Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz F-VG 1948 §4 FAG 1989 §8 FAG 1989 §10 FAG 1989 §20, §21, §22, §23
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz F-VG 1948 §4 FAG 1989 §8 FAG 1989 §10 FAG 1989 §20, §21, §22, §23
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Niederösterreichische Landesregierung stellt aufgrund ihres Beschlusses vom 27. März 1990 gemäß Art140 Abs1 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle die folgenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 29. November 1988, BGBl. 687, mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 1989 bis 1992 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden (Finanzausgleichsgesetz 1989 - FAG 1989), aufheben:
§8 Abs2 Z2
§8 Abs2 Z4
§8 Abs2 Z5
§8 Abs2 Z7
§8 Abs2 Z8
§8 Abs2 Z9
§8 Abs3
§9 letzter Satz
§10 Abs2 letzter Satz
§10 Abs3
§20 Abs1
§21 Abs1 zweiter Satz
§21 Abs2 Z2
§21 Abs5
§21 Abs6
§21 Abs8
§22 Abs1 Z2 zweiter Satz
§22 Abs1 Z5 zweiter und dritter Satz
§23 Abs4.
2. Die angefochtenen Bestimmungen des FAG 1989 lauten in ihrem Zusammenhang (die bekämpften Vorschriften sind hervorgehoben):
"§8. (1) Die Erträge der im §7 Abs1 angeführten gemeinschaftlichen Bundesgaben mit Ausnahme des Kulturgroschens, der Energieverbrauchsabgabe und der Spielbankabgabe werden zwischen dem Bund, den Ländern (Wien als Land) und den Gemeinden (Wien als Gemeinde) in folgendem Hundertsatzverhältnis geteilt:
Bund Länder Gemeinden
Veranlagte Einkommensteuer
einschließlich Abzugsteuer 48,582 27,385 24,033
Lohnsteuer 63,167 20,649 16,184
Kapitalertragsteuer I 19,891 13,352 66,757
Kapitalertragsteuer II 47,000 30,000 23,000
Umsatzsteuer 69,412 18,793 11,795
Biersteuer 17,000 57,000 26,000
Abgabe von alkoholischen Getränken 40,000 30,000 30,000
Mineralölsteuer 88,559 8,638 2,803
Erbschafts- und Schenkungssteuer 70,000 30,000 --
Grunderwerbsteuer 4,000 -- 96,000
Bodenwertabgabe 4,000 -- 96,000
Kraftfahrzeugsteuer 50,000 50,000 --
Kunstförderungsbeitrag 70,000 30,000 --
(2) Die Teile der Erträge der gemeinschaftlichen Bundesabgaben, die gemäß Abs1 auf die Länder und Gemeinden entfallen, werden auf die Länder und länderweise auf die Gemeinden nach den folgenden Schlüsseln aufgeteilt:
1. bei der veranlagten Einkommensteuer einschließlich Abzugsteuer auf die Länder 26,702 Hundertteile nach dem örtlichen Aufkommen und 0,683 Hundertteile nach den länderweisen Anteilen der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben ohne Spielbankabgabe; auf die Gemeinden zu drei Fünfteln nach dem länderweisen Aufkommen an dieser Steuer und zu zwei Fünfteln nach dem länderweisen Aufkommen an Gewerbesteuer (nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital);
2. bei der Lohnsteuer auf die Länder 20,229 Hundertteile nach der Volkszahl und 0,420 Hundertteile nach den länderweisen Anteilen der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben ohne Spielbankabgabe; auf die Gemeinden nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel;
3. bei der Kapitalertragsteuer I auf die Länder und Gemeinden, bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer und bei der Kraftfahrzeugsteuer auf die Länder und bei der Grunderwerbsteuer und der Bodenwertabgabe auf die Gemeinden nach dem örtlichen Aufkommen;
4. bei der Kapitalertragsteuer II auf die Länder 21 Hundertteile nach der Volkszahl und 9 Hundertteile nach dem örtlichen Aufkommen an veranlagter Einkommensteuer einschließlich Abzugsteuer; auf die Gemeinden nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel;
5. bei der Umsatzsteuer auf die Länder 17,978 Hundertteile nach der Volkszahl, 0,545 Hundertteile zu einem Sechstel auf Wien als Land und zu fünf Sechsteln auf die Länder ohne Wien nach der Volkszahl und 0,270 Hundertteile nach den länderweisen Anteilen der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben ohne Spielbankabgabe; auf die Gemeinden 4,616 Hundertteile nach der Volkszahl, 5,897 Hundertteile nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel und 1,282 Hundertteile nach dem länderweisen Aufkommen an Gewerbesteuer (nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital);
6. bei der Biersteuer auf die Länder und Gemeinden nach dem länderweisen Verbrauch von Bier;
7. bei der Abgabe von alkoholischen Getränken auf die Länder und Gemeinden nach der Volkszahl;
8. bei der Mineralölsteuer auf die Länder und Gemeinden zu je einem Viertel nach der Volkszahl und der Gebietsfläche und zu je einem Sechstel a) nach dem länderweisen Aufkommen an Kraftfahrzeugsteuer, b) nach dem länderweisen Aufkommen an Gewerbesteuer (nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital) und schließlich c) unter Zugrundelegung folgender Straßenkilometer des befestigten und unbefestigten Straßennetzes - ohne Bundesstraßen und ohne Geh- und Wanderwege -, und zwar: Burgenland 3 436, Kärnten 5 398, Niederösterreich 22 278, Oberösterreich 14 215, Salzburg 3 051, Steiermark 11 472, Tirol 5 022, Vorarlberg 1 862 und Wien 2 068, sohin zusammen 68 802 km;
9. beim Kunstförderungsbeitrag auf die Länder nach der Volkszahl.
(3) Die Volkszahl bestimmt sich nach dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt auf Grund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis. Dieses Ergebnis wirkt mit dem Beginn des dem Stichtag der Volkszählung nächstfolgenden Kalenderjahres. Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel wird folgendermaßen gebildet:
Die ermittelte Volkszahl der Gemeinden wird bei Gemeinden mit höchstens
10 000 Einwohnern mit 1 1/3,
bei Gemeinden mit 10 001 bis 20 000
Einwohnern mit 1 2/3,
bei Gemeinden mit 20 001 bis 50 000
Einwohnern und bei Städten mit eigenem Statut
mit höchstens 50 000 Einwohnern mit 2
und bei Gemeinden mit über 50 000
Einwohnern und der Stadt Wien mit 2 1/3
vervielfacht. Für die Gemeinden, die auf Grund des Gebietsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 110/1954, an das Bundesland Niederösterreich rückgegliedert worden sind, ist in jedem Fall der für die Stadt Wien geltende Vervielfältiger anzuwenden. Die länderweise Zusammenzählung der so ermittelten Gemeindezahlen ergibt die abgestuften Bevölkerungszahlen der Länder.
(4) Zur Feststellung des länderweisen örtlichen Verbrauches von Bier haben die Inhaber von Herstellungsbetrieben (§9 des Biersteuergesetzes 1977, BGBl. Nr. 297) und die Inhaber von Bearbeitungsbetrieben (§12 des Biersteuergesetzes 1977) sowie Unternehmer, die Bier importieren, die Biermengen, die zum Verbrauch im Inland abgesetzt werden, gesondert nach Ländern aufzuzeichnen. Aus den Aufzeichnungen müssen die Biermengen und das Land, in das diese verbracht wurden, zu ersehen sein. Als abgesetzt gelten auch die in den Herstellungsbetrieben oder Bearbeitungsbetrieben verbrauchten Biermengen.
(5) Die Biermengen gelten als in dem Land zum Verbrauch abgesetzt, in das diese vom Inhaber des Herstellungsbetriebes oder des Bearbeitungsbetriebes, vom Importeur oder bei Abholung aus dem Herstellungsbetrieb oder dem Bearbeitungsbetrieb vom gewerblichen Abnehmer verbracht werden.
(6) Die Aufzeichnungen sind jeweils mit dem letzten Tag eines jeden Monates abzuschließen und die Abschlußzahlen monatlich in eine Nachweisung nach einem vom Bundesministerium für Finanzen zu bestimmenden Muster zu übertragen. Die Nachweisungen sind zweifach auszufertigen. Eine Ausfertigung ist spätestens bis zum 25. des folgenden Monates an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vorzulegen. Die andere Ausfertigung ist mindestens drei Jahre aufzubewahren.
(7) Die Inhaber von Herstellungsbetrieben und die Inhaber von Bearbeitungsbetrieben sowie Unternehmer, die Bier importieren, sind verpflichtet, den von der Abgabenbehörde hiezu beauftragten Organen Einsicht in die Geschäftsaufzeichnungen zu gewähren und jene Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind, um die gemäß Abs4 und 6 zu führenden Aufzeichnungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen.
(8) Der Reinertrag der Spielbankabgabe ist auf den Bund, auf die Länder (Wien als Land) und auf die Gemeinden (Wien als Gemeinde) aufzuteilen. Die Aufteilung auf die Länder und Gemeinden hat hiebei nach dem örtlichen Aufkommen zu erfolgen, wobei die Aufteilung des Gemeindeanteiles an der Spielbankabgabe ausschließlich auf jene Gemeinden zu beschränken ist, in denen eine Spielbank betrieben wird. Es erhalten der Bund 60 vH, die Länder 5 vH und die Gemeinden 35 vH bis zu einem jährlichen Aufkommen je Gemeinde von 10 Millionen Schilling; von dem darüberliegenden Aufkommen erhalten der Bund 70 vH, die Länder 15 vH und die Gemeinden 15 vH."
"§9. Wenn die Summe der Ertragsanteile Wiens als Land und Gemeinde an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben 33 vH der entsprechenden Ertragsanteile der Länder und Gemeinden einschließlich Wien übersteigt, fällt der Mehrbetrag je zur Hälfte den Ländern außer Wien und den Gemeinden außer Wien zu. Ein Betrag zwischen 30,4 und 33 vH wird in jedem Fall zu einem Viertel auf die Länder außer Wien und zu einem Viertel auf die Gemeinden außer Wien aufgeteilt. Die Aufteilung erfolgt auf die Länder nach der Volkszahl, auf die Gemeinden nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel."
"§10. (1) Zum Zwecke der Ermittlung der Ertragsanteile der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben mit Ausnahme der Spielbankabgabe werden zunächst - nach Ausscheidung der auf Wien als Gemeinde entfallenden Quote - die Ertragsanteile auf die Gemeinden länderweise unter Beachtung der im §8 Abs2 angeführten Schlüssel rechnungsmäßig aufgeteilt. Von den so länderweise errechneten Beträgen sind 13,5 vH auszuscheiden und den Ländern zu überweisen; sie sind für die Gewährung von Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmt (zweckgebundene Landesmittel).
(2) Die restlichen 86,5 vH sind als Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben durch die Länder an die einzelnen Gemeinden nach folgendem Schlüssel aufzuteilen: Vorerst erhalten jene Gemeinden, deren Finanzkraft im Vorjahr den Finanzbedarf nicht erreicht hat, 30 vH des Unterschiedsbetrages zwischen Finanzbedarf und Finanzkraft. Die verbleibenden Ertragsanteile sind nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel (§8 Abs3 dritter Satz) auf alle Gemeinden des Landes zu verteilen.
(3) Der Finanzbedarf jeder Gemeinde wird ermittelt, indem die Landesdurchschnittskopfquote der Finanzkraft des Vorjahres mit der abgestuften Bevölkerungszahl der Gemeinde (§8 Abs3 dritter Satz) vervielfacht wird. Die Landesdurchschnittskopfquote ergibt sich aus der Finanzkraft (Abs4) aller Gemeinden des Landes, geteilt durch die Volkszahl des Landes (§8 Abs3 erster Satz).
(4) Die Finanzkraft wird ermittelt durch Heranziehung
1. der Grundsteuer für Steuergegenstände gemäß §1 Abs2 Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149, unter Zugrundelegung der Meßbeträge des Vorjahres (Abs3) und eines Hebesatzes von 300 vH;
2. von 83 vH der tatsächlichen Erträge der Gewerbesteuer (nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital) in den Monaten Jänner bis September des Vorjahres und Oktober bis Dezember des zweitvorangegangenen Jahres."
"§20. (1) Wenn die Summe der Ertragsanteile eines Landes an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für ein Jahr, auf den Kopf der Bevölkerung berechnet (Landeskopfquote), hinter dem Betrag zurückbleibt, der sich als Durchschnittskopfquote für die Gesamtheit der Länder mit Wien als Land ergibt, so werden die Ertragsanteile des betreffenden Landes aus Bundesmitteln auf den der Durchschnittskopfquote entsprechenden Betrag ergänzt. Dieser Ergänzungsbetrag gebührt im nachfolgenden Haushaltsjahr (Kalenderjahr).
(2) . . .".
"§21. (1) Der Bund gewährt Gemeinden (Wien als Gemeinde) einen Betrag in der Höhe von 1,4 vH der ungekürzten Ertragsanteile der Gemeinden (Wien als Gemeinde). Dieser Betrag ist länderweise nach der Volkszahl aufzuteilen und von den Ländern nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen den Gemeinden als Finanzzuweisung zur Bewältigung der ihnen obliegenden Aufgaben zu überweisen. Die Überweisung des Bundes an die Länder hat bis spätestens 15. Juli eines jeden Jahres zu erfolgen.
(2) Auf die Finanzzuweisung haben jene Gemeinden (ohne Wien) Anspruch, die eine solche Finanzzuweisung zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Haushalt benötigen. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn
1. eine Gemeinde jeweils alle Abgaben im höchstmöglichen Ausmaß erhebt, zu deren Erhebung sie berechtigt wäre, und sofern diese Abgaben zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichtes oder zur Deckung bestimmter Erfordernisse im Haushalt geeignet sind und dessenungeachtet
2. eine Gemeinde innerhalb der Größenklasse mit einer ermittelten Volkszahl (§8 Abs3) bis höchstens 2 500 Einwohner, von 2 501 bis 10 000 Einwohner, von 10 001 bis 20 000 Einwohner, von 20 001 bis 50 000 Einwohner und über 50 000 Einwohner eine Finanzkraft aufweist, die auf den Kopf der Bevölkerung der Gemeinde berechnet (Gemeindekopfquote) mit mehr als 10 vH unter der Bundesdurchschnittskopfquote der Finanzkraft (Abs4) aller Gemeinden ausgenommen Wien derselben Größenklasse liegt.
(3) Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Höhe der bereitzustellenden Bundesmittel sind die Ertragsanteile der Gemeinden im Sinne dieses Bundesgesetzes, die sich aus den im jeweiligen Bundesfinanzgesetz enthaltenen gemeinschaftlichen Bundesabgaben ohne Spielbankabgabe ergeben.
(4) Die Finanzkraft einer Gemeinde wird ermittelt aus der Summe der ausschließlichen Gemeindeabgaben, ohne die Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen und ohne die Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern, jedoch unter Einbeziehung der Gewerbesteuer und der den Gemeinden zugekommenen Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben ohne Spielbankabgabe.
(5) Die Summe der Finanzkraft (Abs4) der Gemeinden der im Abs2 Z2 genannten Größenklassen für ein Jahr auf den Kopf der Bevölkerung der Gemeinden in dieser Größenklasse berechnet, bildet die Bundesdurchschnittskopfquote einer Größenklasse.
(6) Der Bund hat für die Gemeinden auf Grund der jeweils letzten vom Österreichischen Statistischen Zentralamt nach den Ergebnissen der vom Bundesministerium für Finanzen veranlaßten Erhebung über die Gemeindegebarung zur Veröffentlichung vorgesehenen Beiträge zur Österreichischen Statistik die Höhe der negativen Abweichungen von der Bundesdurchschnittskopfquote (Abs5) gesondert nach Größenklassen zu ermitteln und den Ländern bis spätestens 30. April eines jeden Jahres mitzuteilen. Die Länder haben die Finanzzuweisung nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel den Gemeinden des Landes bis spätestens 15. August eines jeden Jahres zu überweisen. Die Finanzzuweisung darf je berechtigte Gemeinde nicht größer sein als der Differenzbetrag zwischen ihrer Finanzkraft und 90 vH der mit der Volkszahl der Gemeinde vervielfältigten Bundesdurchschnittskopfquote der betreffenden Größenklasse und darf außerdem den Betrag von 300 000 S und 10 vH eines verbleibenden Differenzbetrages nicht übersteigen. Differenzen zwischen den vorhandenen Mitteln und dem Bedarf sind von den Ländern in der Weise auszugleichen, daß bei einem Mehrbedarf die Finanzzuweisung jeder einzelnen Gemeinde im Verhältnis des Gesamtbedarfs zu den vorhandenen Mitteln zu kürzen ist.
