Normen
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgte B-VG Art144 Abs1 / Vollstreckungshandlung B-VG Art144 Abs1 / Anhaltung StGG Art8 AsylG §5 FremdenpolizeiG §11 Abs2 VStG §35 lita VStG §36 Abs1 VStG §53b Abs1
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgte B-VG Art144 Abs1 / Vollstreckungshandlung B-VG Art144 Abs1 / Anhaltung StGG Art8 AsylG §5 FremdenpolizeiG §11 Abs2 VStG §35 lita VStG §36 Abs1 VStG §53b Abs1
Spruch:
1. Der Beschwerdeführer ist
a) durch die am 23. April 1989 um ca. 11,50 Uhr von Beamten der Bundespolizeidirektion Wien vorgenommene Festnahme und die folgende Anhaltung, soweit sie bis 12,50 Uhr desselben Tages währte, sowie
b) durch die in der Zeit vom 4. Juli 1989, 15,00 Uhr bis 7. Juli 1989, 12,00 Uhr zur Durchführung des Strafvollzuges erfolgte Anhaltung
weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
In diesem Umfang wird die Beschwerde abgewiesen.
2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund, zu Handen der Finanzprokuratur, die mit 12.500 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer wendet sich mit der vorliegenden, auf Art144 Abs1 (zweiter Satz) B-VG gestützten Beschwerde dagegen, daß er am 23. April 1989 durch Beamte der Bundespolizeidirektion (BPD) Wien festgenommen und anschließend bis 7. Juli 1989 angehalten worden sei. Er beantragt die kostenpflichtige Feststellung, daß er durch diese Maßnahmen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden sei.
2. Die - durch die Finanzprokuratur vertretene - BPD Wien als belangte Behörde legte die bezughabenden Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie begehrt, die Beschwerde teils als unzulässig zurückzuweisen, teils als unbegründet abzuweisen und ihr die Prozeßkosten zuzusprechen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.a) Aufgrund der vorgelegten Verwaltungsakten der BPD Wien I-Pst 2922-FrB/89 und I-553.933-FrB/89 nimmt der Verfassungsgerichtshof folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
aa) Der Beschwerdeführer - ein türkischer Staatsangehöriger - reiste am 20. April 1989 unter Umgehung der Grenzkontrolle ohne Reisedokumente und ohne finanzielle Mittel aus der Türkei kommend über Jugoslawien nach Österreich ein.
Am 23. April 1989 wurde er um 11,50 Uhr von Kriminalbeamten der BPD Wien in Wien 17., Rokitanskygasse 28/18 (wo er ohne polizeilich gemeldet zu sein, wohnte) gemäß §35 lita VStG 1950 festgenommen und dem Fremdenpolizeilichen Büro (FrB) überstellt. Er wies den einschreitenden Beamten mehrere türkische Personaldokumente vor, die auf verschiedene Namen lauteten; in einem Ausweis war das Lichtbild offenbar nachträglich eingeklebt worden.
bb) Die BPD Wien - FrB ordnete mit Bescheid vom 23. April 1989 gegen den Beschwerdeführer gemäß §5 Abs1 des Fremdenpolizeigesetzes (FrPG) iVm §57 Abs1 AVG 1950 die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung des Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung an. Eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides wurde dem Beschwerdeführer am erwähnten Tag um 12,50 Uhr persönlich ausgefolgt. Eine Vorstellung wurde - wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt - nicht erhoben.
Der Beschwerdeführer wurde in der Folge im Polizeigefangenenhaus angehalten.
Am 3. Mai 1989 beantragte er (im Stande der Schubhaft), ihn als Flüchtling iS des Asylgesetzes, BGBl. 126/1968, idF BGBl. 796/1974, anzuerkennen. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien stellte mit Bescheid vom 12. Juni 1989 gemäß §1 des AsylG fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei; gemäß §64 Abs2 AVG 1950 wurde einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 30. August 1989 zurück.
Die BPD Wien - FrB erkannte mit Straferkenntnis vom 16. Juni 1989 den Beschwerdeführer schuldig, dadurch mehrere Übertretungen nach dem FrPG und dem Paßgesetz begangen zu haben, daß er am 20. April 1989 unter Umgebung der Grenzkontrolle und ohne gültiges Reisedokument nach Österreich eingereist sei und daß er sich sodann vom 20. bis 23. April 1989 ohne Reisedokument und ohne Sichtvermerk in Österreich aufgehalten habe. Über den Beschwerdeführer wurden insgesamt Geldstrafen von 3.000 S und Ersatzfreiheitsstrafen von sechs Tagen verhängt. Das Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer mündlich verkündet. Zur Frage, ob er ein Rechtsmittel einbringe, gab er keine Erklärung ab. Eine Berufung wurde in der Folge nicht erhoben.
