen belegten Wahrscheinlichkeit ausgehend, daß Absolventen der ersten Diplomprüfung (des ersten Rigorosums) ihr Studium vollenden werden, bei solchen Absolventen auf den Nachweis des günstigen Studienerfolges (auch) während der folgenden Studienzeit durch Vorlage von Zeugnissen über erfolgreich absolvierte Lehrveranstaltungen und abgelegte Prüfungen verzichtet.
Von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann umsoweniger die Rede sein, als einerseits diese Frist zweifellos ausreichend bemessen ist - es genügt die Absolvierung der ersten Diplomprüfung (des ersten Rigorosums) innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters - und andererseits selbst die Überschreitung der Frist für die Erbringung des Nachweises eines günstigen Studienerfolges bei Vorliegen bestimmter wichtiger Gründe gemäß §2 Abs4 litb StudFG nachgesehen werden kann, wenn die Studienverzögerung überwiegend auf solche Gründe zurückzuführen ist.
Dazu kommt, daß die mit der Neuregelung erklärtermaßen (s. die oben auszugsweise wiedergegebenen Erläuterungen zur Regierungsvorlage 580 BlgNR 17. GP, 11) - jedenfalls auch - verfolgte Absicht der Verminderung des Verwaltungsaufwandes ein aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes durchaus anzuerkennendes Motiv des Gesetzgebers ist (VfSlg. 8696/1979 mwH; s. etwa auch VfSlg. 8814/1980, 10089/1984, 11025/1986).
3. Der Verfassungsgerichtshof ist aus den angeführten Gründen der Auffassung, daß aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles die (unter anderem) angewendete Vorschrift des §2 Abs3 litg StudFG idF des Bundesgesetzes BGBl. 379/1988 nicht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig ist. Er vermag insbesondere die vom Beschwerdeführer in dieser Hinsicht vorgebrachten Bedenken nicht zu teilen.
Da aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles beim Verfassungsgerichtshof gegen diese Rechtsvorschrift auch sonst keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden sind, sieht er zur angeregten Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens keinen Anlaß.
Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
In der Beschwerde wird auch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ohne irgendwelche näheren Ausführungen geltend gemacht. Der Verfassungsgerichtshof kann jedoch weder eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes noch ein willkürliches Verhalten der belangten Behörde erkennen.
Da auch sonst nicht hervorgekommen ist, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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