(7) Soweit nach Durchführung des Verteilungsvorganges gemäß Abs6 den Ländern noch Finanzzuweisungsmittel zur Verfügung stehen, sind diese in einem weiteren Verteilungsvorgang auf die Gemeinden so aufzuteilen, daß deren Finanzkraft (Abs4) möglichst auf den Landesdurchschnitt angehoben wird. Heranzuziehen sind hiebei die letzten verfügbaren Rechnungsunterlagen. Wird der Landesdurchschnitt erreicht, ist ein verbleibender Betrag auf die Gemeinden des Landes aufzuteilen. Für diese Verteilungsvorgänge haben die Länder Richtlinien zu erlassen und zu veröffentlichen. Über die Mittelverteilung ist dem Bundesministerium für Finanzen unter Anschluß der Richtlinien bis Ende eines jeden Jahres Mitteilung zu machen.
(8) Die Finanzzuweisung gemäß Abs6 ist in jenen Bundesländern, in denen auch ein Verteilungsvorgang gemäß Abs7 stattfindet, der Finanzkraft gemäß §10 Abs2 der betreffenden Gemeinden hinzuzurechnen.
(9) Der Bund und die Länder sind berechtigt, die von den Gemeinden bekanntgegebenen Gebarungsergebnisse (Abs6) bei den Gemeinden zu überprüfen. Von den Gemeinden zu Unrecht bezogene Finanzzuweisungen sind an das Land zurückzuzahlen, das diese Mittel nach eigenem Ermessen für die Gemeinden zu verwenden hat."
"§22. (1) Der Bund gewährt den Ländern und Gemeinden die nachstehenden Zweckzuschüsse, wenn die empfangenden Gebietskörperschaften eine Grundleistung mindestens in der Höhe des Zweckzuschusses erbringen:
1. . . .
2. den Gemeinden zur Förderung und Pflege des Fremdenverkehrs,
sofern es sich nicht um gesamtösterreichische Belange handelt, im
Ausmaß von insgesamt 70 Millionen Schilling jährlich. Der den
Gemeinden zukommende Zweckzuschuß ist auf diese länderweise nach
der Volkszahl aufzuteilen. . . .
5. den Ländern und Gemeinden zur Förderung des Umweltschutzes, insbesondere der Errichtung und Verbesserung von Müllbeseitigungsanlagen, unter Bedachtnahme auf den Umfang, die Lage und Gefährdung der Wohngebiete und der Erholungsgebiete, im Ausmaß von insgesamt je 70 Millionen Schilling jährlich. Der den Ländern zukommende Zweckzuschuß ist auf diese länderweise zur Hälfte nach der Volkszahl und je zu einem Viertel linear und nach der Gebietsfläche aufzuteilen. Der den Gemeinden zukommende Zweckzuschuß ist auf diese länderweise zur Hälfte nach der Volkszahl und zur Hälfte nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel aufzuteilen;
6. . . .".
"§23. (1) . . .
(4) Ab dem Außerkrafttreten der Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über die Krankenanstaltenfinanzierung und die Dotierung des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds, BGBl. Nr. 619/1988, sind bei der Umsatzsteuer
a) die für den Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds gemäß §7 Abs2 Z2 lita bestimmten Anteile iHv 0,459 vH und
b) von den für den Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds gemäß §7 Abs2 Z2 litb bestimmten Anteilen iHv 0,762 vH Anteile iHv 0,183 vH
den Gemeindeertragsanteilen gemäß §8 Abs1 hinzuzurechnen. Soweit Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, insbesondere §4, §8 Abs2 und 3, §§9 bis 11, §21 und §23 Abs3, auf Ertragsanteile der Gemeinden an der Umsatzsteuer Bezug nehmen, sind diese Bestimmungen auch auf die hinzugerechneten Ertragsanteile anzuwenden.
(5) . . .".
3. Der Verfassungsgerichtshof leitete mit Beschluß vom 23. Juni 1989, A1-137/89, aus Anlaß von Klagen, die von nahezu allen burgenländischen Gemeinden gegen das Land Burgenland und den Bund erhoben worden waren, gemäß Art140 Abs1 B-VG Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§8 und 21 FAG 1985 ein. Mit diesem Beschluß - auf den die antragstellende Landesregierung verweist - wurden u.a. Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des im §8 FAG 1985 (gleich wie im §8 FAG 1989) vorgesehenen abgestuften Bevölkerungsschlüssels ausgebreitet.
In dem mit dem erwähnten Beschluß zu G89-225/89 eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren erstattete die Bundesregierung eine Äußerung, in der sie Argumente zur Widerlegung der geäußerten Bedenken vorbrachte.
Zu einer Sachentscheidung kam es in all diesen Verfahren nicht. Infolge der Zurückziehung der Klagen wurden mit Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1989 sowohl die Klageals auch das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.
4.a) Die Niederösterreichische Landesregierung begründet ihren Antrag zunächst damit, daß die angefochtenen Bestimmungen in eklatanter Weise gegen das in §4 F-VG normierte Sachlichkeitsgebot verstießen. Sie führt hiezu im einzelnen aus:
"1. Kostentragung und Regelung der Besteuerungsrechte
Nach dem unter der Überschrift 'Finanzausgleich' stehenden §2 F-VG 1948 tragen der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, 'sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt'. Unter 'ihren Aufgaben' sind sowohl solche der Hoheitsverwaltung als auch der Privatwirtschaftsverwaltung und auch jene des (vom Bund oder vom Land) übertragenen Wirkungsbereiches zu verstehen (VfGH A24/87 vom 16.3.1988 und A10/88 vom 15.12.1988).
Die im §2 F-VG angeführten 'Aufgaben' stellen somit einen Verweis auf alle jene Normen dar, welche die Tätigkeit der am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) regeln.
Zur Bedeckung der mit der Besorgung der Aufgaben verbundenen Kosten sieht §3 F-VG vor: 'Die Bundesgesetzgebung regelt die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge zwischen dem Bund und den Ländern (Gemeinden) und kann außerdem diesen Gebietskörperschaften aus allgemeinen Bundesmitteln Finanzzuweisungen für ihren Verwaltungsaufwand überhaupt und Zuschüsse für bestimmte Zwecke gewähren.'
2. Die Einnahmen müssen den Aufgaben angemessen sein
Die Besteuerungsrechte und die Abgabenerträge, also die Einnahmen der Gebietskörperschaften, müssen den sie aus der Besorgung ihrer Aufgaben treffenden Kosten angemessen sein. Dies sieht der hinsichtlich der finanziellen Beziehungen der Gebietskörperschaften 'spezielle Gleichheitssatz' des §4 F-VG 1948 vor: 'Die in den §§2 und 3 (F-VG 1948) vorgesehene Regelung hat in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden.'
In ähnlicher Weise ordnet §8 Abs2 F-VG 1948 hinsichtlich der finanziellen Beziehungen zwischen den Ländern und den Gemeinden an, daß die Landesgesetzgebung bei einer Regelung, ausschließliche Landes-(Gemeinde-)abgaben, Zuschlagsabgaben und Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand dem Land vorzubehalten, sie zwischen dem Land und den Gemeinden (dieses Landes) zu teilen oder den Gemeinden zu überlassen 'nicht nur auf die finanzielle Lage des Landes, sondern auch auf die Erhaltung der finanziellen Lebensfähigkeit der Gemeinden Rücksicht zu nehmen hat'.
Zu diesen Normen traf der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 10633/1985 folgende Feststellungen:
§4 F-VG 1948 stellt als 'spezieller Gleichheitssatz' - wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 9280/1981 festgestellt hat - 'nur eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes für das Gebiet des Finanzausgleiches' dar.
§4 F-VG 1948 ist insoferne - wie hinsichtlich des Verhältnisses von Ländern und Gemeinden §8 Abs2 zweiter Satz F-VG 1948 - Ausdruck eines allgemeinen Sachlichkeitsgebotes (Gerechtigkeitsgebotes) im Bereich des finanzausgleichsrechtlichen Regelungssystems.
Wie der Gerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 9280/1981 festgestellt hat, stellt 'die Regelung des Finanzausgleiches ... das Ergebnis rechtspolitischer - hier finanzpolitischer - Überlegungen dar, bei denen der Gesetzgeber zwar an die Bestimmungen des F-VG 1948 gebunden ist, die ihm aber durch das verfassungsgesetzliche Gleichheitsgebot nicht verwehrt sind, solange er sich im Rahmen vertretbarer Zielsetzungen bewegt und keinen Exzess begeht.'
'Dem §4 in Verbindung mit den §§2 und 3 F-VG 1948 zufolge hat der Finanzausgleichsgesetzgeber die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge sowie der Finanzzuweisungen und Finanzzuschüsse in Übereinstimmung mit den Lasten der öffentlichen Verwaltung zu regeln. Das kann nach dem offenkundigen Sinn dieser Bestimmung zwar nicht bedeuten, daß jede überdurchschnittliche finanzielle Last, die eine einzelne Gemeinde oder eine Gruppe von Gemeinden trifft, schon zu einer (ausdrücklichen) Berücksichtigung im Finanzausgleich zwingen würden. Jedenfalls aber dann, wenn bestimmte Gemeinden bzw. Gruppen von Gemeinden, die aufgrund der positiven Rechtsordnung als mit besonderen Agenden betraut definierbar sind und die sich deshalb von anderen Gemeinden bzw. Gruppen von Gemeinden typischerweise durch eine höhere Kostenbelastung unterscheiden, ist der Finanzausgleichsgesetzgeber gemäß §4 F-VG 1948 verhalten, für sie eine Regelung zu treffen.'
3. Folgerungen
Folgt man der Argumentation des Verfassungsgerichtshofes, so kann davon ausgegangen werden, daß die Art und der Umfang der von den Gemeinden zu besorgenden Aufgaben und damit die den Gemeinden erwachsenden Kostenbelastungen unterschiedlich sind. Dies gilt sowohl für den Bereich der Hoheitsverwaltung (vgl. VfSlg. 10633/1985) als auch für den Bereich der Daseinsvorsorge. Die Kosten der öffentlichen Verwaltung sind den Gemeinden lastenadäquat abzugelten. Dabei ist es unerheblich, 'ob alle, mehrere oder ganz wenige Gemeinden mit bestimmten lastenrelevanten Aufgaben betraut sind' (VfSlg. 10633/1985).
Ausgehend von dieser von der Wissenschaft ebenso wie der empirischen Wahrnehmung bestätigten Feststellung stellt sich zunächst die Frage, ob ein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung steht, den Gemeinden eine den Kosten der Besorgung ihrer Aufgaben adäquate Abgeltung zu gewährleisten.
Dazu darf vorerst festgehalten werden, daß §4 F-VG 1948 den Gesetzgeber verpflichtet, 'die einfachgesetzliche Rechtslage dieser Verfassungsbestimmung entsprechend zu gestalten; Adressat dieser Bestimmung ist also nur der Gesetzgeber, nicht die Vollziehung'. Zur Regelung ist grundsätzlich das Finanzausgleichsgesetz berufen (vgl. VfSlg. 10633/1985, VfGH A24/87-7 vom 16.3.1988).
Diesem Verfassungsgebot ist der Gesetzgeber mit dem (derzeit in Geltung stehenden) Finanzausgleichsgesetz 1989, BGBl. Nr. 687/1988, - wie die folgenden Ausführungen zeigen - nur in ungenügender Weise nachgekommen. Mittels einer Reihe unterschiedlicher Aufteilungsmodalitäten werden die Erträge der zwischen Bund und Ländern (Gemeinden) geteilten Abgaben auf die einzelnen Gebietskörperschaften aufgeteilt und Finanzzuweisungen und Zuschüsse im Sinne des §3 F-VG vorgesehen.
Eine Vielzahl der Aufteilungskriterien orientiert sich an der Volkszahl und am abgestuften Bevölkerungsschlüssel. Diese beiden Verteilungsschlüssel haben - wie noch auszuführen sein wird - Einfluß auf die Gesamteinnahmen der Gemeinden, wie dies auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 23.6.1989, A1-137/89-13 - unter Bezugnahme auf die Literatur - angenommen hat."
b) Die Behauptung, die Regelungen über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel seien verfassungswidrig, begründet die antragstellende Niederösterreichische Landesregierung wie folgt:
"Nach §8 Abs3 FAG 1989 wird der abgestufte Bevölkerungsschlüssel durch Vervielfachung der Volkszahl der Gemeinden gebildet. Für die Festsetzung des Multiplikators teilt der Finanzausgleichsgesetzgeber die Gemeinden in vier Größenklassen (nach der Volkszahl) ein und weist jeder Klasse einen gesonderten Faktor zu.
Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung ergeben sich drei Ansatzpunkte:
1. die Sachgerechtigkeit des abgestuften Bevölkerungsschlüssels für die Verteilung der Ertragsanteile bzw. für die Mittelzuweisungen an die Gebietskörperschaften überhaupt,
2. die Sachgerechtigkeit der konkret festgesetzten Größenklassen und
3. die Sachgerechtigkeit des gewählten Multiplikators.
1. Zur mangelnden Sachgerechtigkeit des abgestuften Bevölkerungsschlüssels
Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel stellt das zentrale Instrument des Finanzausgleiches auf Gemeindeebene dar. Die Einnahmen der Gemeinden aus den Ertragsanteilen spielen - wie die folgende auf Niederösterreich und auf den gesamtösterreichischen Durchschnitt bezogene Aufstellung zeigt - in der Finanzausstattung der Gemeinde eine wesentliche Rolle (Quelle: Lehner, Die finanzielle Situation der niederösterreichischen Gemeinden, Zwischenbericht einer Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Niederösterreichischen Landesregierung, Wien, Februar 1990, ...).
Einnahmenstruktur
Anteil an den Gesamteinnahmen in %
1970 1980 1987 1970 1980 1987
Niederösterreich Summe der Gemeinden
Gemeindeabgaben 18,1 15,2 15,3 22,2 20,6 19,4
Gebühren für die
Benützung von
Gemeindeein-
richtungen 3,3 4,8 7,2 3,7 4,9 6,2
Ertragsanteile
an gemeinschaft-
lichen Bundes-
abgaben 21,4 20,4 23,0 23,8 25,0 25,6
Transfers von
Gebietskörper-
schaften 4,7 8,6 10,7 5,8 8,0 8,9
Bedarfszu-
weisungen 2,4 1,7 1,7 3,4 3,1 3,4
Sonstige Ein-
nahmen 39,2 36,9 34,2 31,3 29,0 28,8
Kreditauf-
nahmen 11,0 12,3 7,9 9,7 9,4 7,7
Gesamtein-
nahmen 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0
Die Verwendung der bevölkerungsbezogenen Maßzahl des abgestuften Bevölkerungsschlüssels geht vom sogenannten Bedarfsprinzip aus. Dieses Prinzip knüpft nicht am erzielten Abgabenerfolg, sondern am (aufgabenbedingten) Ausgabenbedarf an. Dieses Prinzip setzt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Ausgabenbedarf einer Gemeinde und ihrer Einwohnerzahl voraus. Während bei der Volkszahl eine proportionale Abhängigkeit des Aufwandes von der in Einwohnern gemessenen Gemeindegröße angenommen wird, wird bei der abgestuften Bevölkerungszahl von einer progressiven Abhängigkeit ausgegangen.
