Normen
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Vlbg FlVfLG §32 Abs2
Vlbg FlVfLG §35 Abs1
Vlbg FlVfLG §35 Abs2
Vlbg FlVfLG §71
Vlbg FlVfLG §80 Abs2
Vlbg FlVfLG §93 Abs3
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
Vlbg FlVfLG §32 Abs2
Vlbg FlVfLG §35 Abs1
Vlbg FlVfLG §35 Abs2
Vlbg FlVfLG §71
Vlbg FlVfLG §80 Abs2
Vlbg FlVfLG §93 Abs3
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Der Verwaltungsgerichtshof beantragt gemäß Art139 Abs1 B-VG iVm Art89 Abs2 B-VG, den §4 Abs3 der Satzungen der Agrargemeinschaft "Alpgenossenschaft Netzen" vom 19. Mai 1963 als gesetzwidrig aufzuheben.
Diesem Antrag liegt eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Vorarlberger Landesregierung zugrunde, mit dem unter Berufung auf §35 des (Vorarlberger) Flurverfassungsgesetzes - FlVG, Anlage zur Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Neukundmachung des Flurverfassungsgesetzes, Vorarlberger LGBl. 2/1979, iVm §4 der Satzungen der Agrargemeinschaft "Alpgenossenschaft Netzen" die Bewilligung für die Übertragung von (persönlichen) Weiderechtsanteilen an dieser Agrargemeinschaft aus dem Nachlaß der M T N unter anderem an deren Tochter H S, geborene N, versagt und festgestellt wurde, daß der Erwerb der Weiderechtsanteile durch die Beschwerdeführerin dem §4 Abs3 der Satzungen widerspreche.
II. 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Bedenken gegen die angefochtene Satzungsbestimmung dargelegt und seine Annahme, daß die Satzungen als Verordnung iS der Art18 Abs2 und Art139 B-VG zu qualifizieren seien, folgendermaßen begründet:
"Die genannte Agrargemeinschaft ist kraft Gesetzes, nämlich gemäß §32 Abs2 FlVG, eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Eine die Satzung dieser Agrargemeinschaft betreffende Kundmachung enthält das Amtsblatt für das Land Vorarlberg vom 7. März 1964, Jahrgang 19/Nr. 10.
Zunächst ist zu bemerken, daß das im vorliegenden Fall anzuwendende Flurverfassungslandesgesetz (das FlVG) nicht festlegt, welche rechtliche Qualität es den Satzungen der Agrargemeinschaften beimißt - dies im Gegensatz etwa zu §47 Abs2 des Burgenländischen Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 40/1970, wonach die Satzung einer Agrargemeinschaft als Verordnung gilt, oder zu §34 Abs2 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978, LGBl. Nr. 54, dem zufolge Einrichtung und Tätigkeit von Agrargemeinschaften mit Bescheid geregelt wird. Die Bezeichnung 'Satzung' ist jedenfalls insofern wertneutral, als sie den Verordnungscharakter nicht ausschließt. Im übrigen steht es dem Gesetzgeber innerhalb eines bestimmten Spielraumes frei, die erforderliche Rechtskonkretisierung durch Verordnung oder durch Bescheid vorzusehen (VfSlg. 10430).
Die Ermächtigung zur Erlassung von (Durchführungs-)Verordnungen ist den 'Verwaltungsbehörden' vorbehalten; als solche können aber auch Organe von Selbstverwaltungskörpern fungieren, die ihrerseits Rechtspersönlichkeit in Form juristischer Personen des öffentlichen Rechts besitzen müssen. Diese Voraussetzungen erfüllt die betroffene Agrargemeinschaft. Es wird indessen weiter zu fordern sein, daß dieser Körperschaft (gewisse) hoheitliche Befugnisse eingeräumt sind. Der Verfassungsgerichtshof hat solche beispielsweise im Recht zur Vorschreibung von Beiträgen erblickt (VfSlg. 8366). In dieser Beziehung besagt §73 Abs3 litc FlVG, daß die Satzungen für Agrargemeinschaften insbesondere Bestimmungen über die 'Pflichten der Mitglieder hinsichtlich der Beitragsleistungen zur Deckung der Ausgaben und die Art der Verteilung und Einhebung der Beiträge' zu enthalten haben. Demgemäß obliegt nach §13 litf der bezeichneten Satzung dem Alpausschuß unter anderem 'die Festsetzung der Umlagen und Beiträge' sowie gemäß litn desselben Paragraphen 'die Auferlegung von Bußen'. Ferner bestimmt §23 der Satzung, daß bei Nichtleistung der von der Vollversammlung festgesetzten Gemeindetagswerke innerhalb der vom Alpmeister festgesetzten Zeit hiefür ein bestimmter Ersatzbetrag zu leisten ist (Abs3), sowie daß der Alpauftrieb bis zur Bezahlung von Rückständen von Sömmerungskosten verweigert werden kann (Abs4). Einen weiteren Anhaltspunkt für die Betrauung mit hoheitlichen Befugnissen könnte die Bedachtnahme darauf ergeben, daß sich die agrarische Gemeinschaften, die vom jeweiligen Gesetzgeber vorgefunden wurden, aus Formen der alten Dorfgemeinschaft entwickelt haben, welche ihrerseits öffentliche Aufgaben erfüllt hat.
