VfGH G258/89

VfGHG258/897.3.1991

Zurückweisung eines Antrags des Verwaltungsgerichtshofs auf Aufhebung einer Bestimmung des EG-Abkommen-DurchführungsG im Hinblick auf die gegen eine nicht angefochtene Formulierung einer Novelle gerichteten Bedenken

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Form u Inhalt des Antrages
EG-Abkommen-DurchführungsG §18 idF BGBl 599/1980
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Form u Inhalt des Antrages
EG-Abkommen-DurchführungsG §18 idF BGBl 599/1980

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist ein Verfahren gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark anhängig, mit dem entschieden wurde, daß eine (für importierte, im Eingang vorgemerkte Bierflaschen) zunächst gem. §177 Abs1 ZollG bedingt entstandene Zollschuld wegen Inanspruchnahme einer unzulässigen Zollrückvergütung unbedingt geworden sei. Diese Entscheidung der Finanzlandesdirektion stützt sich auf §177 Abs3 litb ZollG iVm §18 Abs3 litb und Abs4 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes BGBl. 468/1972 idF BGBl. 599/1980.

2. Aus Anlaß dieses Verfahrens stellte der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gem. Art140 Abs1 B-VG den Antrag, "auszusprechen, daß §18 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 468/1972, idF der 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 599/1980, verfassungswidrig war."

Der Verwaltungsgerichtshof schildert in seinem Antrag den Hintergrund der Regelung und begründet die Präjudizialität und seine verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt:

"Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Beschwerdeführerin in den Jahren 1980 bis 1982 Bierflaschen aus Ungarn und Jugoslawien im Vormerkverkehr zur vorübergehenden Benutzung gemäß §67 Abs1 litg iVm §87 ZollG und später im Rahmen des ihr bewilligten Eingangsvormerksverkehrs zur Veredlung auf Vormerkrechnung gemäß §89 Abs2 ZollG in das Zollgebiet eingeführt.

Die insgesamt 9,245.483 Stück Bierflaschen waren in der Folge als Umschließungen für das von der Beschwerdeführerin nach Italien exportierte Bier zur Gänze wieder ausgeführt worden. Für dieses in das Gebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften ausgeführte Exportprodukt (Bier samt Bierflaschen) waren von den Zollämtern jeweils Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 ausgestellt worden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 2. September 1988 wurde daraufhin ausgesprochen, daß die für die im Eingang vorgemerkten Bierflaschen gemäß §177 Abs1 ZollG zunächst bedingt entstandene Zollschuld gemäß §177 Abs3 litb ZollG iVm §18 Abs3 litb und Abs4 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 468/1972, idF des BGBl. Nr. 599/1980, in der Höhe von insgesamt 2,205.823 S wegen Inanspruchnahme einer unzulässigen Zollrückvergütung unbedingt geworden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der an Stelle der belangten Behörde in das Verfahren eingetretene Bundesminister für Finanzen erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht, daß für die im Eingangsvormerkverkehr eingeführten und nach Füllung mit Bier fristgerecht nach Italien wieder ausgeführten Bierflaschen Eingangsabgaben nicht vorgeschrieben werden, verletzt. Sie regt wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz eine Prüfung des §18 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 468/1972, idF der BGBl. Nrn. 791/1974 und 599/1980 sowie allenfalls des Artikels 23 des Protokolls Nr. 3 zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, BGBl. Nr. 466/1972, an.

Vertragsänderung durch den Gemischten Ausschuß

Seit 1. Jänner 1976 steht zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Republik Österreich die sogenannte "No-draw-back-rule" in Geltung. Diese Regel wurde eingeführt durch den am 2. Dezember 1975 verabschiedeten und gemäß §2 Abs1 litc BGBlG im BGBl. Nr. 659/1975 verlautbarten Beschluß Nr. 1/75 eines zwischenstaatlichen Organs, nämlich des Gemischten Ausschusses EWG-Österreich. Durch diesen Beschluß wurde der Artikel 23 des Protokolls Nr. 3, welches die materiellen und formellen Ursprungsregeln und Zollverfahrensbestimmungen festlegt und das Kernstück des zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft abgeschlossenen und im Range eines Gesetzes stehenden Freihandelsabkommens vom 22. Juli 1972, BGBl. Nr. 466/1972, bildet (vgl. Art11 des Abkommens), vollständig geändert.