Diesen Ausgangspunkt zeigt bereits der erste Vorläufer des abgestuften Bevölkerungsschlüssels, das Gemeindeüberweisungsgesetz, StGBl. Nr. 364/1920. So führte der damalige Berichterstatter Dr. Danneberg (Stenographisches Protokoll der Konstituierenden Nationalversammlung der Republik Österreich am 22. Juli 1920, S. 3290) zur Rechtfertigung eines abgestuften Schlüssels aus:
'Je größer eine Gemeinde ist, je mehr Einwohner sie zählt, umso größer wird ihr Personalaufwand, umso größer wird ihr Bauaufwand, umso größer wird ihr Aufwand für soziale Fürsorgemaßnahmen, ... und umso größer wird daher auch das Mißverhältnis der Gemeindeausgaben im allgemeinen gegenüber den Gemeindeeinnahmen.'
Obwohl das System der Bemessung der einmaligen Dotation im §4 des Gemeindeüberweisungsgesetzes, StGBl. Nr. 106/1920, sieben Verteilungsschlüssel vorsah (unter 1 000 Einwohner, über 1 000 bis 2 000 Einwohner, über 2 000 bis 5 000 Einwohner, über 5 000 bis 10 000 Einwohner, über 10 000 bis 20 000 Einwohner, über 20 000 bis 50 000 Einwohner und über 50 000 Einwohner), wies der Berichterstatter Dr. Danneberg auf die Schwierigkeiten hin, einen gerechten Schlüssel zu finden: 'Man müßte die Finanzlage der einzelnen Gemeinden bis ins Detail berücksichtigen, ihren Personalaufwand, ihre Umlagen von heute, man müßte untersuchen, ob der Personalaufwand notwendig ist, den eine Gemeinde hat oder nicht, ob sie ihr Umlagensystem entsprechend ausgebaut hat oder nicht, und nur ein Vergleich aller Gemeinden in diesen Hinsichten könnte dann dazu führen, daß man einen Schlüssel herausbringt, der befriedigend wäre.'
Man war sich also bereits bei der Schaffung des Vorläufers des abgestuften Bevölkerungsschlüssels darüber im Klaren, daß der damals gefundene Kompromiß nicht unbedingt eine sachgerechte Lösung des Finanzproblems der Gemeinden bedeutete.
In der Literatur wird zur Rechtfertigung für die Angemessenheit eines abgestuften Schlüssels als Kriterium der Mittelverteilung auf das Ergebnis einer empirischen Untersuchung des deutschen Finanzwissenschafters A. Brecht (Internationaler Vergleich der öffentlichen Ausgaben, 1932) verwiesen. Diese später als 'Brecht'sches Gesetz' bezeichnete Hypothese behauptet eine 'progressive Parallelität zwischen Ausgaben und Bevölkerungsmassierung'. Diesem Gesetz zufolge steigen die Ausgaben der Länder und Gemeinden je Einwohner mit zunehmender Bevölkerungsdichte und Verstädterung. Als Ursache für dieses Phänomen hat Brecht vor allem höhere Kosten der Aufgabenerfüllung in den Städten gegenüber den weniger dicht besiedelten ländlichen Regionen angenommen (Obermann, Zur Diskussion über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel im Österreichischen Finanzausgleich, ZfV 1981/6, S. 531 ff., Smekal-Theurl, Finanzkraft und Finanzbedarf der österreichischen Gebietskörperschaften, 1990, S. 240).
Die im Anschluß an die nunmehr klassische Arbeit von Brecht und auch von Popitz (Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden, 1932) durchgeführten zahlreichen empirischen Studien kommen zu dem Ergebnis, 'daß die von Brecht und Popitz behaupteten Zusammenhänge zwischen Gemeindegröße und Wirtschaftsstruktur einerseits und den Aufgaben und Ausgaben andererseits auch heute, obgleich in modifizierter Form, gültig sind. Modifiziert deshalb, weil sich die Unterschiede in der Art und Zahl der Aufgaben zwischen großen und kleinen sowie zwischen Industrie- und Agrargemeinden durch die wirtschaftliche Entwicklung (Verstädterungsprozeß) und den Wandel in den sozialen Beziehungen und den Wertvorstellungen verringert haben. Modifiziert auch deshalb, weil - zum Unterschied von der Situation vor 40 Jahren - heute die Städte und Ballungsräume Verkehrsprobleme und Bodenknappheit ebenso zu meistern haben, wie die Erhaltung der natürlichen Umwelt und die Schaffung erträglicher Lebensbedingungen (Schutz vor Lärm, Luft- und Wasserverschmutzung), Probleme die in kleineren Gemeinden und weniger dicht besiedelten Gebieten sowie in landwirtschaftlich genutzten Räumen zwar auch, aber doch meist in gemilderter Form gegeben sind' (Littmann, Öffentliche Ausgaben II:
Die Gesetze ihrer langfristigen Entwicklung in Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften I (1977) S. 360).
Auf Grund der Untersuchungsergebnisse scheint somit festzustehen, daß auch in Österreich die Bevölkerungsmassierung im allgemeinen mit zunehmenden Pro-Kopf-Ausgaben der Gemeinden verbunden auftritt. Ungeachtet der prinzipiellen Belegbarkeit des im Brecht'schen Gesetz festgeschriebenen Ansatzes entspricht der im §8 Abs3 FAG 1989 festgelegte Stufentarif dieser Zielsetzung insoferne nicht, als er den Gemeinden keine ihren Ausgaben adäquate Mittelzuweisung an Ertragsanteilen sichert. Er leistet daher die oben ausgeführte erforderliche Modifikation des Zusammenhangs zwischen Gemeindegröße, Aufgaben und Ausgaben nicht. So führt zunächst die Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels in der Oberverteilung zwischen den Ländern auf Grund der bestehenden länderweisen Unterschiede in der Besiedelungsstruktur zu einer ungleichen Behandlung der Gemeinden. Damit wird bewirkt, daß Gemeinden mit gleicher Bevölkerungszahl je nach Land pro Kopf unterschiedliche Ertragsanteile erhalten.
Innerhalb der einzelnen Gemeindegrößenklassen bleibt bei dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel in Form des §8 Abs3 FAG 1989 die Pro-Kopf-Zuweisung konstant, womit dieser Schlüssel mit der Forderung nach einer überproportionalen Mittelzuweisung nicht im Einklang stehen kann. Die aus dem Brecht'schen Gesetz hervorleuchtende Forderung nach einer exponentiellen Entwicklung des Multiplikators - und damit der Mittelzuweisung - auch innerhalb der Größenklassen wird damit nicht erfüllt. Ferner wird bei den Gemeinden in den höheren Größenklassen deren gesamte Bevölkerungszahl mit dem erhöhten Vervielfacher multipliziert, wodurch der höhere Vervielfachungsfaktor dieser Stufe auf alle Einwohner der Gemeinde anzuwenden ist. Diesem Umstand könnte nur dadurch begegnet werden, indem nur für die über die Einwohnerzahl einer Größenklasse hinausgehenden Einwohner der Vervielfacher der nächsthöheren Größenklasse angewendet wird. Andernfalls enthält das System eine 'stille Progression erheblichen Ausmaßes, die auch mit dem sog. Brecht'schen Gesetz nicht mehr im Einklang steht' (vgl. Obermann, a.a.O, S 535).
Vergleicht man nun die theoretischen Ansatzpunkte des abgestuften Bevölkerungsschlüssels mit der Realität der Pro-Kopf-Ausgaben der niederösterreichischen Gemeinden, so wird die in der Literatur erhobene Kritik am abgestuften Bevölkerungsschlüssel bestätigt.
1970 zeigt die Aufgliederung der Pro-Kopf-Ausgaben nach Gemeindegrößenklassen noch eine eindeutige Tendenz. Die Pro-Kopf-Ausgaben der niederösterreichischen Gemeinden nahmen damals noch mit der Zahl der Einwohner durchgehend zu. Sie waren damals in den Gemeinden zwischen 10.001 bis 20.000 Einwohner mehr als dreimal so hoch (7.698) wie in den Gemeinden bis 500 Einwohner und von 501 bis 1.000 Einwohner (2.208 und 2.362). Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel scheint also in den sechziger Jahren noch seine volle Berechtigung gehabt zu haben.
In den siebziger Jahren hat sich das Bild jedoch geändert. Die Ausgaben pro Einwohner sind in den kleineren Gemeinden viel stärker gestiegen als in den großen, dadurch haben sich zumindest die Unterschiede stark verringert.
In den achtziger Jahren hat sich diese Entwicklung fortgesetzt. Fast genau in umgekehrter Reihenfolge zur Gemeindegröße entwickeln sich die Zuwachsraten der Ausgaben. In den kleineren Gemeinden wuchsen die Ausgaben deutlich stärker als in den größeren. Damit hat sich 1987 auch bereits die Rangordnung der Pro-Kopf-Ausgaben nach Gemeindegrößen entscheidend verschoben.
Im Jahre 1987 hatten die kleinsten Gemeinden (bis 500 Einwohner und 501 bis 1.000 Einwohner) bereits höhere Pro-Kopf-Ausgaben (14.446 und 13.921) als die Gemeinden von 1.001 bis 2.500 und von
2.501 bis 5.000 Einwohner (11.967 und 13.689).
Erst in den Gemeinden über 5.000 Einwohner zeigt sich ein sprunghafter Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben. In den folgenden Größenklassen haben sich dann mit steigender Einwohnerzahl auch die Pro-Kopf-Ausgaben erhöht. Erstaunlicherweise sind in den großen Gemeinden (über 50.000 Einwohner) die Pro-Kopf-Ausgaben aber wieder deutlich niedriger (20.605 gegenüber 32.755 bei Gemeinden über 20.000 bis 50.000 Einwohner).
Die Realität der Pro-Kopf-Ausgaben der niederösterreichischen Gemeinden zeigt, daß die theoretischen Ansatzpunkte des abgestuften Bevölkerungsschlüssels immer weniger zutreffen. Vor allem die kleinsten Gemeinden sind benachteiligt. Diese Nachteile werden sich verschärfen, wenn die bisherige Tendenz anhält.
Konnte man in den sechziger Jahren vielleicht noch von einer progressiven Abhängigkeit des Aufwandes von der in Einwohnern gemessenen Gemeindegröße ausgehen, so ergibt der empirische Befund der Pro-Kopf-Ausgaben, daß das System des abgestuften Bevölkerungsschlüssels dem im §4 F-VG 1948 festgeschriebenen Prinzip der Lastenadäquanz der Mittelzuweisung spätestens seit den achtziger Jahren widerspricht. Der Finanzausgleichsgesetzgeber des Jahres 1988 hätte dieser Entwicklung Rechnung tragen und ein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung stellen müssen, um den Gemeinden eine den Kosten der Besorgung ihrer Aufgaben adäquate Abgeltung zu gewährleisten. Indem er dies unterlassen hat, hat er das FAG 1989 mit Verfassungswidrigkeit belastet.
In der Literatur wird jedenfalls übereinstimmend davon ausgegangen, daß für die Ermittlung des Finanzbedarfes ein einzelnes Kriterium (Einwohnerzahl) nicht ausreicht und daher ein mehrdimensionaler Index heranzuziehen wäre, der neben der Einwohnerzahl noch andere - durch die jeweilige Aufgabenverteilung bestimmte - Maßstäbe berücksichtigen soll. Eine empirisch ausreichend abgesicherte abgestufte Bevölkerungszahl kann in einem derartigen Bedarfsindex sicherlich enthalten sein und mit Berechtigung verteidigt werden. Allerdings bestehen ernste Bedenken, ob es angesichts der Mängel, die dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel in Form des §8 Abs3 FAG 1989 anhaften, zweckmäßig ist, einen derart großen Teil der kommunalen Ertragsanteile allein nach diesem Kriterium zu bemessen.
Aus den in diesem Zusammenhang erhobenen Kritikpunkten (siehe Obermann, a.a.O., S 536) ist auch zu ersehen, daß der abgestufte Bevölkerungsschlüssel die Aufgabenstruktur der Gemeinden nur unzulänglich erfassen kann. Die vorhandenen empirischen Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, daß zwischen den österreichischen Gemeinden teilweise erhebliche Unterschiede in der Art der Aufgaben, ihrer Erfüllung und deren Kosten bestehen und daß je nach Aufgabenbereich verschiedene Faktoren zur Erklärung der beobachteten Unterschiede herangezogen werden müssen (wie z.B. Einwohnerzahl, Fläche des Gemeindegebietes, Wirtschaftsstruktur). Die Inhomogenität der Gemeinden läßt daher gar keine eindimensionale Betrachtung von Gemeindekategorien rein nach der Bevölkerungszahl sinnvoll erscheinen, sondern würde eher eine mehrdimensionale Erfassung verlangen.
Diese in der Literatur erhobene Kritik wird auch durch die Realität der Ausgaben nach Aufgabenbereichen je Einwohner in den niederösterreichischen Gemeinden belegt.
Schon in der (engeren) Verwaltung haben die kleineren Gemeinden recht hohe Pro-Kopf-Ausgaben (1.085 und 1.200 bei Gemeinden von 0 bis 500 und von 501 bis 1.000 Einwohner gegenüber 1.021 bei Gemeinden über 50.000 Einwohner). Die Ursache dürfte darin liegen, daß auch in kleineren Gemeinden hochqualifiziertes Verwaltungspersonal eingesetzt werden muß. Im Aufgabenbereich 'Soziales' hingegen nehmen die Pro-Kopf-Ausgaben mit der Gemeindegrößeklasse deutlich zu (34 und 47 bei Gemeinden bis 1.000 Einwohner gegenüber 564 und 379 bei Gemeinden zwischen 20.001 bis 50.000 und über 50.000 Einwohner). Im Aufgabenbereich 'Straßen' wiederum sind die kleineren, dünn besiedelten Gemeinden deutlich benachteiligt (1.656 und 1.667 bei Gemeinden bis 1.000 Einwohner gegenüber 1.237 bei Gemeinden über
50.000 Einwohner). Sie haben aufgrund ihrer oft großen Fläche für ein ausgedehntes Straßennetz aufzukommen.
Auch in den kommunalen Dienstleistungen läßt sich kein Ausgabenverhalten feststellen, das den theoretischen Grundlagen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels entspricht. Bei den öffentlichen Einrichtungen sind die Pro-Kopf-Ausgaben der Gemeinden bis 1.000 Einwohner (2.710 und 2.069) kaum geringer als in Gemeinden über 50.000 Einwohner (2.770). Hingegen scheinen mittlere Gemeinden überproportional belastet (z.B. 3.829 bei Gemeinden zwischen 5.001 und 10.000 Einwohnern). Dies dürfte damit zusammenhängen, daß mittlere Gemeinden zum Teil auch Einrichtungen bereitstellen müssen, die von den Bewohnern benachbarter kleinerer Gemeinden mitbenützt werden. Im Aufgabenbereich 'Wasserversorgung' haben die kleinsten Gemeinden unverhältnismäßig hohe Ausgaben je Einwohner (im Extremfall 1.132 bei Gemeinden mit bis zu 500 Einwohnern gegenüber 782 bei Gemeinden über 50.000 Einwohner). Im Aufgabenbereich 'Abwasserbeseitigung' ist eine progressive Abhängigkeit des Aufwandes von der in Einwohnern gemessenen Gemeindegröße ebenfalls nicht festzustellen (924 und 1.115 bei Gemeinden unter 1.000 Einwohnern gegenüber 1259 bei Gemeinden über 50.000 Einwohner).
Diese Überlegungen zeigen, daß das derzeitige System des abgestuften Bevölkerungsschlüssels insgesamt dem Verfassungsgebot des §4 F-VG 1948 widerspricht.
2. Zur mangelnden Sachgerechtigkeit der Größenklassen
Dazu kommt noch, daß §8 Abs3 FAG 1989 für die Zuordnung des Multiplikators die Gemeinden nach ihrer Einwohnerzahl in insgesamt nur 4 Größenklassen einteilt.
Im Lichte des im §4 F-VG 1948 festgeschriebenen Prinzipes der Lastenadäquanz der Mittelzuweisung könnte diese Regelung nur dann bestehen, wenn die Wahl dieser Größenklassen mit dem Umfang der von den Gemeinden zu bewältigenden Lasten und damit dem adäquaten Mittelbedarf in Einklang stünde.