Die vorliegende Satzung - die von der Agrargemeinschaft beschlossen und von der Aufsichtsbehörde genehmigt wurde (§73 Abs1 FlVG) - wendet sich, wie dies für eine Qualifikation als Verordnung vorauszusetzen ist, an einen generellen Adressatenkreis (§32 Abs1 FlVG), mag damit auch eine Anzahl von Rechtsunterworfenen erfaßt sein, die ihrerseits 'bestimmbar' ist, wie dies etwa auch bei Flächenwidmungsplänen - die nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Verordnungscharakter haben - zutrifft.
Eine Deutung der agrargemeinschaftlichen Satzung als Verordnung scheint auch im Interesse des Rechtsschutzes und der Kontrolle begründet. Der aufsichtsbehördliche Genehmigungsbescheid - der sich, betrachtet man die Satzung als Verordnung, nur als Teilakt im Verfahren zu deren Erlassung darstellt (vgl. das Verfahren bei der Erlassung eines Flächenwidmungsplanes, VfSlg. 8463, 8955) - kann jedenfalls von den einzelnen Beteiligten nicht angefochten werden (§80 Abs2 FlVG). Während aber eine als Bescheid verstandene gesetzwidrige Satzung auch späterhin infolge der dann eingetretenen Rechtskraft nicht aus dem Rechtsbestand beseitigt werden kann, besteht die Möglichkeit, daß sie als Verordnung gemäß Art139 B-VG vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird."
2. Die Vorarlberger Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie zur Frage der Zulässigkeit des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes im wesentlichen folgendes ausführt:
"Die Zulässigkeit des Antrages auf Prüfung der Bestimmung des §4 Abs3 der Satzung der Agrargemeinschaft Alpgenossenschaft Netzen hängt davon ab, ob die Satzung als Verordnung im Sinne der Art18 Abs2 und 139 B-VG zu qualifizieren ist. Der Verwaltungsgerichtshof geht deshalb zu Recht vorerst der Frage nach, ob die Satzung der Alpgenossenschaft Netzen als Verordnung zu werten ist.
1. a) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist die Agrargemeinschaft ein Selbstverwaltungskörper, der als juristische Person des öffentlichen Rechts Rechtspersönlichkeit besitzt und dem hoheitliche Befugnisse eingeräumt sind. Die Wahrnehmung von hoheitlichen Aufgaben sieht der Verwaltungsgerichtshof darin, daß die Satzungen für Agrargemeinschaften aufgrund des §73 Abs3 litc des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes 'insbesondere Bestimmungen über die Pflichten der Mitglieder hinsichtlich der Beitragsleistungen zur Deckung der Ausgaben und die Art der Verteilung und Einhebung der Beiträge' zu enthalten haben. Demgemäß obliegen nach §13 litf der bezeichneten Satzung dem Alpausschuß u.a. 'die Festsetzung von Umlagen und Beiträgen' sowie gemäß §13 litn 'die Auferlegung von Bußen'. Ferner bestimme §23 der Satzung, daß bei Nichtleistung der von der Vollversammlung festgesetzten Gemeindetagswerke ein bestimmter Ersatzbetrag zu leisten sei, sowie daß der Alpauftrieb bis zur Bezahlung von Rückständen von Sömmerungskosten verweigert werden könne.
- b) Ein weiterer Anhaltspunkt für die Betrauung mit hoheitlichen Befugnissen könne die Bedachtnahme darauf ergeben, daß sich die agrarischen Gemeinschaften, die vom jeweiligen Gesetzgeber vorgefunden wurden, aus Formen der alten Dorfgemeinschaft entwickelt hätten, welche ihrerseits öffentliche Aufgaben erfüllt hätte.
- c) Der Verwaltungsgerichtshof glaubt auch in der Tatsache, daß sich die Satzung an einen generellen Adressatenkreis wendet, ein weiteres Indiz für die Annahme gefunden zu haben, die Satzung sei als Verordnung zu qualifizieren.
Abschließend führt der Verwaltungsgerichtshof an, daß auch
im Interesse des Rechtsschutzes und der Kontrolle eine
Deutung der agrargemeinschaftlichen Satzung als Verordnung
begründet sei. Der aufsichtsbehördliche
Genehmigungsbescheid der Agragbezirksbehörde - der
Verwaltungsgerichtshof stellt dabei einen Vergleich mit dem
Verfahren bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes an könne
von den einzelnen Beteiligten nicht angefochten werden. Es
bestehe lediglich die Möglichkeit, daß sie als Verordnung vom
Verfassungsgerichtshof aufgehoben werde.