Der diesem Verbot der Zollrückvergütung zugrundeliegende Gedanke besteht darin, daß Waren, auf welche die begünstigte Zollbehandlung im Integrationsraum Anwendung findet, keinen doppelten Vorteil genießen sollten, nämlich im Importland die vertragliche Zollfreiheit bzw. Zollsenkung und im Exportland eine Zollrückvergütung für zu ihrer Herstellung eingeführte Drittlandsmaterialien auf Grund autonomer Bestimmungen. Ein solcher doppelter Vorteil wäre mit den in einer Freihandelszone gegebenen Wettbewerbsverhältnissen nicht vereinbar (vgl. die Erläuterungen zu den Regierungsvorlagen zur 1. und 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, 1282 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII.GP und 480 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates

XV. GP).

Diese Regel (nunmehr in der wörtlich nahezu gleichlautenden Fassung des Beschlusses Nr. 1/77 des Gemischten Ausschusses EWG-Österreich vom 13. Dezember 1977, kundgemacht in BGBl. Nr. 216/1978) beinhaltet somit ein grundsätzliches Verbot von Zollrückvergütungen für in auszuführenden Ursprungserzeugnissen verarbeitete Waren. Solche Vergünstigungen dürfen nur dann gewährt werden, wenn die verarbeiteten Waren Ursprungserzeugnisse der Gemeinschaft oder eines EFTA-Staates sind. Diese Regelung bedeutet, daß in die EWG oder in einen EFTA-Staat eingeführte Waren ohne Ursprungseigenschaft verzollt sein müssen, bevor für aus ihnen hergestellte Waren eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 ausgestellt wird. Ein Hersteller von Ursprungswaren hat also die Möglichkeit, eingeführte Waren ohne Ursprungseigenschaft nach Be- oder Verarbeitung entweder in einem dafür vorgesehenen Verfahren ohne Zollerhebung (zB. nach Veredlung) auszuführen und auf die Präferenzgewährung im Empfangsstaat zu verzichten oder die vorgesehenen Zölle zu entrichten und die Präferenz im Empfangsstaat in Anspruch zu nehmen - vgl. Meinl, Kann bei Inanspruchnahme einer nach den Integrationsabkommen EG-EFTA unzulässigen Zollrückvergütung (Drawback-Verbot) dem Begünstigten (Vormerknehmer) nach den nationalen Vorschriften rechtens Zoll vorgeschrieben werden?, Finanz-Journal Nr. 11/1986.

Innerstaatliche Ingeltungsetzung

Um - vor Schaffung des (neuen) Art9 Abs2 B-VG durch das Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, BGBl. Nr. 350 - den materiellen Inhalt dieser vom Gemischten Ausschuß getroffenen und die beiden Vertragspartner völkerrechtlich bindenden Regelung (vgl. Art29 Abs1 dritter Satz iVm Art28 des Protokolls Nr. 3 des obzitierten Freihandelsabkommens) auch für den Bereich der innerstaatlichen Rechtsordnung in Wirksamkeit zu setzen, war zunächst auf Grund der auf Verfassungsstufe stehenden Verordnungsermächtigung des §18 Abs7 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 468/1972, idF der 1. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 791/1974, die Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Dezember 1975 über die Änderung und Ergänzung der Bestimmung betreffend das Verbot der Zollrückvergütung im Warenverkehr mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Freihandelsassoziation, BGBl. Nr. 651/1975, erlassen worden.