Zunächst steht die Reduzierung auf nur 4 Klassen mit dem zugrundegelegten Prinzip der exponentiellen Zunahme des Mittelbedarfes in auffallendem Widerspruch. Je geringer die Anzahl der Klassen wird, umso mehr muß sich das System zwangsläufig von diesem Prinzip entfernen. In der Literatur bildet gerade die getroffene Wahl der Größenklassen den Kernpunkt der Kritik am abgestuften Bevölkerungsschlüssel (Obermann, a.a.O., S. 535; Smekal-Theurl, Finanzkraft und Finanzbedarf von Gebietskörperschaften, S. 239 ff.). So hat der sogenannte 'Dannebergschlüssel' bereits 7 Stufen aufgewiesen. Besonders fällt zum Unterschied von §8 Abs3 FAG 1989 auf, daß er bis zu einer Einwohnerzahl von 10.000 insgesamt 4 Abstufungen aufgewiesen hat (bis 1.000, über 1.000 bis 2.000, über 2.000 bis 5.000 und über 5.000 bis 10.000 Einwohner).
Ein weiteres bei dieser Klassifizierung zu beachtendes Kriterium stellt die tatsächliche Gemeindestruktur dar. Eine Klassifizierung der österreichischen Gemeinden nach ihrer Einwohnerzahl auf der Basis von - ebenso willkürlich - gewählten neun Stufen führt nach dem Ergebnis der Volkszählung 1981 zu folgender Verteilung (Smekal-Theurl, a.a.O., S. 272):
Einwohner Anzahl der Gemeinden
bis 1.000 581
1.001 bis 1.500 567
1.501 bis 2.000 391
2.001 bis 3.000 380
3.001 bis 5.000 202
5.001 bis 10.000 120
10.001 bis 20.000 44
20.001 bis 50.000 13
über 50.000 9
Demnach würde §8 Abs3 FAG 1989 nur für 66 Gemeinden eine weitergehende Differenzierung vorsehen, den Großteil der österreichischen Gemeinden aber von der Einwohnerzahl her gänzlich undifferenziert in einer Größenklasse zusammenfassen und damit von einer völlig einheitlichen Aufgabenstruktur in dieser Klasse ausgehen. Die vorliegenden empirischen Untersuchungen vermögen jedoch dieses Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Dazu kommt noch, daß dieses Ergebnis ganz offenkundig mit dem zur grundsätzlichen Rechtfertigung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels herangezogenen Brecht'schen Gesetz in Widerspruch steht und damit entweder der Abstufung generell oder dem gewählten Größenklassenmodell die Qualifikation der Sachgerechtigkeit entzieht.
Mit jeder Stufenregelung ist zwangsläufig eine Härte im Grenzbereich verbunden. Dem Gebot der Sachgerechtigkeit entspricht eine derartige Regelung aber nur dann, wenn sie nicht als exzessiv angesehen werden muß. Die mit dem in §8 Abs3 FAG gewählten Modell verbundenen Härten an den Stufenübergängen können aber keinesfalls mehr als sachgerecht empfunden werden. Die in Smekal-Theurl (a.a.O., S. 275) unter der Bezeichnung 'Hard-Rankweil-Paradoxon' dargestellten Auswirkungen machen diesen Mangel der derzeitigen Regelung besonders deutlich. Diese Härten an den Stufenübergängen des derzeitigen Systems sind demnach ökonomisch keineswegs zu rechtfertigen und entbehren damit jeder Rationalität, womit der willkürliche Charakter der derzeitigen Abstufungen nach Gemeindegrößenklassen hervorkommt.
3. Zur mangelnden Sachlichkeit des gewählten Multiplikators
Einen wesentlichen Anteil an dieser Härte im Grenzbereich hat auch der im §8 Abs3 FAG 1989 bestimmte Vervielfacher. Erst durch die Anwendung dieses auch als 'Veredelungsfaktor' für die Bevölkerungszahl einer Gemeinde bezeichneten Multiplikators wird das im Brecht'schen Gesetz formulierte Prinzip realisiert. Die einzelnen Multiplikatoren sind nur dann verfassungsmäßig, wenn das Verhältnis der Multiplikatoren zueinander dem Verhältnis des Mittelbedarfs der Gemeinden in den jeweiligen Größenklassen entspricht.
So müßte erst belegt werden können, daß im Bezug auf die Aufgabenstruktur - und damit auf den Mittelbedarf - das Verhältnis zwischen Kleingemeinde und (Groß)Stadt tatsächlich ein Verhältnis von 1 1/3 zu 2 1/3 beträgt. Die schon angesprochene grundlegende Wandlung im Anforderungsprofil an die Gemeinden führt wenn nicht schon zu einer Gleichwertigkeit, so doch zu einer bedeutenden Annäherung des Pro-Kopf-Bedarfes zwischen Groß- und Kleingemeinden. Dessen ungeachtet zeigen sich für einzelne Aufgabenbereiche der Gemeinden nach Größenklassen stark unterschiedliche Kostenstrukturen. Für einzelne Aufgaben steigt der Finanzierungsbedarf mit der Gemeindegröße überproportional an (so z. B. für den Aufgabenbereich Soziales). Diesen Aufgaben mit überproportional steigendem Finanzbedarf stehen andererseits Aufgabengebiete gegenüber, die für größere Gemeinden unbestritten mit dem Vorteil einer Kostendegression verbunden sind (z.B. die Pro-Kopf-Kosten für die Wasserversorgung). Eine zusammenfassende, aggregierte Einschätzung der unterschiedlichen, nach Aufgaben differenzierten Finanzbedarfe läßt sich nach herrschender Auffassung aber nur schwer vornehmen: Der Nachweis eines nach Größenklassen abgestuften Finanzbedarfes ist - im gesamten betrachtet - bislang ebenso wenig gelungen, wie der Nachweis konstanter Pro-Kopf-Bedarfe (Smekal-Theurl, a.a.O., S. 240). Damit ist aber dem Spannungsverhältnis zwischen höchstem und niedrigstem Vervielfältiger ebenso die sachliche Grundlage entzogen, wie der Schrittweite zwischen den jeweiligen Faktoren selbst.
4. Folgerungen
Zusammenfassend ergibt sich daher, daß der derzeitige Tarif des abgestuften Bevölkerungsschlüssels hinsichtlich seiner Gesamtprogression (Anzahl der Stufen, Breite der Stufen, Höhe des Vervielfachers) zumindest nicht in einer dem §4 F-VG 1948 genügenden Prägnanz belegt werden kann. Die dem derzeitigen System des abgestuften Bevölkerungsschlüssels immanenten Tarifsprünge an den Stufenübergängen widersprechen sowohl den zu seiner Begründung herangezogenen theoretischen Überlegungen als auch den empirischen Untersuchungen über den Anstieg der Pro-Kopf-Kosten der gemeindlichen Aufgabenerfüllung. §8 Abs3 FAG 1989 ist daher sowohl wegen der Verletzung des im §4 F-VG 1948 festgeschriebenen Grundsatzes der Lastenadäquanz der Mittelverteilung als auch des sich aus Artikel 7 B-VG ergebenden Sachlichkeitsgebotes verfassungswidrig.
Dazu kommt, daß die derzeit vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel vorgenommene Festsetzung der Größenklassen der Struktur der österreichischen Gemeinden keineswegs Rechnung trägt. Von den derzeit etwa 2300 österreichischen Gemeinden werden rund 90 % zu einer einzigen Größenklasse zusammengefaßt und ohne Rücksicht auf die mit den von ihnen jeweils zu vollziehenden Aufgaben verbundenen Kosten gleich behandelt. Lediglich hinsichtlich eines verschwindend kleinen Anteils an der Zahl der Gesamtgemeinden wird eine Differenzierung vorgenommen.
Dieser Vorgangsweise fehlt nach Auffassung der Niederösterreichischen Landesregierung ebenso eine ausreichende sachliche Rechtfertigung wie die Abgrenzung der Stufen willkürlich ist:
Jedenfalls stellen zehntausend Einwohner keine sachgerechte Grenze dar, einen unterschiedlichen Finanzbedarf der Gemeinden zu rechtfertigen. Wie ausgeführt sind die mit den Stufenübergängen verbundenen finanziellen Auswirkungen 'ökonomisch keineswegs zu rechtfertigen und entbehren damit jeder Rationalität' (Smekal-Theurl a.a.O. S. 275 ff). Die mit den Übergängen verbundenen Härten müssen daher als exzessiv angesehen werden."
c) Zur von ihr angenommenen Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Volkszahl argumentiert die Niederösterreichische Landesregierung folgendermaßen:
"Die Niederösterreichische Landesregierung vermeint allerdings, daß nicht nur die in den angefochtenen Bestimmungen des FAG 1989 vorgesehene Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels den Bestimmungen des §4 F-VG 1948 widerspricht, sondern daß dieser Vorwurf auch auf jene Verteilung der Erträge zutrifft, die nach der Volkszahl vorzunehmen ist. Die Volkszahl bestimmt sich nämlich gemäß §8 Abs3 FAG 1989 nach dem vom Österreichischen Statistischen Zentralamt aufgrund der letzten Volkszählung festgestellten Ergebnis.
Schon diese Verweisung läßt es bedenklicherweise zweifelhaft erscheinen, ob damit die Zahl der Staatsbürger nach § 2 Abs3 des Volkszählungsgesetzes 1980 gemeint ist oder die tatsächliche Bevölkerungszahl. Es widerspricht daher diese Formulierung dem im Art18 Abs1 B-VG normierten Legalitätsprinzip.
Aber auch wenn man davon ausgeht, daß §8 Abs3 FAG 1989 die vom Ergebnis der Volkszählung festgestellte Zahl der Wohnbevölkerung meint (vgl. die Kritik am begrifflichen Verwirrspiel der verschiedenen Volkszahlen in Davy, Revidiertes Volkszählungsergebnis und Finanzausgleich, ZfV 1984/5, S. 497 f.), ist dieser Anknüpfung folgende Unsachlichkeit vorzuwerfen:
§2 Abs1 und 4 des Volkszählungsgesetzes 1980, BGBl. Nr. 199/1980, bestimmen, daß bei der Ermittlung der Zahl und des Aufbaues der Wohnbevölkerung der ordentliche Wohnsitz jedes Einwohners im Bundesgebiet zu erheben ist, wobei Personen, die behaupten, daß die Voraussetzungen, die für das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes normiert sind, für sie an mehreren Orten zutreffen, anläßlich der Ausfüllung der Drucksorten anzugeben haben, welcher Wohnsitz als ordentlicher Wohnsitz gelten soll.
Daraus folgt, daß nur ein einziger Wohnsitz jedes Einwohners zu erheben ist, er daher nur an einem einzigen Ort gezählt werden kann.
Wenn daher die angefochtenen Bestimmungen eine Verteilung von Ertragsanteilen nach diesem Ergebnis der Volkszählung vorsehen, so bedeutet das, daß nur jenes Land oder jene Gemeinde beteilt werden, wo der Einwohner mit seinem ordentlichen Wohnsitz gezählt wurde, nicht aber jenes Land bzw. jene Gemeinde, wo der Einwohner einen weiteren ordentlichen oder einen sonstigen Wohnsitz hat.
Aufwendungen, die einer Gemeinde oder einem Land dadurch notwendigerweise entstehen, daß sie Aufgaben für Einwohner besorgen müssen, die ihnen nach der Volkszählung nicht zugerechnet wurden, bleiben daher für die Zuteilung von Ertragsanteilen unberücksichtigt. Dies steht einerseits bereits mit dem Prinzip der Verteilung der Abgabenerträge nach der Volkszahl in Widerspruch, das, ausgehend von einer proportionalen Abhängigkeit zwischen Bevölkerungsanzahl und den Lasten der öffentlichen Verwaltung, auf den Bedarf abstellt. Denn wenn die Lasten der Verwaltung von der Bevölkerungsanzahl abhängig sind, so ist es damit unvereinbar, Teile der Bevölkerung aus dieser Anzahl ohne Rücksicht darauf herauszunehmen, welchen Einfluß sie auf die Lasten der öffentlichen Verwaltung haben. Es ist nämlich keinesfalls so, daß dieser, nach dem Volkszählungsgesetz nicht der Bevölkerung zuzuzählende Personenkreis keine oder einen geringeren (vergleichbaren) Anteil an den Lasten der Verwaltung hat, als die der Gebietskörperschaft zugerechnete Bevölkerung. Vielmehr sind sie in gleicher Weise Verursacher von Aufwendungen wie die zugerechneten Personen. Ganz besonders deutlich wird die mangelnde Sachgerechtigkeit bei jenen Personen, die lediglich durch die Erklärung nach §2 Abs4 des Volkszählungsgesetzes, daß ein anderer ordentlichen Wohnsitz als ordentlicher Wohnsitz im Sinne des Volkszählungsgesetzes gelten soll, unterschieden werden.
Die ausschließliche Anknüpfung der Verteilung der Abgabenerträge an dieses, von den Aufwendungen der beteiligten Gebietskörperschaften her gesehen, völlig sachfremde Kriterium verletzt nach Meinung der Niederösterreichischen Landesregierung §4 F-VG in eklatanter Art und Weise. Der darauf basierenden Verteilung der Abgabenerträge ist vorzuwerfen, daß sie die Gleichrangigkeit der Aufgaben, die von den einzelnen Gemeinden und Ländern für Einwohner mit mehreren (ordentlichen) Wohnsitzen zu erbringen sind, bzw. deren Bedeckungserfordernisse nicht anerkennt. Vielmehr werden die Aufwendungen der Verwaltung für einen geradezu willkürlich der Bevölkerung einer Gebietskörperschaft nicht zugerechneten Kreis von Einwohnern ausdrücklich und in keiner Weise berücksichtigt. Ein Ausgleich etwa, daß diese Aufwendungen bei keiner Gemeinde berücksichtigt werden, ist infolge der erheblichen Unterschiede im Anteil an nicht zugerechneten Personen bei den einzelnen Gemeinden nicht gegeben. Es kann daher nicht die Rede davon sein, daß diese Regelung gemäß §4 F-VG 'in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung' erfolgt.
Diese Verletzung des §4 F-VG hat auch nicht bloß untergeordnete, sondern, wie folgende Zahlen beweisen, erhebliche quantitative Bedeutung. So weist Niederösterreich nach der Volkszählung 1981 eine Bevölkerungsanzahl von 1,427.849 auf (vgl. Statistisches Handbuch des Landes Niederösterreich 1988 - 1989, S. 36). Auf Grund der in den Landes- und Gemeinde-Wählerevidenzen eingetragenen Personen ergibt schon eine Hochrechnung der Staatsbürger, daß derzeit 236.637 Personen einen ordentlichen Wohnsitz in niederösterreichischen Gemeinden haben, der allerdings nicht als ordentlicher Wohnsitz nach dem Volkszählungsgesetz berücksichtigt wurde. Im einzelnen darf auf beiliegende Aufstellung verwiesen werden, aus der - aufgeschlüsselt nach Verwaltungsbezirken und Gemeinden - ersehen werden kann, wieviele Personen nach der Volkszählung 1981 mit ordentlichem Wohnsitz zugerechnet wurden und wieviele Personen darüberhinaus einen Wohnsitz haben, der bei der Volkszählung nicht gewertet wird und die daher bei einer Verteilung der Abgabenerträge unberücksichtigt bleiben. Der Einfachheit halber wird der Wohnsitz der letztgenannten Personengruppe in der Aufstellung als 'Zweitwohnsitz' bezeichnet. Da diese Hochrechnung auf den Wählerevidenzen beruht, ist naturgemäß die tatsächliche Zahl der Wohnbevölkerung, die nach der Volkszählung den niederösterreichischen Gemeinden nicht zugerechnet wird, umso größer."
d) Abschließend lautet es in der Begründung des Prüfungsantrages:
"Der Niederösterreichischen Landesregierung ist bewußt, daß der Finanzausgleichsgesetzgeber versucht hat, die mit den Regelungen der Volkszahl und des abgestuften Bevölkerungsschlüssels verbundene Verteilungsproblematik durch ein breit gefächertes System an Korrekturmöglichkeiten in Härtefällen - wie zB §10 Abs2 und §21 FAG 1989 - zu mildern. Die Niederösterreichische Landesregierung vertritt allerdings die Auffassung, daß die dargelegten Verstöße gegen das Gebot sachgerechter Regelungen ein Ausmaß annehmen, daß auch die im Finanzausgleichsgesetz 1989 enthaltenen Korrekturmöglichkeiten nicht ausreichen, um die Sachgerechtigkeit der gesamten Verteilung wiederherzustellen. Was den Umfang der Anfechtung betrifft, so geht die Niederösterreichische Landesregierung davon aus, daß der Sitz der oben näher beschriebenen Verfassungswidrigkeit nicht nur in der Definition der Volkszahl oder in der Berechnung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels liegt, sondern in jenen Bestimmungen, in denen die Schlüssel für die verbundene Steuerwirtschaft normiert sind und in denen auf die Volkszahl und/oder auf den abgestuften Bevölkerungsschlüssel abgestellt wird. Aus all diesen Gründen beehrt sich daher die Niederösterreichische Landesregierung die oben angeführten Anträge zu wiederholen."