Zu diesen Ausführungen wird festgehalten:
zu a) 'Selbstverwaltung im juristischen Sinn ist eine
Erscheinungsform der staatlichen Vollziehung. Sie
steht außerhalb der Verwaltung des Bundes und der
Länder und umfaßt die Wahrnehmung der eigenen
Belange bestimmter Gruppen und Institutionen durch
deren Organe in relativ autonomer Verwaltung'
(Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, Seite 300
ff). Selbstverwaltung umfaßt die Führung von
Verwaltungsgeschäften und ist demnach eine staatliche
Tätigkeit. Dagegen sind selbstverwaltungsähnliche Tätigkeiten
im gesellschaftlichen Bereich keine Selbstverwaltung im
juristischen (staatsrechtlichen) Sinn. Adamovich-Funk zählen
zu den Selbstverwaltungskörpern beispielsweise die
gemeindliche (territoriale) Selbstverwaltung sowie die
personelle (wirtschaftliche und berufliche) Selbstverwaltung,
selbstverwaltungsähnliche Tätigkeiten außerhalb der
Vollziehung sind z.B. die Tätigkeit des ORF oder die Tätigkeit
von öffentlich-rechtlichen Genossenschaften (z.B.
Agrargemeinschaften).
'Charakteristische Merkmale von
öffentlich-rechtlichen Genossenschaften sind die
Einrichtung aufgrund öffentlichen Rechts, verbunden mit
verwaltungsbehördlichen Organisationskompetenzen (Errichtung
oder Anerkennung durch Verwaltungsakt), weiters die
Kombination von genossenschaftlichen Zwecken
(Gemeinschaftsaufgaben und Interessen der Mitglieder) mit
Aufgaben öffentlichen Interesses sowie die autonome
Geschäftsbesorgung unter verwaltungsbehördlicher Aufsicht.
Dazu kommen verschiedentlich Zwangskomponenten in Form von
Beitritts- und Mitgliedschaftszwang, weiters die Kompetenz
zur verwaltungsbehördlichen Entscheidung über Streitigkeiten
aus dem Mitgliedsverhältnis (ist ein Teil des
Aufsichtsrechtes) sowie bisweilen das Privileg der
politischen Exekution zur vereinfachten Hereinbringung von
Geldforderungen gegenüber den Mitgliedern (Adamovich-Funk,
Allgemeines Verwaltungsrecht).'
Die Möglichkeit der Agrargemeinschaft, die Umlagen und Beiträge der Mitglieder festzusetzen, Bußen aufzuerlegen, bei Nichtleistung der von der Vollversammlung festgesetzten Gemeindetagswerke innerhalb der vom Alpmeister festgesetzten Zeit hiefür einen bestimmten Ersatzbetrag zu leisten, sowie daß der Alpauftrieb bis zur Bezahlung von Rückständen von Sömmerungskosten verweigert werden kann, bieten noch keinen ausreichenden Nachweis dafür, daß es sich dabei um behördliche Tätigkeiten der Agrargemeinschaft handelt. Eine behördliche Aufgabe ist dann anzunehmen, wenn das Organ nach seinem gesetzlichen Wirkungsbereich befugt wäre, rechtsverbindliche Anordnungen (Entscheidungen und Verfügungen) zu treffen und deren Durchführung nötigenfalls zu erzwingen (vgl. VfSlg. Nr. 7717/1975). Allein aus der Tatsache, daß die Agrargemeinschaft eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist, kann noch nichts über die Rechtsqualität der von der Körperschaft ausgehenden Akte
abgeleitet werden. Vielmehr muß das Gesetz eine hoheitliche Befugnis ausdrücklich zuerkennen. Der §73 Abs3 des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes bestimmt, daß die Satzungen der Agrargemeinschaft insbesondere Bestimmungen zu enthalten haben über ...
c) die Pflichten der Mitglieder hinsichtlich der Beitragsleistungen zur Deckung der Ausgaben und die Art der Verteilung und Einhebung der Beiträge,
d) den Wirkungskreis der Vollversammlung, die Art ihrer Einberufung, ihre Beschlußfähigkeit, die Fassung, Gültigkeit, Verlautbarung und den Vollzug der Beschlüsse,
e) die Wahl, die Rechte und Pflichten der zur Vertretung der Gemeinschaft und zum Vollzug der Beschlüsse berufenen Organe, insbesondere des Vorstandes und des Ausschusses.
Den Anordnungen der einzelnen Organe der Agrargemeinschaft fehlt die Rechtsverbindlichkeit sowie die Möglichkeit, ihre Durchführung zu erzwingen. Rechtsverbindlichkeit sowie die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Anordnung kommt erst der Entscheidung der Agrarbezirksbehörde zu. Der §35 des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes bestimmt, daß über Streitigkeiten, die zwischen Anteilsberechtigten an Agrargemeinschaften oder zwischen den Mitgliedern einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und dieser oder ihren Organen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, die Behörde entscheidet. Behörde im Sinne des §35 des zitierten Gesetzes ist die Agrarbezirksbehörde. Dieser rechtlichen Gestaltung entspricht die Satzung der Agrargemeinschaft Netzen. Die Satzung sieht nämlich vor, daß grundsätzlich über die Anordnungen der Organe der Alpgenossenschaft die Entscheidung durch die Agrarbehörde beantragt werden kann (vgl. §25 der Satzung der Agrargemeinschaft Netzen). Die Festlegungen der Mitgliedsbeiträge sowie der sonstigen Ersatzbeiträge oder Bußen sind also nach der Vorschrift des Privatrechts zu beurteilende Akte (vgl. VfSlg. Nr. 8366/1976).