Während der Geltungsdauer dieser am 1. Jänner 1976 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 1980 außer Kraft (vgl. ArtII Abs2 Z. 3 der 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 599/1980) getretenen Verordnung waren nach dem letzten Satz der Verfassungsbestimmung des obzitierten §18 Abs7 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes die bestehenden Bestimmungen der Abs1 bis 6 dieses §über das Verbot der Zollrückvergütung nicht anzuwenden.

Die Bestimmungen dieser Verordnung über das Verbot der Zollrückvergütung wurden in der Folge 'im Interesse der Rechtsklarheit' (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 480 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP) durch die 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 599/1980, in das Durchführungsgesetz selbst übernommen. Sie waren in der Zeit vom 1. Jänner 1981 bis 31. Dezember 1987 (vgl. §24 Abs3 des Bundesgesetzes vom 24. November 1987 über die Durchführung von Zollbestimmungen im Zusammenhang mit der Europäischen Integration; Integrations-Durchführungsgesetz 1988-IDG, BGBl. Nr. 623/1987) in Geltung. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl. 298 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP) bringt der §10 IDG, welcher die innerösterreichischen Durchführungsbestimmungen für das Verbot der Zollrückvergütung, das auf Grund des obgenannten Beschlusses des Gemischten Ausschusses im Art23 des Protokolls Nr. 3 zum Freihandelsabkommen zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, BGBl. Nr. 466/1972, festgelegt ist, im Vergleich zu den Bestimmungen des §18 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes insoweit eine Änderung, als nun die zollschuldrechtlichen Folgen der Ausstellung eines Ursprungsnachweises 'deutlicher formuliert wurden'.

Präjudizialität

Der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 1988 fußt auf §18 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 468/1972, idF der 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 599/1980. Durch die in den Verfassungsrang erhobene Bestimmung des §24 Abs3 IDG ist das gesamte EG-Abkommen-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 468/1972, also auch der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegte §18, mit dem am 1. Jänner 1988 erfolgten Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft getreten.

Der von der belangten Behörde angenommene Sachverhalt verwirklichte sich - mit Ausnahme des Jahres 1980 - zu einem Zeitpunkt, zu dem der §18 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 468/1972, idF der 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle BGBl. Nr. 599/1980, noch in Geltung stand. Im Abgabenrecht gilt der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben, d.h. es ist jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde (vgl. hiezu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1981, Zl. 16/3706/80, und die dort zitierten Vorerkenntnisse).

Der Verwaltungsgerichtshof hat den angefochtenen Bescheid auf dieser Rechtslage auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof - mit Ausnahme des Jahres 1980 - den §18 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes in der obzitierten Fassung anzuwenden.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit

Gemäß Art29 Abs1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 22. Juli 1972, BGBl. Nr. 466/1972, wird eine Gemischter Ausschuß eingesetzt, der mit der Durchführung dieses Abkommens beauftragt ist und für dessen ordnungsgemäße Erfüllung sorgt. Zu diesem Zweck spricht er Empfehlungen aus. Er faßt Beschlüsse in den in diesem Abkommen vorgesehenen Fällen. Die Vertragsparteien führen diese Beschlüsse nach ihren eigenen Bestimmungen durch.

Nach der Anordnung des Art28 des einen Bestandteil dieses Freihandelsabkommens (vgl. Art11) bildenden Protokolls Nr. 3, auf den sich der am 2. Dezember 1975 verabschiedete Beschluß 1/75 (BGBl. Nr. 659/1975) des Gemischten Ausschusses, durch den Art23 des Protokolls Nr. 3 vollständig geändert wurde, insbesondere gründet, kann der Gemischte Ausschuß beschließen, Artikel 5 Absatz 3 des Titels I, die Bestimmungen des Titels II, die Artikel 23, 24 und 25 des Titels III sowie die Bestimmungen der Anhänge I, II, III, V und VI dieses Protokolls zu ändern. Er ist insbesondere ermächtigt, die Maßnahmen zu treffen, die zur Anpassung der genannten Bestimmungen an die Erfordernisse bestimmter Waren oder Beförderungsmittel notwendig sind.