5. Die Bundesregierung erstattete aufgrund ihres Beschlusses vom 29. Mai 1990 zum Prüfungsantrag eine Äußerung, in der sie begehrt, die zur Prüfung beantragten Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu, gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.
Sie hält den Ausführungen der antragstellenden Landesregierung entgegen:
"I.
Zu den Bedenken betreffend die Sachgerechtigkeit des abgestuften Bevölkerungsschlüssels:
1. Nach Auffassung der Niederösterreichischen Landesregierung werde der in §8 Abs3 FAG 1989 vorgesehene abgestufte Bevölkerungsschlüssel der Zielsetzung, den progressiv steigenden Pro-Kopf-Ausgaben der Gemeinden zu entsprechen, insoweit nicht gerecht, als er den Gemeinden nicht eine ihren Ausgaben adäquate Mittelzuweisung an Ertragsanteilen sichere. So führe zunächst die Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels in der Oberverteilung zwischen den Ländern aufgrund der bestehenden länderweisen Unterschiede in der Besiedlungsstruktur zu einer ungleichen Behandlung der Gemeinden, andererseits bleibe innerhalb der einzelnen Gemeindegrößenklassen die Pro-Kopf-Zuweisung konstant.
Dem ist entgegenzuhalten, daß es bei Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels in der Oberverteilung zwischen den Ländern zu keiner ungleichen Behandlung der Gemeinden mit gleicher Bevölkerungszahl kommt (vgl. Beilage 1 mit einer einschlägigen Berechnung des Bundesministeriums für Finanzen).
Die Anwendung des gleichen Aufteilungsschlüssels in der Ober- und Unterverteilung bewirkt nämlich, daß kein länderweise unterschiedliches Ergebnis zustandekommt. So wird auch in der Literatur vertreten, daß ein zweistufiger Verteilungsvorgang mit dem gleichen Aufteilungsschlüssel im Ergebnis einer einstufigen Verteilung gleichkomme (siehe GANTNER, Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel als Problem der Länder und der Gemeinden, 1978, 35f). Im Hinblick darauf, daß die Niederösterreichische Landesregierung - von einem Hinweis auf 'bestehende länderweise Unterschiede in der Besiedlungsstruktur' abgesehen - dieses Argument nicht näher ausführt, und mit diesem Hinweis die aufgestellte These nicht unmittelbar begründet werden kann, wird dieses Argument hier nicht weiter behandelt.
Den Bedenken, daß innerhalb der Größenklassen die Pro-Kopf-Zuweisung konstant bleibe und damit das Prinzip der progressiv steigenden Ausgaben nicht berücksichtigt werde, ist zu entgegnen, daß im Finanzausgleich eines Staates diesem Prinzip nur in pauschalierender Art und Weise nachgekommen werden kann. Gründe dafür sind zum einen der Umstand, daß die Höhe des objektiven Finanzbedarfes pro Kopf jeder Gemeinde nicht exakt ermittelbar ist, und zum anderen das Gebot der Vollziehbarkeit des Finanzausgleiches.
2. In der Folge versucht die antragstellende Landesregierung anhand einer Tabelle der tatsächlichen Ausgaben der Gemeinden Niederösterreichs in den Jahren 1970, 1980 und 1987 nachzuweisen, daß der theoretische Ansatz des abgestuften Bevölkerungsschlüssels nicht mehr der Realität (den tatsächlichen Verhältnissen) entspreche, da sich bei den Niederösterreichischen Gemeinden gezeigt habe, daß seit den 70iger Jahren die Ausgaben pro Einwohner in den kleineren Gemeinden viel stärker gestiegen sind, als in den größeren Gemeinden.
2.1. Empirisch festgestellte tatsächliche Ausgaben von Gemeinden sind aber kein wirklich geeigneter Anknüpfungspunkt für die Prüfung, ob ein vom Finanzausgleichsgesetz aufgestellter Verteilungsschlüssel dem §4 F-VG 1948 entspricht. In diesem Sinn führt SCHWARZER, Der Einsatz des kommunalen Finanzausgleichs als Instrument der regionalen Wirtschaftspolitik aus wirtschaftsverfassungsrechtlicher Sicht II, ÖZW 1983, 11, folgendes aus: 'Sieht man die Funktion des kommunalen Finanzausgleiches in der finanziellen Bedeckung der den Gemeinden aus der Besorgung der ihnen übertragenen Aufgaben erwachsenden Aufwendungen, so ist der objektive Finanzbedarf der Gemeinden bei der Relationsprüfung als Maßstab zugrunde zu legen. Der objektive Finanzbedarf der einzelnen Gemeinden ist nun allerdings keine empirisch ermittelbare Größe, weil die - unbegrenzten - Bedürfnisse der verschiedenen Gemeinden nicht auf objektiv nachvollziehbare Weise gereiht und quantifiziert werden können. Es kann daher lediglich versucht werden, auf analytischem Wege wesentliche Determinanten des objektiven Finanzbedarfes herauszuarbeiten und nach den Ausprägungen dieser Determinanten Gemeindetypen zu bilden.' Ähnlich argumentiert auch der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 9280/1981, S 329:
'Unbestritten ist auch, daß der für die Bewältigung ihrer Aufgaben von den Gemeinden zu tragende Personalaufwand mit der Größe der Gemeinde überproportional zunimmt. So stieg er schon im Jahre 1949 von den Gemeinden mit bis 500 Einwohnern bis zu den Gemeinden mit über 50.000 Einwohnern im Bundesdurchschnitt von S 10 bis S 192 pro Kopf der Bevölkerung ... und im Jahre 1973 von den Gemeinden mit bis 2.500 Einwohnern bis zu den Gemeinden mit über
50.000 Einwohnern von S 386 bis S 2.052 pro Kopf der Bevölkerung ...
Daraus allein kann aber nicht geschlossen werden, daß der objektive Bedarf im selben Maße größer ist. Es wird nämlich mit Recht darauf hingewiesen, daß wachsende Pro-Kopf-Ausgaben häufig nur Ausdruck der finanziellen Möglichkeiten und nicht des objektiven Bedarfes sind ...' (siehe auch die in diesem Erkenntnis zitierte Literatur). Die zuletzt zitierte These des Verfassungsgerichtshofes wird im übrigen in der dem Antrag der Niederösterreichischen Landesregierung angeschlossenen Studie von LEHNER, Die finanzielle Situation der niederösterreichischen Gemeinden, nachgewiesen (vgl. insbesondere die Übersicht 1 ebenda).
Es ist also nicht möglich, einen objektiv faßbaren - genauen - Finanzbedarf zu erheben (vgl. Pkt. 3), zumal dieser von einer Reihe von wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen - letztendlich sogar von grundlegenden Wertvorstellungen der Entscheidungsträger - abhängt. Sollte er aber entgegen dieser Ansicht objektiv faßbar sein, so doch jedenfalls nicht anhand von tatsächlichen Ausgaben der Gemeinden eines einzigen Landes. Letztere können schon im Hinblick auf Besonderheiten des Landes - ja sogar wegen der im Hinblick auf die geringe Untersuchungsmenge unvermeidlichen statistischen Ungenauigkeit - nicht für die Ermittlung eines bundesweiten, objektiven Finanzbedarfes herangezogen werden.
2.2. In wissenschaftlichen Arbeiten - auch aus jüngerer Zeit - wird überzeugend dargelegt, daß nach wie vor die Kosten zahlreicher Aufgaben der Gemeinde progressiv wachsen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Ergebnisse bei BAUER-PALECZNY-SCHULMEISTER, Aufgaben der Gemeinden, 1977, S 215ff, insb. 223, aber auch auf BAUER, Aufgaben der Gemeinden, in MATZNER (Hrsg.), Öffentliche Aufgaben und Finanzausgleich, 1977, 112f, insb. 116ff, hinzuweisen. In der erstgenannten Arbeit wird unter Berufung auf die englischsprachige Literatur überzeugend dargelegt, daß die öffentlichen Aufgaben einer Gemeinde überwiegend jene Merkmale nicht aufweisen, die für Kostendegressionen maßgeblich sind. Kostendegressionen sind nämlich dort zu erwarten, wo es sich um Routinetätigkeiten handelt und es daher möglich ist, Spezialisierung und Maschineneinsatz zu nützen. Zu Kostensteigerungen komme es dagegen bei all jenen Aufgaben, für die Kreativität, schwierige Problemlösung und beträchtlicher Personaleinsatz erforderlich sind, und dann, wenn jeder Fall für sich gesondert behandelt werden müsse. Diese letzteren Merkmale treffen insbesondere auf öffentliche Aufgaben im Zusammenhang mit dem Erziehungs- und Bildungswesen, den Planungstätigkeiten, Wohlfahrtseinrichtungen und dem Fürsorgewesen zu.
Auch der Umstand, daß ein Teil der kommunalen Leistungen notwendigerweise dezentral und damit in kleinen Einheiten angeboten werden muß, verhindert Kostendegressionen in diesem Bereich. Als Beispiele dafür werden Pflichtschulen, Kinderspielplätze, Sportanlagen, Einrichtungen zur Gesundheitsfürsorge, kulturelle Einrichtungen und Dienste, Müllbeseitigungsanlagen und Verwaltungsstellen mit Parteienverkehr (z.B. Personenstandswesen) genannt.
Als gesichert wird auch angenommen, daß die Kosten der Infrastruktureinrichtungen überproportional mit steigender Bevölkerungszahl wachsen. Als Gründe dafür werden neben dem höheren Preisniveau in den Städten und größeren Gemeinden, vor allem die höheren Bodenkosten genannt, die für kommunale Einrichtungen in Städten und Ballungsräumen aufgewendet werden müssen (BAUER-PALECZNY-SCHULMEISTER, 200, verweisen in diesem Zusammenhang auf KLEPS-MALINSKY, Finanzierungsprobleme staatlicher Raumordnungspolitik, Wien 1975, 26). Von anderen Autoren wird dafür auch noch der Umstand des höheren Lohn- und Gehaltsniveaus in Ballungsräumen ins Treffen geführt (vgl. auch KAMP-SCHÖNEBECK-SMOLINSKI-WEILER, Öffentliche Finanzwirtschaft, 1975, 56f).
Eine weitere Ursache der in größeren Gemeinden sich ergebenden höheren Kosten der Aufgabenerfüllung ergibt sich aus der unterschiedlichen Art der Aufgaben. Als Beispiele werden bei BAUER-PALECZNY-SCHULMEISTER, Aufgaben, 221, die folgenden genannt:
'In vielen größeren Gemeinden sind für die Wasserversorgung und den höheren pro-Kopf-Verbrauch an Wasser kostspielige Quellfassungen, Staubecken, Pumpwerke, lange Leitungen von der Quelle bis zum Absatzgebiet erforderlich. Die Müllbeseitigung wiederum ist kostspieliger, weil die relativ billigen Mülldeponien nicht ausreichen, sondern zusätzlich Müllverbrennungs- und Kompostierungsanlagen gebaut und betrieben werden müssen.'
Nicht unerwähnt bleiben dürfen in diesem Zusammenhang auch die progressiv steigenden Kosten personalintensiver Aufgaben. Bei den kommunalen Aufgaben handelt es sich - wie bereits erwähnt - großteils um solche, die nicht automatisiert oder mechanisiert werden können, sondern meist um solche, die die persönliche Dienstleistung erfordern. Dazu kommt noch, daß größere Gemeinden durch die größere Komplexität des Gemeinwesens vielfach qualifizierteres und damit teureres Personal benötigen.
BAUER-PALECZNY-SCHULMEISTER, Aufgaben, 223, kommen in ihrer Studie, die auf einer Analyse von 130 Gemeinden beruht, die im Sinne eines repräsentativen Querschnittes der fünf Gemeindegrößenklassen des Finanzausgleichsgesetzes ausgewählt wurden, letztlich zum Ergebnis, daß 'die von BRECHT und POPITZ behaupteten Zusammenhänge zwischen Gemeindegröße und Wirtschaftsstruktur einerseits und den Aufgaben und Ausgaben andererseits auch heute, obgleich in modifizierter Form, gültig sind'.
Die Modifikationen ergeben sich ihrer Auffassung nach deshalb, weil sich die Unterschiede in der Art und Zahl der Aufgaben zwischen großen und kleinen Gemeinden sowie zwischen Industrie- und Agrargemeinden durch die wirtschaftliche Entwicklung (Verstädterungsprozeß) und den Wandel in den sozialen Beziehungen und den Wertvorstellungen verringert haben. Weitere Veränderungen resultieren daraus, daß - zum Unterschied von der Situation vor 40 Jahren - heute die Städte und Ballungsräume Verkehrsprobleme und Bodenknappheit ebenso zu meistern haben wie die Erhaltung der natürlichen Umwelt und die Schaffung erträglicher Lebensbedingungen (Schutz vor Lärm, Luft- und Wasserverschmutzung, usw.), Probleme, die in kleineren Gemeinden und weniger dicht besiedelten Gebieten sowie in landwirtschaftlich genutzten Räumen zwar auch, aber doch meist in gemilderter Form gegeben sind.
Auch wenn die zitierte Studie nicht exakt angibt, welchen Umfang diese Aufgaben, deren Kosten progressiv steigen, im Hinblick auf alle Gemeindeaufgaben ausmachen, ist doch im Ergebnis festzustellen, daß diese Aufgaben jedenfalls einen größeren Teil der Gemeindeaufgaben ausmachen.
3. Die Niederösterreichische Landesregierung vertritt weiters die Auffassung, daß auch in der Literatur übereinstimmend davon ausgegangen werde, daß für die Ermittlung des Finanzbedarfes ein einzelnes Kriterium (wie die Einwohnerzahl) nicht ausreiche und daher ein mehrdimensionaler Index heranzuziehen wäre.
Ausgehend davon, daß das Kriterium des Finanzbedarfes, auf das sich die Kritiker des abgestuften Bevölkerungsschlüssels immer wieder besonders berufen, eine Größe ist, die objektiv nicht ermittelbar ist und überdies von so vielen politischen Wertentscheidungen der einzelnen Gebietskörperschaften mitbeeinflußt wird (nämlich im Hinblick auf die Entscheidung über die Aufgabenerfüllung, die Aufgabenorganisation, die Vorrangigkeit bestimmter Aufgaben, die Art der Aufgabenerfüllung, die Finanzierung der Aufgabe; siehe dazu BAUER-PALECZNY-SCHULMEISTER, Aufgaben, 223), erscheint es zu weit zu gehen, aus §4 F-VG 1948 ein verfassungsrechtliches Gebot abzuleiten, jedenfalls mehrere Indikatoren des Finanzbedarfes im Finanzausgleich zu berücksichtigen, die mit den gleichen Unwägbarkeiten, Unbestimmtheiten und differenzierenden Folgen wie der abgestufte Bevölkerungsschlüssel behaftet sind. In diesem Zusammenhang ist auch auf das Erkenntnis VfSlg. 8457/1978 zu verweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof von einem weiten Spielraum des Gesetzgebers ausgeht: 'Grundsätzlich steht es dem Gesetzgeber frei, zu entscheiden, welche Instrumente er - unter Berücksichtigung allfälliger erwünschter oder in Kauf genommener Nebenwirkungen - in der jeweils gegebenen Situation zur Zielerreichung geeignet erachtet und welches unter mehreren möglichen Mitteln er auswählt und einsetzt. Der Verfassungsgerichtshof kann dem Gesetzgeber nur dann entgegentreten, wenn er bei der Bestimmung der einzusetzenden Mittel die ihm von Verfassungs wegen gesetzten Schranken überschreitet.' Diese Schranken werden nach Auffassung der Bundesregierung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
Darüberhinaus ist festzuhalten, daß die konkret getroffene Abstufung, die durch weitere finanzausgleichsrechtliche Maßnahmen in ihrer Wirkung wieder eingeschränkt wird, in der wissenschaftlichen Literatur auch nicht als dem empirischen Befund widersprechend erwiesen werden konnte.