Am 16. Juni 1989 verhängte die BPD Wien über den Beschwerdeführer gemäß §3 Abs1 iVm Abs2 Z7 und §3 Abs3 FrPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot; einer Berufung wurde gemäß §64 Abs2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung aberkannt. Über die dagegen erhobene Berufung wurde bisher den dem Verfassungsgerichtshof zur Verfügung stehenden Unterlagen zufolge nicht entschieden.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien erklärte (über Antrag der BPD Wien) mit Bescheid vom 20. Juni 1989 nach §5 Abs2 FrPG eine Ausdehnung der mit Bescheid der BPD Wien vom 23. April 1989 gegen den Beschwerdeführer angeordneten Schubhaft bis zur Höchstdauer von insgesamt drei Monaten für zulässig; auch hier wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gemäß §64 Abs2 AVG 1950 ausgeschlossen. Die dagegen eingebrachte Berufung ist nach den dem Verfassungsgerichtshof zugänglichen Unterlagen noch offen.
cc) Aufgrund einer Weisung des Bundesministeriums für Inneres wurde der Beschwerdeführer zwar am 4. Juli 1989 um 15,00 Uhr aus der Schubhaft entlassen; er wurde jedoch zur Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen (die mit Straferkenntnis vom 16. Juni 1989 verhängt worden waren - siehe die vorstehende sublit. bb) weiterhin im Polizeigefangenenhaus angehalten. Am 7. Juli 1989 wurde er um 12,00 Uhr aus der Haft entlassen. Weshalb die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen nicht zur Gänze vollzogen wurden, konnte nicht geklärt werden.
b) Der Sachverhalt wird von den Parteien insofern unterschiedlich geschildert, als der Beschwerdeführer eine gültige Zustellung der erwähnten Bescheide bestreitet. Tatsächlich hat er zwar jede Unterschriftsleistung verweigert. In den vorgelegten Akten ist aber - glaubwürdig - dokumentiert, daß er jeweils schriftlichen Ausfertigungen der Bescheide persönlich ausgefolgt erhielt und daß ihm das Straferkenntnis mündlich verkündet wurde.
2. Der Verfassungsgerichtshof würdigt den festgestellten Sachverhalt rechtlich wie folgt:
a) aa) Die am 23. April 1989 um 11,50 Uhr erfolgte Festnahme des Beschwerdeführers und die darauffolgende Anhaltung, soweit sie bis 12,50 Uhr desselben Tages dauerte, wird von der belangten Behörde auf §35 lita VStG 1950 gestützt. Der Beschwerdeführer habe über keine Dokumente verfügt, die seine Identität zweifelsfrei nachgewiesen hätten. Er sei mehrerer Verwaltungsübertretungen dringend verdächtig gewesen (nämlich nach dem MeldeG, dem PaßG und dem FrPG).
bb) In dieser Hinsicht ist die Beschwerde zulässig (vgl. zB VfGH 26.9.1988 B1010/86 und 27.9.1988 B973/86).
Sie ist aber in der Sache nicht berechtigt:
Art8 StGG gewährt - ebenso wie Art5 EMRK (s. VfSlg. 7608/1975, 8815/1980) - Schutz gegen gesetzwidrige Verhaftung.
Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, das gemäß Art8 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt ist und gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, legt in seinem §4 fest, daß die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt eine Person "in den vom Gesetze bestimmten Fällen" in Verwahrung nehmen dürfen. §35 VStG 1950 ist ein solches Gesetz (VfSlg. 7252/1974), doch setzt die Festnehmung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in allen in dieser Gesetzesvorschrift angeführten Anwendungsfällen (lita bis c) voraus, daß die festzunehmende Person "auf frischer Tat betreten" wird: Sie muß also eine als Verwaltungsübertretung strafbare Tat verüben und bei Begehung des Delikts betreten werden; die erste dieser beiden Bedingungen ist schon dann erfüllt, wenn das Behördenorgan die Verübung einer Verwaltungsübertretung mit gutem Grund (= vertretbarerweise) annehmen konnte (s. zB VfSlg. 4143/1962, 7309/1974). Die Vorschrift des §35 lita VStG 1950 läßt eine Festnehmung unter den schon umschriebenen Voraussetzungen zum Zweck der Vorführung vor die Behörde aber nur dann zu, wenn der Betretene "dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist".