Der Umstand, daß es sich bei den Beschlüssen einer derartigen zwischenstaatlichen Einrichtung um für die österreichische Bundesverfassung atypische Rechtsetzungsakte handelt, wurde erstmals (vgl. Öhlinger, Der völkerrechtliche Vertrag im staatlichen Recht, 1973, S. 203 ff; ders., Institutionelle Grundlagen der österreichischen Integrationspolitik in rechtlicher Sicht, in: Öhlinger-Mayrzedt-Kucera, Institutionelle Aspekte der österreichischen Integrationspolitik, 1976, S. 134 ff; Schreuer, Beschlüsse internationaler Organe im österreichischen Staatsrecht, ZAÖRV 1977, 468) im Zuge der parlamentarischen Behandlung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), BGBl. Nr. 100/1960, gemäß Art50 B-VG problematisiert. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 156 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates IX. GP. ist hiezu folgendes ausgeführt:

'Welche Organe für Österreich verbindliche Erklärungen nach außen abgeben und welche Organe berechtigt sind, für die österreichische nationale Rechtsordnung verbindliche Akte zu setzen, bestimmt die österreichische Bundesverfassung. Da in der Bundesverfassung nicht vorgesehen ist, diese Rechte, sei es auch nur in einem sehr beschränkten Umfang, an Staatengemeinschaftsorgane zu delegierten, müssen alle jene Bestimmungen des Vertragswerkes, die für die Mitgliedstaaten unmittelbar verbindliche Beschlüsse des Rates vorsehen, als verfassungsändernd betrachtet werden. Darüber hinaus sind diese Bestimmungen aber auch noch deshalb als verfassungsändernd anzusehen, weil sie entgegen dem Grundsatz des Artikels 1 B.-VG. nichtösterreichischen Organen die Befugnis übertragen, Akte zu setzen, die im Hinblick auf den die österreichische Verfassung beherrschenden Grundsatz der unmittelbaren Transformation auch für den Bereich der innerstaatlichen Rechtsordnung beachtlich sind.'

Was die Beschlüsse des Gemischten Ausschusses EWG-Österreich betrifft, so scheint dieser zum EFTA-Übereinkommen vertretenen Lösung die in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 485 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP vertretene Auffassung entgegenzustehen, wonach es sich bei den 'Beschlüssen des Gemischten Ausschusses um völkerrechtlich verbindliche Normen handelt, die für Österreich unmittelbar in Kraft treten, ohne daß es dazu einer Transformation in die innerstaatliche Rechtsordnung bedürfte'.

Mit der rechtlichen Problematik der Übertragung von Hoheitsrechten auf derartige zwischenstaatliche Einrichtungen nach österreichischem Verfassungsrecht hat sich die Literatur (vgl. Mutz, Die rechtlichen Probleme des EG-Abkommens, Schriftenreihe der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft 20, 1974; Öhlinger, Rechtsfragen des Freihandelsabkommens zwischen Österreich und der EWG, ZAÖRV 1974, S. 655 ff; Hanreich, Die Beschlüsse internationaler Wirtschaftsorganisationen im österreichischen Rechtsquellensystem, ÖZÖR 1975, S. 173 ff; Schreuer, Der neue Art9 Abs2 der Österreichischen Bundesverfassung: Übertragung von Hoheitsrechten auf internationale und ausländische Organe, ZAÖRV 42 (1982) S. 93 ff; und Seidl-Hohenveldern, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen nach österreichischem und deutschem Verfassungsrecht in Festschrift für Karl Carstens) eingehend auseinandergesetzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken, daß der am 2. Dezember 1975 verabschiedete Beschluß des Gemischten Ausschusses EWG-Österreich Nr. 1/75, durch den der im Gesetzesrang stehende Art23 des Protokolls Nr. 3 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1976 vollständig geändert wurde - wie oben dargestellt - für den Bereich der innerstaatlichen Rechtsordnung jeweils in rechtlich einwandfreier Weise, nämlich zunächst im Verordnungswege und in der Folge durch die 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 599/1980, selbst - speziell transformiert wurde.