4. Die Niederösterreichische Landesregierung erhebt weiters die Bedenken, ob es zulässig sei, einen derart großen Teil der kommunalen Ertragsanteile allein nach dem Kriterium des abgestuften Bevölkerungsschlüssels zu verteilen. Sie geht dabei nicht näher darauf ein, von welchem Anteil des abgestuften Bevölkerungsschlüssels bei der Verteilung der Ertragsanteile an die Gemeinden sie dabei ausgeht.
Aus den Daten der Gebarungsübersichten 1985, 1986 und 1987 (Beiträge zur Österreichischen Statistik, herausgegeben vom Österreichischen Statistischen Zentralamt, Hefte 834, 879 und 928 - die beiden letztgenannten wurden aus Anlaß der Gesetzesprüfungsverfahren G89-225/89 vorgelegt) ergibt sich nämlich, daß der vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel abhängige Teil der Gemeindeeinnahmen insgesamt 1985 26,8 %, 1986 26,2 % und 1987 25,5 % ausmachte. 1987 etwa betrugen die Einnahmen im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt der Gemeinden ohne Wien
96.459 Mio S (Summe aus den Tabellen 2.1.1.1 und 2.1.1.3 der Gebarungsübersichten 1987), während die Ertragsanteile 24.641 Mio S (Tabelle 3.2.1.) und somit rund 25,5 % der Gesamteinnahmen betrugen.
Im Hinblick auf den auch vom Verfassungsgerichtshof besonders betonten Grundsatz, daß die Maßnahmen gemäß den §§2 und 3 F-VG 1948 in ihrer Gesamtheit dem §4 F-VG 1948 entsprechen müssen, erscheint es nicht nur zulässig, sondern sogar geboten, die Bedeutung eines Verteilungsschlüssels im Gesamtsystem im Lichte aller Einnahmen einer Gebietskörperschaft und nicht nur im Lichte aller Einnahmen aus Abgaben zu beurteilen. Auch in der kritischen Literatur zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel wird von diesem Wert ausgegangen (vgl. OBERMANN, Zur Diskussion über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel im österreichischen Finanzausgleich, ZfV 1981, 531ff, insb. 533).
Zur Illustration der Bedeutung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels aus der Sicht der Einnahmen der Gemeinden insgesamt wird auch noch auf die beigelegten Berechnungen, die das Bundesministerium für Finanzen aus Anlaß der Gesetzesprüfungsverfahren G89-225/89 durchgeführt hat, verwiesen (Beilagen 2-4). Aus diesen ergibt sich, daß der Prozentsatz der Gemeindeeinnahmen, die vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel abhängen, sogar auf 25,5 % (1985), 24,9 % (1986) bzw. 24,4 % (1987) sinkt, wenn man von den Gemeindeertragsanteilen noch die Finanzkraftmittel (aus dem Bedarfsausgleich gemäß §10 Abs2 bis 4 FAG 1985), die nur indirekt vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel abhängen, abzieht.
Der Verfassungsgerichtshof hat in dem einschlägigen Erkenntnis VfSlg. 9280/1981 als relevante Bezugsgröße für die Beurteilung der Bedeutung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels auf die Gesamteinnahmen der Gemeinden aus Abgaben und nicht auf die Gemeindeeinnahmen insgesamt abgestellt. In der Folge wurde diese Berechnung des Anteiles des abgestuften Bevölkerungsschlüssels in Bezug auf die Gemeindeeinnahmen aus Abgaben in der Literatur (SCHWARZER, Der Einsatz des kommunalen Finanzausgleichs II, ÖZW 1983, 14 ff) als nicht richtig kritisiert. In einem Unterbrechungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes nach diesem Erkenntnis (vom 23. Juni 1989, A1-137/89-13) hat der Verfassungsgerichtshof aber selbst als relevante Bezugsgröße die Gemeindeeinnahmen insgesamt angeführt. Wie bereits dargelegt - hält es die Bundesregierung für verfassungsrechtlich geboten, die Bedeutung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels für die Verteilung der Ertragsanteile auf die Gemeinden im Verhältnis zu den Gemeindeeinnahmen insgesamt zu beurteilen.
5. Die Verteilung - wie dargelegt - von 25 % der gesamten Gemeindeeinnahmen nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel erscheint nach Auffassung der Bundesregierung verfassungsrechtlich unbedenklich.
Im Hinblick auf die zitierte Literatur (vgl. auch VfSlg. 9280/1981) kann davon ausgegangen werden, daß es viele kommunale Aufgaben gibt, deren Kosten progressiv steigen. Man kann weiters davon ausgehen, daß das konkrete Ausmaß dieser Aufgaben im Verhältnis zu allen Gemeindeaufgaben nicht objektiv ermittelbar ist. Der Gesetzgeber ist also jedenfalls auf eine Schätzung dieser Werte (des Ausmaßes der Aufgaben und des Ausmaßes der Steigerung) angewiesen. Angesichts des weiteren Umstandes, daß der Finanzbedarf als der als maßgebend angesehene Faktor für die Verteilung von Abgabenertragsanteilen an die Gemeinden mit keiner Berechnungsmethode objektiv ermittelbar ist (vgl. SCHWARZER, Der Einsatz des kommunalen Finanzausgleichs II, ÖZW 1983, 11, und OBERMANN, Zur Diskussion über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel im österreichischen Finanzausgleich, ZfV 191, 535), erscheint es zulässig, wenn der Gesetzgeber im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung und auf Grund seiner rechtspolitischen Bewertung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels bei der Unterverteilung den genannten Prozentsatz an Gemeindeeinnahmen aus Abgaben danach verteilt.
Auch in der kritischen Literatur wird anerkannt, daß die Einwohnerzahl ein wichtiger Indikator für den Finanzbedarf ist, kritisiert wird allerdings, daß neben diesem Indikator nicht auch andere Indikatoren für den Finanzbedarf berücksichtigt werden. Zu dieser Entscheidung des Gesetzgebers für den abgestuften Bevölkerungsschlüssel als Verteilungsschlüssel für Teile der Abgabenerträge aus gemeinschaftlichen Bundesabgaben in diesem Ausmaß ist ins Treffen zu führen, daß sie einerseits das Ergebnis eines sehr komplexen und schwierigen politischen Kompromisses der beteiligten Gebietskörperschaften ist und andererseits die Entscheidung für nur einen dieser Indikatoren auch von dem Anliegen getragen ist, einen einigermaßen vollziehbaren und auch vom Verwaltungsaufwand her vertretbaren bundesweiten Finanzausgleich zu schaffen (vgl. VfSlg. 8827/1980, 8871/1980, 9524/1982).
II.
Zu den Bedenken betreffend die Größenklassen und den Multiplikator des abgestuften Bevölkerungsschlüssels:
1. Die Antragstellerin erhebt das Bedenken, daß die Reduzierung auf nur vier Größenklassen dem Prinzip progressiv steigender Ausgaben einer Gemeinde bei steigender Bevölkerungszahl nicht entspreche. Je geringer die Anzahl der Klassen sei, umsomehr müsse sich das System von diesem Prinzip entfernen. In der Literatur bilde die getroffene Wahl der Größenklassen den Kernpunkt der Kritik. Die antragstellende Landesregierung führt dieses Argument nicht näher aus. Sie meint offensichtlich, daß bei nur vier Größenklassen ein so häufiges Ansteigen der Pro-Kopf-Quote aus den Ertragsanteilen, das dem Prinzip progressiv steigender Ausgaben entspreche, nicht mehr möglich sei.
2. Zunächst ist festzustellen, daß in der dazu zitierten Literatur (ACHATZ, Die positivrechtliche Analyse des geltenden Gemeindefinanzausgleichs, in SMEKAL - THEURL, Finanzkraft und Finanzbedarf von Gebietskörperschaften, 1990, 239ff) Bedenken in diese Richtung nicht erhoben, sondern nur die Stufenübergänge als verfassungsrechtlich bedenklich erachtet werden. Bei OBERMANN, Zur Diskussion über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel im österreichischen Finanzausgleich, ZfV 1981, 535, findet sich nur die nicht näher begründete Feststellung, daß die Abstufung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels nach Gemeindegrößenklassen arbiträr sei, die Stufenlängen und Steigerungsraten der Tarifstaffel als Ergebnis politischer Verhandlungen zustande kämen und ökonomisch nicht zu rechtfertigen seien.
3. In diesem Zusammenhang erscheint die historische Entwicklung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels von Bedeutung. Nach dem Gemeindeüberweisungsgesetz, StGBl. 364/1920, gab es sieben Stufen (bis 1000, von über 1000 bis 2000, von über 2000 bis 5000, von über 5000 bis 10.000, von über 10.000 bis 20.000, von über 20.000 bis 50.000, und über 50.000 Einwohner) wobei je Einwohner in den Größenklassen 1 bis 7 jeweils 15 K, 20 K, 25 K, 40 K, 50 K, 60 K und 70 K pro Einwohner an Finanzmitteln aus den gemeinsamen Ertragsanteilen gewährt wurden. Das Verhältnis zwischen dem größten und kleinsten Multiplikator betrug damals 1:4 2/3.
Im Abgabenteilungsgesetz 1922, BGBl. Nr. 125, kam es zu einer Änderung dieser Aufteilung. Es blieben zwar sieben Stufen. Die untersten Stufen wurden aber geändert. Es gab nun eine Stufe bis 500 Einwohner und eine Stufe von 500 bis 2000 Einwohnern. Als Vervielfacher galten nach dieser Regelung: 20, 25, 30, 40, 50, 60 und 70. Diese Änderung betraf nur die unteren drei Stufen. PFAUNDLER, Finanzausgleich in Österreich, 1927, 177, führt dazu aus, daß die Verfeinerung des Schlüssels sich zugunsten der kleineren Gemeinden auswirkte.
Zu der nächsten Änderung des Finanzausgleichsgesetzes in dieser Hinsicht kam es dann im FAG 1948, BGBl. Nr. 46. Die Größenklassen wurden nunmehr auf fünf Gruppen reduziert. Die unteren vier Gruppen (bis 500, 500-2000, 2000-5000, 5000-10.000) wurden in zwei Gruppen zusammengezogen (bis 2500 und 2500 bis 10.000), wobei für die unterste Gruppe der Vervielfacher der bisher dritten Gruppe (2000 bis 5000 Einwohner) bestimmt wurde. Für die neue Gruppe (2500 bis 10.000) galt derselbe Vervielfacher (4), der bis dahin für die Gruppe 5000 bis 10.000 Einwohner galt. Für alle anderen Gruppen blieb der Vervielfacher gleich. Auf Grund der Änderung des Vervielfachers in der untersten Gruppe verringerte sich das Spannungsverhältnis zwischen höchstem und niedrigstem Vervielfacher auf 1:2 1/3. Die Änderungen in den untersten Stufen erfolgten wiederum, um nachteilige Auswirkungen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels für die Gemeinden bis 2000 Einwohner zu vermindern (vgl. 511 BlgNR V.GP).
Auch die Änderungen der FAG-Novelle 1955, BGBl. Nr. 9, in den untersten Stufen trugen den finanzschwachen kleineren Gemeinden Rechnung (vgl. 399 BlgNR.VII.GP). Die unterste Gruppe wurde von
2.500 Einwohner auf 1000 Einwohner reduziert, die nächsthöhere Gruppe wurde erweitert (von 1000 Einwohner bis 10.000 Einwohner).
Im FAG 1985, BGBl. Nr. 544, wurden nun die Gemeinden bis 1000 Einwohner den Gemeinden bis 10.000 Einwohnern gleichgestellt. Seit dieser Novelle gilt für alle Gemeinden bis 10.000 Einwohner der Vervielfacher 1 1/3, das Spannungsverhältnis zwischen niedrigstem und höchstem Vervielfacher wurde auf unter 1:2 verringert.
Alle bisherigen Änderungen des Finanzausgleiches im Hinblick auf die Stufen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels erfolgten also in den untersten Stufen des abgestuften Bevölkerungsschlüssels. Der Grund lag immer darin, eine finanzielle Besserstellung bzw. Angleichung der kleinen Gemeinden im Finanzausgleich zu erreichen. Der Finanzausgleichsgesetzgeber reagierte damit darauf, daß es neben dem Phänomen progressiv steigender Ausgaben pro Einwohner eine Entwicklung gab und gibt, nach der sich die ursprünglich viel höher eingeschätzten Unterschiede der progressiv steigenden Ausgaben der Gemeinden verschiedener Größen verringerten. Diese Nivellierungstendenz zeigte sich für den Finanzausgleichsgesetzgeber am stärksten im Bereich der Gemeinden bis zu 10.000 Einwohner, was letztlich auch der Grund für den Finanzausgleichsgesetzgeber war, alle Gemeinden bis zu 10.000 Einwohner in einer Größenklasse zusammenzufassen.
4. Der Kritik insbesondere an der Größenklasse bis zu 10.000 Einwohner ist auch entgegenzuhalten, daß die Festsetzung der Größenklassen zu einem guten Teil immer auch auf rechtspolitischen und finanzpolitischen Wertungen des Gesetzgebers beruht und beruhen muß, da es nach einhelliger Auffassung nicht möglich ist, einen objektiv richtigen Finanzbedarf für die verschiedenen Gebietskörperschaften (für die Gemeinden) festzustellen. Aber selbst wenn für die einzelnen Gebietskörperschaften solche Finanzbedarfe feststellbar wären, müßte der Finanzausgleichsgesetzgeber im Hinblick auf die Vollziehbarkeit der Regelung pauschalierende Regelungen treffen (vgl. VfSlg. 8827/1980, 8871/1980, 9524/1982). Die in §8 Abs3 FAG 1989 nunmehr getroffene Entscheidung des Gesetzgebers für vier Größenklassen muß daher als eine im Rahmen des weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Finanzausgleichsgesetzgebers (vgl. VfSlg. 9280/1981) verfassungsmäßige angesehen werden, die keinen Exzeß darstellt (vgl. in diesem Sinne auch ACHATZ, Positivrechtliche Analyse, in SMEKAL-THEURL, Finanzkraft und Finanzbedarf, 241). Beachtlich erscheint in diesem Zusammenhang auch, daß durch die geschaffenen Größenklassen zwar nur für 66 Gemeinden (abgesehen von den 42 Randgemeinden unter 10.000 Einwohnern) eine differenzierende Regelung im derzeitigen abgestuften Bevölkerungsschlüssel getroffen wird, daß diese Gemeinden aber immerhin 44,8 % der Gesamtbevölkerung ausmachen (rechnet man die Randgemeinden dazu, kommt man sogar auf 46,3 % der Gesamtbevölkerung).
5. Was die Bedenken im Hinblick auf die Stufenübergänge betrifft, ist ins Treffen zu führen, daß dies zum einen einem System mit Stufen immanent ist. Gegen das System mit Stufen werden von der Antragstellerin grundsätzlich keine Bedenken vorgetragen.