zu b) Der Allmende waren in früheren Zeiten gewisse öffentlich-rechtliche Funktionen übertragen. Neben dem Recht
der Nutzungen hatten die Genossen auch das Recht der Anteilnahme
am Dorfregiment, aber auch die Pflicht zur Tragung der Gemeindelasten und der Unterwerfung unter das Dorfregiment (vgl. Schiff, Agrarrecht I). Aus der Wahrnehmung der öffentlichen
Aufgaben durch diese Dorfgemeinschaften heute hoheitliche
Befugnisse der Agrargemeinschaft abzuleiten, ist jedoch nicht
möglich. Das Vorliegen hoheitsrechtlicher Befugnisse ist
ausschließlich nach den geltenden verfassungsrechtlichen sowie
einfachgesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen.
zu c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist unter einer Verordnung
unabhängig von deren Bezeichnung - eine von einer Verwaltungsbehörde erlassene, generelle Rechtsnorm zu verstehen.
Verordnungen können nur im Rahmen der Hoheitsverwaltung erlassen
werden. Da, wie aus obigen Ausführungen zu entnehmen ist, die Satzung der Agrargemeinschaft Netzen kein Akt der staatlichen
Vollziehung und somit auch keine Verordnung ist, ist auf das
weitere Vorbringen des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der
rechtlichen Qualität der Satzung nicht näher einzugehen.
2. Die Rechtsnatur des §4 Abs3 der Satzung:
a) Das Rechtsverhältnis der Alpgenossenschaft:
Die Alpgenossenschaft Netzen ist aufgrund des Regulierungsbescheides der Agrarbezirksbehörde vom 4.7.1963, Zl. II-558/63, und 3.7.1980, Zl. II-222-753/80, eine Agrargemeinschaft im Sinne des §31 des Vorarlberger Flurverfassungsgesetzes. Dieser genossenschaftlich organisierten Körperschaft kommt juristische Persönlichkeit zu. Die juristische Person allein ist die Trägerin des Eigentums der agrargemeinschaftlichen Grundstücke. Im §2 der Statuten der Alpgenossenschaft Netzen ist festgestellt, daß die im Grundbuch der KG St. Gallenkirch in E-Zl. 737 eingetragenen Liegenschaften Eigentum der Alpgenossenschaft sind. Die Alpgenossenschaft Netzen umfaßt 125 Weiderechte. Mitglieder der Alpgenossenschaft sind Personen, denen Weiderechte zustehen.
b) Geschichte der agrarischen Gemeinschaften:
Ihren geschichtlichen Ursprung haben die agrarischen Gemeinschaften in den Marktgenossenschaften. Gegenstand der agrarischen Gemeinschaften sind zumeist Wälder, Weiden und Alpen. In der Regel nutzen alle Genossen das ganze Gemeinschaftsgut gleichzeitig. Vielfach ist aber jedem Genossen ein Teil des Gemeinschaftsgutes zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen; 'hie und da (Vorarlberg) findet daran sogar eine Art beschränkte Vererbung statt' (Mischler-Ulbrich, Österreichisches Staatswörterbuch, 1. Band, Seite 73ff). Gewöhnlich ist das Maß der Nutzung nicht ziffernmäßig fixiert, sondern nach dem Haus- und Gutsbedarf bemessen. Die Verwaltung der agrarischen Gemeinschaft steht beim Gemeindegut den Gemeindebehörden, beim Genossenschaftsgut den Genossenschaftsorganen zu. Beim Genossenschaftsgut ist die gemeinschaftlich genutzte Realität Eigentum der Körperschaft; Statut oder Genossenschaftsorgan entscheiden über die Rechtsverhältnisse, insbesondere darüber, wem die Nutzungen gebühren, welches deren Ausmaß ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die Grundstücke geteilt und veräußert werden können, wem die Verwaltung zusteht, ... (siehe Mischler-Ulbrich, a.a.O.). Bei den unorganisierten agrarischen Gemeinschaften (vielfach Alpgenossenschaften) war die Rechtslage sehr reformbedürftig. Nicht nur die Frage des Eigentums an den Grundstücken - dieses Problem wurde durch die Anlegung des Grundbuchs und die Einordnung der (deutsch-rechtlichen) Genossenschaften in die (römisch-rechtlichen) Bestimmungen des ABGB noch verschärft und führte zu noch mehr Unklarheiten -, sondern auch die innere Organisation waren meistens ungeklärt. Trotzdem waren das Genossenschaftsgut und die unorganisierten agrarischen Gemeinschaften (im Gegensatz zum Gemeindegut) privatautonom gestaltet. Diesen privatautonomen Charakter verloren die agrarischen Gemeinschaften auch nicht durch die Einführung der Bodenreformgesetzgebung.