Er erblickt die Verfassungswidrigkeit des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden §18 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes darin, daß der gesamte §18 (arg.: '§18 hat zu lauten:') durch die 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 599/1980, eine Neufassung erhielt, in der die durch die 1. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 791/1974, geschaffene Verfassungsbestimmung des Abs7 fehlt, weil sie, wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 480 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP, S. 6, ausführen, nunmehr entbehrlich sei. Dadurch wurde der zeitliche Geltungsbereich einer Verfassungsnorm durch den einfachen Gesetzgeber beendet. Eine Rechtsvorschrift, die nach der erschwerten Erzeugungsregel geschaffen wurde, kann aber nicht durch eine nach der einfacheren Erzeugungsvorschrift geschaffene abgeändert werden (vgl. Walter, Der Stufenbau nach der derogatorischen Kraft im österreichischen Recht, ÖJZ 1965, S. 170). Die Bestimmung des §18 EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 468/1972, idF der 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 599/1980, scheint daher zur Gänze verfassungswidrig zu sein (vgl. Griller, Die Organe der Freihandelsabkommen und ihre Befugnisse im Lichte der österreichischen Rechtsordnung in Hanreich-Stadler, Österreich-Europäische Integration, FN 225). Wegen dieser in der 1. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle enthaltenen Verfassungsbestimmung des §18 Abs7 wäre der gesamte neue §18 der 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 599/1980, der mit 1. Jänner 1981 in Kraft und mit Wirksamkeit vom 31. Dezember 1987 außer Kraft getreten ist, in den Verfassungsrang zu heben gewesen (vgl. hiezu die richtigen Ausführungen in den Erläuterungen zu §23 der Regierungsvorlage zum Integrations-Durchführungsgesetz 1988, 298 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP)."

3. Die Bundesregierung hat beschlossen, im Gesetzesprüfungsverfahren von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand zu nehmen.

4. a) Der fragliche §18 des EG-Abkommen-Durchführungsgesetzes hatte in der Stammfassung (BGBl. 468/1972) folgenden Wortlaut:

"§18. (1) Werden Ursprungserzeugnisse im Sinne des Protokolls Nr. 3 von Österreich in das Gebiet einer der den Europäischen Gemeinschaften beitretenden Vertragsparteien des EFTA-Übereinkommens ausgeführt, dann darf vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls Nr. 3 an eine Warenverkehrsbescheinigung zur Inanspruchnahme der Zollfreiheit nach Art3 Abs1 des Abkommens (EWG) oder des Art2 Abs1 des Abkommens (EGKS) nur dann erteilt werden, wenn in Österreich keine unzulässige Zollrückvergütung für Ausgangsmaterialien gewährt wird.

(2) Der Begriff der unzulässigen Zollrückvergütung im Sinne des Abs1 umfaßt die Einräumung jeglicher Zollbegünstigung, die nur im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Ursprungserzeugnissen für Ausgangsmaterialien gewährt wird, mit Ausnahme der im Protokoll Nr. 2 angeführten landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnisse hinsichtlich der dem Ausgleich der Preisunterschiede bei den in diesen Waren mitverarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnissen dienenden Abgaben oder Abgabenteile.

(3) In den im Abs1 genannten Fällen ist unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Abs2 eine Warenverkehrsbescheinigung nur dann zu erteilen, wenn

a) Zölle nach §45 des Zollgesetzes 1955 nicht vergütet werden oder

b) Ausgangsmaterialien, die in einem Vormerkverkehr zur Veredlung oder Ausbesserung, und die inneren Umschließungen, die in einem Vormerkverkehr zur vorübergehenden Benutzung eingeführt worden sind, trotz ihrer Wiederausfuhr so behandelt werden, als ob sie im Inland verblieben wären oder

c) für eingeführte Ausgangsmaterialien, die in einer Zollfreizone oder einem Zollager be- oder verarbeitet wurden, oder für ausländische Umschließungen, die in einer Zollfreizone oder einem Zollager zum Verpacken oder Umpacken verwendet worden sind, trotz ihrer Wiederausfuhr jener Betrag an Zoll vorgeschrieben worden ist, der zu entrichten gewesen wäre, wenn sie zum freien Verkehr im übrigen Zollgebiet abgefertigt worden wären.