Nach Auffassung der Bundesregierung sind es so wenige Gemeinden, die in den unmittelbaren Nahbereich der Stufenübergänge fallen, daß sie als in Kauf zu nehmende Härtefälle eines Stufensystems betrachtet werden können (um den Übergang 10.000 Einwohner: 9501/Bischofshofen, 9729/Enns, 9926/Rankweil - 10.068/Eisenerz, 10.102/Eisenstadt (Stadt mit eigenem Statut), 10.103/Hard, 10.140/Hollabrunn, 10.251/Mistelbach, 10.354/Fohnsdorf; um den Stufenübergang 20.000 Einwohner:
17.401/Lustenau, 19.276/Mödling (Randgemeinde), 19.389/Leonding - 21.464/Traun, 21.989/Amstetten und um den Stufenübergang 50.000 Einwohner: 38.942/Steyr - 50.419/St. Pölten, 51.060/Wels, 52.692/Villach; siehe auch S. 184 der Gebarungsübersicht 1987 des Statistischen Zentralamtes, Beilage 5).
Für die Sachlichkeit der historisch gewachsenen Stufen des Finanzausgleiches (insbesondere für die Stufe bis 10.000 Einwohner) ist auch ins Treffen zu führen, daß der Gesetzgeber versucht hat, eingeführte und schon länger bestehende Stufen beizubehalten, um den Gebietskörperschaften einige Gewißheit darüber zu gewährleisten, mit welchen finanziellen Mitteln sie aus den gemeinschaftlichen Ertragsanteilen rechnen können.
Im übrigen ist gerade die konkrete Festlegung der Stufe eine Entscheidung, die zum überwiegenden Teil in der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Finanzausgleichsgesetzgebers liegt und immer ein paktiertes (gemeinsames) Ergebnis aller Finanzausgleichspartner ist!
Daß der jeweilige Multiplikator auf die gesamte Bevölkerungszahl der höheren Stufe angewendet wird, ist damit zu rechtfertigen, daß die These der progressiv wachsenden Ausgaben einer Gemeinde bei wachsender Bevölkerung davon ausgeht, daß die Pro-Kopf-Ausgaben je Einwohner und nicht nur je zusätzlichem Einwohner bei steigender Einwohnerzahl zunehmen. Im Hinblick darauf stellt diese Berechnung eine konsequente Umsetzung der in der Literatur und auch vom Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 9280/1981) vertretenen Auffassung progressiv steigender Ausgaben bei wachsender Bevölkerung dar.
6. Zu den Größenklassen des §21 Abs2 Z2 FAG 1989 ist folgendes ergänzend auszuführen:
Die Argumente, die gegen den abgestuften Bevölkerungsschlüssel des §8 Abs3 FAG 1989 vorgebracht werden, können nicht unmittelbar auf die Größenklassen des §21 Abs2 Z2 FAG 1989 übertragen werden, da diese in ihrer Funktion und Wirkungsweise nicht vergleichbar sind.
Beide Gesetzesbestimmungen gehen von der Überlegung aus, daß der Finanzbedarf für einen Teil des Gemeindehaushalts von der Zahl der Einwohner abhängig ist. Während in §8 Abs3 FAG 1989 der jeweils angenommene Finanzbedarf im Gesetz selbst mittels der Größenklassen und der Vervielfacher festgesetzt werden, wird im §21 FAG 1989 der Finanzbedarf auf Grund der empirischen Ermittlung der durchschnittlichen Finanzkraft der Gemeinden in den gesetzlich festgesetzten Größenklassen festgestellt. Bei der Berechnung der empirischen Ermittlung von Durchschnittswerten der Finanzkraft aller österreichischen Gemeinden erscheint eine Zusammenfassung von Gemeinden zu Klassen unerläßlich.
7. Abschließende grundsätzliche Anmerkungen zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel:
Abschließend sollen zur grundsätzlichen Rechtfertigung der Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels und zu seiner Funktion im Gesamtsystem noch folgende Überlegungen von PFAUNDLER,
Die Finanzausgleichsgesetzgebung 1948/58, 96, angeführt werden:
'Als der einzig brauchbare Ausdruck für die Höhe des Bedarfes wurde die Volkszahl anerkannt, und zwar entweder die natürliche bei
der Volkszählung ... festgestellte oder die in der Form des
abgestuften ('veredelten') Bevölkerungsschlüssels ... . Bei seiner
Beurteilung muß man sich vor allen Verallgemeinerungen hüten. Bei eingehender Überlegung kommt man zu dem Ergebnis, daß seine Anwendung einen Ausgleich zwischen der Verteilung nach dem Steueraufkommen und nach dem Bedarf bewirkt, da er beiden Gesichtspunkten Rechnung trägt, die für eine Verteilung in Betracht kommen: Zunächst dem Grundgedanken der verbundenen Steuerwirtschaft, dem es entsprechen würde, wenn die Rückübertragung der Ertragsanteile an die einzelnen Gebietskörperschaften im Verhältnis der in ihnen erzielten Steuererträge erfolgte. Daß dieser Schlüssel aber auch gleichzeitig dem Ziel des Finanzausgleiches, einer ausgeglichenen Bedürfnisbefriedigung dient, also einen 'Januskopf' zeigt, sollte ihn viel weniger als Gegenstand von harten Gegensätzen erscheinen lassen, denn als den Ausdruck einer Versöhnung zwischen den beiden vorherrschenden Schlüsselarten. Außerdem führt die fehlende Möglichkeit einer allgemeinen Feststellung des örtlichen Steueraufkommens oder gar des örtlichen, berechtigten und nach gleichen Gesichtspunkten bemessenen Bedarfes geradezu zwingend zur Notwendigkeit seiner Anwendung, sollte man ihn auch an sich als unvermeidliches Übel betrachten.'
Mit PFAUNDLER, a.a.O. 96, ist darauf hinzuweisen, daß die sich aus dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel ergebenden differenzierenden Auswirkungen auch dadurch an Bedeutung verloren haben, daß das durch die Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels entstehende Verhältnis nach der Finanzausgleichsgesetzgebung 1985 nur mehr 1 : 1,75 beträgt und daß sich dieses Verhältnis - wie es auch in VfSlg. 9280/1981 unter Hinweis auf die dort zitierte Literatur festgestellt wurde - unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bedarfszuweisungen an die Gemeinden und die von diesen zu leistenden Landesumlagen auf etwa 1:1,4 verringert hatte. Dazu kommen heute noch die seit 1985 geleisteten Finanzzuweisungen aufgrund des neu eingeführten §21 FAG 1985, die dieses Verhältnis weiter verringern. Statistische Zahlen und Berechnungen liegen hiezu noch nicht vor.
Abschließend ist auch noch festzustellen, daß nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 10068/1984) davon auszugehen ist, daß §4 F-VG 1948 auf die Maßnahmen nach den §§2 und 3 F-VG 1948 in ihrer Gesamtheit abstellt. Danach ist der Finanzausgleich derart zu gestalten, daß im Großen und Ganzen im Endeffekt dem Recht auf bundesweite Gleichbehandlung entsprochen wird. Die gegen einzelne Instrumentarien des FAG 1989 gerichteten Bedenken können daher immer nur im Zusammenhalt mit allen anderen finanzausgleichsrechtlichen Regelungen (insbesondere §10 Abs1 und 2, §21 und die Landesumlagen) verfassungsrechtlich beurteilt werden.
III.
Zu den Bedenken im Hinblick auf die Volkszahl:
1. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, daß es §4 F-VG 1948 widerspreche, wenn Personen mit mehreren ordentlichen Wohnsitzen bei der Verteilung der gemeinschaftlichen Ertragsanteile nicht berücksichtigt werden.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Kosten, die allenfalls durch Zweitwohnungsbesitzer einer Gemeinde verursacht werden, bei der Verteilung der Besteuerungsrechte, also durch eine andere finanzausgleichsrechtliche Maßnahme, Berücksichtigung finden. In diesem Zusammenhang sind die Fremdenverkehrsabgaben (insbesondere die in den meisten Ländern vorgesehene Abgabe für Ferienwohnungen), die Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern und die Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen anzuführen. Diese Abgaben, die zum Teil schon gemäß §14 Abs2 FAG 1989 ausschließliche Gemeindeabgaben sind (wie die Interessentenbeiträge und die Benützungsgebühren) und zum Teil auf Grund landesgesetzlicher Regelung gemäß §8 Abs2 FAG 1989 ausschließliche Landes- oder Gemeindeabgaben oder gemeinschaftliche Landesabgaben (wie die Fremdenverkehrsabgaben) sind, sind Teil der in den §§2 und 3 F-VG 1948 vorgesehenen einfachgesetzlichen Regelung. In Niederösterreich besteht derzeit nur die Ortstaxenabgabe, eine Abgabe für Ferienwohnungen wird nicht eingehoben. Die Ortstaxe ist auf Grund landesgesetzlicher Anordnung eine ausschließliche Gemeindeabgabe.
2. Sollte es trotz dieser Besteuerungsmöglichkeiten in Gemeinden oder Ländern zu Härten kommen, bietet das Finanzausgleichsgesetz 1989 ausreichende Korrekturmöglichkeiten, wie etwa §§10 Abs2 und 21 FAG 1989, aber vor allem auch die von der Niederösterreichischen Landesregierung nicht erwähnten Bedarfszuweisungsmittel gemäß §10 Abs1 zweiter Satz FAG 1989 in Höhe von 13,5 v.H. der Gemeindeertragsanteile ohne Spielbankabgabe, die in Niederösterreich für 1989 rund 1,4 Mrd S betragen. Damit kann für besondere Einzelfälle, die bei einer bundesweiten, auf den Durchschnittsfall abstellenden Regelung nicht berücksichtigt werden können, eine sachgerechte und bedarfsadäquate Mittelausstattung der Gemeinden gewährleistet werden.
3. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß es im Rahmen des dem Finanzausgleichsgesetzgeber zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes liegt, bei Verteilung der Mittel des Finanzausgleiches auf der Grundlage einer eindeutigen Zuordnung jedes Staatsbürgers aufzubauen. Würde der Finanzausgleichsgesetzgeber bei der Verteilung der Ertragsanteile auf weitere ordentliche Wohnsitze, die erst zu definieren wären, Rücksicht nehmen, wären zum einen weitgehende Manipulationen betreffend den ordentlichen Wohnsitz zu befürchten, zum anderen würde es neben dem an und für sich schon sehr aufwendigen Volkszählungsverfahren eines weiteren - kostspieligen - Verfahrens der Ermittlung dieser weiteren ordentlichen Wohnsitze bedürfen.
Im übrigen ist hier festzuhalten, daß es bei der Entscheidung des nach dem Volkszählungsgesetz relevanten ordentlichen Wohnsitzes nicht allein auf die persönliche Erklärung des betreffenden Einwohners ankommt. Das Österreichische Statistische Zentralamt hat in einem strittigen Wohnsitzfall an Hand der Stellungnahmen der betroffenen Gemeinden den tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen festzustellen. Der Einwohner wird jener Gemeinde zugesprochen, zu der er auf Grund der verschiedenen festgestellten Lebensumstände ein überwiegendes Naheverhältnis hat. Nur für den Ausnahmefall, in dem der Bezug zu den beiden Gemeinden sozusagen 'ausgeglichen' ist, ist die vom Betroffenen selbst angegebene Zurechnung maßgeblich.
Eine Differenzierung nach weiteren ordentlichen Wohnsitzen und sonstigen Wohnsitzen ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht vollziehbar und erschiene weiters wegen der dafür notwendigen weiteren Ermittlungen im Hinblick auf das Grundrecht auf Datenschutz und die Akzeptanz durch die Bevölkerung problematisch. Bei der Volkszählung 1991 wird mit einer Zahl von rund 100.000 strittigen Wohnsitzfällen gerechnet, für die es ein Hör- und Zurechnungsverfahren und eine entsprechende Dokumentation geben wird. Die Verfeinerung dieser Zurechnung würde einerseits die Beurteilung des Einzelfalles schwieriger und damit wesentlich zeitaufwendiger machen und andererseits mehr Entscheidungsgrundlagen insbesondere mehr und eingehendere Fragen an die betroffenen Personen erfordern."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen - Gesetzesprüfungsantrag erwogen:
1.a) Das allgemeine Gleichheitsgebot des Art7 B-VG gilt auch für den Finanzausgleichsgesetzgeber. Es wird für den Bereich des Finanzausgleiches durch §4 F-VG 1948 zum Ausdruck gebracht; danach hat die in den §§2 und 3 vorgesehene finanzausgleichsrechtliche Regelung in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden. (Gemäß §2 haben der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt, (endgültig selbst) zu tragen; hievon dürfen aber Ausnahmen vorgesehen werden. §3 normiert, daß die Bundesgesetzgebung die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge zwischen den Gebietskörperschaften regelt und außerdem den anderen Gebietskörperschaften Finanzzuweisungen und Finanzzuschüsse gewähren kann; weiters ermächtigt die Bestimmung die Länder zur Einführung von Gemeindeumlagen.)
Daraus ergibt sich zunächst, daß die Finanzausgleichsgesetzgebung von zwei Faktoren auszugehen hat:
nämlich zum einen vom Finanzbedarf, der sich aus den Lasten ergibt, die mit der Besorgung der den einzelnen Gebietskörperschaften obliegenden Pflichtaufgaben, aber auch der von ihnen ohne (ausdrücklichen) gesetzlichen Auftrag übernommenen Agenden verbunden sind; zum anderen sind die der jeweiligen Gebietskörperschaft zufließenden Einnahmen (zu denen insbesondere, aber keineswegs ausschließlich, Abgaben iS der §§5 ff. F-VG 1948 gehören) relevant. Die in den (auf der Stufe eines einfachen Gesetzes stehenden) Finanzausgleichsgesetzen (so im §10 Abs4 FAG 1989) erwähnte "Finanzkraft" ist bloß einer der Indikatoren für die finanzielle Leistungskraft der Gemeinde (vgl. VfSlg. 11577/1987, 695 f.).
Art und Ausmaß der Lasten wie der Einnahmen werden von den einzelnen Gebietskörperschaften teils autonom, teils heteronom bestimmt, wobei zahlreiche Wechselbeziehungen und gegenseitige Einwirkungen bestehen, die bei Regelung des Finanzausgleiches Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Gebietskörperschaften erfordern.
Schließlich geht aus §4 F-VG 1948 hervor, daß die einzelnen finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen nicht isoliert betrachtet werden dürfen; vielmehr hat - unter Beachtung der beiden erwähnten Faktoren - die Finanzausgleichsgesetzgebung insgesamt ein System zu entwickeln, das dem Gebot des §4 F-VG 1948 und des Art7 B-VG entspricht.
All das aber bedeutet, daß die Bundesverfassung dem Finanzausgleichsgesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum läßt und ihm nur minimale Handlungsanweisungen erteilt, wie die einzelnen finanzausgleichsrechtlichen Regeln inhaltlich zu fassen sind.
So steht dem Finanzausgleichsgesetzgeber ein weiter rechtspolitischer Freiraum in der Auswahl sowohl der mit dem Finanzausgleich anzustrebenden Ziele als auch des hiebei eingesetzten Instrumentariums zu.
Die vorgesehenen Mittel dürfen nur nicht von vornherein zur Zielerreichung und zur Herstellung des oben geschilderten angemessenen Ausgleiches zwischen den (divergierenden) finanzpolitischen Interessen der Gebietskörperschaften ungeeignet sein oder sonst dem Gleichheitsgrundsatz widerstreiten (vgl. zB VfSlg. 8457/1978, 9280/1981).
Ein dem Gebot des §4 F-VG entsprechendes, sachgerechtes System des Finanzausgleiches setzt schon im Vorfeld der Gesetzgebung eine Kooperation der Gebietskörperschaften voraus, die durch politische Einsicht und gegenseitige Rücksichtnahme bestimmt ist. Ein solches komplexes System kann nur bei eingehender Kenntnis der bestehenden weitverzweigten, komplizierten Rechtsordnung und der gegenwärtigen und künftig zu erwartenden wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten und Interessen sowie durch gegenseitige Rücksichtnahme und einen das Gesamtwohl beachtenden Ausgleich der (allenfalls divergierenden) Interessen der Gebietskörperschaften geschaffen werden.