c) Aufgaben der Bodenreformgesetzgebung:
Aufgabe der Bodenreformgesetzgebung war es, vor allem für die unorganisierten agrarischen Gemeinschaften entsprechende Organisationsvorschriften zu schaffen. Gleichzeitig wurden die Agrargemeinschaften der Aufsicht der Agrarbehörden unterstellt. Als Maßnahmen der Bodenreform sind jene nicht unter Art10 B-VG fallende Maßnahmen auf dem Gebiet der Landeskultur zu verstehen, welche die gegebenen Bodenbesitz-, Benützung- oder Bewirtschaftungsverhältnisse, den geänderten sozialen oder wirtschaftlichen Anschauungen oder Bedürfnissen entsprechend, einer planmäßigen Neuordnung oder Regulierung unterziehen (VfSlg. Nr. 1390/1931). Das Vorarlberger Flurverfassungsgesetz enthält deshalb in seinem II. Hauptstück Bestimmungen zur Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken. Durch diese Bestimmung wird am privatrechtlichen Charakter der gemeinschaftlichen Verwaltung und Nutzung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke nichts geändert. Die Agrargemeinschaften sind Einrichtungen gesellschaftlicher Selbstorganisation geblieben, was in bezug auf die Satzung als Regeln für die Ordnung der gemeinschaftsinternen Beziehung grundsätzlich bedeutet, daß sie der privatautonomen Gestaltung durch die Agrargemeinschaft selbst unterliegen (Pernthaler in 'Dezentralisation und Selbstorganisation', Schriftenreihe des Instituts für Föderalismusforschung, Band 23, Seite 19ff). Diese Gestaltungsfreiheit der Agrargemeinschaft kann jedoch durch die gesetzlichen Maßnahmen der Bodenreform eingeschränkt werden. Auf welche Art diese staatliche Einflußnahme geschieht (Genehmigungsvorbehalt für die Satzung, Erlassung einer Satzung durch die Behörde), ist dem Gesetzgeber vorbehalten. Die staatliche Einflußnahme ist jedoch ihrerseits begrenzt durch die verfassungsrechtlichen Bestimmungen, d.h., daß Bodenreformmaßnahmen zur Ordnung agrarischer Gemeinschaften nur zulässig sind, soweit sie vom Kompetenztatbestand Bodenreform umfaßt sind. Soweit der Gesetzgeber die Privatautonomie der Agrargemeinschaft nicht einschränkt, verbleiben die Regelungen, die die gemeinschaftliche Nutzung und Bewirtschaftung des Genossenschaftsgutes betreffen, in ihrer Privatautonomie.
d) Keine gesetzliche Beschränkung des Verfügungsrechtes über Anteilsrechte im Erbfalle:
Waren ursprünglich die Nutzung, aber auch die Veräußerung und Vererbung von Anteilen des Genossenschaftsgutes von den Mitgliedern der Genossenschaft selbständig, als Ausfluß der privatautonomen Gestaltungsfreiheit der agrarischen Gemeinschaft zu regeln, so beschränkt das Vorarlberger Flurverfassungsgesetz nunmehr diese Privatautonomie. Gemäß §33 des zitierten Gesetzes kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Absonderung von Anteilsrechten von der Aufsichtsbehörde bewilligt werden. Diese Bewilligung ist zu versagen, wenn durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintreten würde oder wenn begründete Umstände dafür sprechen, daß der Anteilsrechtserwerb nicht zu wirtschaftlichen, sondern zu anderweitigen Zwecken angestrebt wird. Diese gesetzlichen Beschränkungen gelten jedoch nur für die Absonderung von Anteilsrechten unter Lebenden. Verfügungen der Genossenschaft über Anteilsrechte im Erbfalle verbleiben weiterhin der privatautonomen Gestaltungsfreiheit der Agrargemeinschaft.
3. Da die Satzung der Alpgenossenschaft Netzen keine Verordnung im Sinne des Art18 Abs2 B-VG ist bzw. der §4 Abs3 der Satzung eine aus der privatautonomen Gestaltungsfreiheit der Agrargemeinschaft fließende, nicht hoheitliche Regelung darstellt, ist der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art139 B-VG auf Überprüfung des §4 Abs3 der Satzung zurückzuweisen."
3. Die Agrargemeinschaft "Alpgenossenschaft Netzen" hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Satzungsbestimmung verteidigt.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat
erwogen:
1. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der bekämpften Satzungsbestimmung nach Art139 Abs1 B-VG ist unter anderem an die Voraussetzung geknüpft, daß den Satzungen Verordnungsqualität zukommt. Es ist daher zunächst diese Frage zu prüfen.
2. Die Satzungen der Agrargemeinschaft "Alpgenossenschaft Netzen" wurden am 19. Mai 1963 in der Vollversammlung dieser Agrargemeinschaft beschlossen und von der Agrarbezirksbehörde Bregenz mit Bescheid vom 4. Juli 1963, Z II-558/63, unter Berufung auf die §§36 und 78 des (Vorarlberger) Flurverfassungsgesetzes FlVG, LGBl. 4/1951, genehmigt. Auch eine von der Vollversammlung dieser Agrargemeinschaft (am 13. April 1980) beschlossene Änderung bzw. Ergänzung dieser Satzungen wurde mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde Bregenz genehmigt.