(4) Wird die Ausstellung einer Warenverkehrsbescheinigung beantragt, so darf eine unzulässige Zollrückvergütung im Sinne des Abs2 nicht mehr beansprucht werden; ein durch eine Zollrückvergütung Begünstigter hat anläßlich der Antragstellung auf Erteilung einer Warenverkehrsbescheinigung zu beantragen, die unzulässige Zollrückvergütung durch Erhebung des Zollbetrages in der Höhe des durch sie erlangten Zollvorteiles unwirksam zu machen. Der Begünstigte hat dem Zollamt die für die Zollvorschreibung erforderlichen Angaben zu machen.

(5) Die Bestimmungen des Abs3 über das Verbot der Zollrückvergütung gelten nicht, wenn die Vorzugszollbehandlung in einem der im Abs1 genannten Staaten nicht beansprucht oder verweigert worden ist oder wenn Rückwaren im Sinne des Zollgesetzes 1955 vorliegen. Eine bereits erfolgte Zollvergütung oder Zollabrechnung oder eine gemäß Abs3 litc oder Abs4 erfolgte Vorschreibung ist auf Antrag entsprechend abzuändern, sofern kein Zweifel an der Nämlichkeit der Waren besteht. Ein solcher Antrag kann innerhalb von drei Jahren nach dem Austritt der betreffenden Ware aus Österreich gestellt werden.

(6) Ist eine unzulässige Zollrückvergütung in Anspruch genommen worden, so ist sie durch Erhebung eines Zollbetrages in der Höhe des durch die Zollrückvergütung erlangten Zollvorteiles unwirksam zu machen."

b) Mit der Novelle BGBl. 791/1974 wurde dem §18 folgender Absatz angefügt:

"(7) (Verfassungsbestimmung) Ist Artikel 23 des Protokolls Nr. 3 über den im Abs1 genannten Warenverkehr hinaus anzuwenden, so hat der Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie durch Verordnung das Ausmaß und den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verbots der Zollrückvergütung sowie die sich daraus ergebenden Voraussetzungen für die Erteilung einer Warenverkehrsbescheinigung oder Abgabe einer Ursprungserklärung im Warenverkehr Österreichs mit den anderen Vertragsparteien festzulegen. Dabei ist auf die Übung des Gegenrechts der anderen Vertragsparteien sowie gegebenenfalls auf Beschlüsse oder Empfehlungen des Gemischten Ausschusses Bedacht zu nehmen. Für die Geltungsdauer dieser Verordnung sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden."

c) Die 2. EG-Abkommen-Durchführungsgesetz-Novelle BGBl. 599/1980 bestimmte sodann in ihrem ArtI, Pkt. 7:

"§18 hat zu lauten:

'§18. (1) Werden Ursprungserzeugnisse im Sinne des Protokolls Nr. 3 in das Gebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften ausgeführt, dann darf eine Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 oder eine Ursprungserklärung EUR. 2 nur ausgestellt werden, wenn in Österreich keine unzulässige Zollrückvergütung für verarbeitete Vormaterialien in Anspruch genommen wird.

(2) Der Begriff der unzulässigen Zollrückvergütung im Sinne des Abs1 umfaßt die Einräumung jeglicher Zollbegünstigung nach Abs3, die für verarbeitete Vormaterialien nur im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Ursprungserzeugnissen gewährt wird. Dies gilt jedoch nicht für ...