Vor Erlassung des Finanzausgleichsgesetzes sind also entsprechende Beratungen zwischen den Vertretern der Gebietskörperschaften unabdingbar (wobei die Gemeinden durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund zu vertreten sind - Art115 Abs3 B-VG). Führen diese Gespräche zumindest in den wesentlichen, grundsätzlichen Belangen zu einem Einvernehmen, so kann in aller Regel davon ausgegangen werden, daß eine dem Art4 F-VG 1948 entsprechende Gesamtregelung getroffen wurde. Es ist nämlich nicht anzunehmen, daß die mit der Sach-, Rechts- und Interessenslage vertrauten Vertreter der Gebietskörperschaften bei den auf Erzielung eines Konsenses abzielenden Verhandlungen zu einem Ergebnis gelangen, dem entgegenhalten werden könnte, es sei exzessiv unrichtig.
Ein - den Art7 B-VG und den §4 F-VG 1948 verletzender - Fehler des Gesetzgebers liegt im gegebenen Zusammenhang demnach nur dann vor, wenn einzelne (nicht das Gesamtsystem berührende) Bestimmungen zueinander in sachlich nicht rechtfertigbarem Widerspruch stehen (wie etwa bei Benachteiligung zweier Städte mit eigenem Statut ohne Bundespolizeibehörden - VfSlg. 10633/1985), oder aber wenn die Partner der Finanzausgleichsverhandlungen von völlig verfehlten Prämissen ausgingen oder die artikulierte Interessenlage eines Partners geradezu willkürlich ignoriert oder mißachtet wurde.
b) Die "Paktierung" des Finanzausgleiches für einen bestimmten künftigen Zeitraum hat sohin zur Folge, daß eine einseitige Änderung während der Laufzeit nicht bloß der politischen Fairness widersprechen kann, sondern auch das eine Einheit bildende Gesamtsystem des Finanzausgleiches schwerwiegend gestört wird und damit der geänderte Finanzausgleich in Widerspruch zu §4 F-VG 1948 gerät.
Die Finanzausgleichsgesetze haben von den tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Erlassung auszugehen. Da sich in der Folge diese Tatsachen häufig in wesentlicher Hinsicht ändern, werden die Finanzausgleichsgesetze sinnvollerweise jeweils (eher kurz) befristet. Treten während des zeitlichen Geltungsbereiches des jeweiligen Finanzausgleichsgesetzes derartige Änderungen ein, so muß diesen beim nächsten Finanzausgleich Rechnung getragen werden. Allerdings werden die gebotenen Anpassungen vielfach nur allmählich mit entsprechenden Übergangsvorschriften zu erfolgen haben, sollen sie nicht ihrerseits mit den wiederholt erwähnten verfassungsrechtlichen Geboten in Widerspruch geraten.
Kommt eine Änderung des Finanzausgleiches überraschend und ist sie einschneidend, so kann sie für eine (Gruppe von) Gebietskörperschaft(en) mit einem derart gravierenden finanziellen Verlust verbunden sein, daß die Neuregelung ihrerseits dem Gebot des §4 F-VG widerspricht. Beispielsweise gehen etwa Zuweisungsbeträge, die eine Gemeinde (oder die eine Gruppe von Gemeinden) durch eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes gewinnt, den anderen Gemeinden oder aber dem Bund oder den Ländern verloren; so bewirkt eine Änderung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels für eine Gruppe von Gemeinden (große) Vorteile, für die andere aber (große) Nachteile. Jede Änderung des Finanzausgleiches bringt demnach - ist sie gravierend - für jene Gebietskörperschaften, zu deren Nachteil sie geht, bedeutende finanzielle Schwierigkeiten mit sich, die den nach §4 F-VG 1948 anzustrebenden Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben empfindlich stören.
Ist eine bestimmte finanzausgleichsrechtliche Regelung nicht (mehr) sachgerecht, so kann in der Regel nur eine schrittweise Änderung eine dem §4 F-VG 1948 entsprechende Lösung bieten, weil die finanzielle Gebarung der Gemeinden und auch der anderen Gebietskörperschaften zumindest mittelfristig auf ein bestimmtes erwartetes Aufkommen abgestimmt ist (vgl. zur Frage eines schrittweisen Abbaus bestehender Rechte die - wenngleich andere Rechtsgebiete betreffenden - Erkenntnisse VfSlg. 8871/1980; VfGH 3.10.1988 B887/85; vgl. auch SMEKAL/THEURL (Hg.), Finanzkraft und Finanzbedarf von Gebietsköperschaften, Wien 1990, 241).
c) Die mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof hat bestätigt, daß zumindest ab 1979 der Beschlußfassung über die jeweiligen Finanzausgleichsgesetze stets intensive Beratungen vorangingen. An diesen Beratungen nahmen Vertreter aller Gebietskörperschaften teil. Als Sprecher der Gemeinden traten der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund auf. Hiebei wurden auch jene Themen behandelt, die dann ua. in den zur Aufhebung beantragten Gesetzesbestimmungen des FAG 1989 ihren Niederschlag fanden. Als in das Gesamtsystem des Finanzausgleiches ab dem Jahr 1979 eingebettete Regelungen fanden auch diese Vorschriften letztendlich die Zustimmung aller Partner der Finanzausgleichsverhandlungen.
d) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß das FAG 1989 aufgrund der vorstehenden grundsätzlichen Erwägungen (lita und b) unter den geschilderten Umständen (litc) in folgenden Fällen mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Fehler behaftet wäre: Die Partner der Finanzausgleichsverhandlungen (und ihnen folgend der Gesetzgeber) sind von völlig unrichtigen faktischen Gegebenheiten ausgegangen; es wurden offenkundig extrem verfehlte Mittel zur Erzielung eines sachgerechten Finanzausgleiches eingesetzt; einzelne Gebietskörperschaften wurden gezielt benachteiligt oder bevorzugt; die notwendigen Anpassungen an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse wurden - auch unter Beachtung des Zeithorizontes - nicht vorgenommen oder in die Wege geleitet.
2. Die Verfassung verletzende Fehler im Sinne der vorstehenden Ausführungen haben sich nicht ergeben:
a) Was den abgestuften Bevölkerungsschlüssel im allgemeinen anlangt, hat sich der Verfassungsgerichtshof mit diesem Thema im Erkenntnis VfSlg. 9280/1981 eingehend auseinandergesetzt. Von der Literatur wurde an diesem Erkenntnis u.a. kritisiert, daß der Anteil und damit die Bedeutung der vom abgestuften Bevölkerungsschlüssel beeinflußten Erträge der Gemeinden höher (nämlich etwa 45 % statt 25 %) sei, als in der Vorjudikatur angenommen wurde.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Äußerung auf eine Berechnung, die sie im Gesetzesprüfungsverfahren G89-225/89 (s.o. I.3) vorlegte. Darin wird - unbestritten und durch statistische Daten belegt - dargestellt, daß die seinerzeitige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, die auf dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel beruhenden Ertragsanteile betrügen etwa 25 %, dann zutrifft, wenn sie in diesem Zusammenhang in Relation zu den Gemeindeeinnahmen insgesamt (Gemeindeabgaben, Ertragsanteile, Bedarfszuweisungen, Finanzzuweisungen, Landesumlage und sonstige Zahlungen aufgrund von besonderen Gesetzen) gesetzt werden; dieser Anteil sank in den letzten Jahren sogar. Nur wenn die Bedeutung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels allein danach beurteilt wird, in welchem Verhältnis die nach diesem Schlüssel errechneten Ertragsanteile zu den Gesamteinnahmen der Gemeinden aus Abgaben (Gemeindeabgaben und Ertragsanteile) stehen, ergibt sich aus diesen Unterlagen, daß der Prozentsatz im Durchschnitt 45 % (und nicht 25 %) ausmacht.
In der Literatur (zB BAUER-PALECZNY-SCHULMEISTER, Aufgaben der Gemeinden, 1977, S 215 ff, insb. 221, 223; MATZNER (Hrsg.), Öffentliche Aufgaben und Finanzausgleich, 1977, S 112 ff, insb. 115 ff; 201 f, 282, 306, 311; KLEPS-MALINSKY, Finanzierungsprobleme staatlicher Raumordnungspolitik, Wien 1975, S 26; SEIPELT, Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel und seine Existenzberechtigung, ÖGZ 12/1978, S 262 ff, insb. 266, 268; vgl. auch die in VfSlg. 9280/1981 zitierte Literatur) wird vielfach behauptet, die Kosten (insbesondere jene der Infrastruktureinrichtungen) der Gemeinden wüchsen mit steigender Bevölkerungszahl überproportional an.
Die Niederösterreichische Landesregierung behauptet das Gegenteil (s.o. I.4.b). Auch diese gegenteilige Meinung wird durch Literatur gestützt (vgl. zB OBERMANN, Zur Diskussion über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel im österreichischen Finanzausgleich, ZfV 1981/6, S 531 ff., inbes. 534; SMEKAL/THEURL (Hg.), aaO, S 239 ff., 275 ff.; vgl. auch die jeweils dort zitierte weitere Literatur).
Die von der Wissenschaft aus den empirischen Feststellungen gezogenen Schlußfolgerungen ergeben also auf diesem Gebiet kein einheitliches und eindeutiges Bild. Da ferner - wie schon dargetan - der Finanzbedarf der Gemeinden weitgehend von regionalen oder überregionalen politischen Willensbildungsprozessen abhängt, und da schließlich der Finanzausgleich ein Gesamtsystem bildet, dessen Elemente im Prinzip nicht einzeln betrachtet werden können, erweisen sich - entgegen der vorläufigen Annahmen im seinerzeitigen Einleitungsbeschluß von A1-137/89 (s.o. I.3) - unter den geschilderten, für die Beurteilung des FAG 1989 bedeutsamen Gegebenheiten die im Gesetzesprüfungsantrag vorgebrachten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des abgestuften Bevölkerungsschlüssels (nämlich hinsichtlich der mangelnden Sachgerechtigkeit im allgemeinen sowie der Größenklassen und des gewählten Multiplikators im besonderen) als unzutreffend.
Damit wird jedoch dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel weder im Prinzip noch in seiner derzeitigen Ausformung attestiert, daß er auch in Zukunft vor dem Art7 B-VG und dem §4 F-VG Bestand haben wird. Vielmehr werden die Partner der kommenden Finanzausgleichsverhandlungen zu überlegen haben, ob der eingeschlagene Weg einer Abflachung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels (siehe hiezu die in der - oben zu I.5. wiedergegebenen - Äußerung der Bundesregierung unter II.3. geschilderte historische Entwicklung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels) fortzusetzen ist (zuletzt wurde mit dem FAG 1985 der bis dahin für Gemeinden bis 1000 Einwohner vorgesehene Multiplikator (1 1/4) beseitigt und statt dessen für alle Gemeinden bis 10.000 Einwohner einheitlich der Multiplikator mit 1 1/3 bestimmt); außerdem wird auf die Einwände Bedacht zu nehmen sein, die im Zuge dieses Gesetzesprüfungsverfahrens und in der Literatur gegen den abgestuften Bevölkerungsschlüssel vorgebracht wurden.
Ferner wird zu bedenken sein, daß die derzeit geltende Stufenregelung zu Härten führt, die in dieser Schärfe möglicherweise unnötig sind. Es wird daher Sache künftiger Finanzausgleichsverhandlungen und des Gesetzgebers sein, zu überdenken, ob die Tarifsprünge an den Stufenübergängen nicht gemildert werden sollen, sofern überhaupt (noch) am abgestuften Bevölkerungsschlüssel festgehalten wird (vgl. SMEKAL/THEURL (Hg.), aaO, 289; FICKL/NUSSBAUMER, Quantitative Auswirkungen des heiß umkämpften abgestuften Bevölkerungsschlüssels im österreichischen Finanzausgleich, WiPolBl 5/1990, S 540 ff, insb. 549 f).
b) Die Niederösterreichische Landesregierung bringt auch Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der mit der Volkszahl zusammenhängenden Regelungen des FAG 1989 vor (s.o. I.4.c); es sei unsachlich, Personen mit mehreren ordentlichen Wohnsitzen bei der Verteilung der gemeinschaftlichen Ertragsanteile nur bei einer einzigen Gemeinde zu berücksichtigen.
Vor dem Hintergrund der obigen allgemeinen Ausführungen (II.1.) zum Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Finanzausgleiches teilt der Verfassungsgerichtshof auch diese Bedenken nicht:
Ob und inwieweit eine andere als die derzeit geltende Regelung (einen Einwohner finanzausgleichswirksam nur einer einzigen Gemeinde zuzurechnen) verwaltungsökonomische Schwierigkeiten mit sich brächte, braucht nicht näher erörtert zu werden. Solche verwaltungsökonomischen Überlegungen allein würden nämlich die Sachlichkeit der bestehenden Regelung noch nicht nachweisen.
Zu bedenken ist aber, daß die Bevölkerungszahl nur einer der Anknüpfungspunkte für die Verteilung der gemeinschaftlichen Abgaben, der Finanzzuweisungen und der Zweckzuschüsse ist. Wenn der Finanzausgleichsgesetzgeber auf die Besonderheiten von Gemeinden, in denen es Personen mit einem zweiten Wohnsitz gibt, nicht Bedacht genommen hat, kann ihm nach den vorstehenden allgemeinen Ausführungen daraus kein verfassungsrechtlicher Vorwurf gemacht werden. Es ist dem Finanzausgleichsgesetzgeber nämlich unmöglich, abgesehen von der Bevölkerungszahl schlechthin auch alle übrigen denkbaren Aspekte zu berücksichtigen, die dem Umstand, daß jemand in einer Gemeinde (bloß) den zweiten Wohnsitz hat, gleichwertig sind - sind doch die hiebei denkbaren Faktoren derart vielfältig, daß nur eine vergröbernde und verallgemeinernde Betrachtung zu einer handhabbaren Regelung führt.
Auch die von der Bundesregierung in ihrer Äußerung (s.o. I.5.) für die Sachlichkeit der Regelung ins Treffen geführten Argumente, daß das FAG 1989 Möglichkeiten biete, einen Ausgleich für die bei Verteilung der gemeinschaftlichen Ertragsanteile übergangenen Gebietskörperschaften zu finden, sind zumindest plausibel. So erlauben etwa §10 Abs1 und 2 sowie die §§21 und 22 FAG 1989 entsprechende Korrekturen. Beachtenswert ist auch, daß die Begründung eines Wohnsitzes in einer Gemeinde nicht bloß kostenverursachend, sondern für diese auch ganz allgemein einnahmensteigernd wirken kann. Die Auswirkungen der bekämpften Regelung werden ferner dadurch relativiert, daß etwa Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen und allenfalls bestimmte Abgaben für Personen vorgesehen werden können, die in der Gemeinde (bloß) den zweiten Wohnsitz haben. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß finanzausgleichswirksame Regelungen auch außerhalb der jeweiligen als solche bezeichneten Finanzausgleichsgesetze bestehen, wie etwa über die Errichtung bestimmter Fonds (zB des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds oder des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds), mit deren Hilfe Aufgaben verschiedener Gebietskörperschaften finanziert oder gefördert werden.
Bei Schaffung künftiger Finanzausgleichsgesetze wird aber auch besonders darauf zu achten sein, daß Mehrbelastungen, die bestimmten (Gruppen von) Gemeinden aufgrund besonderer Umstände - wie etwa, daß dort Personen einen Zweitwohnsitz begründet haben - erwachsen, insgesamt gebührend berücksichtigt werden.
c) Die von der antragstellenden Landesregierung erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken richten sich gegen alle im Zusammenhang mit dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel und der Volkszahl stehenden Bestimmungen, also nicht bloß gegen jene über die Verteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (§§8 ff.), sondern auch gegen jene über die Finanzzuweisungen und die Zuschüsse. Besondere Ausführungen zu den §§20 ff. enthält der Prüfungsantrag nicht. Es erübrigt sich daher hier auch eine weitere Erörterung.
d) Die von der antragstellenden Landesregierung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken treffen sohin insgesamt nicht zu.
Der Antrag war mithin abzuweisen.
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