3. Das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, BGBl. 103, idgF, enthält keine Aussage über die Rechtsnatur der Satzungen von Agrargemeinschaften. Während §21 lediglich vorschreibt, daß im Zuge der Regulierung (auch) Verwaltungssatzungen aufzustellen sind, schränkt §31 Abs2 dieses Gebot auf Agrargemeinschaften mit fünf oder mehr anteilsberechtigten Liegenschaften ein und trifft im übrigen bloß die Anordnung, daß in den Verwaltungssatzungen für die Agrargemeinschaft eine körperschaftliche Verfassung vorzusehen ist.
Die Landes(ausführungs)gesetzgeber haben innerhalb des ihnen durch das Grundsatzgesetz offen gelassenen Regelungsspielraumes für die Satzungen der Agrargemeinschaften verschiedene rechtliche Konstruktionen gewählt. So sind die Satzungen der Agrargemeinschaften etwa - wie auch der Verwaltungsgerichtshof erwähnt - nach §47 Abs2 des (Bgld.) Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. 40/1970, mit Verordnung der Agrarbehörde, nach §34 Abs2 des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1978, LGBl. 54, jedoch mit Bescheid der Agrarbehörde zu erlassen. Die Erlassung mit Bescheid ist zB auch in §93 Abs1 des (Krnt.) Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. 64, vorgesehen.
4. Was die Rechtslage in Vorarlberg betrifft, so stimmen die hier relevanten, die Satzungen von Agrargemeinschaften betreffenden Vorschriften des FlVG, Anlage zur Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Neukundmachung des Flurverfassungsgesetzes, LGBl. 2/1979 (§§32, 35, 73, 80 und 82), von hier nicht maßgeblichen, geringfügigen Unterschieden abgesehen - mit den entsprechenden Vorschriften des FlVG LGBl. 4/1951 (§§36, 39, 78, 85 und 87) wörtlich überein. Es kann daher im folgenden jedenfalls von der derzeit geltenden Rechtslage nach dem FlVG LGBl. 2/1979 (im folgenden: FlVG 1979) ausgegangen werden.
5. Das Bestehen von Satzungen ist für Agrargemeinschaften unter bestimmten Voraussetzungen durch §32 Abs2 FlVG 1979 verbindlich vorgeschrieben. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"(2) Agrargemeinschaften, die aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen, müssen von der Behörde aufgestellte oder von der Behörde genehmigte Satzungen (§73) haben. Sie sind Körperschaften öffentlichen Rechts."
In Übereinstimmung damit besagt §73 Abs1 erster Satz FlVG 1979, daß die körperschaftliche Verfassung der aus mindestens fünf Mitliedern bestehenden Agrargemeinschaften in ihren Satzungen festgelegt ist, und überdies läßt es §73 Abs4 erster Satz dieses Gesetzes zu, von der Aufstellung von Satzungen abzusehen, wenn die Agrargemeinschaft aus weniger als fünf Mitgliedern besteht.
Das FlVG 1979 sieht zum einen die Aufstellung von Satzungen durch die Behörde vor. Die diesbezüglichen Regelungen enthält §71:
Danach besteht der im Zuge eines Verfahrens zur Regulierung der gemeinschaftlichen Nutzungs- und Verwaltungsrechte zu verfassende Regulierungsplan aus der Haupturkunde mit den Satzungen, dem Wirtschaftsplan und einer Plandarstellung. Wie sich aus der Wendung "Rechtskraft des Regulierungsplanes" in §78 (iVm §50 Abs1) und §81 Abs1 sowie aus §86 Abs1 FlVG 1979 ergibt, ist der Regulierungsplan in Bescheidform zu erlassen. Den von der Behörde aufgestellten Satzungen kommt mithin die rechtliche Qualität eines Bescheides zu.
6. Das FlVG 1979 kennt andererseits auch Satzungen, die nicht von der Behörde aufgestellt wurden. Sie bedürfen der Genehmigung der Behörde (§32 Abs2 erster Satz und §73 Abs1 zweiter Satz FlVG 1979). Die Aufstellung der Satzungen obliegt in solchen Fällen dem zuständigen Organ der Agrargemeinschaft. Dies ist aus §80 Abs1 zweiter und dritter Satz FlVG 1979 zu schließen, wonach (ua.) die Erneuerung einer Satzung auch ohne Einleitung eines neuen Regulierungsverfahrens auf Antrag der Gemeinschaft vorgenommen werden kann, wobei der Antrag "auf einem den Satzungen entsprechenden Beschluß des zuständigen Organes der Gemeinschaft" beruhen muß. In Fällen dieser Art sind mithin die Satzungen nicht ein der Behörde, sondern der Agrargemeinschaft zuzurechnender Akt. Dies trifft auch im vorliegenden Fall zu, da die Satzungen der Agrargemeinschaft "Alpgenossenschaft Netzen", wie bereits unter
III. 2. erwähnt, durch die Vollversammlung dieser Agrargemeinschaft beschlossen und von der Behörde lediglich genehmigt wurden (dies iS der in Vorarlberg durchgängig geübten Praxis, siehe dazu etwa Kühne, Agrarstruktur - Raumordnung, Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft für Raumordnung und Raumplanung, Bd. 21, 1975, S 67).