Auf dem Boden dieser Rechtslage ist zunächst zu prüfen, ob die hier einschreitenden Sicherheitsorgane mit gutem Grund - und damit vertretbar - zur Auffassung gelangen durften, daß der Beschwerdeführer sich die erwähnten Übertretungen nach dem MeldeG, dem PaßG und dem FrPG zu Schulden kommen ließ. Das war - ohne daß dies näher begründet zu werden braucht - der Fall. War aber die (Tat-)Beurteilung als Verwaltungsdelikt vertretbar und lag - weil der Beschwerdeführer auf frischer Tat (zumindest in Ansehung des illegalen Aufenthaltes in Österreich) betreten worden war, seine Identität der einschreitenden Beamten unbekannt war und er sich nicht ausweisen konnte (s.o. II.1.a.aa) - der Festnahmegrund nach §35 lita VStG 1950 vor, entsprach die bekämpfte Festnehmung dem Gesetz.
Der Beschwerdeführer wurde - dem §36 Abs1 VStG 1950 entsprechend - unverzüglich der "nächsten sachlich zuständigen Behörde" übergeben. Die auf §35 lita iVm §36 VStG 1950 gestützte Anhaltung dauerte lediglich eine Stunde. Sie währte also nicht gesetzwidrig lang.
Die Beschwerde war in dieser Hinsicht abzuweisen (Pkt. 1 lita des Spruches), weil weder die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit noch eine sonstige, vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtsverletzung stattgefunden hat.
b) aa) Was die danach folgende Anhaltung vom 23. April 1989, 12,50 Uhr, bis 4. Juli 1989, 15,00 Uhr anlangt, wird sie von der belangten Behörde mit der verhängten Schubhaft gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer bringt hiezu vor, ein Schubhaftbescheid sei ihm nicht zugestellt worden. Ein Schubhaftbescheid wäre im übrigen gesetzwidrig gewesen, weil der Beschwerdeführer einen Asylantrag eingebracht habe; es wäre daher unzulässig gewesen, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen.
bb) Gemäß §5 Abs1 FrPG kann ein Fremder unter den im Gesetz geschilderten Voraussetzungen vorläufig in Verwahrung (Schubhaft) genommen werden.
Die Schubhaft ist, wie sich aus §11 Abs2 FrPG ergibt, mit Bescheid anzuordnen. Die Verhängung der Schubhaft schließt auch die Festnahme ein (vgl. zB VfSlg. 9323/1982 und die dort zitierte Vorjudikatur). Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen, darf also nur erfolgen, wenn sie durch einen Bescheid verfügt worden ist. Ein schriftlicher Bescheid gilt erst dann als erlassen, wenn er wirksam zugestellt wurde. Ein vollstreckbarer Schubhaftbescheid ist also Voraussetzung dafür, daß ein Fremder in Schubhaft genommen, in Schubhaft gehalten und in weiterer Folge iS des §13 FrPG abgeschoben werden darf. Weder die aufgrund eines vollstreckbaren Schubhaftbescheides erfolgte Festnahme und Anhaltung noch die Abschiebung stellen (etwa bescheidmäßig zu treffende) Vollstreckungsverfügungen dar; sie sind Maßnahmen, die der Vollstreckung der vorangegangenen Bescheide (mit denen das Aufenthaltsverbot und die Schubhaft verhängt wurden) dienen. Derartige Verwaltungsakte, die bloß als Maßnahmen zur Vollstreckung vorangegangener Bescheide anzusehen sind, können nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert werden, die nach Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbar sind (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zB VfSlg. 10978/1986).
Hier wurde nun - entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers - über den Beschwerdeführer am 23. April 1989 um 12,50 Uhr bescheidmäßig die Schubhaft verhängt (siehe die obigen Sachverhaltsfeststellungen zu II.1.a). Sie durfte dem §5 Abs2 erster Satz FrPG zufolge vorerst nur zwei Monate dauern, wurde dann aber von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gemäß §5 Abs2 zweiter Satz FrPG bis zur Höchstdauer von drei Monaten ausgedehnt. Die Anhaltung vom 23. April bis 4. Juli 1989 war also durch diese (vollstreckbaren) Bescheide gedeckt.