(3) In den in Abs1 genannten Fällen ist unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Abs2 eine Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 nur dann auszustellen, wenn sichergestellt ist, daß

a) Zölle nach §45 des Zollgesetzes 1955 nicht vergütet werden oder

b) Vormaterialien, die in einem Vormerkverkehr zur Veredlung oder Ausbesserung, und die inneren Umschließungen, die in einem Vormerkverkehr zur vorübergehenden Benutzung eingeführt worden sind, trotz ihrer Wiederausfuhr hinsichtlich des Zolles so behandelt werden, als ob sie im Inland verblieben wären, oder

c) für eingeführte Vormaterialien, die in einer Zollfreizone oder einem Zollager be- oder verarbeitet wurden, oder für ausländische innere Umschließungen, die in einer Zollfreizone oder einem Zollager zum Verpacken oder Umpacken verwendet worden sind, trotz ihrer Wiederausfuhr jener Betrag an Zoll vorgeschrieben worden ist, der zu entrichten gewesen wäre, wenn sie zum freien Verkehr abgefertigt worden wären.

(4) Wird eine Ursprungserklärung EUR. 2 verwendet, so darf eine im Sinne des Abs2 unzulässige Zollrückvergütung nicht mehr beansprucht werden; ein durch eine Zollrückvergütung Begünstigter hat in den im Abs3 genannten Fällen zu beantragen, die Zollrückvergütung durch Erhebung des Zollbetrages in der Höhe des durch sie erlangten Zollvorteiles unwirksam zu machen. Der Begünstigte hat dem Zollamt die für die Zollvorschreibung erforderlichen Angaben zu machen.

(5) Die Bestimmungen des Abs3 über das Verbot der Zollrückvergütung gelten nicht, wenn die Vorzugsbehandlung im Einfuhrstaat nicht beansprucht oder verweigert worden ist oder wenn Rückwaren im Sinne des Zollgesetzes 1955 vorliegen. Eine bereits erfolgte Zollvergütung oder Zollabrechnung oder eine gemäß Abs3 litc oder Abs4 erfolgte Vorschreibung ist auf Antrag entsprechend abzuändern, sofern kein Zweifel an der Nämlichkeit der Waren besteht. Ein solcher Antrag kann innerhalb von drei Jahren nach dem Austritt der betreffenden Ware aus Österreich gestellt werden.

(6) Die Bestimmung des Abs2 litb gilt nicht für unter das Abkommen (EGKS) fallende Vormaterialien oder Waren, die Ursprungserzeugnisse der Gemeinschaft sind und aus Griechenland nach Österreich versandt worden sind, wenn diese selbst in unverändertem Zustand oder wenn daraus hergestellte Waren in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften ausgeführt werden."

5. Im Kern geht das Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs dahin, daß die von der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren belangten Behörde angewendeten Bestimmungen des §18 Abs3 und 5 leg.cit. deshalb mit Verfassungswidrigkeit belastet sind, weil durch die Novelle 1980 einfachgesetzlich (auch) der mit der Novelle 1974 eingefügten Verfassungsbestimmung des Abs7 derogiert wurde.

Der zeitliche Geltungsbereich der Verfassungsbestimmung des §18 Abs7 leg.cit. idF BGBl. 791/1974 wurde nun nicht etwa durch die Verfassung der Abs1 bis 6 des §18 leg.cit. durch die Novelle BGBl. 599/1980 beendet, sondern durch die - ebenfalls nicht auf Verfassungsebene stehende - einleitende Formulierung des Punktes 7 der Novelle ex 1980 "§18 hat zu lauten:". Diese einleitende Formulierung ist aber nicht Gegenstand der vorliegenden Anfechtung. Schon deswegen war daher der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen, ohne daß die Frage beurteilt zu werden brauchte, ob die vom anfechtenden Gericht offenbar unterstellte Untrennbarkeit des §18, die Voraussetzung für die Annahme der Präjudizialität wäre, gegeben ist bzw. ob die gegen die Aufhebung des Abs7 des §18 durch die einfachgesetzliche Bestimmung der einleitenden Formulierung in Z7 der Novelle BGBl. 599/1980 vorgebrachten Bedenken auf die Verfassungsmäßigkeit der im Anlaßverfahren angewendeten Bestimmungen des §18 leg.cit. durchschlagen.

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