Das FlVG 1979 sagt nichts über die Rechtsnatur der von Agrargemeinschaften (mit Genehmigung der Behörde) aufgestellten Satzungen aus. Ebensowenig geben die parlamentarischen Materialien hierüber Aufschluß (Regierungsvorlage zum Gesetz über die Regelung der Flurverfassung (Flurverfassungsgesetz - FlVG), Blg. 5 zu den Sitzungsberichten des XVII. Vlbg. Landtages; Regierungsvorlage zum Gesetz über eine Änderung des Flurverfassungsgesetzes, Blg. 9 zu den Sitzungsberichten des XXI. Vlbg. Landtages; Regierungsvorlage zum Gesetz über eine Änderung des Flurverfassungsgesetzes, Blg. 29 zu den Sitzungsberichten des XXII. Vlbg. Landtages).
7. Steht auf der einen Seite die Bescheidqualität der von der Behörde erlassenen Satzungen außer Zweifel, so bietet andererseits der Wortlaut der Vorschriften des FlVG 1979 keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß den von einer Agrargemeinschaft aufgestellten Satzungen die rechtliche Qualität eines behördlichen Aktes - sei es ein Bescheid, sei es eine Verordnung - zukommt. Hoheitliche Befugnisse können, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl. etwa VfSlg. 3183/1957, 5432/1966, 7717/1975), nur durch Gesetz begründet werden (im gleichen Sinne die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. etwa VwSlg. 7065 A/1967, 8542 A/1974). Soweit hoheitliche Befugnisse nicht verliehen werden, liegt Handeln im Rahmen der Privatautonomie vor (vgl. etwa VfSlg. 7717/1975, 10948/1986).
Die Bestimmungen des FlVG 1979, in denen die Ermächtigung der Agrargemeinschaften zur Erlassung (und Änderung) ihrer Satzungen zum Ausdruck kommt, als Übertragung einer hoheitlichen Befugnis, nämlich der Kompetenz zur Erlassung (und Änderung) von Verordnungen zu deuten, liegt schon deshalb nicht nahe, weil das FlVG 1979 den Agrargemeinschaften auch sonst keine behördlichen Befugnisse, insbesondere nicht die Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden eingeräumt hat (wenngleich die eine Kompetenz nicht notwendigerweise mit der anderen verbunden ist). In der Vorschrift des §73 Abs3 litc FlVG 1979, wonach alle Satzungen von Agrargemeinschaften insbesondere Bestimmungen über die "Pflichten der Mitglieder hinsichtlich der Beitragsleistungen zur Deckung der Ausgaben und die Art der Verteilung und Erhebung der Beiträge" zu enthalten haben, kann die Einräumung der Kompetenz zur bescheidmäßigen Vorschreibung von Beiträgen (und damit iS des Beschlusses VfSlg. 8366/1978 die Übertragung einer hoheitlichen Befugnis) nicht erblickt werden. Eine solche Deutung ließe nämlich außer Acht, daß nach §35 Abs2 FlVG 1979 die Entscheidung (auch) über Streitigkeiten, die zwischen Mitgliedern einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und dieser oder ihren Organen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, der Behörde obliegt, die (im Streitfall erforderliche) bescheidmäßige Vorschreibung von Beiträgen mithin nicht einem Organ der Agrargemeinschaft, sondern ausschließlich der Behörde überantwortet ist.
8. Im übrigen lassen es auch Gründe des Rechtsschutzes (vgl. dazu etwa VfSlg. 10270/1984, S 595) nicht geboten erscheinen, die von Agrargemeinschaften aufgestellten Satzungen als Verordnungen zu qualifizieren, um die Möglichkeit ihrer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 B-VG zu eröffnen.
Zunächst sind die Agrarbehörden im Zusammenhang mit der ihnen obliegenden Überwachung der Agrargemeinschaften verpflichtet, auch die Einhaltung der Bestimmungen des FlVG 1979 wahrzunehmen (§35 Abs1 erster Satz FlVG 1979). "Auf Grund des Überwachungsrechtes hat die Behörde nötigenfalls nach §80 vorzugehen" (§35 Abs1 zweiter Satz FlVG 1979). §80 FlVG 1979 regelt die "Abänderung von Wirtschaftsplänen und Satzungen"; Abs1 zweiter Satz gibt der Behörde die Möglichkeit, die Abänderung (bzw. Erneuerung) von Satzungen auch von Amts wegen - mit Bescheid (§80 Abs2 erster Satz FlVG 1979) - vorzunehmen. Nach §35 Abs3 FlVG 1979 sind die Satzungen zu prüfen und gegebenenfalls abzuändern, "sofern gesetzliche Bestimmungen dies erheischen".