Der Umstand, daß der Beschwerdeführer am 3. Mai 1989 einen Asylantrag einbrachte, ändert daran nichts; denn ein solcher Antrag beseitigt weder kraft Gesetzes einen Schubhaftbescheid aus der Rechtsordnung noch hemmt er dessen Vollstreckbarkeit. Der Frage, ob die Behörde im Hinblick auf §5 AsylG verpflichtet gewesen wäre, auf Antrag oder auch von amtswegen die Schubhaftbescheide aufzuheben, ist hier nicht nachzugehen, weil die Bescheide nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind.
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Anhaltung nach Zustellung des Schubhaftbescheides - also gegen die Haft nach dem 23. April 1989, 12,50 Uhr - bis zur Entlassung aus der Schubhaft am 4. Juli 1989, 15,00 Uhr, wendet, mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 10978/1986) - Pkt. 2 des Spruches.
c) aa) Die Anhaltung des Beschwerdeführers vom 4. Juli 1989, 15,00 Uhr bis 7. Juli 1989, 12,00 Uhr, schließlich wird von der belangten Behörde als Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen dargestellt.
Der Beschwerdeführer meint, der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafen sei ungesetzlich gewesen, weil ihm - dem §53b Abs1 VStG zuwider - keine Aufforderung zu deren Antritt vorangegangen sei. Die Behörde sei nicht von seiner Vermögenslosigkeit ausgegangen; sie hätte daher vorerst versuchen müssen, die Geldstrafen im Wege von gerichtlichen Exekutionen einzutreiben.
bb) Die Beschwerde ist in diesem Umfang zulässig (vgl. zB VfSlg. 8642/1979, 8679/1979).
Die Behörde konnte beim gegebenen Sachverhalt davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer über keinerlei Einkommen oder Vermögen verfügt. Sie durfte daher die - rechtskräftig verhängten - Ersatzfreiheitsstrafen in Vollzug setzen, ohne zuvor versuchen zu müssen, die Geldstrafen im Wege einer Exekution einzutreiben (vgl. VfSlg. 8642/1979, 101 f., 8679/1979, 256).
Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 8770/1980, 11527/1987) ist die Aufforderung zum Antritt einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe zwar kein Bescheid, aber eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß die Freiheitsstrafe rechtmäßig vollzogen werden darf; wird diese Aufforderung unterlassen, so wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit verletzt.
Diese Rechtsprechung beruht auf §53 Abs1 VStG 1950 idF vor der VStG-Novelle 1987, BGBl. 516. Diese am 1. Juli 1988 in Kraft getretene Novelle brachte insofern eine Änderung, als dem neu eingefügten §53b Abs1 VStG 1950 zufolge "ein Bestrafter auf freiem Fuß, der die Strafe nicht sofort antritt, aufzufordern ist, die Freiheitsstrafe binnen einer bestimmten angemessenen Frist anzutreten".
Seit dieser Änderung der Rechtslage kommt der oben dargestellten Judikatur ohne Einschränkung nur für solche Bestrafte Bedeutung zu, die sich auf freiem Fuß befinden. Hingegen besteht bezüglich Bestrafter, die sich bereits in (Verwaltungs-)Haft befinden, seither - wie sich aus einem Umkehrschluß unter Beachtung des Sinnes der Regelung ergibt - die Aufforderungspflicht jedenfalls dann nicht, wenn sie zu Recht in Verwaltungshaft angehalten werden und wenn die Aufforderung, die Freiheitsstrafe binnen einer angemessen Frist anzutreten, dazu führt, daß der Bestrafte im Augenblick der Entlassung aus der bisherigen Haft rechtmäßig neuerlich in Haft (diesmal zum Vollzug der Freiheitsstrafe) genommen werden dürfte.
Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der Bestrafte - wie hier - (rechtmäßig) durch mehrere Wochen in Schubhaft angehalten wird. Eine Aufforderung zum Antritt der Freiheitsstrafe wäre bei diesen Gegebenheiten sinnlos.
Voraussetzung für den Vollzug der über den Beschwerdeführer (rechtskräftig) verhängten Ersatzfreiheitsstrafen war sohin nicht die vorangehende Aufforderung zu deren Antritt.
Die Anhaltung des Beschwerdeführers während des zuletzt erwähnten Zeitraumes zwecks Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafen entsprach daher dem Gesetz.
Der Beschwerdeführer wurde also weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit noch in einem sonstigen derartigen Recht verletzt. Auch die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm fand nicht statt. In diesem Umfang war die Beschwerde mithin abzuweisen (Pkt. 1 b des Spruches).
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
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