Somit ist zum einen die Behörde verpflichtet, von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit der Satzungen einer Agrargemeinschaft zu prüfen und nötigenfalls durch Vornahme entsprechender Satzungsänderungen zu gewährleisten. Zum anderen haben die Mitglieder einer Agrargemeinschaft die Möglichkeit, in Verfahren zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis - deren Entscheidung nach §35 Abs2 iVm §82 Abs2 FlVG 1979 in die Zuständigkeit der Agrarbehörden fällt - auch die Gesetzwidrigkeit von Satzungsbestimmungen geltend zu machen.
Damit bietet die geltende Rechtslage auch dann, wenn die von einer Agrargemeinschaft mit behördlicher Genehmigung aufgestellten Satzungen nicht als Verordnungen gedeutet werden, hinreichende Gewähr dafür, daß nur dem Gesetz entsprechende Satzungsbestimmungen auf Dauer rechtlichen Bestand haben. Es ist daher aus Rechtsschutzgründen keineswegs geboten, in solchen Fällen den Satzungen Verordnungsqualität beizumessen.
9. Aus dem Umstand, daß die Agrargemeinschaften durch §32 Abs2 zweiter Satz FlVG 1979 (eingefügt durch die Novelle LGBl. 30/1971) zu Körperschaften öffentlichen Rechts erklärt worden sind, kann die Verordnungsqualität der von ihnen selbst aufgestellten Satzungen nicht abgeleitet werden, weil eine derartige Erklärung des Gesetzgebers für sich allein weder die Einräumung hoheitlicher Befugnisse bedeutet noch zu bewirken vermag, daß andere Vorschriften des Gesetzes in diesem Sinn ausgelegt werden müssen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das Erkenntnis VfSlg. 2029/1950; siehe etwa auch VfSlg. 7717/1975). Die im Bericht zur Regierungsvorlage betreffend die nachmalige Novelle LGBl. 30/1971 (Blg. 9 zu den Sitzungsberichten des XXI. Vlbg. Landtages, Zu den Z 2 bis 26 §30 iVm Zu Z1 §8) enthaltene Aussage, daß den Agrargemeinschaften die Besorgung eines Ausschnittes aus der öffentlichen Verwaltung übertragen sei und ihnen, da sie überdies durch Zwangsmitgliedschaft gekennzeichnet seien, die Merkmale einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zukämen, gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß den Agrargemeinschaften zur Besorgung dieser Aufgaben durch das Gesetz auch hoheitliche Befugnisse eingeräumt wurden.
Gegen die Verordnungsqualität der von den Agrargemeinschaften selbst aufgestellten Satzungen spricht etwa auch der Umstand, daß die Änderung auch solcher Satzungen gegebenenfalls von Amts wegen durch Bescheid vorzunehmen ist (§80 Abs2 erster Satz FlVG 1979). Es kann ohne zwingenden Grund nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber die Änderung einer Verordnung durch Bescheid vorsehen wollte (siehe in diesem Zusammenhang etwa das Erkenntnis des VwGH VwSlg. 7255 A/1967).
Daß die Satzungen einer Agrargemeinschaft auch durch die Erteilung der behördlichen Genehmigung, deren sie zu ihrer Rechtswirksamkeit bedürfen (§73 Abs1 zweiter Satz FlVG 1979), nicht die rechtliche Qualität einer Verordnung erlangen, ist nur der Vollständigkeit halber zu erwähnen (siehe dazu etwa VfSlg. 3657/1959, S 487).
Schließlich läßt auch der Umstand, daß die Agrarbezirksbehörde Bregenz in der gemäß §93 Abs3 FlVG LGBl. 4/1951 vorgenommenen Verlautbarung des rechtskräftigen Abschlusses des Regulierungsverfahrens im Amtsblatt für das Land Vorarlberg auf die Genehmigung der Satzungen hinwies, nicht den Schluß auf die Verordnungsqualität der Satzungen zu. Abgesehen davon, daß diese Verlautbarung nicht den Wortlaut der Satzungen enthielt, vermöchte selbst die Verlautbarung der Satzungen als solcher im Amtsblatt für das Land Vorarlberg diesen nicht die Qualität einer Verordnung zu verleihen. Wie nämlich aus dem Erkenntnis VfSlg. 178/1923 hervorgeht, behält ein Akt mit rechtsgeschäftlichem - also nicht hoheitlichem - Charakter diese Eigenschaft auch dann, wenn er in einem Verordnungsblatt kundgemacht wird (siehe in diesem Zusammenhang etwa auch die Erkenntnisse VfSlg. 3140/1957, 3142/1957 und 3478/1958). Die Art der Verlautbarung ist für die Qualität als Verordnung nicht maßgebend (VfSlg. 11472/1987).
10. Da die angefochtene Bestimmung der Satzungen der Agrargemeinschaft "Alpgenossenschaft Netzen" nicht Verordnungsqualität besitzt, kann sie nicht Gegenstand eines Verordnungsprüfungsverfahrens nach Art139 B-VG sein.
11. Der Antrag war daher wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lit. a VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.
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